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II. Experimentelle Methoden 41

4.3. Theorie Ellipsometrie

4.3.3. Rauigkeiten: Effektiv-Medium-Theorie

Wie oben gezeigt, lässt sich die lagenweise Kombination von verschiedenen Materialien in Heterostrukturen mathematisch exakt behandeln. Reale Übergitter weisen jedoch keine per-fekt scharfen Grenzflächen auf, sondern besitzen immer einen gewissen Grad von Grenz- bzw.

Oberflächenrauigkeit. Für die in-situ Beobachtung von Wachstumsprozessen ist dabei insbe-sondere die Oberflächenrauigkeit interessant, die bei zweidimensionalem bzw. dreidimensiona-lem Inselwachstum auftritt. Es ist also insbesondere die Frage zu klären, wie sich die optischen Eigenschaften einer Mischung von dem Material, aus dem der Film aufgebaut ist, und Vakuum darstellen (siehe Abbildung 4.7). Die hier in Frage kommenden Rauigkeiten sind mikrosko-pisch, das heißt sowohl die lateralen als auch die horizontalen Größenskalen des Höhenprofils sind deutlich kleiner als die zur Untersuchung gebrauchte Wellenlänge λ. Damit tritt keine makroskopische Streuung des Lichts auf und es kommt auch nicht zu Depolarisierungseffek-ten aufgrund von vielfachen Ablenkungen der Strahlen [156, 157]. Numerisch lässt sich für mikroskopische Mischungen verschiedener Materialien mittels Wellenoptik die Verteilung der Feldamplituden im Fernfeld berechnen. Diese Lösung liefert allerdings zumeist zu detaillierte Informationen, die bei einer realen Messung aufgrund der durch endliche Strahlquerschnitte erfolgenden Mittelung nicht erfasst werden können [145]. Deshalb geht man dazu über einen Film mit mikroskopischer Rauigkeit durch zwei Schichten zu nähern (siehe Abbildung 4.7):

Die erste Schicht der Dicke dB besitzt die optischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials N1 und die zweite Schicht, die zur Beschreibung der Rauigkeiten dient, die Dicke dS und den Brechungsindex NEM A [140, 145]. Dabei ist der Brechungsindex der Mischlage NEM A eine Funktion der Brechungsindizes der beiden beteiligten Phasen (in Abbildung 4.7 alsoN1

für das Material des Films und N2 für das Vakuum) und deren Mischungsverhältnis f. Im Folgenden wird die Berechnung vonNEM A motiviert und die Grenzen für die Anwendbarkeit der Näherung durch ein effektives Medium diskutiert.

N0

Abbildung 4.7.: a) Näherung der Rauigkeit eines dünnen Filmes durch eine zusätz-liche Lage der Dicke dS mit dem effektiven Brechungsindex NEM A, der sich aus den Brechungsindizes des Filmmaterials, N1, und des Vakuums, N2, ergibt. b) effektive Bre-chungsindizes NEM A = nEM AikEM A für eine Mischung aus La0.7Sr0.3MnO3 (LSMO) (NLSM O = 2.3i·0.55) und Vakuum (NV ak = 1.0), die sich durch das Modell von Brug-geman (Gleichung 4.31) sowie die Grenzfälle für eine Lagenstruktur, bei der das elektrische Feld parallel (Ep, Gleichung 4.32) oder senkrecht (Es, Gleichung 4.3.3) auf den Lagen steht, ergeben.fLSM O bezeichnet dabei den relativen Volumenanteil von LSMO.

