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Futuresrenditen und Spekulativer Terminhandel

7.2 Empirische Ergebnisse

7.2.1 Regressionsergebnisse des Grundmodells

Um für eine Zeitreihenregression die normalen OLS-Eigenschaften effizienter Schätzer zu erhalten, muss entweder strikte Exogenität in den erklärenden Variablen gewährleistet sein oder schwache (also kontemporäre) Exogenität sowie Stationarität der den Zeitrei-hen zugrundeliegenden stochastiscZeitrei-hen Prozesse gegeben sein (vgl. Hackl (2008)). Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, erhält man konsistente und erwartungstreue Schätzer durch die OLS-Schätzung. Deshalb werden vorab Augmented Dickey-Fuller-Tests (in Anlehnung an Dickey und Fuller (1979)) durchgeführt, d.h. es wird untersucht, ob eine Zeitreiheztbzw. die erste Differenz ∆zteinemAR(p)-Prozess mit der Lag-Länge p folgt. Man testet also folgende Beziehung:

zt=α+φ1zt−1+φ2zt−2+...+φpzt−p+ut

Die Variable zt steht in dieser Notation exemplarisch für alle im Grundmodell bzw.

im erweiterten Renditemodell verwendeten Variablen, also bspw. SP OItnetto etc. Der Fehlerterm des Regressionsmodells wird wieder mit ut bezeichnet. Technisch wird die dargestellte Beziehung in erste Differenzen transformiert und es wird die Nullhypothese getestet, obPpj=2φt−j+1= 0 gilt und der Prozess eine sogenannte Einheitswurzel (Unit Root) aufweist und instationär ist (vgl. Enders (2014)). Um die Aussagekraft des Tests zu erhöhen, wurde der Augmented Dickey-Fuller-Test mit sogenanntem Drift und de-terministischem Trend durchgeführt. Die Lag-Längepwurde wie in der Literatur üblich anhand der Informationskriterien nach Akaike (1973) (AIC) bzw. Schwarz (1978) (sog.

Bayesianisches Informationskriterium, BIC) gewählt, sodass eine Fehlspezifikation des Modells durch eine zu geringe Lag-Länge vermieden wird. Umgekehrt wird auch die Wahrscheinlichkeit einer zu hohen Anzahl einbezogener Lags verringert, die die Macht des Tests reduzieren würde.

Die nachfolgende Tabelle 7.1 zeigt die entsprechenden Teststatistiken und die zugehöri-gen p-Werte in Klammern. Der Test wurde für alle in die Regressionsmodelle einbezo-genen exoeinbezo-genen Variablen durchgeführt. Die Nullhypothese, dass die jeweilige Zeitreihe eine Unit Root aufweist, kann dabei durchgängig auf dem 0,1%-Signifikanzniveau ver-worfen werden. Insofern kann von stationären Zeitreihen ausgegangen werden, sodass die Variablen in die oben gezeigten Regressionsmodelle einbezogen werden können.

undSpekulativerTerminhandel135 Tabelle 7.1: Ergebnisse des Augmented Dickey-Fuller-Tests

Die Tabelle zeigt die Teststatistiken der durchgeführten Augmented Dickey-Fuller-Tests auf eine Einheitswur-zel (Unit Root) in den relevanten exogenen Variablen der Renditemodelle. Es wurde dabei eineAR(p)-Struktur in den jeweiligen Zeitreihen unter der Nullhypothese einer Einheitswurzel getestet. Die optimale Lag-Länge p wurde anhand der Informationskriterien nach Akaike bzw. Schwarz/Bayes bestimmt. In Klammern werden die zugehörigen p-Werte gezeigt. *** kennzeichnet statistische Signifikanz auf dem 1%-Signifikanzniveau.

Weichweizen Mais Zucker Sojabohnen Hartweizen Hafer SP OItnetto -4,351∗∗∗ -3,565∗∗∗ -3,148∗∗∗ -3,692∗∗∗ -3,448∗∗∗ -6,334∗∗∗

(0,000) (0,000) (0,001) (0,000) (0,000) (0,000)

SP OItex -5,074∗∗∗ -4,524∗∗∗ -3,871∗∗∗ -4,119∗∗∗ -4,258∗∗∗ -6,430∗∗∗

(0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000)

SP OItunex -36,276∗∗∗ -34,763∗∗∗ -36,373∗∗∗ -36,487∗∗∗ -33,799∗∗∗ -36,046∗∗∗

(0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000)

