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Ein detaillierter Blick auf den Korrelationskoeffizienten ρ r,p P

Die Korrelation zwischen den Finanzmärkten und den Agrarrohstoffmärkten beeinflusst wesentlich die Hedgingposition des Finanzinvestors und entscheidet mit darüber, ob die-ser long oder short investiert. Dementsprechend wurde für die bisher angestellten Un-tersuchungen das Marktumfeld anhand des Korrelationskoeffizienten ρr,pP abgegrenzt.

Exemplarisch wurde dafür die Zeitreihe des Korrelationskoeffizienten zwischen den Ren-diten des Dow Jones Industrials und den RenRen-diten des Weizenkassapreises herangezo-gen. Dabei zeigt sich, dass die Korrelation in Stressphasen oder Krisenzeiten wie der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 oder der Staatsschuldenkrise im Euroraum 2010/2011 tendenziell anzieht Die Ergebnisse des Modells verdeutlichen, dass hohe positive Werte für ρr,pP negative Auswirkungen des spekulativen Terminhandels für die Konsumenten bedeuten. Abbildung 4.9 zeigt nun den Verlauf der Zielgrößen des Modells in Abhängig-keit des Korrelationskoeffizienten ρr,pP.

Ein steigender Korrelationskoeffizient ρr,pP führt c.p. zu einer Verringerung des gleich-gewichtigen Terminpreises im 3-Akteure-Modell. Oberhalb einer kritischen Grenze kann dann spekulativer Terminhandel dazu führen, dass der gleichgewichtige Terminpreis mit Finanzinvestor unterhalb des Terminpreises im Benchmark-Szenario liegt. Infolgedes-sen würde der Produzent Anreize zur Verringerung seiner geplanten Produktionsmenge erhalten. Wie in Teil (d) der Abbildung deutlich wird, determiniert das Vorzeichen von ρr,pP das Vorzeichen der Risikoprämie im Terminmarkt. Die Kurve der erwarte-ten Gewinne verläuft U-förmig in ρr,pP, wobei für die gegebene Parametrisierung eine Verringerung der erwarteten Gewinne durch spekulativen Terminhandel im Intervall

Abbildung 4.9: Sensitivität gegenüber Änderungen in ρr,pP

Die Abbildung zeigt die Sensitivität der Modellergebnisse durch Variation des Modellparametersρr,pP. Im Fokus der Analysen stehen die Kerngrößen des theoretischen Modells: Terminpreisf (Panel (a)), geplante Produktionsmenge x (Panel (b)), erwarteter Gewinn des Produzenten E[egP] (Panel (c)) sowie die Risikoprämie am Terminmarkt (Panel (d)), die als Quotient E[peP]/f abgebildet wird. Die restlichen Parameterwerte entsprechen der Parametrisierung des Ausgangsszenarios (s. Tabelle 4.2).

mit Finanzinvestor ohne Finanzinvestor

−0,07< ρr,pP ≤0,2 resultiert. Zusammenfassend gilt also, dass die Korrelation zwi-schen der Portfoliorendite des Finanzinvestors und dem Kassapreis des Agrarrohstoffes ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Modellergebnisse ist und insbesondere eine Art Trennlinie zwischen positiven und negativen Wirkungen des spekulativen Terminhandels bildet.

Um nun aber die Auswirkungen des spekulativen Terminhandels insbesondere auf die ar-men Haushalte genauer analysieren zu können, muss ein detaillierter Blick auf die Höhe von ρr,pP erfolgen. Hierbei geht es nicht um die Schwankungen von ρr,pP im Zeitablauf, sondern um Unterschiede im Quervergleich zwischen ärmeren und reicheren Volkswirt-schaften. Generell sind zwei Thesen denkbar:

(1) In wenig entwickelten Volkswirtschaften ist ρr,pP hoch: Ein geringeres Volkseinkommen geht in der Regel mit einem geringeren Entwicklungsgrad der Volkswirtschaft einher. Aufgrund der später begonnenen Tertiärisierung der Volks-wirtschaft ist (im Durchschnitt) anzunehmen, dass der primäre Sektor größeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat als in entwickelten Volkswirtschaften. Ein großer Agrarsektor würde dabei bedeuten, dass in den großen Aktienindizes etc.

die Erzeuger oder Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse überrepräsentiert sind. Somit wäre eine hohe Interdependenz zwischen den Entwicklungen an den Rohstoff- und den Wertpapierbörsen denkbar.

(2) In entwickelten Volkswirtschaften ist ρr,pP hoch: Die steigenden Kapital-ströme in (Agrar)rohstoffe, die in den entwickelten Volkswirtschaften zu beobach-ten sind, könnbeobach-ten zu einem Anstieg der Korrelation zwischen den Finanz- und Rohstoffmärkten führen, da dieselben Investoren hinter den Kapitalanlagen ste-cken und somit Rohstoffe mittelfristig Betafaktoren wie Aktien erreichen. Büyü-kşahin und Robe (2014) untersuchen in ihrer Arbeit entsprechende Entwicklungen der Korrelationskoeffizienten von Rohstoff- und Aktienmärkten in Abhängigkeit der Gesamtposition der spekulativen Händler. Sie argumentieren auf Basis ih-rer Regressionsergebnisse, dass der oben beschriebene Zusammenhang zumindest schwach in den Marktdaten sichtbar wird. Umgekehrt bedeutet dies, dass in wenig entwickelten Volkswirtschaften ρr,pP niedrig sein müsste.

