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II. Experimentelle Methoden 41

5. Charakterisierung 75

5.2. Röntgenmethoden

5.2.1. Röntgenbeugung (XRD)

In der kinematischen Theorie der Beugung werden nur einfache Wechselwirkungen der Strah-lung mit Materie berücksichtigt16. Der eintreffende Röntgenstrahl regt die Elektronen im Ma-terial an, so dass von der vorhandenen Elektronenverteilung, die durch eine Elektronendichte n(~r) beschrieben wird, Kugelwellen ausgehen. Bei einem StreuvektorQ~ (siehe Abbildung 5.1) ist die Phasenverschiebung zwischen einer im Ursprung und an der Stelle~r gestreuten Welle im Fernfeld ∆φ=Q~ ·~r. Die Interferenz dieser Wellen resultiert in folgender Feldamplitude:

AQ~Z

V

n(~r)e−i ~Q·~rdV (5.1) Die gemessene Intensität erhält man durch Bildung des komplexen Betragsquadrates

IQ~=AQ~2 (5.2)

Kristalline Strukturen kann man durch ein Bravais-Gitter der Form

R~(n1, n2, n3) =n1~a1+n2~a2+n3~a3 (5.3)

16Bei den dünnen Filmen, die man hier betrachtet, ist diese Näherung für die Geometrie bei der Röntgenbeu-gung gerechtfertigt. Wenn dickere Filmed >200 nm untersucht werden, führt die Absorption der gestreuten Strahlung im Film zu einer Verbreiterung der Bragg-Peaks im Vergleich zur Simulation im Rahmen der ki-nematischen Näherung. Der Fall des streifenden Einfalls wird im Abschnitt über Reflektometrie behandelt, wo eine rein kinematische Betrachtung ebenso zu ungenauen Ergebnissen führt [193].

5.2. Röntgenmethoden 78

mit ganzzahligenniund den primitiven Gittervektoren~ai sowie einer Basis mitdAtomen, die sich an den Positionen ~rj befinden, beschreiben. Wenn man daraus die Ladungsdichte n(~r) konstruiert, kann man die im Fernfeld messbare Feldamplitude in zwei Faktoren aufspalten:

AQ~X

Mit fj werden die atomaren Streufaktoren bezeichnet, welche durch fj =

Z

nj(~r)e−i~Q~dV (5.5) definiert sind. Dabei ist nj(~r) die Elektronendichteverteilung der Atomsorte, die sich an Po-sition j der Basis befindet. Der erste Faktor in Gleichung 5.4 wird durch die Gitterstruktur des Materials bestimmt. Mit der Konstruktion des reziproken Gitters kann man aus diesem die Q-Vektoren ableiten, für die Beugungsmaxima erscheinen [48]. Für eine kubische Gitter-~ struktur mit Gitterparameteraergibt sich daraus dann die Bragg-Bedingung für die Position der Maxima in den winkelabhängigen Röntgenspektren

2dhklsinθ= mitdhkl= a

h2+k2+l2 (5.6)

mit der Ordnung n= 1,2, ... und den Millerschen Indizes (h,k,l).

Der zweite Faktor in Gleichung 5.4, der Strukturfaktor, hängt vom genauen Aufbau der Basis ab. Dieser beeinflusst die Intensitätsverhältnisse der Reflexe, die sich durch die Bragg-Bedingung ergeben. Eine quantitative Auswertung der Intensitätsverhältnisse erlaubt Rück-schlüsse auf die chemische Zusammensetzung oder die Quantifizierung einer etwaigen Ord-nung der Atome in der Basis. Für die genaue BerechOrd-nung der Intensitäten muss man aber zusätzliche Faktoren berücksichtigen: Zunächst sind die atomaren Streufaktoren keine Kon-stanten, sondern zeigen eine Abhängigkeit vom Streuvektor [194–196]. Man kann diese Ab-hängigkeit numerisch mit hoher Genauigkeit berechnen und mit einem empirischen Gesetz der Form anpassen [196]. Die Parameter ai, bi und c sind in [196] tabelliert und hängen im hier be-trachteten Fall der nichtresonanten Anregung mit harter Röntgenstrahlung nicht von der Umgebung des jeweiligen Ions ab, sondern nur von dem betrachteten Element und dessen Io-nisationszustand ab. Eine weitere Winkelabhängigkeit der Intensität folgt aus der endlichen Breite der Ewaldkugeloberfläche und der Punkte im reziproken Raum, welche sich durch experimentelle Verbreiterungen der Beugungslinien ergeben. Dadurch wird die Schnittfläche zwischen der Kugelfläche der Ewaldkugel und den Punkten im reziproken Raum und damit die Intensität des betreffenden Reflexes abhängig vom Einfallswinkel, was durch den Lorentz-Faktor

