• Keine Ergebnisse gefunden

Ein Rückblick aus der Sicht des Praktikanten Benjamin Löber

Aline Helmcke, Ana Vallejo und Guido Naschert

Benjamin Löber

fes tiva l

Einige konkretere Perspektiven auf den Poetryfilm und auf Eckpunkte des historischen Diskurses lerne ich im Zuge des Colloquiums am Morgen des zweiten Festivaltages kennen.

Erneut sind die Temperaturen in Weimar schnell auf über 30 Grad gestiegen, und während ich erstaunlich ausgeschlafen die Technik bediene, referiert Thomas Zandegiacomo Del Bel, Leiter des Berliner ZEBRA Poetryfilm Festivals, im Oberge-schoss der Eckermann Buchhandlung über die Avantgarden des Genres. Kurz darauf begleiten wir Theresia Prammer, Essayistin und Übersetzerin, in die Gedankenwelt von Pier Paolo Pasolini und das Obsessive seiner Kino-Poesie. Trotz eisgekühltem Orangensaft stehen mir nach der kurzen Pause bei Tom Konyves’ Vortrag die Schweißperlen auf der Stirn.

Einige der von ihm für den Vortrag ausgewählten Videos wollen nicht abgespielt werden, und mit zunehmender Hektik versuche ich, wenigstens ein paar der Videobeispiele auf dem Laptop zum Laufen zu bringen. Mit durchwachsenem Erfolg.

The intern, not so silent anymore, apologizes.

Letztendlich geht die Sache glimpflich aus, der Text wird später samt aller Videos auf der Seite des Poetryfilmkanals veröffentlicht, und nach den Anmerkungen Guido Nascherts zu Konyves’ Vortrag verlagert sich die kleine Gruppe an Festi-valbesucher*innen zurück in die kühlen Räume des Licht-hauses. Ich selbst widme mich in den Pausen des Festivals der Dokumentation durch Fotografie, traue mich hier und da ein paar Worte Spanisch zu sprechen und halte den Instagram Ac-counts des Poetryfilmkanals aktiv. Social Media Management.

Die Menschen müssen auf dem Laufenden gehalten werden.

Bevor dem Publikum am Abend dieses Samstags schließlich die nominierten Filme vorgeführt werden, stehen zwei Son-derprogramme auf dem Spielplan. Die »Backup and Beyond Preview« beinhaltet eine Auswahl an kolumbianischen Kurz-filmen, das darauffolgende Screening besteht aus Werken, die im Rahmen des »lab/p – poetry in motion – German-Egypt poetry film projects« entstanden sind. Während die Gäste für den Genuss dieser Bilder wieder in Saal 3 verschwinden, mache ich für den näher rückenden Höhepunkt des Festivals letzte Besorgungen in der Stadt.

Als ich kurz vor 18 Uhr zurückkomme, sind die Sonderpro-gramme gerade ausgelaufen. Die Stimmung im kleinen Innen-hof ist ausgelassen, die Mittagshitze hat sich verflüchtigt. Alles verschiebt sich ein wenig nach hinten, so ist das bei Festivals, kommentiert Guido Naschert mit einem Schulterzucken kurz bevor wir in den Saal gehen. Mit angenehmer Anspannung und last-minute Blumenstrauß sitze ich in einem der roten Sitze und warte auf den Beginn der Preisverleihung. Die Zere-monie wird durch eine Performance der galizischen Dichterin

und Produzentin Celia Parra eingeleitet. Sie liest Texte aus ihrem Gedichtband Pantallas/Bildschirme vor, während sich auf der Leinwand hinter ihr Ebene für Ebene mit Wörtern füllt und uns die permanente Gegenwart des Digitalen, der Pixel vor Augen führt.

Es dauert ein wenig bis der Applaus verebbt, aber schließlich verdunkelt sich der Saal und die nominierten Filme werden abgespielt. Es ist eine Auswahl an Werken wie sie unter-schiedlicher nicht sein könnten. Wir sehen Scherenschnitte und Koiteiche, Anakondas und Wörter, deren einzelne Buchstaben sich zu Linien verdichten, um die Unterschiede zwischen Sprachen zu visualisieren. Wir sehen Räume sich zusammenziehen und wandern durch Schluchten von Platten-bauten vor pechschwarzem Hintergrund. Begleiten Wandern-de und WachsenWandern-de. Wir reisen mit Wandern-dem Geist Wandern-der Wandern-deutschen Romantik im Hinterkopf durch animierte Dünenmeere, durch Fotostrecken Berliner Partynächte und ein London voller Uhren. Im Strudel dieser Eindrücke vergesse ich oft, meine Wertungen auf den kleinen Zettel einzutragen, der allen Zuschauenden vor der Vorführung zur späteren Ermittlung des Publikumspreises in die Hand gedrückt worden ist. Die kurze Pause vor der Bekanntgabe der preistragenden Filme ist sehr angenehm. Die meisten Menschen bleiben sitzen, ein Kurzfilmprogramm ist in vielerlei Hinsicht fordernder für die Augen und das Gehirn als ein zusammenhängender Lang-film. Begleitet von stehenden Ovationen werden schließlich die prämierten Werke bekanntgegeben. Bereits vor dem Festival habe ich es mir schwer vorgestellt, diese Mischung aus Techniken und Themen irgendwie zu kategorisieren. Ganz zu schweigen davon, aus ihnen den vermeintlich besten Film auszuwählen.

