• Keine Ergebnisse gefunden

Howard, Michael, The Continental Commitment. The Dilemma of British Defence Policy in the Era of Two World Wars, London 1972.

Kershaw, Ian, Making Friends with Hitler. Lord Londonderry and Britain’s Road to War, London 2004.

Macmillan, Harold, Winds of Change 1914–1939, London 1966.

Mason, Francis K., Battle over Britain. A History of the German Air Assaults on Great Britain, 1917–18 and July–December 1940, and of the Development of Britain’s Air Defence between the World Wars, London 1969.

Maugham, Viscount, At the End of the Day, London 1954.

Middlemas, Keith/John Barnes, Baldwin. A Biography, London 1969.

Murray, Williamson, The Change in the European Balance of Power, 1938–1939. The Path to Ruin, Princeton 1984.

Neillands, Robin, The Bomber War, London 2001.

Overy, Richard, The Air War 1939–1945, London 1980.

Parker, R.A.C., Chamberlain and Appeasement. British Policy and the Coming of The Second World War, New York 1993.

Peden, George, British Rearmament and the Treasury. 1932–1939, Edinburgh 1979.

Probert, Henry, Bomber Harris, London 2003.

Roberts, Andrew, »The Holy Fox«. A Biography of Lord Halifax, London 1991.

Rocca, Gianni, Cadorna. Il Generalissimo di Caporetto, Mailand 1985.

Self, Robert, Neville Chamberlain. A Biography, London 2006.

Self, Robert (Hg.), The Neville Chamberlain Diary Letters, Bd. 4: The Downing Street Years, 1934–1940, London 2005.

Slessor, Sir John, The Central Blue, London 1956.

Smart, Robert, Neville Chamberlain, Abingdon 2010.

Smith, Malcolm, British Air Strategy between the Wars, Oxford 1984.

Taylor, A. J. P., The Second World War. An Illustrated History, London 1975.

Templewood, Viscount, Neun bewegte Jahre. Englands Weg nach München, Düsseldorf 1955.

Terraine, John, The Right of the Line. The RAF in the European War 1939–1945, London 1985.

Völker, Karl-Heinz, Die deutsche Luftwaffe 1933–39, Stuttgart 1967.

Wark, Wesley K., Ultimate Enemy. British Intelligence and Nazi Germany 1933–1939, Oxford 1986.

Watt, Donald C., How War Came. The immediate Origins of the Second World War, 1938–

1939, London 1989.

Webster, Sir Charles/Noble Frankland, The Strategic Air Offensive against Germany 1939–

1945, Bd. 1, London 1961.

Zetland, Lawrence Marquess of, ›Essayez‹, London 1956.

Nuclear fear , konventionelle Kriege und die

Instrumentalisierung von Angst in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg

1

»I am become Death, the destroyer of worlds.«2An diesen Satz aus einem hin-duistischen Gebetsbuch soll sich Robert Oppenheimer erinnert haben, als er die Explosion der ersten Atombombe im Juli 1945 verfolgte.3Bis heute gibt es nur wenige Wendungen, die die Angst vor der Bombe in der Mitte des 20. Jahr-hunderts mit so wenigen Worten so präzise beschreiben. Und der Vater der ersten Nuklearwaffe sollte mit dieser Angst nicht alleine bleiben. Nachdem nur Wochen nach demTrinity-Test die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen, erfassten angstvolle Gefühle weite Teile der US-Gesellschaft und damit jener Nation, die (damals) als einzige in der Lage war, diese Waffe einzusetzen.

Die Angst vor der Bombe war nicht bloßdie Angst vor einer weiteren Waffe. Die Angst vor der Bombe war in großen Teilen derÖffentlichkeit und auch bei so manchen – wenn auch nicht bei allen – politisch-militärischen Entscheidungs-trägern4die Angst vor dem Ende der menschlichen Zivilisation; vor dem Ende der Welt. Genau diese Angst, ihre Auswirkungen, ihre Genese und vor allem ihre Implikationen im US-amerikanischen Kontext zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und den frühen 1960er Jahren wollen wir im Folgenden näher be-trachten.

