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4 Wissenschaftliche Grundlagen

4.3 Emotionen - Definition und Relevanz

4.3.3 Relevanz von Emotionen bei der Verkehrsmittelwahl

3. CarSharing

„[…]ich kann auf den ganzen Fuhrpark zugreifen. Es kann ein Cabrio sein, kann ein BMW sein, ein Transporter. Das finde ich attraktiv.“ (FRANZEN 2016)

• Keine Verantwortlichkeit der Unterhaltung/Wartung

• Möglichkeit des Warentransports

• Möglichkeit der Personenmitnahme

• Bei seltener oder gelegentlicher Nutzung kostengünstiger als MIV/Taxinutzung

• Automatisierte Abrechnung

• Einfache Verfügbarkeit (in Ballungsräumen)

• Fahrten mit verschiedenen Fahrzeugmodellen 4. Mobilitätsstationen/Umsteigepunkte

„Das ist ein Kommunikationspunkt […] ein Gastronomiepunkt.“ (SCHMIDT 2016)

• Oftmals ansprechendes Design

• Oftmals mit Einzelhandelsangeboten verbunden

• Oftmals gute Wegeleitung

• Kurze Umsteigewege/-zeiten

• Gute/zentrale Lage

Es lässt sich also festhalten, dass eine Vielzahl von Attributen aus unterschiedlichsten Bereichen zur Steigerung der Freude bei der Nutzung von Verkehrsmitteln des Umweltverbunds beitragen. Somit wird deutlich, dass die Freude diesbezüglich eine elementare Emotion ist, die in der weiteren Arbeit mit entsprechender Relevanz betrachtet werden muss.

emotionalen Faktoren abdeckt. Der Faktor, der bei fast allen Studien abgedeckt wird, ist die Unabhängigkeit, gefolgt von der eigenen Sicherheit und dem sozialen Kontakt. Faktoren die gar nicht berücksichtigt werden sind die Bequemlichkeit, Abgase meiden, Unterordnung und die Belästigung anderer Personen. Optische Reize, welche durch Design bzw. Gestaltung beeinflusst werden könnten, sind nur in zwei Studien berücksichtigt. Somit ist festzustellen, dass die einschlägigen Studien den Faktor der Emotionen, welcher durch Design ausgelöst wird, vernachlässigen (KLÜHSPIES 1999, S. 209 ff.)

Emotionen als primäre Reaktion

Ein emotionales Motiv bezüglich der Verkehrsmittelwahl ist die Identifikation mit dem Verkehrsmittel und sein Beitrag zur eigenen Identität - „das passt zu mir“ / „ist Teil meines Selbst“. (SCHADE 2007, S. 38)

Flade erklärt, dass emotionale Bewertungen als primäre Reaktionen aufgefasst werden. Um diese zu beschreiben, würden laut Flade bereits zwei Dimensionen ausreichen. Dazu zählt Sie Lust - Unlust sowie Erregung - Entspannung. Daraus würden dann Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten entstehen. Flade sieht diese Faktoren als grundlegend für die Verkehrsmittelwahl an (FLADE in UMWELTPYCHOLOGIE 2000, S. 50 ff.). Schade stellte zusätzlich 2007 emotionale und intrinsische Motive bei der Verkehrsmittelwahl dar. Dazu zählt sie folgende Faktoren auf (SCHADE 2007, S. 38):

„Wahlfreiheit,

Gefühl der Unabhängigkeit,

Kontrollerleben, Planbarkeit und Orientierung,

Flexibilität und Spontaneität (auch während der Fahrt),

Freude an der Fahrt (hedonistischer Wert),

flow-Erleben,

Anregungswert, Risikofreude,

Eigenaktivität (Aktivationswert),

das entspannt betrachtete Vorbeiziehen der Landschaft („streaming“),

optimale (mentale, visuelle, motorische) Beanspruchung während der Fahrt, beim Ticketerwerb u.a.

kein Distreß / Ärger,

Selbstdarstellung und Selbstwertgefühl,

Belohnungsmacht (anderen Gutes tun können),

persönliches Wachstum,

Selbstkongruenz / Identifikation mit dem Verkehrsmittel und sein Beitrag zur eigenen Identität („das passt zu mir“, ist Teil meines Selbst).“

Diese Aufstellung zeigt direkte Emotionen auf. Zudem werden Faktoren gelistet, die lediglich der Auslöser für eine Emotion sein können. Als direkte Emotionen werden genannt: Freude, Anregung sowie Ärger. Auch Schade macht also deutlich, dass positive als auch negative Emotionen einen Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl haben können. Dabei verzichtet Schade jedoch auf eine Konkretisierung bzgl. der genauen Einflussstärke von Emotionen auf die Verkehrsmittelwahl (SCHADE 2007, S. 38).