Erstmals wurde dieses Jahr eine Unterscheidung zwischen Vi-deo und Animation von der Jury vorgenommen, woraus sich zwei Auszeichnungen ergeben haben. Der Preis für das beste Video wird an HIATUS verliehen. In diesem Film setzt sich die

Die Jury. Sonja Hofmann, Belén Montero und Timo Berger

Regisseurin Vivian Ostrovsky mit einem Interview der brasi-lianischen Schriftstellerin Clarice Lispector auseinander. THE RIGHT TO FALL APART, ein buntes und doch beklemmendes Werk der Animationskünstlerin Rika Tarigan, gewinnt den Preis für den besten Animationsfilm, und die Special Mention geht an THE OPENED FIELD, produziert von der letztjährigen Jurypreisgewinnerin Helmie Stil. Im richtigen Moment bringe ich den Blumenstrauß auf die Bühne und verschwinde schnell wieder mit einem kurzen Grinsen Richtung Publikum. Zu meiner Freude gewinnt anschließend die wunderbare Sche-renschnittparabel HATE FOR SALE der Niederländerin Anna Eijsbouts den Publikumspreis.

Gegen 21 Uhr ist die Zeremonie und der offizielle Teil des Tages beendet. Morgen früh wird als letzter Programmpunkt in der ACC Galerie VERSES AND FRAMES gezeigt. Das Werk von Belén Montero und Celia Parra ist die erste Dokumentation weltweit, die sich überhaupt mit dem Phänomen der Videopo-esie beschäftigt. Sie wird das Festivalwochenende abrunden.

Für mein Gefühl jedoch ist das Spektakel bereits an diesem Abend vorbei und einiges an Anspannung fällt von mir ab.

Mit den Klängen der lateinamerikanischen Band Maní im Hintergrund sitze ich mit einer kleinen Gruppe Menschen im Hinterhof des Lichthauses, mittlerweile ist es dunkel gewor-den und meine Erschöpfung plötzlich sehr präsent. Während ich später Richtung Bahnhof fahre, schwirrt das Gesehene der letzten Tage immer noch in meinem Kopf umher.

Das Genre des Poetryfilms, soweit seine Historie auch zurückreicht, besetzt nach wie vor eine Nische, die hier in dieser kleinen Thüringer Stadt von einer engagierten Gruppe von Menschen gefeiert wird. Er ist für mich nach wie vor weder verfilmte Lyrik noch nur experimentelles Kino. Er setzt sich mit sich selbst auseinander und nutzt dafür eine Lücke zwischen Sprache, Text und Bild. Immer deutlicher wurde mir im Verlauf der vergangenen Wochen bewusst, dass genau dieses Undefinierbare, das Ungreifbare dieses Genre ausmacht.

Etwas ist ständig in Bewegung, dynamisch und neu auslotend.

Da existiert kein normatives, statisches Gebilde. Möglicher-weise legt sich der Poetryfilm gerade deswegen passgenau in den Geist unserer Zeit. Wenn Ideologien und Einteilungen in schwarz und weiß wiedererstarken, wenn sich Fronten unterschiedlicher Wertesysteme verhärten und Diskussionen abebben, ist der Poetryfilm als Kunstform eine subtile aber kraftvolle Antithese, die von Kommunikation und Austausch getragen wird und das Potential hat, diese beiden Vorgänge und ihre Relevanz immer wieder neu sichtbar zu machen.

Band Maní - Lateinamerikanische Rhytmen

fes tiva l

Durch ihren Wettbewerb »Weimarer Poetryfilmpreis« suchen die Literarische Gesellschaft Thüringen e. V. (LGT) und der Weimarer Animation Club nach innovativen Poesiefilmen.

Teilnehmen können Filmemacherinnen und -macher aller Länder und jeden Alters mit maximal drei Kurzfilmen, in denen Film und Lyrik auf innovative Weise aufeinander be-zogen werden. Die eingereichten Filme sollen nicht länger als 10:00 min und seit 2018 produziert worden sein.

Gefördert wird das Projekt vor allem von der Kulturstiftung des Freistaats Thüringen und der Stadt Weimar. Der Wettbe-werb ist Teil der »Internationalen Thüringer Poetryfilmtage«.

Aus allen Einsendungen wählt eine Programmkommission die Filme für den Wettbewerb aus. Eine dreiköpfige Jury kürt während des Festivals die Gewinner des Jurypreises (Beste Animation, 1200 €; Bester Realfilm, 1200 €). Außerdem wird im Rahmen des Programms ein Publikumspreis von 250 € vergeben.

Termine

1. November 2020 – Beginn der Ausschreibung 31 Dezember 2020 – Earlybird

31. Mai 2021 – Einsendeschluss

16. Juli 2021 – Bekanntgabe der Nominierungen 25. September 2021 – Preisverleihung

Through the Weimar Poetry Film Award the Literary Society of Thuringia and the Weimar Animation Club are looking for innovative poetry films. Filmmakers from any nation and of any age are welcome to participate with up to three short films of up to 10:00 mins, which explore the relation between film and written poetry in an innovative, straightforward way.

Films that are produced before 2018 will not be considered.

The competition »Weimar Poetry Film Award« is financed by Kulturstiftung des Freistaats Thüringen and the City of Weimar. The competition is part of the »International Poetry Film Festival of Thuringia«.

From all submitted films selected for the festival competition three Jury members will choose the winner of the main awards (Best Animation, 1200 €; Best Video, 1200 €). Moreover, an audience award of 250 € will be awarded.

Dates & Deadlines

November 1, 2020 – Opening Date December 31, 2020 – Earlybird May 31, 2021 – Regular Deadline July 16, 2021 – Notification Date September 25, 2021 – Award Ceremony

6th Weimar Poetry Film Award