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Regional- und immobilienökonomische Rahmenbedingungen

Im Dokument Produktion zurück ins Quartier? (Seite 18-21)

II. Forschungsstandanalyse

1.2 Regional- und immobilienökonomische Rahmenbedingungen

Technische Weiterentwicklungen – allen voran die Digitalisierung – können Urbane Produk-tion begünstigen, da neue ProdukProduk-tionsmöglichkeiten geschaffen und störende Betriebe zu nicht-störenden Produktionsstätten umgewandelt werden können bzw. durch Digitalisierung die Transaktionen einfacher und flexibler werden. Dies ermöglicht die Erweiterung der Wert-schöpfungskette bzw. die Regionalisierung von Teilen der WertWert-schöpfungsketten im urbanen Raum. Dass sich Elemente einer Wertschöpfungskette in bestimmten Räumen konzentrie-ren, lässt sich z. B. mit den Agglomerationstheorien erklären (Weber 1909; Marshall 1919).

Diese gehen von Wettbewerbsvorteilen aus, wenn sich Unternehmen, insbesondere solche der gleichen Branche bzw. Wertschöpfungskette, an einem Ort agglomerieren. Die dadurch entstehenden ungleichen räumlichen Verteilungsmuster führen in einer modellhaften Be-trachtung so lange zu einer räumlichen Polarisation (Myrdal 1959), durch die mobile Produktionsfaktoren von der Peripherie ins Zentrum wandern (bessere Verdienstmöglichkei-ten, Lebensqualität etc.), bis es dort zu einer Überaktivität kommt (Agglomerationsnachteile).

Die für die regionalwirtschaftliche Entwicklung positiven Effekte wurden seit den 1990er Jahren im Rahmen des Clusteransatzes erkannt und regionalpolitisch versucht zu nutzen

2 Siehe für eine beispielhafte Liste:

https://3druck.com/labs?view=map&category=11&zoom=15&is_mile=0&directory_radius=0&sort=random&p=1.

Zugriff am 12.12.2016.

(Rosenfeld 2002; Rehfeld 1999). So versteht Porter unter einem Cluster die „geographische Konzentration von Unternehmen, spezialisierten Lieferanten, Dienstleistungsanbietern und Einrichtungen (zum Beispiel Universitäten, Normungsinstituten und Wirtschaftsverbänden), die in bestimmten Feldern untereinander verbunden sind und gleichzeitig miteinander kon-kurrieren und kooperieren“ (1999: 207 f.). Dabei werden die vor- und nachgelagerten Unter-Unternehmen sowohl in der vertikalen als auch in der horizontalen Ebene betrachtet.

Die Stadt bzw. der urbane Raum haben bei der Konzentration ökonomischer Aktivitäten eine wichtige Funktion, weil in Städten eine kritische Masse an Fachkräften vorhanden ist, Trans-aktionen einfacher zu organisieren sind und Wissensspillover entstehen können. So konnte beispielsweise Krätke (2007) nachweisen, dass selbst die profilierten Dienstleistungsmetro-polen London, Paris und Mailand über eine hohe Konzentration an „High-Technology“-Industriezweigen verfügen. Bereits vor der Finanzkrise – die eine gewisse Renaissance der Industrie einleitete – schrieb Krätke: „Dieser Befund ist nicht zuletzt für die strategische Orientierung der wirtschaftlichen Entwicklungspolitik europäischer Stadtregionen relevant, die in den meisten Fällen schlecht beraten wären, ihre Entwicklungspolitik einseitig auf den Ausbau zu Dienstleistungszentren zu konzentrieren“ (ebd.: 142).

Neue technische Rahmenbedingungen unterstützen diese Entwicklung und ermöglichen ganz neue Formen der Vernetzung und Produktion. Gerade für kleine und mittlere Unter-nehmen (KMU) und innovative, flexible UnterUnter-nehmen ist die Stadt von großer Bedeutung, weil sie als ein „Zufallsgenerator von Wissen“ (Läpple 2004: 71) anzusehen ist. Hier lassen sich positive Aussichten für Nutzungsmischungen erkennen (Nedden 2016). Die innovativs-ten Elemente der neuen kleinteiligen Unternehmen suchen die Stadt und die Nutzungsmischung, da sie darauf angewiesen sind, sich untereinander auszutauschen und zu ergänzen.

An solchen urbanen Orten ist die Ressource Raum attraktiv und daher knapp und teuer.

Großflächige Fabriken lohnen sich kaum bzw. müssen durch platzsparende Lösungen (z. B.

Stockwerkfabriken) sparsam mit der Flächenressource umgehen. Doch auch kleinere, teil-weise weniger rentable Betriebe werden in manchen Quartieren und Städten (insbesondere in den wachsenden Schwarmstädten) verdrängt, weil die wohnwirtschaftliche Verwendung eine höhere Rendite verspricht als die Vermietung an kleine Manufakturen oder Handwerks-betriebe. Die Gewerbegebäude mit angemieteten Flächen werden häufig durch Unternehmen der Immobilienentwicklung aufgekauft, den bisher ansässigen Betrieben wird gekündigt, das Gewerbegebäude wird abgerissen (wobei teilweise die Fassaden als Kulisse stehen bleiben) und durch Wohnungen ersetzt bzw. ergänzt. Dass die Entwicklung von Wohnimmobilien lukrativ ist und die Flächenrenditen, die mit produzierendem Gewerbe erzielt werden, damit nicht konkurrieren können, liegt nicht nur an der gestiegenen Wohn-nachfrage in den attraktiven Städten selbst, sondern auch an der Niedrigzinsphase, die Immobilieninvestitionen relativ gesehen attraktiver macht (Deutsche Bundesbank 2012).