Erweiterung der Theorie des geplanten Handels

De Leeuw et al. ordneten 2015 den drei Einflussfaktoren der Einstellung, der subjektiven Norm und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (Erläuterung siehe Kapitel 4.1) noch weitere Hintergrundfaktoren zu. Hierbei unterscheiden die Autoren in individuelle, demografische und soziale Faktoren. Zu den individuellen Faktoren zählen sie Emotionen, Personalität, Intelligenz,

Werte, generelle Einstellungen und persönliche Charakterzüge. Somit behaupten die Autoren, dass die Emotionen einen direkten Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl haben. Der Umfang des Einflusses bleibt jedoch auch hier unbestimmt (DE LEEUW et al. in JOURNAL OF ENVIRONMENTAL PSYCHOLOGY 2015, S. 128 ff.).

Der emotionale Wert

Auch gehen Idris et al. in deren Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 auf den Einfluss von Emotionen bei der Verkehrsmittelwahl ein. Sie beschreiben einen emotionalen Wert, der induzierte Emotionen berücksichtige, die mit einer Aktion oder einem Transportmittel verbunden seien. Sie verbinden diese Emotionen mit affektiven Faktoren und bestätigen somit den indirekten Einfluss von Emotionen auf die Absicht zur Nutzung einen Verkehrsmittels, die dann letztendlich in der eigentlichen Verkehrsmittelwahl enden würde (IDRIS et al. 2015 in TRANSPORTATION PLANNING AND TECHNOLOGY 2015, S. 265 ff.).

Emotionale Push- und Pull-Faktoren

Klühspies definiert in seiner Arbeit emotionale Push- und emotionale Pull-Faktoren, welche die Nutzung eines Verkehrsmittels anregen könnten. Als emotionale Push-Faktoren bezeichnet er dabei

„Individuelle emotionale Interessen und Erwartungen, welche die Menschen besonders stark zur Mobilitätsausübung motivieren“ (KLÜHSPIES 1998, S. 23). Klühspies sagt aus, dass diese emotionalen Push-Faktoren den Menschen zur Nutzung eines Verkehrsmittels motivieren würden und dabei stets das in diesem Fall am attraktivsten wirkende Verkehrsmittel gewählt wird. Als emotionale Pull-Faktoren definiert Klühspies Eigenschaften von Verkehrsmitteln, „welche für eine Erfüllung von emotionalen Erwartungen und Bedürfnissen attraktiv sind.“ (KLÜHSPIES 1998, S. 24) Diese würden BürgerInnen zur Nutzung eines Verkehrsmittels heranziehen. Der Nutzende verspreche sich von den emotionalen Pull-Faktoren und dem entsprechenden Angebot „emotionale Gewinnchancen“. Auch in diesem Zusammenhang betont Klühspies wiederholend, „dass neben rationalen Faktoren auch emotionale (psychische) Motive das Mobilitätsverhalten bestimmen“ würden (KLÜHSPIES 1998, S. 24 ff.).

„Mehr als 50% aller menschlicher Entscheidungen werden emotional getroffen – oftmals entgegen dem rationalen Bewusstsein“ (REITER und WILHELM 2004, S. 2)

Emotive Prozesse

Zemlin beschreibt 2005 ein allgemeines Modell der Verkehrsmittelwahl und geht dabei u.a. auch auf die zuvor genannten emotiven Prozesse ein. Er beschreibt darin primär die Bedeutung von emotiven und kognitiven Prozessen. Diese Prozesse hätten einen direkten Einfluss auf die Handlungsintension.

Je größer das Angebot bzw. die Optionen von Verkehrsmitteln seien, desto ausgeprägter wären emotive und kognitive Prozesse. Zemlin beschreibt, dass emotive und kognitive Prozesse bei einer habitualisierten Verkehrsmittelwahl vernachlässigt werden (ZEMLIN 2005, S. 105 ff.).

