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Auch im Jedermannsrecht kann sich das Verhalten Dritter auf die Haftung des Nebenpflichtschuldners auswirken. Systematisch gibt es hierbei entweder die

Möglichkeit, das Verhalten des Dritten dem Schuldner zuzurechnen, oder die Möglichkeit, den Schuldner für eigenes Verschulden zu belangen. § 831 I 1 BGB bietet dabei eine Anspruchsgrundlage, um den Schuldner auch bei schädigendem Verhalten eines Dritten haften zu lassen. Es ist aber eine Anspruchsgrundlage, welche das schuldhafte Verhalten des Schuldners selbst sanktioniert.

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Letztlich wird nach § 831 I 1 BGB die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vermu-tet, Gehilfen sorgfältig auszuwählen und zu überwachen.

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Aus diesem Grund gewährt § 831 I 2 BGB auch die Möglichkeit einer Exkulpation. Dogmatisch ist

329 Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 278 Rn. 18; Tröger, Arbeitsteilung, 2012, S. 487 (Fn. 277) m.w.N.; Wendelstein, AcP 215 (2015), 70, 75.

330 Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 278 Rn. 20.

331 RG, Urt. v. 29.5.1906 – III 465/05, RGZ 63, 341, 343f.; BGH, Urt. v. 14.2.1957 – VII ZR 287/56, BGHZ 23, 319, 323; BGH, Urt. v. 4.2.1997 – XI ZR 31/96, Rn. 18; BGH, Urt. v. 15.3.2012 – III ZR 148/11, Rn. 19; Staudinger/Caspers, Neubearbeitung 2014, § 278 Rn. 52 m.w.N.; NK-BGB/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2016, § 278 Rn. 8; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl. 2017, Rn. 662; Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 278 Rn. 20;

Hirsch, Schuldrecht AT, 11. Aufl. 2018, Rn. 438; Kreß, Schuldrecht AT, 1929, S. 337f.; HK-BGB/Schulze, 9. Aufl. 2017, § 278 Rn. 11; Jauernig/Stadler, 17. Aufl. 2018, § 278 Rn. 12;

Bamberger-Roth/Unberath, 3. Aufl. 2012, § 278 Rn. 44. Diese Herangehensweise ist der US-amerikanischen Abgrenzung mittels der „Scope of Employment“-Regel gar nicht unähnlich, vgl. § 228 II Restatement (Second) of Agency („Conduct of a servant is not within the scope of employment if it is different in kind from that authorized, far beyond the authorised time or space limits, or too little actuated by a purpose to serve the master.“).

332 Kupisch, JuS 1984, 250, 251.

333 Aufgrund der Fortentwicklung der allgemeinen Pflichten zur Gefahrvermeidung im Rahmen einer geschäftlichen Unternehmung innerhalb von § 823 I BGB ist dabei die dogmatische Be-deutung des § 831 I BGB mit Ausnahme der angedeuteten Beweislastumkehr nahezu aufgeho-ben, vgl. MüKo-BGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, § 831 Rn. 11.

der entscheidende Unterschied zu § 278 BGB, dass nach § 831 BGB für eigenes, nicht für fremdes Verhalten gehaftet wird. Zudem ist § 831 BGB – anders als

§ 278 S. 1 Alt. 2 BGB – nicht auf einen weisungsunabhängigen independent contractor anwendbar.

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Rechtspraktisch bildet die Möglichkeit der Exkulpation in § 831 I 2 BGB einen entscheidenden Nachteil gegenüber der Haftung aus Schuldverhältnis.

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An den Entlastungsbeweis werden aber von der Rechtspre-chung hohe Anforderungen gestellt.

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Durch die restriktive Handhabung des

§ 831 I 2 BGB durch die Rechtsprechung erfährt die dogmatisch stets betonte Schwäche des § 831 BGB eine praktische Aufwertung.

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Zudem wurde der Anwendungsbereich des § 31 BGB von der reinen Organhaf-tung hin zur RepräsentantenhafOrganhaf-tung ausgeweitet

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: In letztlich analoger Anwen-dung des § 31 BGB hat sich die Rechtsprechung vom Erfordernis der verfas-sungsmäßigen Berufung des Organs entfernt und fordert lediglich eine faktische Organstellung aufgrund selbstständiger und eigenverantwortlicher Wahrneh-mung eines Aufgabenbereichs mit Außenwirkung.

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Dabei ging es dem BGH im hierzu grundlegenden Urteil gerade darum, eine Haftung aus §§ 823 I, 31 BGB dort zu ermöglichen, wo eine Haftung nach § 831 BGB womöglich

334 Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 87; MüKo-BGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, § 831 Rn. 16.

335 Kupisch, JuS 1984, 250, 254f.

336 Vgl. bspw. BGH, Urt. v. 30.1.1996 – VI ZR 408/94, Rn. 16.

337 Vgl. von Bar, Gutachten, Band II, 1981, S. 1681, 1717f.; von Bar, JuS 1982, 637, 645; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 661; Horn, JuS 1995, 377, 379; U. Huber, AcP 177 (1977), 281, 318 (Fn. 142); Kreuzer, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.1.1976 – VIII ZR 246/74, JZ 1976, 778, 780;

Michael Lehmann, Vertragsanbahnung, 1981, S. 335f.; Michael Lehmann, Bürgerliches Recht, 1983, S. 95f.; Schlechtriem, FS Medicus, 1999, S. 529, 530.

