• Keine Ergebnisse gefunden

Das Modell

4.2 Eine Welt ohne Finanzinvestoren

4.2.3 Gleichgewicht am Terminmarkt

Herleitung des gleichgewichtigen Terminpreises

In diesem Abschnitt wird nun das Gleichgewicht am Terminmarkt hergeleitet und analy-siert. Die Gleichgewichtsbedingung ergibt sich analog zum Kassamarkt aus dem optima-len Angebot des Produzenten an Terminkontrakten, hP, und der optimalen Nachfrage des Händlers nach Terminkontrakten, hH. Die Bedingung lautet dann:

hP =hH.

Durch Verwendung der Gleichungen (4.15) und (4.27) für hP and hH kann nach dem gleichgewichtigen Terminpreis f aufgelöst werden. Man erhält:

f=E[peP]−ΛP,H·x·V ar[peP] + ΓP,H

, (4.28)

mit

ΓP,H =x·(Cov[εepeP,peP] +x·cH·Cov[ε,e peP]), ΛP,H = λPλH

λP+λH.

Im Gleichgewicht entspricht der Terminpreis somit dem Erwartungswert des zukünfti-gen Kassapreises abzüglich einer Risikoprämief−E[peP]. Die Risikoprämie setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: (1) Die Unsicherheit über die Verteilung von Kassapreis und Erntemenge, die durch die Varianz des Kassapreises, V ar[peP], und die entspre-chenden Kovarianzterme in ΓP,H <0 erfasst wird. Letztere determinieren die implizite Absicherung durch die negative Korrelation zwischen Kassapreis und Erntemenge und beeinflussen maßgeblich den Hedgingbedarf der Akteure. Diese Risikokomponente wird im Wesentlichen durch exogene Parameter — bspw. die Nachfrageparameter a und b oder die Varianz der Schockvariable V ar[εe] — bestimmt, hängt allerdings auch von der gewählten Anbaumenge x des Produzenten ab. (2) Die Gewichtung des Risikos durch die beteiligten Akteure, die in ΛP,H zum Ausdruck kommt. Man kann ΛP,H umformen zu PλPλi·PλH

λi. Nach Wilson (1968) entspricht λiλi j genau der Risikotoleranz des Ak-teurs i bei Anwendung einer quadratischen Nutzenfunktion. Der Gewichtungsfaktor ist folglich das Produkt der individuellen Risikotoleranzen von Produzent und Händler und ist immer positiv, da die Agenten als risikoavers angenommen werden. Je höher die absolute Risikoaversion λi eines Akteurs (und somit je geringer dessen Risikotoleranz), umso höher wird ceteris paribus die Prämie für die Übernahme des Risikos sein.

Resultat 7 Der gleichgewichtige Terminpreisf entspricht dem erwarteten Kassapreis E[peP] abzüglich einer Risikoprämie. Die Risikoprämie im Terminmarkt für Agrarroh-stoffe ist abhängig von den Risikotoleranzen und dem Marktumfeld, wobei sowohl Back-wardation als auch Contango möglich sind.

Das Vorzeichen der Risikoprämie im Terminmarkt

In diesem Abschnitt wird das Vorzeichen der Risikoprämie diskutiert. In der entspre-chenden Literatur wird die Risikoprämie regelmäßig als sogenannter forward price bias bezeichnet und als Hauptdeterminante die sogenannte hedging pressure (vgl. De Roon et al. (2000) u.a.) genannt. Im Rahmen dieser Arbeit gilt die Risikoprämie als positiv, wennf−E[peP]>0 gilt. Man spricht dann von Contango im Markt. Eine negative Risi-koprämie liegt vor, wenn f−E[peP]<0 gilt und Backwardation im Markt vorherrscht.

Da der Risikoaversionsterm ΛP,H stets als positiv angenommen wird, determiniert der Ausdruck x·V ar[peP] + ΓP,H

das Vorzeichen der Risikoprämie. In Anhang A.4 wird unter Verwendung der Kassapreisbeziehung aus Gleichung (4.19) gezeigt, dass die Be-dingung für Backwardation

x·(2b+cH)> a (4.29)

lautet, d.h. dann gilt f−E[peP]<0 bzw. dann liegt der Terminpreis unterhalb des er-warteten Kassapreises.

Diese Bedingung für Backwardation hängt natürlich einerseits von der Wahl der Pa-rameter a, b und cH ab. Nimmt man positive Weiterverarbeitungsstückkosten cH >0 an und unterstellt eine Nachfragefunktion für das Endprodukt, die eher inelastisch ist, sodass 1/bnahe an null liegen wird, so kann argumentiert werden, dass im betrachteten Modellrahmen die sogenannte hedging pressure wesentlich von der geplanten Produk-tionsmenge x abhängt. Da diese Menge endogen gewählt wird, kann keine generelle Aussage getroffen werden, für welche Parameterkombinationen die Bedingung für Back-wardation erfüllt ist und umgekehrt.

