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2 Literaturübersicht

2.4 Reactive oxygen species (ROS)

Unter bestimmten Voraussetzungen können durch Sauerstoff im Körper besonders reaktionsfähigen Radikale, die so genannten reactive oxygen species (ROS), entstehen. Diese reagieren leicht mit organischen Verbindungen und verändern ihren

Reaktionspartner entweder durch Oxidation oder Reduktion. Dabei wird eine Kettenreaktion gestartet, die zu einer Veränderung von biologischen Strukturen führt.

Besonders anfällig für eine Reaktion mit ROS sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie in Biomembranen vorkommen (GRIVEAU und LE LANNOU 1997). In Tabelle 5 sind alle bekannten ROS-Typen aufgeführt.

Sauerstoffradikale entstehen oft durch Ein-Elektronenreduktionen (LÖFFLER und PETRIDES 1998). Diese führen zum Superoxidradikal (O2

), welches Hydrogenperoxid (H2O2) bildet. Das H2O2-Radikal scheint der Hauptgrund für den zytotoxischen Effekt auf Spermien zu sein (BAUMBER et al. 2000). Als letztes entsteht aus dem Wasserstoffperoxid das Hydroxylradikal (OH°). Dieser letzte Schritt ist meist metallkatalysiert und läuft nach der Fenton-Reaktion (FENTON 1984) ab.

H2O2 + Fe2+ Fe3+ + OH- + OH°

Das Hydroxylradikal ist sehr reaktiv und in vielen Fällen der Beginn der Kettenreaktion bei der Lipidperoxidation. Oft ist Eisen als metallischer Katalysator in dieser Reaktion vertreten. Im Körper kommt es aber meistens als Fe3+ im Komplex mit beispielsweise Ferritin oder Lactoferritin vor und kann somit die Reaktion nicht fördern. Einerseits wird vermutet, dass Eisen und Kupfer im Seminalplasma in freier Form vorkommen (KWENANG et al. 1987). Andererseits könnte das Superoxidanion die Lösung des Eisens aus dem intrazellulären Ferritin und seine Umwandlung zu Fe2+ ermöglichen (BIEMOND et al. 1984).

Fe3+ + O2

Fe2+ + O2

Diese beiden Gleichungen können in der Haber-Weiss-Reaktion zusammengefasst werden:

H2O2 + O2

O2 + OH° + OH-

Im Körper können ROS von vielen verschiedenen Zellen produziert werden. Im Sperma kommen zweierlei Typen in Betracht. Zum einen sind das Leukozyten, die durch Kontamination ins Ejakulat gelangen (AITKEN und WEST 1990) und zum anderen die Spermien selbst (ALVAREZ et al. 1987). Hierbei werden zwei mögliche Entstehungsmechanismen diskutiert. Einerseits eine NADPH-Oxidase, die sich in der Plasmamembran der Spermien befindet (AITKEN et al. 1992) und andererseits eine Spermiendiaphorase (eine NAD(P)H-abhängige Oxireduktase), die sich im Mittelstück befindet und an der mitochondrialen Atmungskette beteiligt ist (GAVELLA und LIPOVAC 1992).

Bei den ROS-Wirkungen auf Spermien muss man zwischen physiologischen und pathologischen Prozessen unterscheiden.

Tabelle 5: Typen von ROS

Radikal Name

O2

Superoxidanion

H2O2 Hydrogenperoxid

ROO° Peroxylradikal

OH° Hydroxylradikal

2.4.1 Physiologische ROS-Wirkung auf Spermien

Allgemein üben ROS im Körper verschiedene physiologische Funktionen aus. Sie helfen bei Regulationsprozessen, Elektronentransferreaktionen und sind durch ihre bakterizide Wirkung an der unspezifischen Bakterienabwehr beteiligt (AITKEN und FISHER 1994). Speziell bei den Spermien sind sie in niedrigen Konzentrationen wichtig für verschiedene Prozesse. AITKEN et al. (1989) fanden heraus, dass eine moderate Lipidperoxidation die Bindungsfähigkeit humaner Spermien zur Zona pellucida verbesserte. BIZE et al. (1991) entdeckten den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Hydrogenperoxid und der Induktion der Kapazitation bei Spermien von Hamstern. Die Stimulation der Kapazitation durch Hydrogenperoxid äußert sich in einem frühen Auftreten der Hyperaktivität, in der Fähigkeit zur

kalziuminduzierten Akrosomreaktion (GRIVEAU et al. 1994) und in einer erhöhten Fusionsrate zwischen Spermien und Oozyten (AITKEN et al. 1995). Weiterhin können auch Superoxidanionen die Kapazitation und Akrosomreaktion fördern und die Hyperaktivität stimulieren (DE LAMIRANDE und GAGNON 1993a, b). BLONIN et al. (1997) beschrieben die Notwendigkeit einer niedrigen ROS-Konzentration, damit Spermium und Oozyte beim Rind fusionieren können.

