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Genauer gesagt: Auf dem Neumarkt in Dresden. Und zufällig an dem Tag einer Massendemonstration

gegen den Islam.

Pause

Na, ja – das mit dem filmemachenden Mops ist Quatsch. Aber den Film ...

... den gibt es wirklich!

Zeha Schmidtk e

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»der und die« nach dem gleichnamigen Gedicht von Ernst Jandl:

Poetische Werke in 10 Bänden, erschienen im Luchterhand Literaturverlag, ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Wenn man sich so intensiv mit Jandl beschäftigt hat wie du, ist es so, dass man bestimmte Texte lange Zeit mit sich tragen muss, um die passende Form der Umsetzung finden zu können?

Ich habe mehrere Jandl-CDs aufgenommen. »der und die« war als Titel allerdings nicht dabei. Aber ich kannte das Gedicht trotzdem ganz gut. Ein Poetryfilm lohnt sich nur, wenn man ihn anders bebildert, als der Text das einem vorgibt, man noch etwas beisteuern kann. Deswegen wollte ich unbedingt weg von diesem eindeutigen Bild. Das war erst mal nicht so einfach. Aber als das Tal der Ahnungslosen klar war, habe ich gedacht, okay, das ist ein totales Angebot. Wann kam Pegida?

Herbst 2014.

Ja, der Film ist noch nicht so lang in der Pipeline. Da hat sich das Thema auch aufgedrängt. Wenn erst einmal so eine As-soziationskette losgetreten ist, dann geht das schnell. Dresden war wichtig als Verortung. Auf Pegida wäre bei Dresden jeder andere auch gekommen. Vor allem, wenn du diese bestimmte Energie brauchst.

Weiter heißt es in den Notizen: »Die zweite wichtige Frage war:

Welches Filmmoment bildet die fulminante Energie des Liebes-rausches ab und transportiert die aufgeheizte Stimmung der Protagonisten, die dem zweiten Teil des Gedichts immanent ist, vermeidet aber zugleich die längenbehaftete, pornografische Attitüde der literarischen Vorlage?«

Drehbuch vs Movie

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Ich finde es eine bemerkenswerte künstlerische Entschei-dung, dass du ab einem bestimmten Punkt im Film keine Liebesgeschichte mehr erzählst, sondern eine so politische Er-zählung startest. Das lenkt ja auch den Blick in eine bestimm-te Richtung und überlagert vielleicht den Text.

(überlegt) Naja, das ist schon auch ein spielerischer Umgang damit. Und es geht ab dem besagtem Punkt auch nicht darum, die bundesdeutsche Gegenwartsproblematik metaphorisch aufzuarbeiten, sondern vielmehr in bekannten Fragmenten abzubilden und dem Geschehen als Folie zu unterlegen.

Sagen wir mal so: Das Jandl-Gedicht gibt eigentlich vom Ereignisverlauf gar nicht so viel her. Da kommen zwei und fallen übereinander her. Und das die ganze Zeit. Das Ding lebt von der Energie und vom Rhythmus. Das ist das Spannende.

Aber es ist keine Liebesgeschichte. Eine Liebesgeschichte wäre es, wenn sich was über Wochen aufbauen würde. Aber bei

»der und die« geht es gleich richtig zur Sache, wie ein Dating, bei dem du sofort sagst: Mit dem will ich jetzt aber … mit allen Konsequenzen. Aber es ist auch ... (zögert) … witzlos, das genau so auszumalen. Da fände ich den Text allein viel stärker, als wenn man das noch hinterherpinseln würde.

Für den Film hast du auch mit Highspeedaufnahmen gear-beitet. Hat das deine Art der Inszenierung verändert?

Nee, das war ja zuvor klar. Beim Highspeed muss man sich das genau überlegen; welche Szenen in welcher Bildrate aufeinander folgen – das sollte man schon vorher ziemlich genau wissen. Du hast ganz kurze Passagen, die du später verlangsamt abspielst. Du nimmst ein oder zwei Sekunden auf und die werden im Film zu dreißig Sekunden. Das muss man sich extrem gut zurecht legen.

Macht es dir Spaß, das vorher so genau zu wissen?

