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Röntgenologisch postoperative Resultate

Im Dokument Die Hexagon-Prothese (Seite 116-127)

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5.2 Röntgenologisch postoperative Resultate

Neben der klinischen Untersuchung ist die Röntgendiagnostik das Medium zur Beur-teilung des Implantationserfolges. Deshalb sollten alle mit einer TEP versorgten Hunde in periodischen Abständen radiologisch untersucht werden (SCHNEIDER 1987; HUTTER und GASPAR 1989; SPECTOR et al. 1990; GERVERS 1998).

BRANEMARK et al. (1977) wiesen auf Ungenauigkeiten bei der Beurteilung der Pro-thesenstabilität durch konventionelle Röntgenbilder hin. Denn schon kleinste, röntge-nologisch nicht darstellbare Grenzflächenrelativbewegungen führen zur Instabilität und lassen ein bevorstehendes Prothesenversagen befürchten. Moderne Verfahren orientieren sich deshalb an der Radiostereometrie. Mit Hilfe von Markern erfolgt eine dreidimensionale Mikrobewegungsanalyse der Prothese. Dadurch wird der Nachweis kleinster Bewegungen erbracht und die Wahrscheinlichkeit einer sich einstellenden Lockerung vorhergesagt (ALBREKTSSON und JOHANSSON 2001).

In der vorliegenden Studie wurden für die Lockerungsdiagnostik und zur Beurteilung periprothetischer Befunde digitalisierte Röntgenbilder herangezogen. Mit technischen und mathematischen Hilfsmitteln wurde eine sensitive, leicht anwendbare Methode entwickelt, die exakte Messergebnisse liefert. Mit modernen Bildbearbeitungspro-grammen (z.B. Adobe Photoshop, Fa. Adobe Systems Incorporated, San Jose, Kali-fornien, USA) sind digitale Röntgenaufnahmen leicht zu optimieren, um selbst

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male Befunde deutlich darzustellen. Über Korrekturfaktoren ließen sich sowohl Lage-rungsungenauigkeiten bereinigen als auch feinste Lysebereiche exakt vermessen.

Unter Zuhilfenahme definierter Kriterien konnte die Prothesenintegrität anschließend umfassend beurteilt werden. Zwar ließen sich auf diese Weise prothetische Mikro-bewegungen ohne Beteiligung röntgenologischer Veränderungen nicht nachweisen, andererseits konnte anhand struktureller Veränderungen ein Prothesenversagen di-agnostiziert bzw. die Gefahr einer bevorstehenden Prothesenlockerung vorhergesagt werden. Somit war die Anwendung technisch sehr aufwendiger Verfahren, wie sie die Radiostereometrie darstellt, zur Evaluierung der Prothesenstabilität in dieser Stu-die entbehrlich.

5.2.1 Prothesenabsenkung

Bei 95,5% (n = 21 von 22) der nachuntersuchten Prothesen konnte das Sinkverhal-ten innerhalb der femuralen Markhöhle berechnet werden. In einem Fall ließen sich die Messpunkte aufgrund einer nach Fraktur implantierten Neutralisationsplatte nicht bestimmen. Innerhalb des Untersuchungszeitraumes zeigte sich, dass sämtliche Pro-thesen ein mehr oder minder stark ausgeprägtes Sinkverhalten aufwiesen.

Definiert wird die Absenkung als distale Migration der Schaftprothese entlang des Implantatbettes (RASHMIR-RAVEN et al. 1992). Eine initiale Absenkung von 1–2mm während der frühen postoperativen Phase entspricht hierbei den gängigen Erwartun-gen und führt zu einer festeren Fixation. Das Ausmaß des Sinkverhaltens wird beein-flusst von den Reibungskräften zwischen Implantat und Knochenwand. Zu kleine Schäfte neigen zu einer stärkeren Absenkung (ANDREW et al. 1986; HUISKES 1990; PERNELL et al. 1994).