2.4.2 Pathologische ROS-Wirkung auf Spermien

Die negativen Wirkungen der reaktiven Sauerstoffradikale werden allgemein als oxidativer Stress zusammengefasst.

Die Plasmamembran von Spermien hat einen hohen Anteil von ungesättigten Fettsäuren. Diese gewährleisten ihnen Beweglichkeit, aber auch Integrität. Bei der Lipidperoxidation binden die Sauerstoffradikale ein Wasserstoffatom aus einer ungesättigten Fettsäure und wandelt diese wiederum zu einem Radikal. Dieses Radikal bildet mit Sauerstoff ein Peroxidradikal, welches wiederum andere ungesättigte Fettsäuren angreift. Dies führt zu einer Kettenreaktion. Das Ergebnis der Lipidperoxidation sind strukturelle und funktionelle Schäden an der Membran, was unter anderem zu einer erhöhten Permeabilität führt. Somit kommt es zum Verlust intrazellulärer Bestandteile (Enzyme, Koenzyme, Elektrolyte), die für die Kontrolle der Spermienbewegung wichtig sind (BAUMBER et al. 2000). Außerdem agglutinieren Spermien mit einer defekten Plasmamembran leichter miteinander (SIEGEL et al. 1986). Die Fluidität der Membran wird herabgesetzt, was die Fusionseigenschaften des Spermiums mit der Oozyte negativ beeinflusst (BALL 2008).

Nicht nur die Plasmamembran der Spermien ist ein Angriffspunkt der ROS, auch die Mitochondrienmembranen sind gefährdet. Bei Versuchen mit humanen Spermien wurde das mitochondrienreiche Mittelstück als einer der Hauptangriffspunkte der ROS charakterisiert (SIKKA 2001). Durch die Schäden an den Mitochondrien kommt es zu einem intrazellulären ATP-Abfall und somit zu Motilitätseinbußen.

Obwohl das Superoxidanion das erste Produkt der ROS-Produktion ist, scheint das membranpermeable Wasserstoffperoxid das gefährlichste Radikal für Spermien zu

sein. Bei einer Studie wurden Hengstspermien exogen produzierten ROS ausgesetzt. Dabei stieg die Hydrogenperoxidproduktion, und die Motilität der Spermien nahm ab (BAUMBER et al. 2000). Hierbei wurden noch keine Veränderungen an Vitalität, Akrosomintegrität oder mitochondrialem Membranpotential erkannt. BALL (2008) schließt daraus, dass die Motilität als erster sensibler Indikator für oxidativen Stress gewertet werden kann.

Die ROS sind auch Ursache für DNS-Schäden. Bei einer Studie mit Hengstsperma wurde eine positive Korrelation zwischen der zugeführten ROS-Konzentration und dem Ausmaß der Chromatinschäden nachgewiesen (BAUMBER et al. 2003).

Eine deutlich erhöhte ROS-Produktion findet in morphologisch und funktionell abnormalen Spermien statt, vor allem in solchen die noch Residualzytoplasma beinhalten. Dies führt dazu, dass die restlichen vitalen Spermien einem erhöhten oxidativen Stress ausgesetzt sind. Die Menge der von defekten menschlichen Spermien produzierten ROS reicht aber nicht aus, um die Motilität der intakten Spermien zu stören. Dies verhält sich anders bei ROS, die von Leukozyten produziert werden. Hier können durchaus so hohe Konzentrationen entstehen, dass die Motilität menschlicher Spermien negativ beeinflusst wird (PLANTE et al. 1994).

Beim Hengst kann dieser Effekt nur durch eine Genitalinfektion und eine somit stark erhöhte Leukozytenzahl im Sperma hervorgerufen werden, da die Motilität der Pferdespermien erst bei einer viel höheren Konzentration an ROS gestört wird (BAUMBER et al. 2002).

SHARMA et al. (1999) entwickelten eine Berechnungsmethode, bei der sie die ROS-Konzentration und die totale antioxidative Kapazität (TAC) von Spermaproben in Relation setzten. Dieses Verhältnis empfehlen sie als Maß für den oxidativen Stress und somit als Methode, um Unfruchtbarkeit bei Männern vorauszusagen.