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Illhill bzw. ShirtFab im Pionierhaus Krefeld

Im Dokument Produktion zurück ins Quartier? (Seite 74-79)

IV. Anforderungen für Urbane Produktion – Empirische Ergebnisse

7.1 Urban produzierende Unternehmen

7.1.2 Illhill bzw. ShirtFab im Pionierhaus Krefeld

Die Fallstudie ist für das Gutachten von Interesse, da sie aufzeigt, dass geförderter gewerbli-cher Mietraum (hier durch die „Montag Stiftung Urbane Räume“ im zur Samtweberei gehörenden Pionierhaus) die Ansiedlung eines urban produzierenden Unternehmens (siehe Tab. 2) fördern kann und wie durch Entwicklung von Gewerbestandorten Aufwertungspro-zesse im Quartier initiiert werden. Die Fallstudie verdeutlicht die Wichtigkeit der räumlichen Nähe zu anderen Unternehmen, die in diesem Fall ein wichtiges Kriterium der Standortwahl war (vgl. Agglomerationstheorie in Kap. 1.2).

Art der Produktion Urbane Manufaktur (Handwerksbetrieb)

Produkt Streetware und Textildruck

Rechtsform des Betriebs GbR

Besitzverhältnis Miete; Bewerbung für Räumlichkeiten im Projekt Samtweberei, Zuschlag für unbegrenzte Zeit

Liegenschaftseigentum Montag Stiftung

Beschäftigte am Standort 2 Personen, 2 VZÄ

Qualifikation der Beschäftigten Unternehmer: Kommunikationsdesigner

Wohnort der Beschäftigten Krefeld (2 Minuten zu Fuß entfernt), Neersen (aufgrund von Famili-engründung, vorher ebenfalls Krefeld)

Betriebszeiten Montag bis Freitag, 10.00 bis 17.00 Uhr; in Stoßzeiten auch 08.00 bis 20.00 Uhr; überwiegend Gleitzeit, je nach Bedarf

Genutzte Fläche des Betriebs Gesamtfläche: 100 qm,

davon 70 qm Produktionsfläche; 30 qm Bürofläche

Adresse Lewerentzstraße 104

47798 Krefeld

Quartierstyp Metropolitanes Quartier im Umbruch

Tab. 2: Eckdaten Illhill bzw. ShirtFab

Kernmerkmale des Falles

Hinter den beiden Firmen Illhill bzw. ShirtFab stehen dieselben Personen. Diese nutzen die Räumlichkeiten gemeinschaftlich und führen vor allem Siebdruck-, Flexdruck- und Stickerei-arbeiten durch. Illhill ist die Eigenmarke, die selbstkreierte Streetware anbietet. Dagegen ist ShirtFab eher als Dienstleistungsunternehmen zu sehen, welches klassische Auftragsdrucke für Firmen, Sponsoring etc. übernimmt. Der Inhaber ist seit 13 Jahren im Siebdruck tätig. Die Gemeinde Willich hatte damals dem noch Jugendlichen einen Jugendraum für kreative Experimente zur Verfügung gestellt. Bereits während des Design-Studiums in Krefeld fuhr der Unternehmer fast täglich in seine Heimatgemeinde zurück, um dort T-Shirts zu drucken.

Später mietete ein Team von sechs bis acht kreativ- und freischaffenden Freunden ein zent-ral gelegenes Ladenlokal (Die Ecke, Südstraße 29) in Krefeld mit dem Namen „deseng Kreativkollektiv“.

Das Hauptgeschäft wird über ShirtFab-Druckaufträge betrieben, die über ein deutschland-weit entstandenes Kundennetzwerk generiert werden. Nebenbei werden über Versand- und Onlinehandel die Produkte von Illhill vermarktet.