Dabei gilt es, einer These nachzugehen. Nämlich der, dass die von den Menschen empfundene, von Anfang an präsente Angst vor der Atombombe in den USA von der US-Regierung instrumentalisiert wurde. Die Exekutive ver-folgte dabei ein außen- wie innenpolitisch relevantes Ziel: Die eigene Bevö lke-1 Ich danke Patricia Wiegmann und Marcus Sonntag für ihre wertvollen Hinweise, Anregungen und Korrekturen. Die Verantwortung für diese Zeilen liegt jedoch allein bei mir. Jedwede Form von Kritik fällt allein auf mich zurück, SH.

2 Zitiert nach Spencer R. Weart, Nuclear Fear. A History of Images, Cambridge 1988, S. 101.

3 Vgl. ebd. Zum gespaltenen Verhältnis Oppenheimers zur Atombombe vgl. Kai Bird/Martin J.

Sherwin, American Prometheus. The Triumph and Tragedy of Robert J. Oppenheimer, New York 2005.

4 Für eine Detailstudie zu den unterschiedlichen Haltungen verschiedener Politiker gegenüber der Bombe vgl. John Lewis Gaddis u.a. (Hg.), Cold War Statesmen Confront the Bomb.

Nuclear Diplomacy since 1945, Oxford 1999.

rung hinter der eigenen, harten Linie im Kampf gegen den weltweiten Kom-munismus zu sammeln. Gleichzeitig werden wir aber sehen, wie schwierig diese Instrumentalisierung umzusetzen war. Für die US-Administrationen von Harry S. Truman und Dwight D. Eisenhower war es entscheidend, die richtige Dosis Angst zu kommunizieren, der US-Gesellschaft das richtige Maßdiesernuclear fearzu vermitteln. Denn nur so konnte es den Regierungen gelingen, die Angst vor der Bombe so einzusetzen, dass sie im Kalten Krieg innen- und vor allem außenpolitisch nutzbar blieb, ohne zu einer Gefahr für die Intentionen der Administrationen zu werden. Dieser Versuch der Instrumentalisierung von Ängsten war im Kalten Krieg nicht nur für die Angst vor der Bombe von Be-deutung. Das Spiel mit der Angst war einer der fundamentalen Mechanismen des Kalten Krieges.

Auf den folgenden Seiten werden wir zunächst die Genese dernuclear fearin den USA betrachten, ehe wir uns in einem zweiten Teil der eigentlichen In-strumentalisierung dieser Angst widmen. Zunächst sollen uns vor allem ö f-fentlicheÄußerungen beschäftigen, die sichtbar machen, wie sehr sich 1945 zwei grundlegende, angstvolle Strömungen zurnuclear fearbündelten, und wie diese schließlich rasch in den USA um sich griff. Wenn wir auf die Instrumentalisie-rung von Angst schauen, ist im Anschluss besonders ein Blick auf die einstmals streng geheimen Regierungsdokumente des National Security Council auf-schlussreich. Diese offenbaren, wie offen im Weißen Haus und im Pentagon (hinter den Kulissen) Angst als Waffe begriffen wurde. In einem dritten Ab-schnitt werden wir die Grenzen der Instrumentalisierbarkeit dernuclear fear schlaglichtartig behandeln. Wie sehr der Umgang mit der Angst vor nuklearen Auseinandersetzungen dem mit der Angst vor konventionellen Kriegenähnelte, wird dann in einem abschließenden Teil noch einmal gezeigt: Angstvolle Ge-fühle spielten ganz allgemein für die Durchsetzung außenpolitischer Ziele in den USA im Kalten Krieg eine gewichtige Rolle.

