• Keine Ergebnisse gefunden

Spätestens mit dem »Kirchenartikel«32 des Vertrags von Lissabon kann nicht mehr behauptet werden, dass die europäischen Institutionen die Kirchen und

31 Die Reise nach Brüssel sollte vom 21. bis 23. März 2012 stattfinden. Unter an-derem war ein Treffen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates geplant.

Nachdem die Kirchenoberhäupter bei einem Treffen mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten der Ukraine von der bevorstehenden Fahrt berichtet und um Unterstützung für die Reise gebeten hatten, wurde zwei Tage vor Beginn der Reise ein Treffen mit dem Präsidenten am ersten Tag der geplanten Reise einberufen. Dazu: »Экстренная встреча В. Януковича с представителями ВСЦиРО срывает их визит в Брюссель«.

32 Am 1. Dezember 2009 ist mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon der so genannte »Kirchenartikel« (Art. 17) in den Vertrag über die Arbeitsweise der Union eingefügt worden. Mit dem dritten Absatz dieses Artikels wird die Union zu einem regelmäßigen Dialog mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften

religiösen Gemeinschaften in Europa ignorieren würden. Nicht zuletzt in dem Bemühen, die Bevölkerung Europas an der europäischen Integration teilhaben zu lassen, wurde die Rolle der Religion in Europa neu gewürdigt:

In der Präambel des Vertrags über die europäische Union wurde das religiöse Erbe Europas mit aufgenommen.34

Umgekehrt lässt sich die Anteilnahme der Kirchen an Veränderungen in Europa und an der Politik der EU nicht nur anhand der Präsenz kirchlicher Vertreter in Brüssel ablesen. Interesse an den Entscheidungen der europäischen Institutionen und den Diskussionen, die in diesen geführt werden, zeigen auch die Kirchen der Ukraine. Keine der Kirchen der Ukraine unterhält jedoch in Brüssel oder Strasbourg eine Vertretung.35 Eine Partizipation an der kirchlichen Lobbyarbeit bei den europäischen Institutionen ist für die Kirchen der Ukraine bisher nicht in Sicht.

Zu Beginn des Jahres 2013 reisten die Vertreter des All-Ukrainischen Rats für Kirchen und Religiöse Organisationen nach Brüssel, um dort mit Politi-kern der EU zu sprechen, einen Dialog mit den europäischen Institutionen zu begründen und den All-Ukrainischen Rat als positives europäisches Beispiel des interreligiösen Dialoges vorzustellen. Die Organisation der Reise war mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführt worden, welche auch die Kosten für die Fahrt übernahm. Die Unterstützung der ukrainischen Regierung erfuhren die Reisepläne keineswegs. Die Reise war ursprünglich innerhalb ihrer Grenzen verpflichtet. Hierzu: Schnabel: Anhörung zur Ausgestal-tung des Dialogs zwischen EU und Kirchen, 11–12.

33 Hierzu genauer: Belafi: »In Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags« – Der Dialog der EU mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften als Grundlage und Kernstück europäischer Religionspolitik, 153–173.

34 Droege: Zur Genese des europäischen Religionsverfassungsrechts, 142.

35 Die UOK (MP) hat lediglich als Teil der ROK dort eine Vertretung. Die ROK besitzt in Brüssel ein Büro, beschränkt sich dort aber darauf, die EU-Politik zu beobachten.

Offizielle Auftritte und Stellungnahmen wurden bisher vom Außenamtssprecher des Moskauer Patriarchates durchgeführt.

für den März 2012 vorgesehen und konnte dann kurzfristig nicht zustande kommen, weil der ukrainische Präsident durch die Einberufung eines Treffens mit den Oberhäuptern der Konfessionen die Reise immerhin um ein ganzes Jahr verzögerte.

Im Rahmen des Besuches in Brüssel, der vom 6. bis 7. März 2013 stattfand, trafen die Kirchenvertreter unter anderem den EU-Kommissar für Erweiterung und Europäi sche Nachbarschaftspolitik, Štefan Füle.36 Die Vertreter des Kir-chenrates machten bei dem Treffen in Brüssel mit dem EU-Kommissar deutlich, dass sie eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU

und der Ukraine, die für den November 2013 vorgesehen war, unterstützen, ebenso sprachen sie sich für die Visumserleichterungen für ukrainische Bürger aus. Für diese solle es einfacher sein, die Staaten der EU besuchen zu können.

Einstimmig traten auch alle Delegierten des Rates bei den Gesprächen in Brüssel – bei denen zeitweise der ukrainische Botschafter zugegen war – dafür ein, dass die Zukunft der Ukraine auf den Grundlagen europäischer Werte und demokratischer Standards errichtet werden solle. Gleichzeitig riefen sie die EU

auf, die Ukraine mit den heutigen Herausforderungen nicht alleine zu lassen.

In dem Communiqué, welches nach der Reise auf der Sitzung des Kirchen-rates am 11. April 2013 verabschiedet wurde,37 bezeichneten die Mitglieder des Rates die Reise als erfolgreich. Sie betonten ihre Unterstützung zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der EU und definierten ihre eigene Aufgabe in diesem Prozess: Im Fortschreiten der Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine sehen die Kirche für sich vornehmlich eine bestimmte konkrete Aufgabe, nämlich die traditionellen moralischen,

fami-36 »Делегация Всеукраинского Совета Церквей встретилась с еврокоммиссаром Штефаном Фюле«.