I ∝ 1

sin2θcosθ (5.8)

berücksichtigt wird [194, 195]. Die hier verwendete Röntgenstrahlung der Cu-Röhre ist unpo-larisiert, was durch einen Faktor nach Thompson für die Streuung unpolarisierter Strahlung einbezogen wird [194–196]:

I ∝1 + cos22θ (5.9)

In der Literatur werden noch weitere Faktoren für eine winkelabhängige Korrektur der Inten-sitäten aufgeführt. Diese werden hier aber nicht weiter beachtet [194, 195], da sie entweder

di

Abbildung 5.2.:Zur Simulation der Röntgenbeugungsspektren: a) Illustration der Durch-mischungsprofile an einer rauen Grenzfläche beiz= 0 für verschiedene Rauigkeiten σ. Zur Orientierung sind vertikale Linien gezeichnet, deren Abstand im Bereich einer Gitterkon-stantenc 0.4 nm liegen. b) Darstellung der Größen, die zur atomaren Konstruktion der entlang der (001)-Richtung gewachsenen Heterostrukturen aus Perowskit-Oxiden betrachtet werden: Die Materiallagen miti= 1−nweisen eine Dickediauf. Entlang der (001)-Richtung besteht das Perowskit aus AO- und BO2-Lagen, für die die chemische Zusammensetzung in LageidurchAiundBi bestimmt wird. Der Gitterparameter in Lageiist durchci gegeben.

zur Beschreibung der Beugung an Polykristallen vorgesehen sind oder zu vernachlässigbaren Veränderungen der Intensitätsverhältnisse für die hier betrachteten Spektren führen (z.B.

Debye-Waller-Faktor).

Bei der Röntgenbeugung von Übergittern, die aus einer periodischen Anordnung von La-gen verschiedener Materialien bestehen, erscheinen neben den Hauptpeaks, die zum durch-schnittlichen Gitterebenenabstand ¯d gehören, weitere Satellitenpeaks. Aus den Positionen dieser Peaks lässt sich die Periode, Λ, der Heterostruktur berechnen. Diese entspricht der Dicke des sich in der Heterostruktur periodisch wiederholenden Elements. Nach [197] sind die Positionen der Beugungsmaxima über

2sinθ λ = 1

d¯+ n

Λ (5.10)

mit Λ verbunden, wobein, eine ganze Zahl, die Ordnung der jeweiligen Peaks bezeichnet.

Eine genauere Betrachtung der Intensitäten der Satellitenpeaks erlaubt zusätzlich Aussagen über die Gitterparameter und die genauen Schichtdicken der einzelnen Lagen innerhalb des sich periodisch wiederholenden Elementes. Außerdem lassen sich die chemischen Rauigkeiten abschätzen. Dafür wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Computerprogramm zur numerischen Simulation der Beugungsspektren von Heterostrukturen aus Perowskit-Oxiden in Visual C#

implementiert. Für das Wachstum entlang der (001)-Richtung nimmt man tetragonale Ein-heitszellen an, wo die Modulation der Gitterkonstanten allein durch eine Veränderung der Bindungslängen bewirkt wird. Eine Verkippung der Oktaeder wird komplett vernachlässigt.

Da die O2−-Ionen eine deutlich kleinere Gesamtelektronenanzahl aufweisen als die Kationen, führt die Verkippung der Oktaeder nur zu kleinen Modifikationen der Spektren, was bei den hier durchgeführten Beugungsexperimenten nicht aufzulösen ist. Eine Heterostruktur wird dann durchn Lagen aufgebaut, für die folgende Parameter definiert werden (i= 1−n):

5.2. Röntgenmethoden 80

• Dicke der Lage di.

• Chemische Zusammensetzung der Kationen auf dem A-PlatzAi.

• Chemische Zusammensetzung der Kationen auf dem B-Platz Bi.

• Rauigkeit zur in Wachstumsrichtung nächsten Lage σi.

• Gitterparameter in c-Richtungci.