338 jurisPK-BGB/Matusche-Beckmann, 8. Aufl. 2017, § 831 Rn. 21; K. Schmidt, Karlsruher Forum 1993, S. 4, 7f.; AK-BGB/Reich, 1979, § 831 Rn. 11; Wagner, Grundstrukturen, 2003, S. 189, 298f.; näher zu dieser bereits in den Materialien zu § 31 BGB erkennbaren Entwick-lung MüKo-BGB/Arnold, 7. Aufl. 2015, § 31 Rn. 4f.; Zimmermann/Verse, Richter, 2000, S. 319, 338ff.

339 BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, Rn. 10f. („Verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 31 BGB sind nicht nur Personen, deren Tätigkeit in der Satzung der juristischen Person vorgesehen ist; auch brauchen sie nicht mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht aus-gestattet zu sein. Es braucht sich auch nicht um einen Aufgabenbereich innerhalb der ge-schäftsführenden Verwaltungstätigkeit der juristischen Person zu handeln. Vielmehr genügt es, daß dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, we-sensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Er-füllung zugewiesen sind, daß er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert“) (BGHZ 49, 19, 20f.)

B Haftung aus einem Schuldverhältnis 87

den wäre.

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Anders als bei § 831 BGB ist dem Betrieb nämlich bei der Zurech-nung einer Sorgfaltspflichtverletzung über § 31 BGB die Möglichkeit einer Ex-kulpation wegen ordnungsgemäßer Überwachung des betreffenden Organs abge-schnitten.

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Bereits das Reichsgericht hatte deutlich zu erkennen gegeben, dass das Zusammenspiel von § 31 BGB, § 823 BGB und der Rechtsfigur der Ver-kehrspflichten eine weitergehendere Betriebshaftung ermöglichen würde, als eine solche über § 831 BGB denkbar wäre.

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Über § 31 BGB wird dem Schuld-ner der Verkehrspflicht dabei fremdes Verhalten zugerechnet. Genau wie bei

§ 278 BGB haftet der Schuldner hier für fremdes (Fehl-)Verhalten. Über das weite Verständnis der herrschenden Meinung von § 31 BGB findet der Gedanke des § 278 BGB damit zunehmend auch im Jedermannsrecht Verbreitung.

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Be-reits in Verbindung mit der Auswahl- und Überwachungspflichten des § 831 I 2 BGB potenziert die Zurechnung jedes Fehlverhaltens eines Betriebsrepräsentan-ten mit jeweils eigenen Verrichtungsgehilfen in seinem Organisationsbereich die Unternehmenshaftung.

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Gleichzeitig ist § 823 I BGB mittlerweile

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Quell weitreichender Organisations-pflichten für jeden, der Dritte in die Erfüllung eigener Aufgaben einspannt.

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So

340 BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, Rn. 11 („Bei einer solchen Sachlage wäre es unan-gemessen, der juristischen Person den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB zu eröffnen.“) (BGHZ 49, 19, 21f.).

341 jurisPK-BGB/Matusche-Beckmann, 8. Aufl. 2017, § 831 Rn. 20.

342 RG, Urt. v. 15.1.1903 – VI 301/02, RGZ 53, 276, 280 („Sache des Beklagten, als des tümers des Bahnhofsvorplatzes, ist es, für die Erfüllung der in der Straßenordnung den Eigen-tümern auferlegten Pflichten Sorge zu tragen, und von dieser Verhaftung kann sich der Be-klagte nicht schlechthin durch den Nachweis befreien, daß er eine geeignete Person zu der Verrichtung bestellt habe. Für die Unterlassung im einzelnen Falle zwar kann er nach Maßga-be des § 831 B.G.B. die Verantwortung ablehnen, wenn er die Bestellung einer geeigneten Person dartut. […] Davon verschieden ist aber die a l l g e m e i n e Beaufsichtigung der Be-amten und ihrer Dienstverrichtungen, die dem Beklagten in seinen verfassungsmäßig berufe-nen Vertretern obliegt, und deren Unterlassung ihm als ein Verschulden dieser Vertreter zuge-rechnet werden muß. Wenn aus dieser Vernachläßigung ein Schade[n] erwächst, ist die juristi-sche Person, obwohl sie eine geeignete Person zu der Verrichtung bestellt hatte, nach § 823 B.G.B. gleichwohl haftbar.“).

343 Tröger, Arbeitsteilung, 2012, S. 164 (Fn. 158) m.w.N.; vgl. auch Matusche-Beckmann, Orga-nisationsverschulden, 2001, S. 137 („Ausschluss der Exculpationsmöglichkeit des § 831 BGB“); Schaub, FS Medicus, 2009, S. 423, 425.

344 S. MüKo-BGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, § 823 Rn. 102.

345 Zu den historischen, frühen Anfängen von Organisationspflichten eines Unternehmens inner-halb der reichsgerichtlichen Rechtsprechung instruktiv Zimmermann/Verse, Richter, 2000, S. 319, 338ff.

sind arbeitsteilige Prozesse wie Produktion, Verkauf und Vertrieb von Waren