Total.

Dabei ist das eigentlich das Gegenteil vom Spielerischen ...

Sagen wir mal so: Ich drehe erstmal nach Plan ab. Aber wenn sich dann was ergibt … Wir haben beim Dreh immer wieder Leute eingeschleust. Ein unbeteiligter Bauarbeiter auf dem Drehge-lände sah aus wie ein nordischer Wikinger. Den haben wir uns gekrallt und der ist dann in der Szene »Lügenpresse« einmal wild durchs Bild gesprungen. Solche Spontanbesetzungen finde ich total gut. Aber es muss klar sein, was im Fokus ist. Und dann kann man sehen, mit welchen Mitteln die Energie kommt. Das entscheidet sich meistens sehr spontan.

Foto Marco Riese »der und die« im STUDIOPARK KinderMedienZentrum.Foto: Marco Riese

Foto: Thina Thielmann

»der und die« Highspeed-Aufnahmen. Foto: John Henry Marcell

Foto: John Henry Marcell

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Foto: Florian Racz Du bist auch im Film dabei.

Ja, das muss sein. Ich bin oft drinnen. Immer, wenn es total aggressiv wird.

Dann als Schlichter?

Nee, ich bin der Aggressor. (lacht)

Was bedeutet der Begriff »Poetryfilm« für dich?

Das knüpft jetzt nochmal an die »Schubladenfrage« an: Das lief bei mir immer schon eher kurios. Als E-Bassist habe ich den größten Widerhall im Musik-Literaturbetrieb erfahren. Und zwar dort, wo das Klavier eine Monopolstellung hatte.

Und meine Legofilme sind in der hermetisch abgeriegelten Brickfilmszene auch noch nicht wirklich angekommen. »Gott ist schon weg« – ein lupenreiner Brickfilm, hat ja aktuell an die 20 internationale Filmpreise gewonnen. Aber eben nicht auf diesen Brickfilmfestivals. Meine Brickfilme waren bisher immer zu lang, als das ich das dort hätte ausprobieren können.

Möglicherweise würden sie dort aber auch in verkürzter Form nicht laufen.

Mit der Schublade »Poetryfilm« verhält es sich sehr ähnlich. Da es hier nicht so viele Festivals gibt, kann ich nicht hundertpro-zentig sagen, ob sich diese Nische für mich falsch oder richtig anfühlt. Ich selbst kann mit anderen Poetry-Filmen immer

dann etwas anfangen, wenn sie mein cineastisches Verständ-nis berühren. Ich mag die Filme, die die Leinwand nutzen und in denen die selbständigen Elemente Wort, Bild und Klang zu neuer Eigenart zusammenfinden. Das Bild muss mir nicht den Text illustrieren, das Wort nicht die Bilder untertiteln, die Musik muss mir nicht erklären, was ich beim Betrachten zu empfinden habe. Aber ich fühle mich unwohl, wenn ich Filmen beiwohne, die sich in narzisstischer Selbstbeschäfti-gung verlieren.

Aber nochmal zurück: Ich finde die ursprüngliche Idee des Genres Poetryfilm wirklich stark: Gleiche Vorgaben für alle!

Wo bei anderen Festivalformaten zwangsläufig Äpfel mit Birnen verglichen werden, finden sich hier annähernd gleiche Voraussetzungen.

Über zwei Stunden saß Cachette auf meinen Beinen. Nun springt sie runter. Beim Rausgehen klopfe ich ihre Haare von der Hose.

Peter begleitet mich zum Bahnhof. Dort stehen wir eine Weile zusammen und warten auf den Zug, der verspätet kommt, weil bei Leinefelde eine alte Frau bei geschlossener Schranke über die Gleise ging. Das gibt uns Gelegenheit, weiterzusprechen; von den nächsten Projekten, den nächsten Filmen, weniger aufwendig zum einen, viel aufwendiger zum anderen, jeweils neue Genres, wieder ein Experimentieren mit Formen und Texten. Zwei Tage später schickt Peter ein Porträtfoto, das er extra nach dem Inter-view aufgenommen hat. Darauf zu sehen: Cachette.