Auch DeYOUNG und SCHILLER (1992) stellten fest, dass eine Prothesenabsenkung von 1–2mm ohne klinische Relevanz bleibt. Voraussetzung dafür ist eine Stabilisie-rung, die mit der Geschwindigkeit der Osteointegration einhergeht. Zwischen dem 3.

und 10. postoperativen Monat ist der Inkorporationsprozess zementfreier Implantate abgeschlossen. Eine weitere Absenkung ist dann bei intakter Prothesenintegrität

nicht zu erwarten. Anhand der eigenen Ergebnisse war dieser Sachverhalt bei allen Gruppen nachvollziehbar. Bei den Beagle-Gruppen erreichten die Prothesen im Mit-tel ihren Tiefststand im 9. postoperativen Monat, in der Patienten-Gruppe hingegen im 6. Monat. Zwischen röntgenologisch nachgewiesener Lockerung und der Prothe-senabsenkung ließ sich statistisch kein Zusammenhang herstellen. Jedoch wiesen die Hunde mit signifikanter Prothesenabsenkung auch deutliche röntgenologische Veränderungen auf. Durch weitere Untersuchungen wurde hier ein Prothesenversa-gen festgestellt. Bei zwei Hunden zeigte sich zudem ein wechselndes Sinkverhalten.

Nach hochgradigem Einsinken bis zum 9. Monat war das Implantat bei der Ab-schlussuntersuchung wieder um mehrere Millimeter emporgestiegen. Diese Tatsa-che weist auf eine manifeste Lockerung hin. Bei genauerer Betrachtungsweise of-fenbarte sich zudem bei beiden Hunden eine hochgradige Radioluzenz. Zwischen Schaftprothese und Knochenwand fehlte der Kontakt, so dass eine freie Rotation als ursächlich für die Höhenunterschiede anzusehen war.

Es ist folglich davon auszugehen, dass der Verlust der Knochen-Prothesen-Grenzfläche ein Absinken der Schaftprothese fördert. Verkantet sich diese, kann sich eine vorübergehende sekundäre Stabilität einstellen (ALDINGER 1987; MARONNA 1987; SCHNEIDER 1987). Verschiedene Autoren machen metallische Abriebpartikel für den progressiven Stabilitätsverlust verantwortlich. Sie bewirken eine Aktivierung der Makrophagen, welche die Partikel aufnehmen, sie aber nicht abzubauen vermö-gen. Als Zeichen beginnender Dekompensation werden Mediatoren ausgeschüttet, die die knochenabbauenden Osteoklasten aktivieren. Infolge resorptiver Vorgänge verliert das Prothesenlager seine Struktur, so dass eine Prothesenabsenkung und -lockerung unvermeidlich werden (SANTAVIRTA et al. 1990; MOHANTY 1996).

In der A-Gruppe war das prothetische Sinkverhalten zu jedem Untersuchungszeit-punkt auffälliger als in den übrigen Gruppen. Da in einem in-vitro Vorversuch der Ar-beitsgruppe Münster kein negativer Effekt von Silber auf die Osteoblastenaktivität nachgewiesen werden konnte, wäre ein höherer Anfall von Silberpartikeln aus der Legierung als mögliche Ursache für die schlechteren Ergebnisse denkbar. Da der Versuch, ein orthopädisches Implantat komplett mit Silber zu beschichten bisher

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zigartig ist, gibt es keine vergleichbaren Studien zur Evaluierung der eigenen Ergeb-nisse.

Um eine Lockerungsgefahr durch den Absenkungsprozess zu reduzieren, sollten zusätzliche stabilisierende Maßnahmen ergriffen werden. So könnte beispielsweise ein der Osteotomielinie aufliegender Prothesenkragen einem weiteren Absinken ef-fektiv entgegenwirken. Eine Fixierung mit Schrauben, wie sie bei der Zurich Cement-less®-Prothese praktiziert wird, wäre ebenfalls eine Option. Allerdings gilt es zu be-denken, dass modifizierende Maßnahmen nicht die leichte Handhabung der Prothe-se beeinträchtigen sollten.