Für jedes Atom in einem dielektrischen Festkörper wird durch ein äußeres FeldE~lokein über die Polarisierbarkeitα(ω) verknüpftes atomares elektrisches Dipolmoment

~

pel =ε0α ~Elok (4.20)

induziert. E~lok ist das Feld an der Position des Atoms und entspricht im Allgemeinen nicht dem von außen angelegten FeldE~ext. Daraus ergibt sich bei einer atomaren Dichte von nV = N/V die makroskopische elektrische Polarisation

P~ =ε0nVα ~Elok (4.21)

Diese ist durch

D~ =ε0ε ~E =ε0E~ +P~ (4.22) mit der dielektrischen Verschiebungsdichte verknüpft [48, 140, 158]. Um die makroskopischen Felder, für die die Variationen auf atomarer Skala herausgemittelt werden, mit der mikrosko-pischen Polarisierbarkeit zu verknüpfen, muss man das lokale FeldE~lok an einem Gitterplatz ermitteln. Dieses wird neben dem äußeren Feld E~ext auch durch das von der Polarisation induzierte FeldE~indverursacht. Dazu betrachtet man einen kugelförmigen Bereich innerhalb eines dielektrischen Materials. Der Durchmesser der Kugel ist so gewählt, dass er viele Ein-heitszellen des Festkörpers enthält und die Polarisation homogen ist. Für sichtbares Licht lässt sich diese Anforderung erfüllen, da die Wellenlänge sehr viel größer ist als der Gitter-parameter. Die Summation der elektrischen Felder aller atomaren Dipole innerhalb dieser Kugel führt zu einem verschwindenden Feld [158]. Das die Kugel umgebende Material, das

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die makroskopische Polarisation P~ aufweist, induziert ein Feld innerhalb der Kugel. Dieses ergibt sich, wenn man sich vorstellt, dass sich im Material ein kugelförmiger Hohlraum befin-det. Das Feld in diesem Hohlraum kann man durch induzierte Ladungen auf der Oberfläche beschreiben. Wegen

∇ ·~ D~ = 0 =∇ ·~ ε0E~ +P~⇔∇ ·~ E~ =−1 ε0

∇ ·~ P~ (4.23)

entspricht eine lokal nichtverschwindende Divergenz vonP~ analog zur elektrischen Ladungs-dichteρder Quelle eines elektrischen Feldes. Mit dem Gaußschen Satz ergibt sich insbesonde-re an Ginsbesonde-renzflächen zwischen Materialien verschiedener Polarisation eine nichtverschwindende Divergenz und damit eine Oberflächenladungsdichte, die sich durch Projektion der Polarisa-tionsdifferenz ∆P~ auf die Oberflächennormale~nzuσP =~n·P~ ergibt. Wenn man das durch diese Ladungen verursachte Feld aufintegriert, erhält man das Lorentz-FeldE~ind= 1

0

P~ und damit für das lokale Feld im Inneren dieses Hohlraumes [158]:

E~lok =E~ext+ 1 3ε0

P~ (4.24)

Damit lässt sich ein Zusammenhang zur mikroskopischen Definition der Polarisation herstel-len: Wenn man diese Gleichung nach P~ auflöst und die makroskopische Definition für die Di-elektrizitätskonstanteP~ =ε0(ε−1)E~exteinsetzt erhält man die Clausius-Mossotti Relation [158]:

ε−1 ε+ 2 = 1

3nVα (4.26)

Besteht das Material aus verschiedenen Atomsorten mit Polarisierbarkeitenαa,bund Dichten na,bV , ergibt sich [159] Dies kann man mit den Dielektrizitätskonstanten εa,b für Materialien mit Polarisierbarkeiten αa,bund den entsprechenden Clausius-Mossotti Relationen zur Lorentz-Lorenz Beziehung für ein effektives Medium umschreiben:

mit den Volumen-Anteilen fa,b der beiden Phasen a und b.

Sind die Materialien a, b ausgedehnt und in ein Medium mit der Dielektrizitätskonstanten εh eingebettet, wird Gleichung 4.28 zu [159]

εεh

ε+ 2εh =fa εaεh

εa+ 2εh +fb εbεh

εb+ 2εh (4.29)

Im Maxwell Garnett Modell für das effektive Medium wird angenommen, dass Phase b fein verteilt in Form von sphärischen Partikeln in einer Matrix aus Phase a vorliegt, und damit εh =εa gilt:

εεa

ε+ 2εa =fb εbεa

εb+ 2εa (4.30)

In der Näherung von Bruggeman (EMA) wirdε=εh angenommen, so dass sich die Bestim-mungsgleichung fürεergibt [160]:

fa

εaε

εa+ 2ε+fb εbε

εb+ 2ε = 0 (4.31)

Während mit der Näherung von Maxwell und Garnett eher eine Mikrostruktur von beschich-teten Kugeln (core-shell-Partikel) beschrieben wird, ist die Näherung von Bruggeman mit einer zufälligen Mischung der Phasen a und b verbunden, wo beide Phasen im effektiven Medium eingebettet sind.