Noch ein Wort zu den Begrifflichkeiten: Während des größten Teils des Aufsatzes wird die Angst vor der Bombe allgemein als ebensolche beschrieben werden – als Angst oder als nuclear fear, wie es im Englischen heißt.5 Das geschieht so, weil spätestens mit der Einleitung dieses Bandes deutlich geworden ist, wie schwer sich die unterschiedlichen Angst-Begriffe und ihre Definitionen gegeneinander abgrenzen lassen und wie individuell Zuschreibungen von Angst oder Furcht waren und sind. Das spiegelt sich nicht zuletzt darin, dass auch Zeitgenossen alle möglichen Wendungen für die Angst vor der Bombe parallel und synonym füreinander benutzt haben.Fear,scare,anxietyfinden sich zum Beispiel in US-Zeitungen aus der Zeit des Kalten Krieges gleichermaßen, ohne 5 Die Wendungnuclear fearwird in diesem Aufsatz in Anlehnung an die Monografie von

Spencer R. Weart benutzt. Vgl. Weart, Nuclear Fear.

dass stets ein Bedeutungsunterschied deutlich wäre. An einigen Punkten wurde in Bezug auf die Angst vor der Bombe bisweilen auch vonpanicgesprochen, eben jenem angstvollen Gefühl, das sich jenseits kalkulierbarer Emotionen be-wegt.

Freilich lassen sich dieseÄngste, das hat die Einleitung ebenfalls gezeigt, trotzdem sinnvoll historisieren. Die verschiedenen Begriffe lassen sich als Analysekategorien nutzen, bei deren Anwendung es wichtig ist, sich zu verge-genwärtigen, wie sehr es sich dabei um Konstrukte von Historikern handelt, die über Vergangenes gelegt werden. Genau das werden wir kurz vor Schluss dieses Aufsatzes tun und dann auf eine Unterscheidung der Begrifflichkeiten zur Angst zurückkommen – und dabei auch sprachlich noch einmal die großen Linien der nuclear fearim Nachkriegs-Amerika zeichnen.

Angst vor dem Atom, Angst vor dem Tod aus der Luft – Grundlagen der nuclear fear

Anders als die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki traf dienuclear fear in den USA 1945 die Menschen nicht aus dem Nichts; auch wenn ihr Um-Sich-Greifen in der US-Gesellschaft nach Bekanntgabe der Angriffe auf die japani-schen Städte plötzlich zu sein schien. Zwei angstvolle Traditionslinien bündelten sich im August 1945 in dernuclear fear: die Angst vor einem Luftkrieg und die Angst vor der Welt der Atome.

Spätestens mit dem Flug der Gebrüder Wright im Jahre 1903 war die Frage des militärischen Einsatzes von Flugzeugen in den strategischen und kriegspoliti-schen Debatten präsent. Vor allem die Möglichkeiten des strategischen Bom-bardements feindlicher Ziele waren ein zentrales Thema. Die Grundidee des strategischen Luftkrieges ruhte auf zwei Annahmen: Erstens, »[that] the bomber will always get through«, wie es der britische Premierminister Stanley Baldwin 1932 im Unterhaus mit einer inzwischen berühmt gewordenen Wendung auf den Punkt brachte.6Zweitens ruhte sie auf derÜberzeugung, dass die modernen, komplexen städtischen Gesellschaften sehr anfällig für Bedrohungen ihres Hinterlands und mehr noch ihrer urbanen Zentren seien.7Hieraus entwickelte 6 Zitiert nach Francis K. Mason, Battle Over Britain. A History of the German Air Assaults on Great Britain, 1917–18 and July–December 1940, and of the Development of Britain’s Air Defences between the World Wars, 2. Aufl., Harvest Hill 1990, S. 13. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Lothar Höbelt in diesem Band.

7 Vgl. Tami Davis Biddle, Rhetoric and Reality in Air Warfare. The Evolution of British and American Ideas about Strategic Bombing, 1914–1945, Princeton 2002, S. 4, 7, 288–290;

Michael S. Sherry, The Rise of American Air Power. The Creation of Armageddon, New Haven 1987, S. 1–21.

sich seit den letzten beiden Jahren des Ersten Weltkrieges schnell die durch das 20. Jahrhundert dominierende Vorstellung von den Effekten strategischer Bombardierungen: Durch Angriffe auf so genannte Nervenzentren des Feindes, oft Städte, sei es möglich, einen bewaffneten Konflikt aus der Luft zu entschei-den.8