5.2.2 Lockerungsbeurteilung

In Anlehnung an die von GRUEN et al. (1979) entwickelte Methode erfolgte die Loc-kerungsbeurteilung der Hexagon-Prothese. Untersucht wurde das Auftreten von Ra-dioluzenz. Beim Hund gilt eine periprothetische Saumbreite von 1mm als Normalbe-fund, wenn sie im weiteren Verlauf unverändert bleibt. Weisen Patienten um das ge-samte Implantat Radioluzenz mit einer Ausdehnung von mehr als 1,5mm auf, ist von einer Protheseninstabilität die Rede, auf die zumeist ein Prothesenversagen folgt (KONDE et al. 1982; PARKER 1984; OLMSTEAD 1987; SCHNEIDER 1987; HUT-TER und GASPAR 1989; SPECTOR et al. 1990; MASSET 1995).

Darauf aufbauend wurden in dieser Studie folgende Lockerungskriterien festgelegt:

periprothetische Lysesäume < 1mm galten als unverdächtig, während Radioluzenz von ≥ 1mm und < 2mm in einer oder mehreren Zonen mit einer erhöhten Locke-rungsgefahr einherging. Saumbreiten von ≥ 2mm in einer oder mehreren Zonen be-deuteten ein Prothesenversagen. Diesen Kriterien folgend wiesen 31,8% (n = 7 von 22) der nachuntersuchten Hunde im Beobachtungszeitraum intermittierend oder dauerhaft fragile Implantatlager auf. Bei 54,5% (n = 12 von 22) der untersuchten Pro-thesen wurde zeitweise oder fortwährend ein Implantatversagen festgestellt.

Auffällig ist die vom Untersuchungszeitpunkt abhängige variable Ausdehnung der Radioluzenz. Bei 18,2% (n = 4 von 22) des Probandengutes waren die Prothesen

intermittierend locker. Die röntgenologisch erkennbare Lyse von ≥ 2mm reduzierte sich zeitweilig, so dass die betroffenen Prothesen zwar als fragil aber nicht mehr als ausgelockert beurteilt wurden. Tatsache jedoch ist, dass die Prothesenlager zonal deutliche röntgenologische Veränderungen aufwiesen und das Prothesenversagen im weiteren Verlauf gesichert wurde. Auch die Resultate der klinischen Untersuchung bestätigten die Diagnose, was einmal mehr den Zusammenhang beider Untersu-chungsgänge verdeutlicht.

Knochengewebe ist ein zeitlebens formbares Substrat mit ausgeprägtem Regenera-tionsvermögen. Es unterliegt ständigen Umbauprozessen und besitzt einen hohen Grad biologischer Anpassungsfähigkeit (NICKEL, SCHUMMER, WILLE und WIL-KENS 1992). Die unterschiedlich breiten Lysesäume werden deshalb als Resultat eines Wechselspiels zwischen Knochenresorption und erneuter Apposition betrach-tet. Auch andere Autoren berichten nach Implantation zementfreier Prothesenschäfte von Remodellierungsprozessen des periprothetischen Knochengewebes. Jedoch kann nur die dauerhafte Knochenapposition zu langfristigen Erfolgen führen (DeY-OUNG et al. 1993; SCHMIDT et al. 2003).

In der P-Gruppe zeigte sich, dass klinische und radiologische Befunde nicht zwangs-läufig miteinander korrelieren. Denn in einem Fall war trotz anhaltender klinischer Schwierigkeiten radiologisch kein Prothesenversagen nachweisbar. Laut AMSTUTZ et al. (1992) und MILLER et al. (1992) ist die Abwesenheit von Radioluzenz kein si-cherer Hinweis für eine intakte Knochen-Implantat-Grenzschicht. Zu kleine Implanta-te oder fehlerhaft präparierImplanta-te Implantatlager können zum Verlust der Primärstabilität ohne Beteiligung knöcherner Resoptionsprozesse führen. Umgekehrt wiesen andere Autoren darauf hin, dass Endoprothesenträger mehrheitlich trotz röntgenologischer Veränderungen einen symptomlosen Verlauf zeigten. Das plötzliche Auftreten von Radioluzenz mit progredientem Verlauf wird jedoch als sicheres Lockerungsindiz gewertet (CARLSSON und GENTZ 1984; DeLEE und CHARNLEY 1986; OLM-STEAD 1987; SCHNEIDER 1987). Diese Aussagen können anhand der eigenen Er-gebnisse nur bedingt unterstützt werden, weil alle Hunde mit röntgenologischen Ver-änderungen auch orthopädische Symptome unterschiedlicher Ausprägung zeigten.