Das räumliche Umfeld

Sitz von ShirtFab/Illhill ist das Pionierhaus (siehe Kasten) der „Alten Samtweberei“ in Krefeld, die sich etwa zehn Fußminuten entfernt vom Hauptbahnhof in der Lewerentzstraße befindet (siehe Abb. 16). Der Straßenzug ist als Mischgebiet ausgewiesen und verfügt über Gastro-nomie und Einzelhandels- sowie Wohnnutzungen in den Erdgeschossen. Auch ein Maler-/

Lackiererbetrieb ist ansässig. Das Quartier galt lange Zeit als benachteiligt, ist nun aber ein metropolitanes Quartier im Umbruch. Innerhalb des Pionierhauses sind überwiegend Büros und gewerbliche Nutzung von Freischaffenden, Künstlerinnen und Künstlern angesiedelt.

Direkt angrenzend wird derzeit ein Wohnhaus saniert bzw. bereits bezogen. In der Shedhalle im Innenhof soll ein öffentlicher, halbüberdachter Platz entstehen.

Abb. 16: Standort der Samtweberei (Datengrundlage: OpenStreetMap 2017)

Standortentscheidung und Produktionsstätte

Entscheidend für den Unternehmensstandort waren die Zentralität des Standorts sowie das Netzwerk mit den anderen Akteuren, das z. T. schon vorher bestand. Die Samtweberei bietet zentrale Vorteile, da hier Kreative aus verschiedenen Bereichen tätig sind und es gegenseiti-ge Unterstützungsstrukturen gibt.

Die Unternehmer entschieden sich bei der Wahl des Standorts bewusst gegen ein Gewerbe-gebiet und ein Ladenlokal. Als das Unternehmen noch im Ladenlokal ansässig war, kam es häufig zu Missverständnissen mit der Laufkundschaft, die oft den Wunsch hatte, Produkte in Losgröße eins produzieren zu lassen, was für den Betrieb jedoch nicht tragfähig ist. Gegen einen Standort im Gewerbegebiet sprachen die schlechtere Anbindung, die höheren Kosten sowie die höhere Anonymität zwischen den Betrieben. Seitdem der Betrieb in der Samtwe-berei ist, gelingt die Arbeit effektiver.

Pionierhaus in der „Alten Samtweberei“

Die „Alte Samtweberei“ wurde 2013 von der „Montag Stiftung Urbane Räume“ als Pilotprojekt mit dem Ansatz „Initialkapital für eine chancengerechte Stadtteilentwicklung“ ausgewählt und wird seitdem mithilfe einer eigens für dieses Projekt gegründeten gemeinnützigen Projektge-sellschaft „Urbane Nachbarschaft Samtweberei gGmbH“ (UNS) sukzessive saniert und neuen Nutzungen zugeführt. Die Renovierung eines ersten Gebäudeteils, das sog. Pionier-haus, stellte den Anfang dieses Prozesses dar und brachte ein spezielles Nutzungs- und Mietkonzept mit sich.

Im Pionierhaus verpflichten sich die Unternehmen infolge einer sehr geringen Grundmiete zu sog. „Viertelstunden“. Entsprechend ihrer gemieteten Büroflächen (jährlich eine Stunde pro qm) müssen die Mieterinnen und Mieter im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompeten-zen Zeit für das Gemeinwesen bzw. die Nachbarschaft aufbringen. Die eingebrachte Zeit kann beispielsweise eine Beteiligung an der Stadtteilzeitung bedeuten oder die Erstellung eines hochwertigen Flyers, Deutschunterricht für Flüchtlinge oder die Planung eines Stadt-teilfestes. Mittlerweile befinden sich im Pionierhaus ca. 25 Unternehmen (u. a. viele Kreativunternehmen) und zwei Co-Working-Plätze für Freiberuflerinnen und -berufler, Kreati-ve und kleinere Start-ups, die tage- oder monateweise gemietet werden können.

