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6 Quantitative Erhebung

6.4 Auswertung der Ergebnisse

6.4.7 Analyse - Relevanz der direkten Umgebung

Datensatz II etwas größer, desto höher der generelle Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl eingeschätzt wird. Dieser Trend ist jedoch nicht signifikant (siehe Abbildung 34).

Abbildung 34: Multivariate Analyse mit polynomischen Trend, Datensatz II (eigene Darstellung)

Zusammenfassend

Durch die Validierungserhebung konnte nachgewiesen werden, dass das Erhebungskonzept, bezogen auf Verkehrsmittel und deren direkte Infrastrukturen, als sinnvoll angesehen werden kann. Beim Vergleich der Datensätze zeigen sich übergeordnete Tendenzen, die aufgrund der relativ hohen Anzahl an Befragten als allgemeingültig angesehen werden können. Die übertragbaren Erkenntnisse werden in das Kapitel der Handlungsempfehlungen, speziell in Abschnitt 7.3, integriert. Jedoch gibt es auch Werte, die bei den verschiedenen Erhebungsorten voneinander abweichen. Diese Werte sind auf die individuellen Bedingungen vor Ort zurückzuführen und damit auch als nachvollziehbar einzustufen.

Relation von Umgebung und Vertrauen (33.9%) wurden überdurchschnittlich oft angegeben. Bei der geschlechterspezifischen Betrachtung des Faktors Umgebung, sind ebenfalls Auffälligkeiten zu beobachten. So liegt die Relation von Umgebung und Vertrauen bei den weiblichen Befragten mit 25,2% um 2,5% höher als bei den männlichen Befragten. Die Umgebung hat also, bezogen auf das Auslösen der Emotion Vertrauen, für weibliche Personen einen höheren Stellenwert, als für männliche Personen. Im Bereich der Emotion Freude ist der Prozentwert der männlichen Befragten jedoch etwas höher als bei den weiblichen Befragten. Hingegen geben im Vergleich zum Wert der männlichen Befragten 5% mehr weibliche Befragte an, dass die Umgebung bei Ihnen Interesse auslöse.

Hinweise zur Gestaltung von Stadträumen

Bevor die direkte Umgebung der regionalen und internationalen Fallstudien nochmals näher betrachtet wird, bezieht sich der folgende Abschnitt zunächst auf Qualitätsmerkmale von Stadträumen.

Laut Gehl sei die Qualität des Stadtraums primär von Proportionen und Dimensionen abhängig.

Dabei sei zu beachten, dass diese Faktoren immer im Einklang mit dem menschlichen Körper bzw.

dem menschlichen Sinnen vereinbar seien sollen. Die Qualität eines Stadtraums, und somit auch die Qualität eines Platzes, zeichnen sich u. a. durch Möglichkeiten zum Stehen und Sitzen aus. Die Größe des Raumes sei zudem entscheidend für das Wohlfühlen und die Funktion des Platzes. Gehl merkt an, dass die entsprechenden Plätze jedoch nicht zu groß gestaltet werden dürfen. Dies hätte die Folge, dass beispielsweise auch die umliegenden Gebäude oder die Flächen des ruhenden Individualverkehrs zu groß ausfallen. Beim Planen müsse darauf geachtet werden, dass Stadträume speziell auf Augenlevel attraktiv und zusammenhängend geplant werden. Dabei können Elemente wie zu wenig Fläche, Hindernisse oder Lärm qualitätsmindernd wirken.

Gehl entwickelte zwölf Qualitätskriterien, die einen Stadtraum bzw. einen Ort auf Augenhöhe der Menschen auszeichnen. Dazu nennt er folgende Faktoren in drei verschiedenen Kategorien:

Schutz

- Schutz vor Verkehr und Unfällen - sich sicher fühlen - Schutz vor Kriminalität und Gewalt - sich beschützt fühlen - Schutz vor unangenehmen Empfindungen

Komfort

- Möglichkeiten sich zu bewegen - Möglichkeiten zum Stehen/Aufenthalt - Sitzmöglichkeiten

- Gelegenheiten zum Beobachten - Möglichkeiten zum Zuhören

- Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten Freude

- angemessene Gebäudemaßstäbe - Möglichkeiten zum Genießen des Klimas - Positive Sinneseindrücke

(GEHL 2010, S. 162 ff.)