Der italienische General Giulio Douhet hatte wie kaum ein anderer diese Vorstellung in seinem 1921 erstmals erschienen BuchThe Command of the Air9 einer breitenÖffentlichkeit vorgestellt. Darin hießes: »How could a country go on living and working under this constant threat [of being bombed by aircrafts – SH], oppressed by the nightmare of imminent destruction and death? […] The brutal but inescapable conclusion we must draw is this: in the face of the technical developments of aviation today, in case of war the strongest army we can deploy […] and the strongest navy we can dispose […] will provide no effective defence against determined efforts […] to bomb […] cities.«10

Auch in den USA lösten derartige Vorstellungen Ängste vor einem kom-menden Luftkrieg aus. Nicht zuletzt die Bombardierung Großbritanniens durch die deutsche Luftwaffe während des Ersten Weltkrieges und dann auch während des Jahres 1940 ließbefürchten, dass Meere und Ozeane keinen Schutz vor dem Tod aus der Luft bieten würden.11

Die nuclear fear war aber gleichsam das Produkt der Angst vor der un-heimlichen Welt der Atome und der Berichte, die im Laufe der 1930er und 1940er Jahre aus den Laboren der Atomphysiker drangen12– zeitlich gesehen erstaun-lich parallel zur Entwicklung moderner Luftkriegstheorien. Zwar wurde in den Berichten aus den Laboren von allerhand vielversprechenden neuen Technolo-gien erzählt; zum Beispiel davon, dass es gesund sei, radioaktiven Nebel ein-zuatmen.13 Doch schwang bei all dem auch immer die Angst mit, dass eine Spaltung der kleinsten damals bekannten Teilchen das Ende der Welt

hervor-8 Vgl. ebd.

9 Giulio Douhet, The Command of the Air, Washington/DC 1983 [Nachdruck der 1921 er-schienenen Erstauflage].

10 Ebd., S. 22, S. 10.

11 Vgl. Biddle, Rhetoric and Reality in Air Warfare, insb. S. 176–213. Für einen Einstieg in die Geschichte strategischerÜberlegungen zum Einsatz von Atomwaffen vgl. Lawrence Freed-man, The Evolution of Nuclear Strategy, 3. Aufl., Houndmills 2003.

12 Für eine Detailstudie vgl. Philip L. Cantelon/Robert C. Williams (Hg.), The American Atom.

A Documentary History of Nuclear Policies from the Discovery of Fission to the Present, Philadelphia 1984. Für eine detaillierte, teilweise romanhaft erzählte Geschichte der US-Atomforschung und des Manhattan Projekts vgl. Richard Rhodes, The Making of the Atomic Bomb, New York 1986. Für eine weitere Detailstudie vgl. Jeff Hughes, The Manhattan Project.

Big Science and the Atom Bomb, 3. Aufl., Cambridge 2003.

13 Vgl. Weart, Nuclear Fear, S. 37.

bringen könnte. Wie es der Physiker Ernest Rutherford ausdrückte: »Some fool in a laboratory might blow up the universe unawares.«14

SolcheÄußerungen trugen wenig zur Beruhigung einer Welt bei, die in den 1930er Jahren immer tiefer ins Chaos zu sinken schien. Im Gegenteil – derartige Stimmen schürten die Angst vor den Atomen weiter, zeichneten sich doch zu-nehmend militärische Verwendungsmöglichkeiten ab: Als in die angespannte Stimmung des Jahres 1938 die Nachricht platzte, dass einige Wissenschaftler mit der kontrollierbaren Freisetzung gewaltiger Energiemengen durch die Spaltung von Atomen experimentierten, waren die beiden Vorläuferstränge der nuclear fearso eng beieinander wie niemals zuvor.15Mit dieser Nachricht rückte die nicht mehr »zufällige Explosion in einem Labor«, sondern der Transport von atombasierenden Bomben ins Hinterland des Gegners in den Bereich des Möglichen.

