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Die Marmeladenmanufaktur im Südviertel von Münster

Im Dokument Produktion zurück ins Quartier? (Seite 69-74)

IV. Anforderungen für Urbane Produktion – Empirische Ergebnisse

7.1 Urban produzierende Unternehmen

7.1.1 Die Marmeladenmanufaktur im Südviertel von Münster

Das Beispiel der Marmeladenmanufaktur steht für einen Lebensmittelbetrieb (siehe Tab. 1) und zeigt auf, wie ein „Allerweltsprodukt“ durch eine anspruchsvolle Neukonzeptionierung und durch cleveres Marketing zu einer besonderen Marke gemacht wurde und zur Neugrün-dung eines Betriebs im Jahre 2007 führte. Eine intensive Vernetzung auf lokaler Ebene zu anderen Betrieben hat der Marmeladenmanufaktur erfolgreiche Vertriebskanäle eröffnet. Der Erfolg der Marmeladenmanufaktur verdeutlicht das gestiegene Bewusstsein für lokal herge-stellte Produkte (vgl. z. B. die in Kap. 1.3 beschriebene Personengruppe der „Locavores“) und deren Potenzial für die Marketingzwecke anderer lokaler Unternehmen und den Aufbau lokaler Wertschöpfungsstrukturen. Des Weiteren steht die Fallstudie für eine gelungene und erfolgreiche Nutzung der von der Wirtschaftsförderung angebotenen Leistungen.

Art der Produktion Urbane Manufaktur (Lebensmittelbetrieb)

Produkt Marmelade

Rechtsform des Betriebs Einzelunternehmen

Besitzverhältnis Pacht

Liegenschaftseigentum Privat, Hauseigentümer

Beschäftigte am Standort 3 bis 7 Personen, saisonal schwankend

Qualifikation der Beschäftigten Unternehmerin: Ökotrophologin

Saisonal Angestellte: gering qualifizierte Beschäftigung

Wohnort der Beschäftigten überwiegend Münster

Betriebszeiten Dienstag bis Freitag: 10.00 bis 18.00 Uhr; Samstag: 10.00 bis 13.00 Uhr

Genutzte Fläche des Betriebs Gesamtfläche: ca. 120 qm, davon: ca. 24 qm Laden; 14 qm Mitarbeiterraum; ca. 80 qm Werkstatt

Adresse Blücherstraße 16

48153 Münster

Quartierstyp altindustrielles Gründerzeitquartier

Tab. 1: Eckdaten Marmeladenmanufaktur

Kernmerkmale des Falles

Die produzierte Marmelade stellt ein handgefertigtes, hochpreisiges Produkt dar, das sich deutlich von der üblichen Massenware abgrenzt, anspruchsvoll „designed“ wird und als Feinkostmarke eingetragen ist. Dieses Image soll auch die Verkaufs- und Ausstellungsfläche der Marmeladenmanufaktur transportieren (siehe Abb. 10).

Abb. 10: Marmeladen der Marmeladenmanufaktur (Quelle: Angela von der Goltz)

Die Erträge werden durch den Verkauf der produzierten Marmeladen erzielt. Der Verkauf an Endkundinnen und -kunden erfolgt im Laden und über das Internet, aber auch durch Auftritte auf Messen und anderen Veranstaltungen. Eine wichtige Rolle spielen Vertriebskundinnen und -kunden aus dem Fach- und Einzelhandel, insbesondere dem Feinkostbereich. Bedeu-tend sind Unternehmenskundenbeziehungen, da die Marmeladenmanufaktur für Unternehmen zahlreiche Services anbietet: Sondereditionen, Präsente, Hausmarken, „Give-aways“, das Durchführen von Veranstaltungen im „Fullservice“ etc. Darüber hinaus finden Kurse und Events im Laden statt, bei denen Marmelade gekocht wird. Es gibt ein begrenztes Catering-Angebot. Die Rechtsform des Betriebs ist „Einzelunternehmen“ mit der Eigentüme-rin als selbständiger UnternehmeEigentüme-rin.

Das räumliche Umfeld

Die Marmeladenmanufaktur hat ihren Standort im Südviertel, einem altindustriellen Gründer-zeitquartier der Stadt Münster (siehe Abb. 11). Es handelt sich dabei um ein Innenstadtrandgebiet in der Nachbarschaft des Hansaviertels, eines Szeneviertels westlich des Hafengebiets. Das Südviertel ist ein Mischgebiet (MI), bei dem im Erdgeschoss der Gebäude zahlreiche Läden, in den Obergeschossen überwiegend Wohnungen vorhanden sind (siehe Abb. 12 und 13). Das räumliche Umfeld hat einen Nachteil: die hochpreisige Marmelade verlangt eigentlich eine 1-a-Lage. Die Miete in einer solchen Lage in Münster ist aber nicht finanzierbar. Allerdings wird die Marmelade auch in Feinkostläden in Münster vertrieben. Im unmittelbaren Umfeld finden sich ein Finanzamt, ein Hotel, ein Stahlhandel, ein Szenefrisör, ein Klavierhändler, eine Yoga-Schule und reine Wohngebäude. Nach Aus-sagen der Unternehmerin wird durch die Manufaktur und neue „coole“ Läden das Viertel aufgewertet.