Betrachtung der regionalen und internationalen Fallstudien

Werden die zuvor genannten Qualitätskriterien von Gehl anhand der unmittelbaren Umgebung der regionalen und internationalen Fallstudien überprüft, zeigt sich, dass ein Großteil der Merkmale vor Ort vorzufinden ist.

Abbildung 35: Lage der Haltestellen auf dem Darmstädter Bahnhofsvorplatz (Google earth, Bildaufnahmedatum: 07.04.2018)

So tragen am Darmstädter Bahnhofsvorplatz, die gute Übersichtlichkeit und das MIV-Verbot zur Steigerung des Sicherheitsgefühls bei. Durch die relativ großzügig gestalteten Flächen besteht zusätzlich genügend Platz, um sich frei zu bewegen. Auch die zahlreichen Sitzmöglichkeiten an den Haltestellen steigern den Komfort. Durch freie Sichtachsen haben Personen, welche beispielweise auf den Bus warten, die Möglichkeit, ihre Umgebung sowie die Mitmenschen zu beobachten. Auch die Maßstäbe der umliegenden Gebäude beeinflussen den Platz nicht negativ. Zudem wird durch die zahlreichen Grünflächen ein positiver Gesamteindruck vermittelt.

Abbildung 36: Lage der Verleihstationen am Mainzer Hauptbahnhof (Google earth, Bildaufnahmedatum: 08.07.2018)

Als Beispiel für eine Fahrrad-Verleihstation im Mainzer Stadtgebiet werden die Stationen am Mainzer Bahnhofsvorplatz verwendet. Grund hierfür ist, dass die quantitativen Befragungen dort durchgeführt wurden. Die Stationen befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Bahnhofsvorplatz. Eine Platzierung der Stationen auf dem eigentlichen Bahnhofsvorplatz würde die Umgebungsempfindung eventuell verbessern. Dies hätte jedoch den Nachteil, dass die Verkehrsströme der Busse und Straßenbahnen mit dem Fahrrad gequert werden müssten. Da sich die Stationen am Ende von Stichstraßen befinden, ist das Sicherheitsgefühl relativ hoch. Möglichkeiten für einen längeren Aufenthalt sind in unmittelbarer Umgebung nicht vorzufinden. Durch den stetigen Verkehrsstrom von Fußgängern ist ein mittelhohes Sicherheitsgefühl vorhanden. Auf beiden Straßenseiten befinden sich sechsgeschossige Gebäude. Somit sind die Sichtachsen eingeschränkt. Trotz einiger negativer Faktoren, wurde die Umgebung in der quantitativen Befragung relativ positiv bewertet.

Abbildung 37: Lage der Seilbahn-Talstation am Koblenzer Rheinufer (Google earth, Bildaufnahmedatum: 08.07.2018)

Im Bereich der Talstation der Koblenzer Seilbahn ist die Nutzung des MIV verboten. Auch die freien Sichtachsen am Rheinufer tragen dazu bei, dass das Sicherheitsgefühl relativ hoch ist. Die Station ist in den zum Fluss parallelen Grünzug integriert. Die großzügigen Umgebungsflächen verleiten die Passanten zum Bewegen. Zahlreiche Sitzmöglichkeiten in der Umgebung bieten die Möglichkeit zum Verweilen und zum Beobachten der Mitmenschen. Da sich der Raum Richtung Rhein und der Festung Ehrenbreitstein offen gestaltet, können viele positive Sinneseindrücke wahrgenommen werden.

Zusätzlich vermitteln die Grünflächen und die empfundene Ruhe einen entspannten Gesamt-eindruck.