ShirtFab/Illhill zog im September 2014 ins Pionierhaus ein (siehe Abb. 17-20). Das Pionier-haus hat eine Gesamtfläche von 1.000 qm. ShirtFab/Illhill mietet davon 100 qm zur reduzierten Monatsmiete von 3 €/qm zzgl. 4,50 €/qm Nebenkosten inkl. Heizung und Strom.

In den Räumen des Pionierhauses gibt es keinen Platz zur Unternehmenserweiterung, wes-halb das Unternehmen auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten ist und auch zum Kauf bereit wäre. Wenn beispielsweise 100 Pullover zum Druck geliefert werden, gibt es keinen geeigneten Lagerplatz für die Kartonage. Erschwerend kommt hinzu, dass das Unternehmen im ersten Obergeschoss ohne Fahrstuhlzugang liegt. ShirtFab/Illhill möchte langfristig in der Lage sein, mittelgroße Aufträge bis zu Stückzahlen von 500 Stück problemlos annehmen zu können. Derzeit werden durchschnittlich Aufträge von 50 bis 100 Drucken bearbeitet.

Allerdings gestaltet sich der Immobilienmarkt im Zentrum Krefelds immer schwieriger. So beobachtet der Interviewpartner: „Ist eine neue Gewerbeimmobilie verfügbar, gibt es inner-halb von wenigen Stunden bereits Kaufinteressenten – ein paar Wochen später hängen an der Immobilie dann „zu vermieten“-Schilder, mit entsprechend höheren Mieten.“ Zurückzu-führen ist dies einerseits auf die Bodenpreisentwicklung im Ballungsraum Düsseldorf und andererseits auf die Aufwertung des Quartiers durch die Entwicklung der Samtweberei. So wird beispielsweise derzeit ein angrenzendes Wohnhaus vollständig saniert.

Nutzungskonflikte gibt es derzeit keine, da die Druckerei kaum bis keinen Lärm verursacht.

Zudem finden seit dem Einzug Bauarbeiten in der Straße und am Gebäude statt, die enor-men Lärm auslösen, der jedoch schon nicht mehr wahrgenomenor-men wird. Auch zukünftig sind keine Nutzungskonflikte absehbar, da ShirtFab/Illhill seine Räumlichkeiten zum Innenhof hat und dort in unmittelbarer Nähe nur die Shedhalle, die zukünftig als Raum für Urban Garde-ning und einen überdachten Basketballplatz dienen soll, liegt.

Um den Betrieb im Pionierhaus zu ermöglichen, musste eine Wand entfernt sowie ein Was-ser- und Starkstromanschluss geschaffen werden. Bei letzterem wurden die Kosten von den Unternehmen getragen.

Abb. 17: Pionierhaus Abb. 18: ShirtFab/Illhill-Räumlichkeiten

Abb. 19: Samtweberei Abb. 20: Blick in die Leweerentzstraße mit Blick in die Tannenstraße

Unterstützungsstrukturen und wichtige Akteure

Im Vorfeld war die „Montag Stiftung Urbane Räume“ für die Ansiedlung des Unternehmens hilfreich. Die Unternehmen mussten sich auf die Gewerberäume bewerben. ShirtFab/Illhill wurden angenommen. Andere Unternehmen kamen auf die Warteliste. Weitere Akteure sowie finanzielle Mittel wurden für die Gründung nicht benötigt. Wenn Probleme auftraten, konnte sich untereinander oder mittels Internet geholfen werden.

Zur Wirtschaftsförderung bestand bislang kein Kontakt. Für die Zukunft könnte ein Kontakt bei der Suche neuer Flächen von Vorteil sein. Auch Fördermittel- oder Kreditgeber als unter-stützende Akteure spielten keine Rolle, da Investitionen mit Eigenkapital finanziert werden konnten. Für ShirtFab wurde eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet, was als relativ einfach handhabbare Unternehmensform angesehen wird. Kundinnen und Kunden werden überwiegend durch Mundpropaganda gefunden, auch über Google oder ehemalige Sponsoren wird der Kontakt gesucht.