Abb. 11: Standort der Marmeladenmanufaktur (Datengrundlage: OpenStreetMap 2017)

Abb. 12: Außenansicht Marmeladenmanufaktur Abb. 13: Außenansicht Marmeladenmanufaktur

Standortentscheidung und Produktionsstätte

Der ausschlaggebende Faktor für die Wahl des Standortes war die Tatsache, dass in dem Objekt Laden- und Produktionsfläche miteinander verbunden sind und direkt an die Woh-nung angrenzen, in der die Unternehmerin mit ihrer Familie wohnt. Die Vornutzung bestand aus einer Bäckerei mit Laden und Backstube. Die gesamte Einheit wurde kernsaniert und der neuen Nutzung, insbesondere den Anforderungen einer Lebensmittelproduktion, ange-passt. Im Erdgeschoss befinden sich Produktion und Verkauf, in den darüber liegenden Etagen gibt es Wohnungen. Ein räumliches Wachstum am Standort ist nicht möglich, ist aber auch derzeit nicht geplant. Die Abbildungen 14 und 15 zeigen Impressionen aus der Manu-faktur.

Unterstützungsstrukturen und wichtige Akteure

In der Anfangsphase der Gründung des Unternehmens wurden die Angebote der Stelle

„Frau und Beruf“ und weitere Beratungsangebote der Wirtschaftsförderung Münster genutzt.

Das Angebot von Existenzgründungskursen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Müns-ter wurde in Anspruch genommen. Der Laden wurde über den Immobilienservice der Wirtschaftsförderung Münster gefunden.

Die erste Phase des Unternehmens wurde durch Eigenkapital finanziert. Zur Finanzierung der Expansionsphase wurde ein KfW-Darlehen in Anspruch genommen. Die Lebensmittel-überwachung gab wichtige Informationen im Hinblick auf die besonderen Ansprüche einer Lebensmittelproduktion.

Die Unternehmerin war mit der Unterstützung durch die verschiedenen Ämter und Institutio-nen vollständig zufrieden. Sie wurde im Juni 2008 mit dem UnternehmerinInstitutio-nenbrief des Wirtschaftsministeriums Nordrhein-Westfalens ausgezeichnet. Im Juni 2009 ernannte die Wirtschaftsförderung der Stadt Münster sie zur Unternehmerin des Monats.

Verflechtungen und Einbettung des Betriebs in das räumliche Umfeld

Es bestehen zahlreiche Endkundenbeziehungen in das unmittelbare räumliche Umfeld. Der Umfang der Lieferverkehre ist relativ gering, so dass keine Belästigungen der Nachbarschaft damit verbunden sind. Bezogene Vorprodukte sind die Zutaten für die Marmeladen, die Gläser, die Etiketten und Geschenkverpackungen. Die einheimischen Früchte werden über-wiegend aus dem Münsterland bezogen, die exotischen Früchte über den Bio-Handel, das Apfelpektin kommt aus Baden-Württemberg. Die Gläser werden aus dem Raum Hannover geliefert, die Etiketten werden in Münster entworfen und gedruckt. Die Endkundinnen und Endkunden, die den Laden besuchen, kommen zum überwiegenden Teil aus Münster, aber es gibt auch Kundinnen und Kunden, die von weit her persönlich in den Laden kommen. Es besteht eine rege Vernetzung mit anderen Betrieben im Quartier. So wird im benachbarten Hotel die Marmelade der Manufaktur als Besonderheit zum Frühstück angeboten. Über den Online-Handel und die erwähnten Services gibt es Kundenbeziehungen nach ganz Deutsch-land. Die Versendung der Pakete erfolgt über DHL.

Abb. 14: Küche der Manufaktur (Quelle: Angela von der Goltz)

Abb. 15: Füllen der Gläser (Quelle: Angela von der Goltz)

Fazit

Die Marmeladenmanufaktur in Münster ist ein gutes Beispiel für den Typ der neuen städti-schen Manufakturen, die auf der Basis traditioneller Handwerkstechniken ihre Produktion auf eine Kundschaft ausrichten, die nachhaltig produzierte, qualitativ hochwertige und lokale Produkte kaufen möchte. Die lokale Herkunft des Produkts schafft besondere Absatzmög-lichkeiten. So servieren beispielsweise Hotels die Münsteraner Marmelade, um ein lokal hergestelltes Produkt im Sortiment zu haben. Die wenig umweltbelastende Produktion eignet sich besonders gut für die Münsteraner Südstadt, ein ehemaliges Gründerzeitviertel, das nach dem zweiten Weltkrieg im Stil der 1950er Jahre wieder aufgebaut wurde und heute eine vorwiegend mittelständische Bevölkerung umfasst. Wohnnutzung dieses Gebietes existiert in enger Nachbarschaft mit zahlreichen Dienstleistungsbetrieben und einigen Ge-werbebetrieben. Die Hauptstraße durch das Viertel – die Friedrich Ebert Straße – hat sich in den letzten Jahren durch etliche Neuansiedlungen in Richtung eines Szeneviertels entwi-ckelt. Die Marmeladenmanufaktur hat zahlreiche Business-to-Business-Kontakte im Südviertel.

Das Beispiel zeigt darüber hinaus, dass urban produzierende Unternehmen von Unterstüt-zungsleistungen der Städte profitieren können, wenn sie diese nachfragen. Ferner wurden hier Einfacharbeitsplätze im Produktionsbereich geschaffen, was gerade in einer Stadt mit ausgeprägtem Dienstleistungsprofil von Bedeutung ist.

Im Dokument Produktion zurück ins Quartier? (Seite 69-74)