Abbildung 38: Lage der Haltestelle „Sergio Cardell“ in Alicante (Google earth, Bildaufnahmedatum: 18.03.2017)

Die Straßenbahnhaltestelle „Sergio Cardell“ befindet sich inmitten eines Kreisverkehrsplatzes. Um die Haltestelle zu erreichen, muss ein Kreisverkehr mit zwei Fahrbahnen überquert werden. Hierfür existieren allerdings zahlreiche Übergänge mit Lichtsignalanlagen. Die vorhandenen Bäume beeinflussen das Sicherheitsgefühl. Tagsüber werden diese als Abschirmung zum fließenden MIV positiv aufgenommen. Nachts vermittelt die Grünanlage eher ein unsicheres Gefühl. Rund um die Haltestelle besteht genügend Platz sich zu bewegen. Die Gebäude, welche an den Kreisverkehrsplatz angrenzen, verfügen über zehn Stockwerke. Aufgrund der Großzügigkeit des Platzes wird dies jedoch nicht als negativ empfunden.

Abbildung 39: Straßenbahn von Marseille, Haltestelle Longchamp (Google earth, Bildaufnahmedatum: 14.03.2018)

Als Beispiel für die Straßenbahn von Marseille wird die Haltestelle Longchamp auf dem Boulevard Longchamp ausgewählt. Diese befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Palais Longchamp. Die gesamte Straße ist für den MIV nicht freigegeben. Dadurch ist die Geräuschbelastung relativ gering.

Der große Querschnitt der Straße trägt zu einem hohen Sicherheitsempfinden bei. An den Haltestellen und im direkten Umfeld befinden sich zahlreiche Sitzmöglichkeiten um sich zu erholen

und die Umgebung bzw. die Mitmenschen zu beobachten. Die breiten Gehwege, als auch die linear-angeordneten Bäume, tragen zu einem positiven Empfinden bei. Die bis zu sechs-geschossigen Gebäude vermitteln eher eine Art Schutz, als dass sie negativ empfunden werden. Dazu trägt unter anderem deren helle Fassadenfarbe bei.

Abbildung 40: Lage des „Black Markets“ im Superkilen Park, Kopenhagen (Google earth, Bildaufnahmedatum: 09.05.2018)

Der Black Market ist ein Teil des Superskilen Parks in Kopenhagen. Der Platz wirkt sehr weitläufig und ist vom MIV befreit. Somit ist das Sicherheitsempfinden auf dem Platz sehr hoch. Auch bestehen zahlreiche Sitz- und Spielmöglichkeiten. Diverse Gestaltungselemente, vereinzelte Grünflächen sowie ein umfangreiches Beleuchtungssystem vermitteln positive Sinneseindrücke. Die umliegenden sechs-geschossigen Gebäude haben weder einen positiven, noch einen negativen Einfluss auf das Umgebungsempfinden.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die analysierten Verkehrsmittel bzw. Infrastrukturen stets an Orten platziert sind, deren Umgebung für eine besondere Herausstellung und Identität des entsprechenden Raumes verantwortlich ist. Dadurch wird die potenzielle Identifikation und Akzeptanz der BürgerInnen mit den vorhandenen Objekten gesteigert. Auch zeigt sich, dass die Wegeführung in unmittelbarer Umgebung meist gute infrastrukturelle Voraussetzungen für FußgängerInnen und/oder FahrradfahrerInnen aufweist. Zudem verfügen die ausgewählten Fallbeispiele oftmals über ein umfassendes Beleuchtungskonzept. Dies steigert das Sicherheitsgefühl.

Auch ist anzumerken, dass die Umgebung direkte Einflüsse auf das Empfinden von Ordnung, Orientierung und Verständlichkeit haben kann. Somit wird der Stellenwert der Umgebung nochmals aufgewertet. Aufgrund der vorherigen Erkenntnisse lässt sich somit schlussfolgern, dass die Umgebung eines der ausschlaggebendsten Kriterien für die Entstehung von Emotionen ist.

Zusätzliche produktsprachliche Anmerkungen zu den regionalen und internationalen Fallstudien sind den Steckbriefen (siehe Anlage 9 bis 14) zu entnehmen.