37 »Итоговое коммюнике ВСЦиРО по поводу визита делегации Совета в Брюс-сель (6–7 марта 2013 г.)«.

liären und andere geistige Werte zu unterstützen, die für sie die Grundlagen der europäischen Zivilisation bilden.

»Als religiöse Akteure halten wir es für unsere Pflicht im Kontext der Vertie-fung der Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU, die traditionellen moralischen, familiären und anderen geistigen Werte zu bezeugen und zu unterstützen, entspringen sie doch dem Allerhöchsten. Gerade auf diesen Werten gründete sich die europäische Zivilisation.«38

Ein weiteres Bekenntnis zur europäischen Integration erfolgte am 30. Septem-ber 2013, als die Vertreter der größten Konfessionen ein Dokument verab-schiedeten, in welchem sie ihre befürwortende Haltung untermauerten. Das ukrainische Volk sei schon lange ein Teil der europäischen Zivilisation. Die Wechselbeziehungen mit der geistigen Kultur Europas und der europäische Bildungs- und Rechtstradition seien für die ukrainische Gesellschaft und Staatlichkeit mitbestimmend gewesen.39

Die Kirchenoberhäupter40 äußerten sich in dem Dokument ebenfalls zu den russisch-ukrainischen Beziehungen und betonten noch einmal, dass die 38 Wortlaut im Original: »Як релігійні діячі ми вважаємо своїм обов’язком у контексті поглиблення відносинміж Україною і ЄС свідчити та підтримувати традиційні моральні, сімейні та інші духовні цінності, адже вони походять від Всевишнього. Саме на цих цінностях було сформовано європейську цивілізацію.« Übersetzung des Verfassers. »Итоговое коммюнике ВСЦ и РО по поводу визита делегации Совета в Брюссель (6–7 марта 2013 г.)«.

39 »Обращение Церквей и религиозных организаций к украинскому народу«.

40 Unterschrieben hatten das Dokument die Kirchenoberhäupter der UOK (MP), UOK-KP, UGKK sowie Vertreter der Ukrainischen Lutherischen Kirche, der Deut-schen evangelisch-lutheriDeut-schen Kirche der Ukraine, der All-UkrainiDeut-schen Union der Evangelikalen Baptisten, der Ukrainischen Kirche der Christen des Evange-likalen Glaubens, der Präsident der Union Jüdischer Religiöser Organisationen und der Vorsitzende der geistlichen Administration der Muslime der Ukraine.

Befürwortung der europäischen Union keine negativen Auswirkungen auf das Verhältnis zu Russland habe. Auch Russland sei schließlich in Kultur und Geschichte eng mit Europa verbunden.41 Die zukünftige Entwicklung sehen die Kirchenvertreter für die Ukraine im Kreis der freien europäischen Nationen.

Das Dokument war zwar nicht vom All-Ukrainischen Rat für Kirchen und Religiöse Organisationen herausgegeben und verabschiedet worden, kann aber als interreligiöses Dokument gelten, das die Unterstützung aller Mitglieder des Rates besitzt.42

Am 30. September 2013 fand die zweite Reise einer Delegation mit Ver-tretern der ukrainischen Kirchen nach Brüssel statt, an der auch der Kiever Patriarch und das Oberhaupt der UGKK teilnahmen.43 Vom 30. September bis zum 2. Oktober ging es bei dem Besuch in Brüssel um aktuelle Fragen des internationalen Dialogs, die Rolle der religiö sen Organisationen in der Europäischen Union, die europäischen Perspektiven für die Ukraine und damit auch um das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU. Betont wurde zudem die Bedeutung der Zusammenarbeit in Europa als Projekt der Friedenssicherung.44

41 »Обращение Церквей и религиозных оргаеизаций к украинскому народу«.

42 Das Dokument war kurzfristig verfasst worden und eine Zusammenberufung des Kirchenrates für eine dortige Erörterung hätte viel Zeit in Anspruch genommen.

Das Dokument sollte vor der Brüssel-Reise der Delegierten des Rates präsentiert werden. Die Unterschriften unter dem Dokument sind nach Angaben des Institutes für Religionsfreiheit in Kiev ebenfalls nur aus zeitlichen Gründen nicht vollständig (Anfrage an den Verwaltungsdirektor des Institutes für Religionsfreiheit Maksym Vasyn vom 12.11.2013).

43 Ursprünglich geplant als Reise für den All-Ukrainischen Kirchenrat, konnten aus organisatorischen Gründen nicht alle Mitglieder des Rates an der Reise teilnehmen.

44 Genauere Informationen über die Brüssel-Reise unter: »Иерархи украинских церквей обсудили с евродепутатами отношения Украины и ЕС« und »Укра-инские релиниозные деятели прибыли в Брюссел для диалога о европер-спективах Украины«.

Einhergehend mit der positiven Einstellung zur europäischen Integration steht Europa jedoch nicht als ausschließliches Erfolgsmodell. Viel sei noch zu verbessern im vereinigten Europa wie auch in der Ukraine selbst – insbesondere im religiösen Bereich und im Bereich der Moral und der familiären Werte, die eines besonderen Schutzes bedürften. So äußerte sich der Kiever Patriarch Filaret: »Uns gefällt nicht alles in der Ukraine, wie uns auch nicht alles in Europa gefällt, aber dann, wenn das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU abgeschlossen wird, wird es einfacher, das zu verbessern, was eine Verbesserung erfordert.«45