„Um Mobilität und Verkehr besser zu verstehen, ist es erforderlich, auch die emotionalen Gründe räumlicher Fortbewegung als Einflussfaktor einzubeziehen.“ (FLADE in UMWELTPSYCHOLOGIE 2000, S. 50)

Da die Begründung der Relevanz von Emotionen bei der Verkehrsmittelwahl so komplex ist, werden in den folgenden Abschnitten diverse Einflussfaktoren, welche stets in Verbindung zu Emotionen stehen, näher betrachtet.

Einfluss durch Werbung 4.3.3.1

Werbung fördert

Huber beschreibt 2017, bezogen auf Verkehrsmittel, die Einflussnahme von Werbung auf die Entstehung von Emotionen. Er betont hierbei die „hervorragend vermarktete Fehlkonstruktion“, womit er den Pkw bezeichnet. Er verweist auf die Werbeausgaben der Automobilindustrie, die im Vergleich zum öffentlichen Verkehr 10-mal so hoch seien. Huber bezieht sich auf die Zahlen des Focus Institute Marketing Research, dass im Jahr 2011 die Werbeausgaben der zwei Verkehrsmittel in Österreich verglichen hat. In Österreich seien demnach 21,6 Millionen Euro für ÖPNV-Werbung investiert worden. Im Automobilbereich seien dagegen im Jahr 2011 235 Millionen Euro investiert worden. Huber geht davon aus, dass sich der Nutzende auf der Ebene der Emotionen gegen diese enorme Beeinflussung nicht zur Wehr setzen könnte. Huber beschreibt gleichzeitig das Besitzen eines Automobils ebenfalls als Emotion. Diese könne hingegen im Bereich des ÖPNV nicht zustande kommen. Zusätzlich geht Huber davon aus, dass das Design im Automobilbereich vor allem das Ziel des Auslösens von Emotionen und Begeisterung hat. Hierbei würde die natürliche Vernunft bei der Kaufentscheidung stark beeinflusst werden. (HUBER 2017 in VERBAND DEUTSCHER EISENBAHN-INGENIEURE E.V (Hg.) 2017, S. 143 ff.)

Werbung hemmt

Wie zuvor erwähnt, ist die Außengestaltung von Verkehrsmitteln elementar für die Akzeptanz von Verkehrsmitteln. Besier kritisiert hier die Beklebung von Fahrzeugen des ÖPNV mit Werbenachrichten. Oftmals seien komplette Busse oder Bahnen mit halbtransparenten Werbebotschaften versehen. Sicherlich sei dies ein gewisser wirtschaftlicher Benefit für die Verkehrsunternehmen. Doch Besier sieht die Gefahr, dass die Fahrzeuge ihre eigene Identität verlieren. Auch wird oftmals die Sicht für die Fahrgäste nach draußen erschwert oder sogar komplett unmöglich gemacht. Besier sieht diese Entwicklung als sehr destruktiv bezüglich des Aufbaus von emotionalen Verbindungen in Bezug auf Verkehrsmittel des ÖPNV an (BESIER 2016).

Einfluss durch räumliche Faktoren 4.3.3.2

Verhinderung von Emotionen durch räumliche Entfernungen

Die Nutzung von Pkw führe dazu, dass sich Menschen verstreuen und auch im direkten Verkehrsumfeld weiter voneinander entfernt bewegen bzw. aufhalten. Somit werden Menschen voneinander getrennt. Emotionen, die durch das Zusammenkommen von Menschen entstehen könnte, würden somit größtenteils verhindert werden. Somit nehmen „Dichte und Häufigkeit der Interaktion […] substanziell ab“ (ALEXANDER 2011, S. 68 ff.).

Emotionen und Nutzung des Lebensraumes

Klühspies sieht die Emotion als entscheidend dafür an, wie Menschen Lebensräume nutzen. Er empfiehlt die Emotion als raumrelevanten Faktor zu berücksichtigen. Der planerische Umgang mit dem Stadtraum könne hier entscheidend für eine mögliche Nutzung sein. So bezieht sich Klühspies beispielsweise auf eine Studie von Fuhrer und Kaiser aus dem Jahr 1994, in der gezeigt wird, dass

„emotionale Defizite im städtischen Wohnumfeld zu einer verstärkten Freizeitmobilität mittels Kfz führen“ (KLÜHSPIES 1999, S. 4 ff.).