Bisher wurden nur kugelförmige Mikrostrukturen angenommen, die keinerlei Anisotropie auf-weisen. Die extremalen Fälle für anisotrope dielektrische Eigenschaften ergeben sich für eine aus Lagen aufgebaute Probe, wenn man die Situationen, wo das Feld parallel bzw. senkrecht zur Ebene der Lagen angelegt wird, vergleicht. Verläuft E~ parallel zu den Grenzflächen, ist das Feld aufgrund der Stetigkeitsbedingungen in der ganzen Struktur homogen. Damit ist die dielektrische VerschiebungD~ in jeder dieser Lagen entweder proportional zu εa oder εb, je nachdem, ob man sich in Phase a oder b befindet. Mittelung ergibt dann

ε=faεa+fbεb (4.32)

Wenn E~ senkrecht auf den Grenzflächen der Lagen steht, ist D~ homogen und man erhält durch Mittelung:

1 ε = fa

εa +fb

εb (4.33)

Die beiden obigen Gleichungen stellen die Grenzen für die dielektrischen Eigenschaften von zusammengesetzten Materialien dar, wenn man beliebige Mikrostrukturen zulässt [159].

Aus der dielektrischen Konstanten ε für das effektive Medium ergibt sich über NEM A =

ε der Brechungsindex. In Abbildung 4.7 ist der effektive Brechungsindex für eine raue La0.7Sr0.3MnO3-Schicht gezeigt, wobei die Berechnung nach dem Modell von Bruggeman er-folgte und die sich über Gleichungen 4.32 und 4.3.3 ergebenden Grenzfälle angegeben sind.

Wie schon eingangs erwähnt, müssen die typischen Längenskalen der vermischten Materialien deutlich kleiner sein als die zur Untersuchung verwendete Wellenlängeλ, damit die Näherung durch ein effektives Medium gültig ist. Bei Lagenstrukturen kann man die reflektierten und transmittierten Feldamplituden exakt berechnen und mit den Ergebnissen vergleichen, die sich bei der Näherung durch ein effektives Medium ergeben würden. Damit ergibt sich, dass für laterale Separationend < λ/10 der Einfluss der Wellenlänge auf die messbaren optischen Eigenschaften zu vernachlässigen sind. Die Eigenschaften, die sich aus der exakten Rechnung und der Näherung mit einem effektiven Medium ergeben, sind identisch [159, 161]. Wenn d/λ >> 0.1, gibt es deutliche Abweichungen von diesen Näherungen, da sich die Strahlung durch einen Wellenleiter-Effekt für εb > εa (es werden zur Vereinfachung reelle εa,b ange-nommen) in den Bereichen von Phase b konzentriert [161]. Bei einem anderen Ansatz wird die Gültigkeit der Approximation durch ein effektives Medium dadurch definiert, dass die Wellenfront unbeeinflusst durch den gemischten Bereich propagiert und keine Lichtstreuung stattfindet [156]. Bei Vergrößerung der Teilchendurchmesser lassen sich die Abweichungen von diesem Verhalten mittels der Mie-Theorie für Lichtstreuung beschreiben. Die Näherung mit einem effektiven Medium nach Bruggeman ist dann gültig fürd < λ/30 [156].

Werden die Längenskalen der Phasen a und b sehr klein und erreichen atomare Dimensionen, bricht die Näherung durch ein effektives Medium zusammen, da Quanteneffekte eine Rolle spielen [140]. Bei einem so gemischten Material verschiebt sich so z.B. die Position der Ab-sorptionsmaxima, bei einer einfachen Mischung wäre eine Verbreiterung zu beobachten. Auch