RSt -39,142∗∗∗ -35,566∗∗∗ -35,665∗∗∗ -33,470∗∗∗ -34,514∗∗∗ -42,343∗∗∗

(0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000)

COItnetto -4,262∗∗∗ -4,320∗∗∗ -3,532∗∗∗ -3,981∗∗∗ -4,039∗∗∗ -2,647∗∗∗

(0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,004)

ρ(RSt, RSPt 500) -10,243∗∗∗ -10,407∗∗∗ -8,474∗∗∗ 7,890∗∗∗ -4,102∗∗∗ -2,964∗∗∗

(0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,000) (0,002)

Die Regressionsergebnisse des Grundmodells sind in Tabelle 7.2 dargestellt. Auf Basis des Bayesianischen Informationskriteriums (BIC) wurde für alle betrachteten Rohstoffe eine optimale Lag-Länge von eins ermittelt, d.h. zusätzlich zur spekulativen Nettoposi-tion in der Woche t wird die Nettoposition der Vorwoche in die Regression einbezogen.

Auf den ersten Blick wird deutlich, dass es zwei wesentliche Einflussgrößen auf die Ren-diten der Settlement-Preise gibt: Die Nettoposition der Finanzinvestoren und die Rendi-ten der Rohstoffkassapreise. Diese Beobachtung gilt gleichermaßen für alle betrachteRendi-ten Rohstoffe. Wie aufgrund der oben dargestellten No-Arbitrage-Überlegungen erwartet, zeigt sich, dass insbesondere die Kassarenditen aller betrachteten Rohstoffe ausschlagge-bend für die durchschnittliche Entwicklung der Futuresrenditen sind: Sie haben durch-weg einen auf dem 1%-Niveau statistisch signifikanten Einfluss auf die Renditen der Rohstofffutures. Ebenso ist die Faktorladung erwartungsgemäß positiv.

Neben dieser statistischen Signifikanz zeigt sich zudem eine hohe ökonomische Signifi-kanz.14 Die Koeffizienten bewegen sich zwischen 0,49 (Sojabohnen) und 0,87 (Zucker), d.h. im Erwartungswert geht eine Erhöhung der Kassapreisrenditen um einen Prozent-punkt mit einer Erhöhung der Futuresrenditen von 0,49 ProzentProzent-punkten (Sojabohnen) bis 0,87 Prozentpunkten (Zucker) einher. Die sehr geringen Standardfehler unterstrei-chen die Relevanz der Entwicklung des Basispreises für die Entwicklung des zugehörigen Terminpreises.

Neben den Kassapreisrenditen ist vor allem die Nettoposition der Finanzinvestoren ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Futuresrenditen im Zeitpunkt t. Es zeigt sich bspw.

für Weichweizen, dass eine Erhöhung der Nettoposition um 1.000 Kontrakte im Zeit-punkt t ceteris paribus im Erwartungswert mit einer Erhöhung der Futuresrendite um 0,8%-Punkte im Zeitpunkt t einhergeht. Dieser Effekt lässt sich in allen betrachteten Kurszeitreihen beobachten. Mit Ausnahme von Zucker sind die geschätzten Koeffizienten β1 statistisch signifikant auf dem 1%-Signifikanzniveau von null verschieden und durch-gängig positiv. Für Zucker liegt statistische Signifikanz auf dem 10%-Signifikanzniveau vor. In Wochenzeiträumen, in denen Finanzinvestoren ihre Netto-Longposition erhöhen

— also zusätzliche Futureskontrakte nachfragen, — steigt also im Erwartungswert die Rendite der Terminkontrakte. Aufgrund der Größenordnung der Netto Open Interests, die regelmäßig in Regionen über 100.000 offenen Kontrakten liegt, ist auch hier ein ökonomisch signifikanter Effekt zu konstatieren.

