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Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen grundsätzlich durch Vertrag,

§ 311 I BGB.

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Auch im Rahmen rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse finden

230 Überzeugend Larenz, Schuldrecht AT, 14. Aufl. 1987, S. 120; Medicus, JuS 1986, 665, 669;

Oechsler, RabelsZ 60 (1996), 91, 120f.

231 So auch Gernhuber, Schuldverhältnis, 1989, S. 26ff.; Larenz, Schuldrecht AT, 14. Aufl. 1987, S. 365f.

232 Besteht zwischen zwei Parteien nur ein Schuldverhältnis aufgrund der gesetzlichen Anordnung der § 311 II, III BGB, so erübrigt sich eine weitere Abgrenzung. Es gibt dann schließlich oh-nehin nur ein Schuldverhältnis.

233 Voraussetzung sind demnach zwei korrespondierende Willenserklärungen gem. §§ 145ff.

BGB. Ausnahmen sind bspw. das Stiftungsgeschäft nach §§ 80 ff. BGB, die Auslobung nach den §§ 657ff. BGB sowie letztwillige Verfügungen nach den 1937, 1939 BGB welche die ein-seitige Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ermöglichen. Das rechtsge-schäftliche Schuldverhältnis muss zur reinen Gefälligkeit abgegrenzt werden, welche mangels

A Grundlagen: Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands 57

sich regelmäßig keine Regelungen zu Nebenpflichten. § 241 II BGB ist schließ-lich eine Generalklausel für Nebenpfschließ-lichten. Diejenigen gesetzschließ-lichen Regelun-gen, welche integritätsschützende Pflichten in rechtsgeschäftlichen Schuldver-hältnissen anordnen oder zumindest voraussetzen, werden jedoch zum besseren Verständnis des § 241 II BGB vergleichsweise herangezogen.

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Eine wichtige solche Regelung bildet die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für die körperliche Integrität des Arbeitnehmers aus § 618 I BGB.

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Im Bereich derjenigen Neben-pflichten, welche die sachliche Integrität schützen, wird die Haftung des Gast-wirts für in dessen Betrieb eingebrachte Sachen des Gastes aus § 701 I BGB als Paradebeispiel einer gesetzlichen Nebenpflicht angesehen.

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Im Bereich der integritätsschützenden Informationspflichten fehlt es zwar gänzlich an einer expliziten, allgemeinen Regelung,

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aus den §§ 444 Alt. 1, 524 I BGB wird aber bisweilen die Existenz einer allgemeinen Informationspflicht zum Schutz vor

Rechtsbindungswillen aufseiten mindestens einer Partei kein Schuldverhältnis auslöst. Kommt ein Rechtsbindungswille grundsätzlich in Frage, kann aber nicht festgestellt werden, so geht es – vorbehaltlich eines unter § 311 II, III BGB subsumierbaren Sachverhalts – nicht an, dieses Ergebnis zu unterlaufen, indem lediglich Nebenpflichten angenommen werden, präzise HKK/Dorn, 2007, § 241 Rn. 64, 73. Entscheidende Abgrenzungskriterien für das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens sind die (mittel- und unmittelbare) Entgeltlichkeit, die für den Schuldner erkennbare wirtschaftliche und rechtliche Relevanz seiner Leistung für den Gläubi-ger, der Grund und Zweck des Parteikontaktes sowie die – in Abwägungen ubiquitäre – Inte-ressenlage der Parteien, BGH, Urt. v. 22.6.1956 – I ZR 198/54, Rn. 14f. (BGHZ 21, 102, 107);

BGH, Urt. v. 23.7.2015 – III ZR 346/14, Rn. 8; HKK/Dorn, 2007, § 241 Rn. 63; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 618f.; Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2015, § 241 Rn. 83ff. m.w.N. Wel-ches konkrete rechtsgeschäftliche Schuldverhältnis vorliegt, ist durch einen Vergleich des gem. §§ 133, 157 BGB ermittelten Parteiwillens mit dem jeweiligen Rechts(folgen)programm eines der im BGB – und außerhalb – geregelten, rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse zu bestimmen.