Einfluss durch Historie 4.3.3.3

Faszination von Geschichte und Moderne

Scholz führt aus, dass eine emotionale Bindung mit einer zeitlichen Abhängigkeit und Komponente einhergehen könne. Menschen seien fasziniert, wenn ein Verkehrsunternehmen ein historisches Verkehrsmittel einsetze. Die gleiche Begeisterung entstehe, wenn moderne, revolutionäre Fahrzeuge vorgestellt werden. Scholz glaubt an eine emotionale Bindung zu Fahrzeugen und fügt hinzu, dass auch er eine gelungene Farbgebung dabei als wesentlichen Faktor einstuft. Der Einfluss auf die Akzeptanz sei laut Scholz enorm (SCHOLZ 2016).

Monheim merkt an, dass nur noch 25% der Verkehrsteilnehmenden eine emotionale Bindung zu ihrem Automobil hätten (MONHEIM 2016). Daraus ist zum einen zu schließen, dass die Multimodalität zunimmt, aber auch das Potenzial für einen Aufbau einer emotionalen Bindung zu den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds an Potenzial gewinne. Wie bereits in Kapitel 4.3 erwähnt, sieht Monheim vor allem in Bahnhofshallen ein großes Potenzial am Aufbau von emotionalen Bindungen. Dies begründet er dadurch, dass diese Hallen oftmals als Sehnsuchtsorte geplant und gebaut wurden. Dieses Gefühl könne sich ebenfalls positiv auf die Nutzung der dort angebotenen Verkehrsmittel auswirken (MONHEIM 2016).

Einfluss durch Gestaltung 4.3.3.4

Bedeutung der symbolisch-emotionalen Dimension

Schlaffer et al. gehen hingegen speziell auf symbolische Dimensionen der Verkehrsmittelwahl ein.

Diese hätten eine direkte Verbundenheit zur Emotion. Hierzu zählen Sie die Autonomie. Sie beschreiben, dass Personen mobilitätsbezogen unabhängig agieren können. Auch der Status sei eine symbolisch-emotionale Dimension. Die Kombination aus Fortbewegungschancen und sozialer Macht vermittle eine Art Anerkennung in der Gesellschaft. Auch wolle der Nutzende etwas erleben. Somit sei die Erlebnisorientierung speziell im Freizeitverkehr einer der wichtigsten Entscheidungsfaktoren.

Als letzten symbolischen Faktor nennen Schlaffer et al. die Privatheit. Diese ordnen Schlaffer et al.

trotz einer gewissen Schnittmenge mit der funktionalen Komponente den symbolischen Dimensionen zu. Dies wird mit der sozialen und kulturellen Variabilität begründet (SCHLAFFER et al.

2002, S. 4 ff.).

„Es ist durchaus möglich, dass Menschen Designs, die positive Einstelllungen bei Ihnen hervorrufe, Namen geben und Gefühle für Sie entwickeln.“ (LIDWELL et al. 2004, S. 18) Gestaltung als Auslöser von Emotionen

Laut Roth und Saiz bauen Emotionen auf Funktionen auf. Sie können jedoch nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Somit ergebe sich auch der Bedarf für andere Berufsgruppen, sich mit dem Design intensiv zu beschäftigen bzw. dies nicht zu vernachlässigen. Denn „genau genommen gibt es gar kein Design ohne emotionale Wirkung“ (ROTH und SAIZ 2014, S. 13).

Es bestünden zwei Möglichkeiten zur Entstehung einer emotionalen Bindung bezüglich gestalteter Objekte. Zum einen sei dies die „reine“ Funktionalität. Diese drücke sich beispielsweise durch die Bedienung aus. Zum anderen könne die visuelle Aussage genannt werden. Laut Roth und Saiz

„erzählen Produkte eine Geschichte […] und transportieren Botschaften, die im Idealfall zur Zielgruppe durchdringen und sie emotional an das Produkt binden“ (ROTH und SAIZ 2014, S. 19).