Intensiviert wurden dieseÄngste nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges weiter, als Berichteüber die Fortschritte der Deutschen bei der Atomforschung an dieÖffentlichkeit drangen. Nicht zuletzt die Berichte in den Zeitungen, die vom Kampf um »Schweres Wasser« handelten, halfen, die Angst vor möglichen Atomwaffen anzufachen.16 Mit den Abwürfen der ersten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 verschmolzen dieÄngste vor dem Luftkrieg und den Atomen in den USA miteinander – zurnuclear fear. Sie fand ihren Platz inmitten der US-amerikanischen Gesellschaft. Wenngleich es auch vereinzelt Stimmen gab, die im August 1945 die angeblich sorgenfreie Zukunft durch die Nutzung der Kernenergie priesen17,überwog von Beginn an die Angst vor dem neuen, atomaren Zeitalter und seinen Schrecken. Der US-Historiker Paul Boyer hat das mehrfach herausgearbeitet und betont, wie un-mittelbar nach den Bombeneinsätzen dienuclear fearin der US-Öffentlichkeit um sich griff.18Als bezeichnend für die ersten Reaktionen vieler Menschen auf die Nachricht von der Bombe beschrieb er »the child who, in a prayer shortly after Hiroshima, asked God to let his family all die together; the little girl who, when asked what she wanted to be when she grew up, replied ›alive‹«.19

So wird deutlich, dass die Genese dernuclear fearin den USA kein von einer vermeintlich übermächtigen Exekutive gesteuerter Prozess war. Um es noch deutlicher zu formulieren: Die US-Regierung »erfand« dienuclear fear 1945

14 Zitiert nach ebd., S. 18.

15 Vgl. ebd., S. 77–83.

16 Vgl. beispielhaft The New York Times, 4. April 1943, S. 18; 26. Dezember 1943, S. E5;

18. November 1944, S. 6.

17 Vgl. beispielhaft The New York Times, 12. August 1945, S. E4, S. 29.

18 Vgl. Paul Boyer, By the Bomb’s Early Light. American Thought and Culture at the Dawn of the Atomic Age, 2. Aufl., Chapel Hill 1994, insb. S. 3–26.

19 Ebd., S. 16.

nicht; ebenso wenig war sie selbst angstfrei im Angesicht der möglichen Ver-nichtung. Auch US-Präsident Truman beispielsweise empfand Angst vor der Bombe. In seinem privaten Tagebuch fand sich im Juli 1945, unmittelbar nach dem Trinity-Test, folgender Eintrag: »We have discovered the most terrible bomb in the history of the world. It may be the fire destruction prophesied in the Euphrates Valley Era, after Noah and his fabulous Ark.«20DenÄngsten vor dem Luftkrieg, vor den Atomen und vor dem, was aus der Überlagerung beider Ängste werden sollte, konnte auch er sich nicht verschließen.21

Wie existenziell dienuclear fearim August 1945 war, kann eine Karikatur aus derNew York Timesvom 12. August 1945 zusammenfassend deutlich machen.22 Freudestrahlend sitzt der Kriegsgott Mars auf einem Stuhl. In der Hand hält er eine große Kugel. Aufschrift: »Atomic Bomb. Guaranteed to Destroy Every-thing.« Offenkundig freut sich Mars, nach Jahrhunderten der technologischen Entwicklungen endlich die ultimative Waffe zu besitzen. Er kommentiert es mit zwei Worten: »At last.« Die kurze Textzeileüber der Karikatur bringt die Angst vor der Zukunft zum Ausdruck, die aus dieser Zeichnung spricht: »He must never rise again«. Die Botschaft könnte kaum klarer sein: Mit der Atombombe bewaffnet, wird – sollte es noch einmal zu einem großen Krieg kommen, sollte sich Mars noch einmal von seinem Stuhl erheben – die nächste bewaffnete Auseinandersetzung das Ende der Welt bedeuten. Denn die Bombe »garantiert, alles zu zerstören«.