Der Indexiwird in Wachstumsrichtung hochgezählt (siehe Abbildung 5.2). Die Rauigkeiten an den Grenzflächen der Lageiführen zu einer Beimischung von Ionen aus den benachbarten Lagen i−1 und i+ 117. Zur Behandlung der Unschärfe der Grenzflächen nimmt man eine Gaußverteilung der Gesamtschichtdicke z am Ende der Lage imit der Standardabweichung σi um ihren Mittelwertdtoti an:

Durch Integration erhält man dann die Wahrscheinlichkeit pi(z) = 1−1

mit der man an Position zin der Heterostruktur (hier werden wieder nur die Lagen mit den Indizesi−1,iundi+ 1 berücksichtigt) Atome aus der Lageifindet. Mit den Wahrscheinlich-keiten pi(z) werden dann die mittleren chemischen ZusammensetzungenA(z), B(z) und die Gitterparameterc(z) für die entsprechenden Atomlagen, die sich an der Positionzbefinden, berechnet (siehe Abbildung 5.2). Innerhalb der Materiallage mit dem Index i ergibt sich so die folgende Rechenvorschrift für den Gitterparameter c(z):

c(z) =ci−1pi−1(z) +ci(pi(z)−pi−1(z)) +ci+1(1−pi(z)) (5.13) Diese wird analog für die Zusammensetzung auf dem A- und B-Platz angewendet, um die mittlere chemische Zusammensetzung der jeweiligen Atomlage an der diskreten Position zk (siehe Abbildung 5.2) festzulegen.

Für eine nach der obigen Beschreibung konstruierte Struktur kann man dann unter An-wendung von Gleichung 5.4 und den winkelabhängigen Korrekturen der Intensität gemäß den Gleichungen 5.7-5.9 die Beugungsspektren numerisch berechnen. Anhand der gemesse-nen Daten eines LaMnO3/SrMnO3-Übergitters soll diskutiert werden, welche Informationen über die Heterostrukturen aus der Anpassung der Beugungsspektren im Weitwinkelbereich extrahiert werden können und die Sensitivität auf mögliche Variationen der angepassten Grö-ßen aufgezeigt werden. Das Übergitter wurde auf einem SrTiO3 (STO) (001)-Substrat mit elf Wiederholungen des Elements, das aus einer Lage LaMnO3 der Dicke dLM O und einer Lage SrMnO3 mit der Dicke dSM O besteht, gewachsen. In Abbildung 5.3 a) sieht man das Beugungsspektrum der Heterostruktur in der Umgebung des STO (001)-Peaks (es wurde das Spektrum eines unbeschichteten STO-Substrates subtrahiert). Die Anpassung eines simulier-ten Spektrums liefert dann die strukturellen Informationen über das Übergitter: die indivi-duellen Schichtdicken, dLM O, dSM O, die Gitterkonstanten in c-Richtung, cLM O, cSM O und die Rauigkeit zwischen den Lagen σLM O/SM O (siehe Abbildung 5.3 a)). Man betrachtet hier

17Durchmischungen mit anderen Lagen als den direkten Nachbarn werden vernachlässigt, da bei Heterostruk-turen mit solch einer starken chemischen Durchmischung die genaue Analyse der Beugungsspektren aufgrund des Fehlens von Übergitterreflexen nicht sinnvoll ist.

1 5 2 0 2 5 3 0

Abbildung 5.3.: Simulation der Weitwinkelbeugung eines LaMnO3/SrMnO3-Übergitters mit elf Wiederholungen der Doppellage, das auf einem SrTiO3 (001)-Substrat gewachsen wurde: a) Experimentelle Messung mit der numerisch simulierten Anpassung mit den in der Abbildung aufgeführten Parametern. Veränderungen der simulierten Spektren bei Variati-on einzelner struktureller Parameter unter Fixierung der anderen: b) Grenzflächenrauigkeit σLM O/SM O und Bilagendicke Λ, c) individuelle Gitterparameter cSM O, cLM O bei fester durchschnittlicher Gitterkonstanten ¯c, d)dLM O,dSM Obei festem ¯cund Λ. Die veränderten Parameter sind in der jeweiligen Abbildung notiert und die Insets zeigen vergrößerte Berei-che zur Illustration der sich ergebenden Abweichungen von der Messung bei Modifikation der strukturellen Parameter des Übergitters.