234 Vgl. die Aussagen von Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2015, § 241 Rn. 444f., 491; zu anderen als den hier genannten Beispielen für gesetzlich angedeutete Nebenpflichten Kuhl-mann, Schutzpflichten, 2001, S. 61ff.

235 Ob § 618 I BGB als Ausdruck der allgemeinen, arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Ar-beitnehmers auch andere Interessen des ArAr-beitnehmers schützt, ist umstritten, vgl. MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2016, § 618 Rn. 1 (Fn. 1) m.w.N., 3.

236 Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2015, § 241 Rn. 494. Als Argument für die integritäts-schützende Natur der aus § 701 I BGB folgenden Pflichten für den Gastwirt lässt sich anfüh-ren, dass – sofern der Beherbergungsvertrag auch die Nebenleistungspflicht enthält, das Eigen-tum des Gastes zu schützen – die vertragliche Haftung lediglich neben den Anspruch aus § 701 I BGB tritt, vgl. MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2018, § 701 Rn. 5, 9.

237 Schon der BGB-Gesetzgeber enthielt sich einer solche Regelung bewusst, Mugdan, Materia-lien, Bd. I, 1899, S. 467.

(leistungsbedingten) Integritätsschäden gefolgert

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. Zudem finden sich in § 312a II BGB i.V.m. Art. 246 EGBGB zahlreiche Informationspflichten des Unter-nehmers gegenüber einem Verbraucher, die als vermögensschützend eingeordnet werden.

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3. Rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse

Als rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis wird insbesondere

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das vorver-tragliche Schuldverhältnis bezeichnet. Bisweilen wird das vorvervorver-tragliche Schuldverhältnis auch als gesetzliches Schuldverhältnis qualifiziert. Daran ist richtig, dass die culpa in contrahendo mangels abgegebener Willenserklärungen der Parteien in der Dichotomie der vertraglichen und gesetzlichen Schuldver-hältnisse nur ein gesetzliches Schuldverhältnis sein kann.

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Gleichzeitig wird aber für ein vorvertragliches Schuldverhältnis ein zumindest hypothetischer Bezug zu einem späteren Vertrag gefordert. Dies ergibt sich in systematischer Zusammenschau mit § 311 II Nr. 3 BGB, der – als Mindeststandard eines Schuldverhältnisses – einen geschäftlichen Kontakt zwischen den Parteien vo-raussetzt. Damit wird die culpa in contrahendo zumindest in die Nähe der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse gerückt.

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So erwähnt schließlich auch die amtliche Überschrift des § 311 BGB das „rechtsgeschäftsähnliche“ Schuld-verhältnis. Diese Einordnung ist bei rechtsvergleichender Betrachtung nahezu

238 Vgl. Kuhlmann, Schutzpflichten, 2001, S. 60; Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2015, § 241 Rn. 445.

239 Vgl. HK-BGB/Schulte-Nölke, 9. Aufl. 2017, § 312d Rn. 9. Zudem finden sich beispielsweise in den §§ 469, 536c, 663, 694 BGB Informationspflichten, die im Kontext von § 241 II BGB zitiert werden, MüKo-BGB/Bachmann, 7. Aufl. 2016, § 241 Rn. 111. Dabei ist jedoch zu be-rücksichtigen, dass viele gesetzliche geregelte Informationspflichten lediglich Nebenleistungs-pflichten eines Schuldverhältnisses darstellen und demzufolge dem Äquivalenz- und nicht dem Integritätsinteresse dienen, zutreffend Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2015, § 241 Rn. 444.

240 Daneben wird auch die nachvertragliche Haftung, der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, die Sachwalterhaftung sowie die Eigenhaftung bei der Vorbereitung, Begründung oder Durchführung eines Schuldverhältnisses beteiligter Dritter nach § 311 III BGB als Bestandteil der rechtsgeschäftsähnlichen Haftung gesehen, hierzu Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2015, § 241 Rn. 47.