Truman, Eisenhower und die geheimen Papiere des National Security Council

Die Zeichnung des stämmigen Mars’ zeigt uns noch etwas anderes als das Werden der Angst vor der Bombe. Sie beleuchtet schlaglichtartig, dass die nuclear fearin den USA im August 1945 bereits mit einer außenpolitisch be-deutsamen Komponente aufgeladen war. Wenn es um die Angst vor der Bombe ging, war die Frage sehr oft nicht: »Was können wir mit der Atombombe aus-richten?« Vielmehr fokussierten solche Fragestellungen die USA eben nicht als Besitzer der Waffe, sondern als deren potenzielles Opfer: »Was, wenn jemand eine solche Waffe in der Zukunft gegen uns einsetzen sollte?« Das war es, was mal mehr, mal weniger deutlich gefragt wurde.

20 Tagebucheintrag von Harry S. Truman, 25. Juli 1945, in: Robert H. Ferell (Hg.), Off the Record. The Private Papers of Harry S. Truman, New York 1980, S. 55 f.

21 Für Trumans ambivalente Haltung zur Atombombe vgl. auch S. David Broscious, Longing for International Control, Banking on American Superiority. Harry S. Truman’s Approach to Nuclear Weapons, in: Gaddis u.a. (Hg.), Cold War Statesmen Confront the Bomb, S. 15–38.

22 Vgl. Karikatur, He must never rise again, in: The New York Times, 12. August 1945, S. E4.

Und in diesem Klima der Angst verstärkte die US-Regierung dienuclear fear weiter. Die Administration von US-Präsident Truman instrumentalisierte sie – jetzt, da die Angst vor der Bombe schon einmal da war. Vermutlich zumindest ein wenig getragen von dem Willen, den Krieg gegen Japan mittels der Atom-bomben und nicht durch eine Invasion der japanischen Hauptinseln zu ent-scheiden23, stellten Truman und die seinen die angsteinflößende Zerstö rungs-kraft der Bombe heraus und machten damit Außenpolitik.

Das Statement Trumans zum Abwurf der ersten Atombombe24spiegelt diese Instrumentalisierung wider: Mit dem Abwurf der Bombe, so erklärte der Prä -sident unmittelbar nach dem Angriff auf Hiroshima, hätten die Vereinigten Staaten eine Waffe in den Händen, mit denen sie »a rain of ruin from the air«25 auf Japan niedergehen lassen könnten, sollte das Reich der aufgehenden Sonne weiterhin die Forderungen der Alliierten nach bedingungsloser Kapitulation nicht erfüllen. Die Bombe habe eine Sprengkraft von 20 000 Tonnen TNT-Equivalent gehabt, sagte er. Und weiter: »It is an atomic bomb. It is a harnessing of the basic power of the universe. The force from which the sun draws its power has been loosed against those who brought war to the Far East. […] [Henceforth we] shall destroy their docks, their factories and their communications. Let there be no mistake; we shall completely destroy Japan’s power to make war.«26 Tru-man verband damit in seinen Ausführungen luftkriegstheoretische Ansätze mit der Kraft der Atomspaltung – er kombinierte und betonte jene Faktoren, aus denen sich dienuclear fearkonstituierte. Diese Worte waren nicht nur an die Adresse Tokios, sondern ebenso an das US-amerikanische Volk gerichtet. Denn die Angst vor der Bombe in der US-Gesellschaft zu schüren, bedeutete glei-chermaßen, den Menschen ihre Wirkmacht zu erklären und damit den Glauben daran zu wecken, dass nach vier Jahren Krieg ein Ende des Ringens absehbar war. Die Regierung sprang nach 1945 also auf den Zug der atomarenÄngste auf, der durch den Abwurf der Bombenüber Hiroshima und Nagasaki ins Rollen gekommen war. Dass sie diesen Stahlkoloss trotzdem zu lenken versuchte, tut 23 Seit 1945 ist eine inzwischen nahezu nicht zuüberblickende Zahl von Publikationen zur Frage erschienen, warum Truman den Einsatz der Atombombenüber Japan befahl. Für einen Einstieg vgl. Dennis D. Wainstock, The Decision to Drop the Bomb, Westport 1996; Gar Alperovitz, The Decisionto Use the Atomic Bomb and the Architecture of an American Myth, London 1995. Das Buch von Alperovitz löste Mitte der 1990er Jahre (noch einmal) eine emotionale Debatte zum »Warum?« des Atombombeneinsatzes aus. Das US-Historiker-Netzwerk H-Net war ein Spiegel dieser Kontroverse, die sich online nachlesen lässt:<http://

www.doug-long.com/debate.htm>, [Stand: 8. Mai 2010]