14Bei der ökonomischen Interpretation der geschätzten Regressionskoeffizienten ist zu beachten, dass die Daten als Prozentwerte verarbeitet wurden. Ein Anstieg um eine Einheit ist demnach gleichbedeu-tend mit einem Anstieg um 1,0 Prozentpunkte.

undSpekulativerTerminhandel137

Die Tabelle zeigt die Ergebnisse des Grundmodells. Es wird folgendes Regressionsmodell für die Rohstoffe Winterweichweizen, Mais, Zucker, Sojabohnen, Winterhartweizen und Hafer getestet:RtF=α+Pτ

j=0β1·SP OIt−jnetto+γ1·RSt 2·COItnetto+γ3·ρ(RSt, RSPt 500) +ut. Dabei bezeichnenRFt undRtS die wöchentlichen Renditen der Rohstoffpreise am Termin- bzw. Kassamarkt zum Zeitpunkt t, SP OIt−jnetto die Nettoposition (gemessen in offenen Kontrakten) der Finanzinvestoren zum Zeitpunkt tj, COItnetto die Nettoposition der in den Produktionsprozess involvierten Marktteilnehmer zum Zeitpunktt undρ(RSt, RSPt 500)die dynamische bedingte Korrelation zwischen den Renditen am Kassamarkt des jeweiligen Rohstoffes und der Rendite des S&P 500-Index. In Klammern werden gegenüber Autokorrelation und Heteroskedastizität robuste Standardfehler nach Newey/West (1987) gezeigt.

***, **, * kennzeichnet statistische Signifikanz auf dem 1%-, 5%- und 10%-Signifikanzniveau.

Weichweizen Mais Zucker Sojabohnen Hartweizen Hafer SP OItnetto 0,00081∗∗∗ 0,00011∗∗∗ 0,00016 0,00064∗∗∗ 0,00121∗∗∗ 0,00326∗∗∗

(0,00009) (0,00002) (0,00009) (0,00007) (0,00027) (0,00101) SP OIt−1netto -0,00078∗∗∗ -0,00011∗∗∗ -0,00024∗∗∗ -0,00065∗∗∗ -0,00116∗∗∗ -0,00358∗∗∗

(0,00009) (0,00002) (0,00009) (0,00007) (0,00025) (0,00095) RtS 0,60715∗∗∗ 0,83321∗∗∗ 0,87181∗∗∗ 0,49288∗∗∗ 0,66767∗∗∗ 0,68031∗∗∗

(0,03281) (0,01963) (0,06038) (0,03907) (0,03946) (0,04354)

COItnetto 0,00001 -0,00000 -0,00007 -0,00002 0,00004 -0,00000

(0,00003) (0,00001) (0,00004) (0,00002) (0,00010) (0,00008) ρ(RSt, RSPt 500) -0,00322 -0,00614 -0,00284 0,00462 -0,00904 -0,00253

(0,00858) (0,00434) (0,00466) (0,00571) (0,00858) (0,00608)

Konstante 0,00053 0,00092 0,00044 -0,00006 0,00038 0,00157

(0,00079) (0,00078) (0,00111) (0,00079) (0,00070) (0,00112)

Beobachtungen 1303 1235 1301 1147 1147 1303

F-Statistik 226,43 629,26 328,29 129,85 168,73 55,20

Prob > F 0,0000 0,0000 0,0000 0,0000 0,0000 0,0000

Im Gegensatz dazu sind negative Faktorladungen der Nettoposition der Finanzinvesto-ren in der vorangegangenen Woche, also in t−1, zu beobachten. Auch diese Regressi-onskoeffizienten sind auf dem 1%-Signifikanzniveau statistisch signifikant. Aus diesen Ergebnissen lassen sich im Wesentlichen zwei Erkenntnisse ableiten: (1) Die negative Faktorladung der zeitverzögerten Nettopositionen spricht dafür, dass die Finanzinves-toren ihr Handelsverhalten über die Zeit glätten und sich die Wirkung des spekulativen Futureshandels nicht über mehrere Wochen verstärkt (vgl. Brunetti und Buyuksahin (2009) und Irwin et al. (2009)). (2) Betrachtet man aufbauend auf dieser Argumentati-on den kumulierten Effekt, so sieht man, dass dieser vArgumentati-on Rohstoff zu Rohstoff vArgumentati-on leicht positiv, über null bis leicht negativ differiert. In der mittleren Frist scheinen sich al-so die Aktivitäten der Finanzinvestoren gegenseitig zu kompensieren. Somit ist lediglich ein unmittelbar positiv wirkender Zusammenhang zwischen einer zusätzlichen Nachfrage nach Terminkontrakten durch Finanzinvestoren und höheren Renditen der Futurespreise feststellbar. Hierbei ist jedoch aufgrund des gewählten Modellansatzes — der sich wie-derum an der mangelnden Verfügbarkeit täglicher Daten orientiert — nicht eindeutig zu beantworten, ob Finanzinvestoren die Entwicklung der Terminpreise maßgeblich treiben oder ob sie durch Positionsanpassungen den jüngsten Preisentwicklungen folgen.