Schönheit ist keine Voraussetzung für den Aufbau von emotionalen Bindungen

Zu beachten ist jedoch immer, dass emotionale Bindungen nicht ausschließlich zu positiven Dingen aufgebaut werden müssen. Auch negative, schlecht designte Elemente können laut Besier eine emotionale Bindung verursachen. Besier fügt hinzu, dass emotionale Bindungen, genau wie Liebe und Zuneigung, nicht unbedingt abhängig von Schönheit seien (BESIER 2016).

Relevanz von Personalisierung 4.3.3.5

Es sei wichtig, wie Personen über ein Produkt denken und was sie dabei fühlen (KENWORTHY 2016).

Diese Verbindung könne jedoch ebenfalls zu einem bestimmten Ort bestehen, auf dem Verkehrsinfrastruktur verankert ist. Knöll beschreibt dies mit der persönlichen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ort und der direkten Verbundenheit zu Wohlbefinden und Gesundheit (KNÖLL 2016).

Personalisierung fördert Emotionalisierung

Gatersleben behauptet, dass emotionale Bindungen nur dann aufgebaut werden, wenn eine gewisse Personalisierung vorliege. Deshalb sehe sie speziell im ÖPNV eine Herausforderung, diese Bindung aufzubauen bzw. zu erreichen. Sie nennt jedoch als Gegenbeispiel offen und anonym gestaltete Arbeitsplätze, bei denen es auch gelungen sei, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen (GATERSLEBEN 2016).

Zielgruppenspezifisches Handeln

Götz behauptet, dass Emotionalisierung nicht immer zielgruppenspezifisch ausgerichtet werden müsse. Marktforschung sei zwar elementar, trotzdem müsse sie nicht bei allen Entwicklungen eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang zitiert Götz Steve Jobs, der sagte, dass er keine zielgruppenspezifische Marktforschung brauche, da die Leute nicht wissen, was sie brauchen, bevor man ihnen das neue, visionäre Produkt zeige (GÖTZ 2016). Auch im Automobilbereich wird beispielsweise bei der Überarbeitung der Volkswagen Golf-Modelle nicht zwingend auf Ergebnisse der Marktforschung zurückgegriffen. Dies hat jedoch laut Fügener damit zu tun, dass der Golf heutzutage evolutionär und nicht revolutionär entwickelt wird. Mit einer „Milchkuh“ würden „keine Experimente“ gemacht werden. Durch die komplette Überarbeitung des Golf-Designs bestände laut Fügener ein zu hohes Risiko, die Erwartungen der KundInnen zu verfehlen (BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG o. J.)

Verkehrsträgerbezogene Beispiele 4.3.3.6

Zu Fuß gehen – zum Vergnügen

Das zu Fuß gehen sei eines der am größten emotional getriebenen Fortbewegungsarten. Spezielle Emotionen entstehen, wenn das zu Fuß gehen als Zweck die Vergnügung hat. Transport for London veröffentlichte hierzu 2010 eine Studie. Die Befragung zeigte, dass 29% aller Fußwege den Zweck der Vergnügung haben. 35% der Wege werden zurückgelegt, um bestimmte Ziele (von A nach B) zu erreichen. 36% der Wege werden zurückgelegt, um Zugang zum ÖPNV zu erhalten. Die größten Barrieren sind laut Transport for London die Qualität der Wege, mangelnde Information sowie Zeit und Distanz (CLARK 2010 S. 3 ff.). Auch Monheim geht auf das zu Fuß Gehen ein. Er sieht hierbei das Potenzial einer emotionalen Bindung in der kindlichen Umfeldaneignung begründet. Speziell die Nahmobilität berge zahlreiche Emotionen wie beispielsweise ein Heimatgefühl oder eine gewisse

Vertrautheit (MONHEIM 2016). Doch auch diese Eigenschaften können durch die Gestaltung erhalten oder auch verstärkt werden.

Mein Fahrrad

Ünal beobachtet in den Niederlanden immer mehr individuell gestaltete Fahrräder. Sie werden geschmückt oder kreativ lackiert. Auch geben Nutzende ihren Fahrrädern teilweise Namen. Die Fahrräder werden in dem Falle personalisiert. Ünal sieht diesen Gestaltungsvorgang als Ausdruck einer emotionalen Bindung an, welche durch die Symbolik des Fahrrads ausgelöst wird (ÜNAL 2016).