Die klinische Untersuchung unterstützte und bestätigte dabei die radiologische

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kerungsdiagnostik. Prothesen mit fragilem Implantatlager oder intermittierender Aus-lockerung werden keine dauerhafte Stabilität erlangen und sollten spätestens mit Einsetzten klinischer Beschwerden explantiert werden. Gleiches gilt, wenn trotz frag-licher radiologischer Befunde ausgeprägte orthopädische Schwierigkeiten vorliegen.

5.2.3 Schaftposition

Aus der Fachliteratur ist bekannt, dass eine dezentrale Schaftposition beim Men-schen häufig zu Schmerzen führt und schlechte klinische Ergebnisse erwarten lässt (MENGE 1985; ALWAN 1999). Zudem ist die Varusposition der Schaftprothese als Frühindikator für eine bevorstehende Lockerung anzusehen. Sie führt zu einer un-physiologisch hohen Biegebanspruchung, die als mechanischer Störfaktor eine Revi-talisierung geschädigter Knochenstruktur verhindert (BECKENBAUGH und ILSTRUP 1986; WROBLEWSKI 1989). SCHNEIDER et al. (2002) belegen andererseits, dass die Schaftposition keinen Einfluss auf die Standzeit, die Funktion oder das Auftreten periprothetischer Lysesäume besitzt.

Für den Hund sind unterschiedliche Meinungen auszumachen. Während SCHWARZ (2006) von einer erhöhten Luxationsneigung spricht, sehen MASSET und VASSEUR (1994) wie auch GERVERS et al. (2002) eine dezentrale Schaftposition als weniger bedeutsam an. Sie sprechen sogar von durchweg guten Ergebnissen, obwohl nur ein geringer Anteil des untersuchten Patientengutes zentrierte Schaftpositionen aufwies.

Eine unkritische Übertragung auf die eigenen Ergebnisse fällt indes schwer. So wie-sen 18,2% (n = 4 von 22) der untersuchten Hunde im kraniokaudalen Strahlengang unmittelbar postoperativ eine dezentrale Schaftposition auf (varus, n = 3; valgus, n = 1). Die varisch positionierten Prothesen lockerten durchweg aus. Im mediolateralen Strahlengang wurde die Schaftposition bei 90,9% (n = 20 von 22) der Hunde als nach kranial verkippt beurteilt. Davon lockerten 13 im Untersuchungszeitraum aus.

Aufgrund der vergleichsweise geringen Patientenzahl und der hohen Gesamtrate klinisch und röntgenologisch diagnostizierter Lockerungen von 72,3% (n = 16 von 22) im Untersuchungszeitraum kann für die Hexagon-Prothese abschließend keine

all-gemeingültige Aussage über einen bestehenden Zusammenhang zwischen Prothe-senfehlstellung und Schaftlockerung hergestellt werden.

5.3 Komplikationen

Verschiedene Studien belegen für unterschiedliche Prothesensysteme Komplikationsraten von 6,3% bis 70%, bei denen Luxationen, Infektionen, Femurfrakturen und -fissuren, Prothesenlockerungen oder Neuropraxien mit variabler Häufigkeit angege-ben werden. Bei den zementfreien Implantaten spielen neangege-ben der aseptischen Loc-kerung vor allem implantationsbedingte Femurfissuren und –frakturen eine Rolle (OLMSTEAD und HOHN 1980; PARKER 1984; OLMSTEAD 1987; MASSET und VASSEUR 1994; GUTBROD und FESTL 1995; BERGH et al. 2006; SCHWARZ 2006). In der eigenen Untersuchung betrug der Anteil intra- und postoperativer Kom-plikationen 50% (n = 14 von 28). Die aseptische Lockerung fand dabei keine Berück-sichtigung sondern wurde aufgrund ihrer Bedeutsamkeit in dieser Studie an geson-derter Stelle aufgeführt (siehe Kapitel 5.4).