Dass der Terminhandel der Marktteilnehmer letztlich die Entwicklung des Settlement-Preises eines Rohstofffutures bestimmt, folgt einfacher ökonomischer Intuition. Die em-pirischen Ergebnisse legen jedoch den Schluss nahe, dass es eine gewisse Asymmetrie zwischen den am Produktionsprozess beteiligten Akteuren und den Finanzinvestoren gibt. Die Regressionskoeffizienten der Nettoposition der Commercials liegen nahe an null und sind statistisch insignifikant. Es kommen zwei Gründe für diese überraschende Beobachtung in Betracht: Erstens, sind in der Gruppe der Commercials sowohl Bau-ern als auch Retailer vertreten, die aufgrund ihrer gegensätzlichen Preisexposures auch mit gegensätzlichen Absicherungsmaßnahmen auf bestimmte Preisentwicklungen reagie-ren. Tatsächlich könnten diese Reaktionen auf Preisbewegungen eine kompensierende Wirkung haben, sodass per Saldo kein Einfluss dieser Gruppe auf die Futuresrenditen messbar ist. Zweitens, ergibt sich aus den Produktionszyklen der Rohstoffe eine gewis-se Verdichtung des Exposures um den Erntezeitraum (und mit Abstrichen auch um den Anbauzeitraum) herum, d.h. wenn die realisierte Menge und damit der Kassapreis bekannt wird. Die Commercials werden in den Zwischenzeiträumen wenig sensitiv auf kurzfristige Preisschwankungen reagieren und ihre Positionen mit Ausnahme von Roll-overs nahezu unverändert lassen. Somit ergibt sich eine geringere Korrelation zwischen den Futuresrenditen und der Nettoposition der Commercials.15

15Für eine weitergehende Analyse wären Daten zum Handelsvolumen zumindest auf Ebene der beiden betrachteten Gruppen hilfreich. Diese sind leider nicht verfügbar.

Die aufgrund der theoretischen Überlegungen einbezogene Korrelation ρ(RSt, RSPt 500) hat für alle betrachteten Rohstoffe keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Fu-turesrenditen. Mit Ausnahme von Sojabohnen sind die Vorzeichen der Regressionsko-effizienten negativ, d.h. in der betrachteten Stichprobe geht ein Anstieg der Korrelati-on zwischen den Renditen des S&P 500-Indexes und den Kassarenditen des betrach-teten Rohstoffes mit einer Verringerung der durchschnittlichen Futuresrendite einher.

Die Finanzinvestoren würden dann infolge der korrelationsbedingt schlechteren Diver-sifikationsmöglichkeiten ihre Asset Allocation anpassen und ihre Nettoposition durch Terminverkäufe verringern, wodurch der Futurespreis c.p. sinkt. Dies steht in Einklang mit den Ergebnissen des theoretischen Modells in Kapitel 4.3. Aufgrund der fehlenden statistischen Signifikanz haben diese Ergebnisse jedoch weder interne noch externe Va-lidität und können nur vorsichtig interpretiert werden. Zu beachten ist zudem, dass die Regressionskonstante insignifikant ist, d.h. in der Entwicklung bzw. der Prognose von Futuresrenditen gibt es keinen Leveleffekt. Somit scheint es keine weiteren, hier nicht berücksichtigten Variablen mit einem systematischen Einfluss auf die Veränderung der Futurespreise zu geben, was die Gefahr eines Omitted Variable Bias im Regressionsmo-dell verringert. Generell lassen sich die Erkenntnisse wie folgt zusammenfassen:

Empirische Beobachtung 1 Die Renditen von Rohstofffutures im Zeitpunkttwerden i.W. durch die Renditen des Kassapreises int sowie die Nettoposition der Finanzinvesto-ren in t und t−1beeinflusst. Für diese beiden exogenen Variablen liegt ein entsprechen-der statistisch signifikanter Zusammenhang vor. Demgegenüber ist für die Nettoposition der Commercials kein statistisch signifikanter Einfluss feststellbar, d.h. der Handel mit Rohstofffutures bestimmt nicht per se den zugehörigen Terminpreis, sondern es ist ent-scheidend, wer handelt.