241 So auch Jauernig/Stadler, 17. Aufl. 2018, § 311 Rn. 34.

242 HKK/Dorn, 2007, § 241 Rn. 77; Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 531;

vgl. beispielsweise LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 28.1.2011 – 2 O 722/09, Rn. 18f. („Einverneh-men beider Parteien“ als Voraussetzung für vorvertragliche Schutzpflichten gegenüber Sach-eigentum des Gläubigers).

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einzigartig.

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Die meisten anderen Rechtssysteme erfassen die betroffenen Sachverhalte auf der Ebene des Jedermannsrechts, also häufig im Deliktsrecht. In der deutschen Schuldrechtsdogmatik ist die Einstufung der culpa in contrahendo als rechtsgeschäftsähnlich deshalb auch nicht unumstritten. Schließlich nimmt die culpa in contrahendo seit ihrer Kreierung als „Wunderwaffe“

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der Recht-sprechung einen zunehmend größeren Raum im Schuldverhältnisrecht ein – nicht zuletzt bestätigt durch die gesetzliche Anerkennung im Jahr 2002 in § 311 II, III BGB. Gleichzeitig passen viele Vorschriften des Schuldverhältnisrechts nicht oder nur mit Mühe auf rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse

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, was deren dogmatische Ähnlichkeit zu den rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen zu-mindest in den Augen Mancher zweifelhaft erscheinen lässt.

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Typisch für rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse ist, dass sie sich auf Nebenpflichten nach § 241 II BGB beschränken. In Umkehrschluss zur Formulierung in § 311 II, III BGB lässt sich schließlich folgern, dass rechtsgeschäftsähnliche Schuldver-hältnisse keine Leistungspflichten aufweisen. Anders als innerhalb rechtsge-schäftlicher oder (rein) gesetzlicher Schuldverhältnisse liegt bei rechtsgeschäfts-ähnlichen Schuldverhältnissen demnach der praktische Schwerpunkt auf der Subsumtion unter § 241 II BGB.

4. Gesetzliche Schuldverhältnisse

Der Begriff des gesetzlichen Schuldverhältnisses ist im BGB nicht defi-niert. Charakteristikum der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse ist indes, dass sie gem. § 311 I BGB grundsätzlich auf einem Vertrag basieren. Im Um-kehrschluss lassen sich gesetzliche Schuldverhältnisse also als solche definieren, die nicht auf vertraglicher Basis entstehen.

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Vielmehr entstehen sie dadurch,

243 Benedict, Internationales Recht, 2013, S. 19, 20; von Caemmerer, FS DJT, Bd. II, 1960, S. 49, 56; Hassemer, Heteronomie, 2007, S. 48 (Fn. 88); C. Krüger, GPR 2014, 182, 190; Matthias Lehmann, ZEuP 2009, 693, 695f.; Leible, Schuldrechtsmodernisierung, 2008, S. 219, 229f.;

Mankowski, IPRax 2003, 127, 132f.; Medicus, Gutachten, Bd. I, 1981, S. 479, 489; Nirk, Ra-belsZ 18 (1953), 310, 315ff., 351, 353f.

244 Leible, Schuldrechtsmodernisierung, 2008, S. 219, 223; vgl. auch Schwenzer, Obligationen-recht, 1999, S. 59, 68 („Allheilmittel“).

245 Z.B. die §§ 273f., 281-287, 307ff., 312ff., 320-322, 328ff., 362f.

246 Vgl. Hassemer, Heteronomie, 2007, S. 48.

247 Ähnlich Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2015, § 241 Rn. 61 („Negativabgrenzung“).

dass eine gesetzliche Regelung im Zivilrecht Pflichten zwischen zwei Parteien anordnet, wenn bestimmte Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.

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§ 241 II BGB differenziert in seinem Anwendungsbereich nicht nach Schuldverhältnissen.

Dementsprechend kann auch ein gesetzliches Schuldverhältnis nach § 241 II