Ferner suchen seit der Finanzkrise viele Investoren Sicherheit in Immobilieninvestitionen (Gärtner, Flögel 2017). Aufgrund des zumindest bis zur Finanzkrise in Deutschland aus internationaler Sicht stark unterbewerteten Immobilienmarkts scheint es immer noch einen Nachholbedarf und damit eine gesteigerte Nachfrage aus dem Ausland zu geben. Zwar gibt es neben Wohnimmobilien- auch Wirtschaftsgebäudeinvestments, allerdings sind Portfolios mit Geschäftsgebäuden für urban produzierende Unternehmen noch keine etablierte

Handelsklasse. Sollten Produktionsgebäude auf dem Markt etabliert werden, wären die Renditeerwartungen wohl recht hoch und nur wenige Betriebe, die in der Stadt produzieren, könnten diese Erwartungen erfüllen. So werden Betriebe insbesondere des Handwerks und der verarbeitenden Industrie langsam, aber kontinuierlich aus den Mischstrukturen verdrängt.

Das führt dazu, dass trotz der bekundeten Bevorzugung der Funktionsmischung durch Städ-tebauerinnen und -bauer in der Realität eine Entmischung erfolgt.

Die in den Zentren durch deutlich höhere Bodenrenditen verursachte Peripherisierung des produzierenden Gewerbes müsste sich allerdings in altindustriellen Räumen, die aufgrund des Strukturwandels über genügend innenstadtnahe Brachflächen verfügen, nicht in gleicher Weise darstellen wie in anderen Regionen. In solchen Regionen gibt es Flächen, die nicht dem Verwertungsdruck unterliegen wie in den prosperierenden Zentren. Es stellt sich also die Frage, ob nordrhein-westfälische altindustrielle Regionen aufgrund ihrer städtischen Siedlungsgestalt in Verbindung mit vielen Gebäude- und Industriebrachen nicht geeignet sind, von einem Trend der Produktion und Logistik in der Stadt zu profitieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass im Zuge des individualisierten Massenkonsums ohnehin in kleineren Skalen produziert und die Produktion sich aufgrund der Ansprüche an extrem kurze Lieferzeiten in die Städte verlagern wird. Aber auch global ist unter dem Stichwort Onshoring (Luttrel 2009) bzw. Reshoring (Fine 2013) durch technische Innovationen und dabei sinkenden Pro-Stück-Arbeitskosten eine Auflösung der verlängerten Werkbänke und eine Rückverlagerung der dann sehr kapitalintensiven Produktion von der Peripherie in die Zentren, in denen die gut ausgebildeten Fachkräfte und das Kapital vorhanden sind, zu beobachten.

Entwicklungspotenziale können auch in spezifischen Programmen und Konzepten für struk-turschwache Quartiere, Städte oder Regionen liegen. Neben regionalökonomischen Ansätzen wird mittlerweile die lokal-ökonomische Ebene fokussiert, welche für Urbane Pro-duktion einen wichtigen Ausgangspunkt darstellen kann. Der Ansatz der Lokalen Ökonomie kann hier nicht in Gänze beschrieben, aber in relevanten Auszügen wiedergegeben werden.

Gemäß Birkhölzer kann grundsätzlich gesagt werden, dass Lokale Ökonomie sich auf „die Gesamtheit aller auf den Ort (die Region) bezogenen wirtschaftlichen Aktivitäten – die for-mellen wie inforfor-mellen, die produktiven wie reproduktiven“ (Birkhölzer 2000: 4) bezieht und das Ziel adressiert, vor Ort Wirtschaftsstrukturen zu schaffen und zu stärken, die nachhaltig sind. So lässt sich im Kern sagen, dass Lokale Ökonomie in besonderer Weise eine lokale Nachfrage bedient und dabei auf lokale Ressourcen (Arbeitskräfte, Begabungen, Leerstand etc.) zurückgreift. Dies kann zu einer verbesserten Lebensqualität und zu einem verbesser-ten Image im Stadtteil führen sowie die Chancen der ökonomischen Teilhabe für die Bewohnerinnen und Bewohner erhöhen (Brandt, Gärtner 2016). Allerdings sollte es dabei nicht um eine ökonomische Abkopplung vom Weltmarkt gehen, sondern um die Förderung intralokaler Kreisläufe und Aktivierung ungenutzter Ressourcen, ohne dabei die Chancen von Unternehmensansiedlungen und die Bedürfnisse der Bestandsunternehmen aus den Augen zu verlieren. Ergänzend spricht Läpple (2013: 135) von „lokal eingebetteten Ökono-mien“ und weist damit auf die Tatsache hin, dass Unternehmen, die der lokalen Ökonomie zuzuordnen sind, zwar eine starke lokale Orientierung haben, aber gleichzeitig immer von globalen Wirtschaftsverflechtungen beeinflusst werden und vom globalen Handel nicht abzu-grenzen sind. Weiterhin zielt er auf die Wechselbeziehung zwischen dem Stadtteil und den lokalen Ökonomien ab, welche in einem starken Abhängigkeitsverhältnis stehen und speziell

für benachteiligte Stadtteile zu berücksichtigen sind (ebd.). Urbane Produktion kann in die-sem Sinne Bestandteil einer Lokalen-Ökonomie-Strategie sein und so vorhandenes endogenes Potenzial in den Blick nehmen.

Im Dokument Produktion zurück ins Quartier? (Seite 18-21)