Empirisch sind beide Szenarien aufgrund mangelnder Datenverfügbarkeit für Entwick-lungsländer kaum zu überprüfen. Abbildung 4.10 gibt erste Anhaltspunkte für die USA und Indien: Der Vergleich dieser Länder wurde deshalb gewählt, da Indien gemäß dem Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen (UN) nur einen Wert von 0,624 aufweist. Die Entwicklungs- und Schwellenländer haben einen durchschnittlichen Wert von 0,69, d.h. Indien liegt im unteren Mittelfeld dieser Gruppe (vgl. Ribbeck (2018)). Die USA sind demgegenüber ein hochentwickeltes Land mit einem Indexstand von 0,92. Auf Basis von Daten von Thomson Reuters EIKON wurden gleitende 100-Tages-Korrelationskoeffizienten zwischen den Kassapreisrenditen von börsengehandel-tem Weizen und den Renditen des Dow Jones Industrials bzw. des BSE Sensex berech-net.

Die Abbildung liefert Argumente für These (2): Der Korrelationskoeffizient für die US-Märkte ist in rund 73% der Perioden höher als der Korrelationskoeffizient für die in-dischen Finanz- und Rohstoffmärkte. Auffällig ist zudem die deutlich höhere Schwan-kungsbreite des Korrelationskoeffizienten in den USA. Während in Indien der Korrelati-onskoeffizient bis auf wenige Ausnahmen zwischen −0,05 und +0,1 liegt, variiert er für die USA von−0,2 bis +0,5.

Abbildung 4.10: Korrelationskoeffizienten ρr,pP für Indien und USA (2007-2017)

Die Abbildung zeigt den gleitenden Korrelationskoeffizienten zwischen den wöchentlichen log-Renditen von Weichweizen (gehandelt in Chicago und Bombay) und dem Dow Jones Index bzw.

dem BSE Sensex, die als Proxy-Variable für das riskante Portfolio des Finanzinvestors herange-zogen werden. Der Korrelationskoeffizient wird über 100 Handelstage in einem Zeitraum von 2007 bis 2017 geschätzt. Die entsprechenden Kursdaten wurden von Thomson Reuters EIKON bezogen.

-0,3

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Indien USA

Empirisch besser untersucht ist die Fragestellung, inwieweit die sogenannte Finanziali-sierung der Rohstoffterminmärkte den Korrelationskoeffizienten ρr,pP erhöht hat. Cre-ti et al. (2013) modellieren die Zeitreihen der bedingten Varianzen der Renditen von Aktienindizes und Rohstoffen mithilfe eines n-dimensionalen GARCH-Prozesses, wo-durch sie dynamische bedingte Korrelationen zwischen den einzelnen Prozessen schätzen können. Sie zeigen, dass für 25 verschiedene Rohstoffe die (bedingten) Korrelationen zum S&P 500-Index einen positiven Trend aufweisen und speziell nach der Finanzkri-se 2007/2008 angestiegen sind. Gleichzeitig sind die Korrelationen volatiler geworden.

Tang und Xiong (2010) verwenden eine Differences-in-Differences Regression, um zu un-tersuchen, wie sich die Korrelationen zwischen den einzelnen Rohstoffen über die Zeit entwickeln. Sie zeigen, dass die Korrelationen von Agrarrohstoffen mit dem Ölpreis ge-stiegen sind. Da Öl eine steigende Korrelation mit den relevanten Aktienindizes aufweist, sei dies ein weiteres Indiz für eine korrelationserhöhende Wirkung des spekulativen Ter-minhandels.

Aufbauend auf diesen empirischen Beobachtungen zum Korrelationskoeffizienten ρr,pP ergeben sich folgende wesentliche Implikationen: (1) Höher entwickelte Länder mit einem hochentwickelten Finanzmarkt scheinen anfälliger für negative Auswirkungen des

spe-kulativen Terminhandels in Krisenzeiten. (2) Der in entwickelten Ländern beobachtete positive Trend der mittel- und langfristigen Korrelationen zwischen den Aktienmärkten und den Rohstoffmärkten könnte zukünftig zu einem Ausbleiben positiver Wirkungen des spekulativen Terminhandels führen, wenn die Korrelationen dauerhaft auf einem ökonomisch signifikanten Level verharren. (3) In wenig entwickelten Ländern wie Indi-en wird spekulativer Terminhandel kaum einIndi-en Einfluss auf die AnbauIndi-entscheidungIndi-en und damit die erwarteten Kassapreise von Agrarrohstoffen haben, da die Nullkorrelation vermuten lässt, dass (bisher) nur ein kleiner Anteil der offenen Terminkontraktpositio-nen von Finanzinvestoren gehalten wird. (4) Da für Indien keine KorrelatioTerminkontraktpositio-nen größer als +10,5% beobachtet wurden, sind negative Folgen des spekulativen Terminhandels unwahrscheinlich.

Sensitivität des Modells gegenüber Veränderungen der