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Auf den ersten Blick sprechen die empirischen Befunde für eine rapide und gleichmäßige Zunahme des religiösen Glaubens in der postsowjetischen Uk-3 Die repräsentative (N=1800) Monitoring-Umfrage des Instituts für Soziologie

der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine (IS NANU) wird seit 1992 jährlich (bislang mit Ausnahme von 1993, 2007 und 2009) durchgeführt.

Der Großteil des Fragebogens blieb in diesem Zeitraum unverändert.

4 Von den Daten des European Social Survey, die in der Ukraine in den Jahren 2004, 2006, 2008 und 2010 erhoben wurden, mussten wir absehen, da die subjektive Einschätzung der eigenen Religiosität mit Hilfe einer zehnstufigen Skala von

»überhaupt nicht religiös« (1) bis »sehr religiös« (10) leider nicht eindeutig inter-pretiert werden kann. Vergleiche mit den Ergebnissen anderer Umfragen zeugen davon, dass die ukrainischen Befragten die Stufen 5 bis 3, die für »eher« bis »nicht religiös« stehen, offensichtlich als »etwas« bis »wenig reli giös« auffassten.

raine. So stieg die Zahl der Menschen, die sich als religiös bezeichneten, laut den Umfrageergebnissen der World sowie European Values Surveys von 58 % im Jahr 1996 auf 81,3 % im Jahr 2008 an (Abb. 1). Das ergibt eine Zunahme von rund 23 %. Darüber hinaus fällt auf, dass sich bereits im Jahr 1996, d. h.

lediglich vier Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion, über die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung zu einer Religion bekannte.

Diese Zahlen müssen allerdings etwas relativiert werden, da die angebote-nen Antwortoptioangebote-nen im WVS/EVS-Fragebogen den Befragten im Grunde eine relativ strikte Entscheidung zwischen den Kategorien »ein religiöser Mensch«,

»ein nicht religiöser Mensch« und »ein überzeugter Atheist« abverlangten. Die Antwortoption »Weiß nicht« sollte von den Interviewern nicht vorgelesen, son-dern nur dann vermerkt werden, wenn die Befragten dies von sich aus sagten.

Im Ergebnis war es in den Jahren 1996 und 1999 ein Zehntel der Ukrainer, die sich nicht eindeutig festlegen konnten (Abb. 1). In der Razumkov-Umfrage aus dem Jahr 2000, bei der die Befragten sich als »Jemand, der zwischen Glaube und Unglaube schwankt« bezeichnen konnten, wählten hingegen ganze 22,5 % diese Option (vgl. die zweite Spalte in Tabelle 1). Zusammen mit der Option »Schwer zu sagen« zeigte sich somit ein ganzes Viertel der Bevölkerung unentschieden.5

5 Die Antwort »Mir ist das gleichgültig« ist inhaltlich leider schwer zu deuten. Im ukrainischen Original genauso wie in der deutschen Übersetzung bleibt unklar, worauf sich das Demonstrativpronomen »das« bezieht: wenn auf die Religion, dann ist das einfach ein anderer Ausdruck für »Ich bin kein religiöser Mensch«.

Wenn aber mit »Mir ist das gleichgültig« die Frage selbst gemeint sein soll, dann müsste man die Antwort wohl als »Ich habe darüber nicht nachgedacht« inter-pretieren, was eher der Antwortoption »Schwer zu sagen« entspricht.

Abb. 1 Gestiegene Religiosität in der Ukraine von 1996–2008, Angaben in Prozent

Quellen: WVS 1996, 2006; EVS 1999, 2008; Frage: »Einmal abgesehen davon, ob Sie in die Kirche gehen oder nicht – würden Sie sagen, Sie sind… 1. ein religiöser Mensch, 2. kein religiöser Mensch, 3. ein überzeugter Atheist«. Eigene Darstellung.

Im Jahr 2010 war der Prozentsatz der Unentschiedenen in der Razumkov-Um-frage mit 14,8 % bereits deutlich geringer (»Jemand, der zwischen Glauben und Nicht-Glauben schwankt« plus »Schwer zu sagen«). Obwohl ein direkter Vergleich mit den Ergebnissen des EVS 2008 nicht möglich ist (da, wie gesagt, die Option »Weiß nicht« vom Interviewer nicht angeboten wurde und die Zahl von 81,3 % Religiösen deshalb etwas höher ausgefallen sein mag), ging der Anteil der Gläubigen im Jahr 2010 im Vergleich zu 2008 offenbar etwas zurück.

Für das Jahr 2013 registrierte das Razumkov-Zentrum einen erneuten Rückgang der Gläubigen auf 67 % und einen Zuwachs von Unentschiedenen (»Jemand, der zwischen Glauben und Nicht-Glauben schwankt« plus »Schwer zu sagen«) auf 20,4 %.6 Somit scheint die Ukraine etwas zeitversetzt einer

ähn-6 Razumkov-Zentrum: Relihija i vlada v Ukrajini, 24–25. Die Omnibus-Umfrage des Kiewer Zentrums SOCIS, in der drei Optionen zur Auswahl standen (»Ich glaube an Gott«, »Ich glaube nicht an Gott«, »Schwer zu sagen«), ergab 75,1 % Gläubige im Jahr 2013.

lichen Entwicklung zu folgen, wie sie in den postkommunistischen Ländern Mittel- und Südosteuropas in der zweiten Hälfte der 1990er stattgefunden hat: der Stabilisierung und Normalisierung der Religiosität.7 Statt von einer rapiden und gleichmäßigen Zunahme wäre es deshalb wohl angemessener, von einem Aufschwung der Religiosität in der Ukraine am Ende der 1990er und in der ersten Hälfte der 2000er Jahre zu sprechen. Insbesondere wenn man die Entwicklungen vor der ukrainischen Unabhängigkeit berücksichtigt, wird deutlich, dass diesem Aufschwung eine Flaute vorausging.

Tab. 1 Vergleich der Angaben zur eigenen Religiosität bei verschiedenen Fragefor-mulierungen, in Prozent

EVS 1999 Razumkov­Umfrage 2000 EVS 2008 Razumkov­Umfrage 2010 Religiös

67,8 Gläubig

57,8 Religiös

81,3 Gläubig

Jemand, der zwischen Glau- 71,4 be und Unglaube schwankt

Mir ist das gleichgültig

2,6 Mir ist das gleichgültig

Weiß nicht 4,4

10,0 Schwer zu sagen

2,0 Weiß nicht

5,5 Schwer zu sagen 3,3

Quellen: EVS 1999, 2008; Razumkov-Zentrum: Relihija i vlada v Ukrajini, Frage:

»Einmal abgesehen davon, ob Sie in die Kirche gehen oder nicht – würden Sie sagen, Sie sind … 1. gläubig, 2. jemand, der zwischen Glauben und Nicht-Glauben schwankt, 3. nicht gläubig, 4. ein überzeugter Atheist, 5. Mir ist das gleichgültig, 6. Schwer zu sagen.« Eigene Darstellung.

7 Vgl. Pollack: Das Verhältnis von Religion und Politik in den postkommunistischen Staaten; Müller et al.: Wandel religiös-kirchlicher Orientierungsmuster.

Die Bewahrung der Religiosität in der Ukraine nach dem