nur den Bereich um den (001)-Peak, da die Intensität der Satelliten-Peaks beim (002)-Peak deutlich kleiner ist. Zudem minimiert man durch die Fokussierung auf einen kleinen Winkel-bereich den störenden Einfluss von weiteren möglichen Winkelabhängigkeiten der Intensität, die sich z.B. aus einer Wölbung der Substratoberfläche oder kleinen Fehlern bei der Ausrich-tung der Probe im Strahlengang ergeben können. Im gezeigten Beispiel weist die Anpassung des Spektrum auf scharfe Grenzflächen und eine starke Modulation der Gitterkonstanten zwi-schen den verschiedenen Materialien hin. Um die Signifikanz der angepassten Parameter zu prüfen, werden die strukturellen Parameter einzeln variiert und die sich damit ergebenden simulierten Spektren mit der Messung verglichen (Abbildung 5.3 b)-d)). Eine Veränderung der Periode Λ =dLM O+dSM O führt zu einer Verschiebung der Übergitter-Peaks, womit Λ sehr präzise bestimmt werden kann (∆Λ/Λ≈1 %). Die Höhe der Satelliten-Peaks sinkt stark bei einer Vergrößerung der Grenzflächenrauigkeit σLM O/SM O. Wenn man cSM O,cLM O ver-ändert und dabei die durchschnittliche Gitterkonstante ¯c = (dLM OcLM O+dSM OcSM O) festhält, verschieben sich die Intensitäten der Peaks rechts und links vom mittleren Haupt-peak (Abbildung 5.3 c)). Die starke Modulation zwischencSM O,cLM O verursacht eine stark

5.2. Röntgenmethoden 82

asymmetrische Verteilung der Intensitäten für die Peaks rechts und links des Hauptpeaks.

Neben der gesamten Periode Λ kann man auch die individuellen Schichtdicken dLM O,dSM O ermitteln. Eine Veränderung dieser Parameter für konstante ¯cund Λ ruft komplizierte Modi-fikationen des Spektrums hervor (siehe Abbildung 5.3 d)). Dadurch ist der Fehler vondLM O, dSM O mit ∆dLM O/SM O/dLM O/SM O≈5−10 % deutlich größer als für Λ.

Wie schon zuvor angedeutet, kann man mit der numerischen Simulation der Beugungsspek-tren auch Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung innerhalb der Basis schließen.

Für dünne Filme aus La1−xSrxMnO3, die auf STO (001) gewachsen wurden, vergleicht man die Intensität des (001)- und (002)-Reflexes. Die numerische Berechnung zeigt, dass das In-tensitätsverhältnisI(001)/I(002)monoton mit der Dotierungxabfällt. Bei dünnen Filmen wird dieses Verhältnis auch durch die Durchmischung mit dem Substrat beeinflusst, die durch die Rauigkeit σLSM O/ST O charakterisiert wird. Für die im Folgenden betrachteten Filme mit ei-ner Dicke vond≈40 nm ist dies die größte Fehlerquelle. Die Unsicherheit, die sich durch die unbekannten Gitterparameter im Bereich der Grenzfläche zum Substrat ergibt, hängt außer-dem von der Dotierung x ab. Wenn man I(001)/I(002) für verschiedene Konfigurationen der Grenzfläche zum Substrat simuliert, kann man Fehlerintervalle für das Intensitätsverhältnis abschätzen. Für die aus den Messungen abgelesenen WerteRexp=I(001)exp /I(002)exp wird der Fehler durch den Untergrund der Reflexe des STO-Substrates bestimmt. Die experimentell ermit-telten WerteRexp liegen nah an den Werten Rsim =I(001)sim /I(002)sim , die sich aus der Simulation ergeben: Für x= 0.33 ist Rsim = 0.37(1) und Rexp = 0.38(1), für x= 0.5 ist Rsim = 0.30(2) und Rexp = 0.32(1), für x = 1.0 ist Rsim = 0.09(2) und Rexp = 0.09(3)18. Da sichRsim mit einer Dotierungsveränderung von ∆x = 0.1 um ∆Rsim = 0.04 verändert, kann man unter Berücksichtigung der Fehlergrenzen die Dotierung x der LSMO-Filme mit einer Genauigkeit von ∆x= 0.025−0.05 verifizieren. Wenn man deutlich dickere Filmed&500 nm untersucht, kann man die Modifikationen des Spektrums durch Dünnfilmeffekte ausschließen und damit die Fehlerintervalle für Rexp undRsim deutlich reduzieren. Für dicke La1−xCaxMnO3-Filme, die mit der MAD hergestellt wurden, konnte so die Dotierung mit einer Genauigkeit von

∆x = 0.02 verifiziert werden [198]. Das bei der MAD angewendete Verfahren zur Einstel-lung verschiedener Dotierungenx, bei dem man die Präkursormengen der reinen Materialien (hier LaMnO3 und SrMnO3 bzw. CaMnO3) entsprechend der Dotierung mischt, führt also zu grundsätzlich korrekten Verhältnissen der Kationen im Film.