Von der Automobilindustrie lernen

Auch Kenworthy betont die Bedeutung einer emotionalen Bindung mit einem Verkehrsmittel. Dabei verweist er auf die Automobilindustrie, die diesen Faktor bereits eine lange Zeit berücksichtige und als elementar im Bereich des Marketings ansehe (KENWORTHY 2016).

„Die Kundenbindung läuft über die Marke und die Marke wird eben durch das Design repräsentiert. Also ganz entscheidend.“ (BESTMANN 2016)

Holistische Betrachtung 4.3.3.7

Laut Verron können emotionale Faktoren bei der Verkehrsmittelwahl nicht separiert betrachtet werden. Beispielsweise beeinflussen emotionale Bindungen zu Verkehrsmitteln auch rationale Faktoren, wie beispielsweise den Zeitbedarf oder den Erlebnisfaktor. Auch ergeben die zahlreichen Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelwahl nicht immer einen eindeutigen Hinweis auf ein expliziertes Verkehrsmittel. Oftmals können verschiedene Verkehrsmittel den Bedarf befriedigen (VERRON 2008, S. 37 ff.).

Auch Klühspies merkt an, dass es in der Wissenschaft nicht verbreitet wäre, Emotionen separat von rationalen oder planerischen Faktoren zu betrachten. Er sagt aus, dass Verkehrsplanung und Mobilitätspsychologie untrennbar und immer gemeinsam zu analysieren seien (KLÜHSPIES 1999, S. 4 ff.).

„Es scheint, als genüge die alleinige Betrachtung rationaler Nutzerinteressen nicht mehr, um das Mobilitätsverhalten der Menschen in Städten hinreichend zu erklären.“

(KLÜHSPIES 1998, S. 23) Zusammenfassend

Es lässt sich festhalten, dass der Einfluss von Emotionen bei der Verkehrsmittelwahl in bisherigen Studien vernachlässigt wurde. Bausback versucht dies wie folgt zu begründen: Sie stellt die Emotionen in direkten Bezug mit dem „Experience Design“. Dieses ist laut Bausback schwer greifbar (BAUSBACK2016). Diese Voraussetzung stellt somit die WissenschaftlerInnen, als auch die Zielgruppen des Designs vor die Herausforderung, ihre Emotionen nicht äußern bzw. erfassen zu können. Somit ist es auch schwer, die Relevanz der Emotionen zu bestimmen. Norman beschreibt das „Experience Design“ mit den Worten der Produktgestaltung, Prozessen, Dienstleistungen, Events und Umgebungen mit einem Fokus auf die Qualität und den Genuss des Gesamterlebnisses (NORMAN 2013, S. 5). Dieser Fokus bestärkt die Relevanz des emotionalen Faktors.

Emotionen sind bei der Verkehrsmittelwahl allgegenwärtig. Dies zeigt sich im Einfluss der räumlichen Faktoren, durch historische Gegebenheiten oder auch durch starke symbolische Werte. Dabei ist stets zu beachten, dass Emotionen für eine Bindung nicht unbedingt positiv sein müssen, dafür aber einen gewissen persönlichen Wert haben sollten.

Auch Flade folgert aus einer quantitativen Erhebung, welche sich um die allgemeine Entstehung von Emotionen bei der Nutzung von Verkehrsmitteln handelt, also unabhängig vom Design, dass es angesichts der Verkehrsrelevanz emotionaler Bewertungen erforderlich sei „Emotionen in der Verkehrsplanung größeres Gewicht beizumessen als bisher.“ Dabei sei es zweitrangig, ob Emotionen als Primärreaktionen gesehen werden oder nicht (FLADE in UMWELTPSYCHOLOGIE 2000, S. 62).

„Wenn […] die relevanten emotionalen Faktoren des Mobilitätsverhaltens zukünftig zweckmäßiger berücksichtigt werden, wird man der nachhaltigen Modernisierung der Mobilität in Städten wohl ein erhebliches Stück näher kommen.“

(KLÜHSPIES 1998, S. 185)

Diese These von Klühspies wird durch eine Veröffentlichung des Zukunftsinstituts GmbH unterstützt.

Diese sagt aus, dass Emotionen unbändige Kraft besäßen. Um diese Kraft in produktive Energie umwandeln zu können, müssten „Unternehmen die Rolle von Emotionen als wichtigste Treiber für menschliches Handeln antizipieren.“ (ZUKUNFTSINSTITUT GMBH (Hg.) 2018, S. 7)