Verflechtungen und Einbettung des Betriebs in das räumliche Umfeld

Es bestehen keine Kunden- und Lieferantenbeziehungen ins Quartier, die Kundschaft kommt v. a. aus Düsseldorf, dem Ruhrgebiet, Bayern und besteht aufgrund von persönlichen Bezie-hungen. Die Waren kommen aus dem europäischen Großhandel, Marken sind z. B. Falk und Ross, Fruit of the Loom oder verschiedene Bio-/Fairtrade- oder Recycling-Label. Lieferungen werden über DHL, Deutsche Post, UPS und DPD abgewickelt. Die Post liegt im Umfeld, so dass Pakete problemlos aufgegeben werden können.

Es gibt jedoch eine starke Vernetzung unter den in der Samtweberei ansässigen Betrieben.

Aufgrund der „Viertelstunden“ ist die Verflechtung ins Quartier jenseits der Kunden- und Lieferantenbeziehungen hoch. In den vergangenen Jahren sind so, auch mit Hilfe der ande-ren Unternehmen, viele Projekte und Aktionen in der Nachbarschaft der Samtweberei entstanden (Workshops für Kinder und Jugendliche, eine Stadtteilzeitung etc.).

Fazit

Durch die vergünstigten Mieten im Pionierhaus der Alten Samtweberei haben sich junge, kreative Unternehmen in einem strukturschwachen Stadtteil angesiedelt. Die Nähe zu ähnli-chen Unternehmen und die günstige Miete waren für das Unternehmen Shirtfab/Illhill, das seine Produktionsstätte vorher in einem ehemals leerstehenden Ladenlokal hatte, ein wichti-ger Standortfaktor. Der Fall macht deutlich, dass ausschließlich auf die Produktion ausgerichtete Räumlichkeiten ohne Verkaufsflächen für Unternehmen wichtig sind, deren Endkunden über das Internet oder Distributionskanäle jenseits von Laufkundschaft erreicht werden. Ebenfalls verdeutlicht die Fallstudie das mit unternehmerischer Vernetzung einher-gehende Innovationspotenzial, denn durch den in Pionierhaus und Samtweberei ermöglichten Austausch mit anderen Unternehmen entstanden neue Ideen und Lösungen.

Für die Entwicklung des Unternehmens war die Ansiedlung im Pionierhaus gut und wichtig.

Langfristig benötigt das Unternehmen jedoch größere Räumlichkeiten, wo sich auch die An- und Ablieferung von Paketen einfacher gestalten lässt, weshalb die erneute Standortsuche bereits begonnen hat. Bislang sind jedoch keine ähnlich geeigneten Flächen in zentraler Lage verfügbar, die aufgrund der Nähe zum Wohnraum gezielt gesucht werden. Der Fall ShirtLab/Illhill verdeutlicht daher die mit Unternehmenswachstum einhergehenden Probleme von in innerstädtischen Lagen angesiedelten produzierenden Betrieben. Es ist mit großen Hürden verbunden, geeignete und preisgünstige Räumlichkeiten für expandierende Betriebe zu finden, ohne Lageeinbußen in Kauf zu nehmen.

Dieses Beispiel zeigt, dass es eine Nachfrage nach gemeinschaftlich genutzten Gebäuden unterschiedlicher Unternehmen gibt, die durch günstige Mieten gerade für gründende Unter-nehmen wichtig und hilfreich sind. Solche Räumlichkeiten sollten von städtischer Seite gefördert werden, damit sich produzierende Unternehmen ansiedeln können. Wünschens-wert wäre seitens der Stadtplanung oder Wirtschaftsförderung eine Bereitstellung der Information über Flächen bzw. Gebäude in bestehenden Stadtquartieren, in die Unterneh-men einziehen können.

Im Dokument Produktion zurück ins Quartier? (Seite 74-79)