Grundsätzlich zeigen aber die Gleichungen (4.15) und (4.27) für hP und hH, dass beide Akteure einen höheren (absoluten) Hedgingbedarf haben, wenn die Menge x hoch ist.

Das Vorzeichen der Risikoprämie wird allerdings nicht vom absoluten Hedgingbedarf de-terminiert, sondern durch die relative Größe der absoluten Hedgingbedarfe,hP undhH, des Produzenten im Vergleich zum Händler bestimmt. In der vorliegenden Arbeit wird dies als relativehedging pressure bezeichnet. Insgesamt können zwei Fälle unterschieden werden: Hohe und niedrige geplante Produktionsmengen.

(1) Bei einer hohen geplanten Produktionsmengexist der Produzent in stärkerem Maße auf die Weiterverarbeitung angewiesen, da er hohe Produktionskosten hat. Ausschlag-gebend ist dabei, dass die Varianz der Gewinne des Produzenten schneller in der Menge x ansteigt als dies für den Händler der Fall ist. Entsprechend wird der Produzent sein Hedgingvolumen für steigende Mengen stärker ausweiten wollen als der Händler. Rein technisch kann man dies anhand der sogenannten hedge ratios hxP und hxH von Pro-duzent und Händler analysieren. Ignoriert man die Spekulationskomponenten in den Gleichungen (4.15) und (4.27), die für λP =λH betragsmäßig identisch sind, so ist die hedge ratio des Händlers gegeben durch die Konstante b+ccHH <1. Demgegenüber ist die hedge ratio des Produzenten gegeben durch den Ausdruck 1−a−(b+c(b+c H)x

H)x = 2−(b+ca

H)x

und ist somit eine in x steigende Funktion.

Wenn die Produktionsmenge x hoch ist, wird der Produzent also mehr Terminkon-trakte anbieten als der Händler nachfragen möchte, da der Produzent einen größeren Absicherungsbedarf hat. Dieses Überangebot führt letztlich zu einer Absenkung des gleichgewichtigen Terminpreises f, um den Händler durch günstige Hedgingkonditio-nen in den Markt zu locken. Somit kassiert der Händler eine im Durchschnitt negative Risikoprämie, d.h. es gilt f−E[peP]<0 und es herrscht Backwardation im Markt. Die Arbeiten von Turnovsky (1983) und Hirshleifer (1988) zeigen ein analoges Resultat: Die

hedging pressure ist höher für den Produzenten, weshalb er im Erwartungswert Hed-gingverluste machen wird, sodass am Markt Backwardation entsteht.

Im betrachteten Modell hängt die Risikoprämie jedoch vom Marktumfeld ab, d.h. es bleibt noch Fall (2) zu diskutieren: Ist die geplante Produktionsmenge des Produzen-ten x niedrig, dann dreht sich die Situation um und der Produzent könnte letztlich einen geringeren Absicherungsbedarf haben als der Händler. In diesem Fall würde dann ein durchschnittlicher Hedginggewinn für den Produzenten zu Buche schlagen und der Terminpreis würde oberhalb des erwarteten Kassapreises liegen, d.h. f−E[peP]>0.

Der Vorteil dieses Modells ist also dessen Flexibilität, da je nach Marktumfeld positive wie negative Risikoprämien möglich sind. Es kann dabei allerdings keine genaue Aus-sage getroffen werden, ab welchen kritischen Werten für die Parameter a, b oder cH sowie für welches Produktionsniveau x der Markt von Backwardation auf Contango umschwingt. Insofern ist die Fallunterscheidung zwischen (1) und (2) nicht trennscharf, da unklar bleibt, ab wann eine geplante Menge von x hinreichend hoch oder niedrig für einen Vorzeichenwechsel der Risikoprämie ist. Generell zeigt jedoch die numerische Analyse, dass ein geringes Mengenrisiko, also eine geringe Varianz der Schockvariable, V ar[εe], oder ein geringes durch die Akteure über die Koeffizienten λi wahrgenommenes Risiko tendenziell Backwardation begünstigt. Der Prohibitivpreis a der Nachfragekurve hat ebenfalls Einfluss auf die Risikoprämie. Steigt diese maximale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten an, so verschiebt sich die Nachfragekurve aufwärts, sodass für jeden Marktpreis eine höhere Marktnachfrage vorherrscht. Dies wird den Produzenten zu ei-ner Ausweitung seiei-ner geplanten Produktionsmenge veranlassen und begünstigt damit ebenfalls eine negative Risikoprämie.

Resultat 8 Wenn x·(2b+cH)> agilt, ist die Risikoprämie negativ und es liegt Back-wardation im Terminmarkt vor. Ursächlich hierfür ist die höhere relative hedging pres-sure des Produzenten, d.h. der Hedgingbedarf hP des Produzenten steigt stärker in der Outputmenge x als der Hedgingbedarf hH des Händlers. Entsprechend möchte der Pro-duzent in diesem Fall sein Exposure durch zusätzliche Terminverkäufe reduzieren. Das resultierende Überangebot verursacht einen Rückgang des gleichgewichtigen Terminprei-ses, sodass sich Backwardation einstellt.