24 Vgl. Harry S. Truman, Statement by the President Announcing the Use of the A-bomb at Hiroshima, August 6, 1945, in: Harry S. Truman, Public Papers of the Presidents of the United States, 1945, Containing the Public Messages, Speeches, and Statements of the President, April 12 to December 31, 1945, Washington 1961, S. 197.

25 Ebd.

26 Ebd.

dieser Feststellung keinen Abbruch; gerade nicht, weil Truman und auch die nachfolgenden US-Präsidenten noch erkennen sollten, wie schwer es sein würde, einen Zug zu lenken, der sich nur entlang eines normativ vorgeprägten Schie-nennetzes zu bewegen vermochte.

Die Instrumentalisierung dernuclear fear nach außen wie nach innen be-stimmte den Kalten Krieg insgesamt. Das Drohen mit dem zerstörerischen Potenzial der Bombe, das ist inzwischen in unzähligen Studien zum Kalten Krieg herausgearbeitet worden, gehörte zu den Ritualen des Balancierens am Rande eines Dritten Weltkrieges.27Schnell nach dem Ende des Krieges hatten die USA die Bombe gegenüber der Sowjetunion als Drohmittel benutzt. Mit Blick auf die Londoner Außenministerkonferenz im September 1945, so schrieb US-Kriegs-minister Henry L. Stimson beispielsweise in sein Tagebuch, habe sich sein Amtskollege für auswärtige Angelegenheiten, James F. Byrnes, mit der Gewiss-heit, »[of] having the presence of the bomb in his pocket« bedeutend wohler gefühlt.28

Die Bombe und das angstzentrierte Sprechenüber die Nuklearwaffen dienten aber nicht nur zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele auf internationalem Parkett. Zusätzlich flankierte die US-Regierung damit ihre außenpolitischen Zielsetzungen im Inneren, indem die US-Administration die Angst vor der Bombe nutzte, um eine innenpolitische und innergesellschaftliche Mobilisie-rung für ihre außenpolitischen Ziele und Mittel zu erreichen.

Unreflektiert waren dieÄußerungen der Administrationen zur Macht der Atomwaffen nicht – ein Umstand, der es eben rechtfertigt, die Nutzung der nuclear feardurch die Regierung als Instrumentalisierung zu beschreiben. Ein Blick in die Papiere desNational Security Council(NSC) offenbart, welch hohen Stellenwert die Bombe und die Angst vor ihr für die US-Außenpolitik genossen;

wie sehr die Instrumentalisierung der Angst Regierungshandeln war. In diesen Dokumenten wurde das Sprechenüber die Bombe an Fragen des nationalen Widerstandswillens gekoppelt. Bereits im November 1948 berichtete der NSC im NSC 20/429 zum wiederholten Maleüber die Bedrohung der USA durch die Sowjetunion an den Präsidenten. Neben einer Analyseüber Art und Umfang der kommunistischen Gefahr30schlug der Rat auch konkrete Maßnahmen vor, wie der Bedrohung Herr zu werden sei. Dazu hießes, es sei nötig »[to keep] the U.S.

public fully informed and cognizant of the threats to our national security so that

27 Vgl. beispielhaft: Gaddis u.a. (Hg.), Cold War Statesmen Confront the Bomb; Stephen J.

Whitfield, The Culture of the Cold War, 2. Aufl., Baltimore 1996.

28 Zitiert nach Ronald E. Powaski, March to Armageddon. The United States and the Nuclear Arms Race, 1939 to the Present, New York 1987, S. 29.

29 NSC 20/4, in: US-Department of State, Foreign Relations of the United States, 1948, Bd. I, General; The United Nations (in two parts), Teil 2, Washington/DC 1976, S. 662–669.

30 Vgl. ebd., S. 663–667.