Bei jeweils 10,7% (n = 3 von 28) aller operierten Hunde traten Femurfissuren, -frakturen, femurale Ausbruchfragmente und Hüftgelenkluxationen auf. 7,1% (n = 2 von 28) der Patienten erlitten Wundkomplikationen. Die Art der Komplikationen deckt sich mit den beschriebenen Komplikationsereignissen der aufgeführten Studien.

Bei sieben von 28 Hunden mussten Revisionsoperationen zum Erhalt der Hexagon-Prothese vorgenommen werden, die entweder mit Drahtcerclagen oder mittels Plat-tenosteosynthese behoben wurden. Das entspricht einem Anteil von 25% am Ge-samtpatientengut. Obwohl andere Studien über hohe Erfolgsquoten von 55-100%

nach chirurgischer Revision berichten (LEWIS und JONES 1980; PARKER et al.

1984; OLMSTEAD 1987; LISKA 2007), lockerten alle komplikationsbehafteten Pro-thesen im Untersuchungszeitraum aus. Der Grund ist in der Art der Komplikation zu suchen und erklärt sich wie nachfolgend beschrieben.

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5.3.1 Femurfissur

Zwei der drei intraoperativ aufgetretenen Femurfissuren wurden mit Drahtcerclagen gesichert. Aufgrund der positiven Ergebnisse anderer Studien (siehe Kapitel 5.3) be-stand die Überzeugung, dass die so versorgten Prothesen einheilen und eine gute Osteointegration erfahren würden. Trotz anfänglich guter Rekonvaleszenz lockerten die Prothesen aus, so dass bei einem dritten Patienten nach intraoperativ entstande-ner Fissur gleich eine zementierte TEP implantiert wurde. Weitere Komplikationen ließen sich dadurch vermeiden.

Als ursächlich für das Prothesenversagen wird nach JASTY et al. (1992) die Durch-setzung der Haarrisse mit fibrösem Gewebe betrachtet, in deren Folge eine reguläre Frakturheilung ausbleibt. Unter den veränderten Spannungsverhältnissen zwischen Femur und Prothese leidet besonders die Primärstabilität, für die ein intaktes Implan-tatbett und der lückenlose Knochenkontakt unabdinglich sind (KIM et al. 1995; WID-MER et al. 1997). Für die Hexagon-Prothese wird deshalb gegenwärtig die ersatzlo-se Explantation nach Auftreten intraoperativer Fissuren empfohlen.

Gleichermaßen stellt sich die Frage nach der Ursache für die Schaftsprengung. Prin-zipiell kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Einerseits könnte im Sinne einer Learning-curve die mangelnde Vertrautheit des Operateurs mit dem neuen Prothe-sensystem verantwortlich sein. Als wahrscheinlicher wird jedoch eine Beteiligung des Prothesendesigns angenommen. Ausgehend von der Osteotomielinie der Femur-kopfresektion verliefen die longitudinalen Fissuren in vertikaler Richtung entlang des kranioproximalen Femurschaftes. Die Position der kranialen Prothesenkante inner-halb des hexaedrischen Querschnittes stimmte mit der Lokalisation der Knochenfis-suren exakt überein. Offensichtlich wurden die knöchernen Spannungsverhältnisse beim Einschlagen des Schaftes in das mit 0,5mm Untermaß gefräste Implantatlager entlang dieser Kante überschritten. Da der hexaedrische Schaftquerschnitt bislang einzigartig in der Veterinärmedizin ist, gibt es keine Studien, mit denen der darge-stellte Sachverhalt vergleichbar ist.

Insofern gilt es, über eine Modifizierung des Implantatdesigns nachzudenken. Durch das Abrunden der kranioproximalen Prothesenkante dürften Stressmomente auf den

proximalen Femur bzw. die Gefahr der Schaftsprengung minimiert werden. Als weite-re Maßnahme käme eine Versetzung aller Prothesenkanten um die eigene Längs-achse in Betracht, um den gefährdeten Bereich zu entlasten.

5.3.2 Ausbruchfragmente und Frakturen

21,4% (n = 6 von 28) der operierten Hunde erlitten während der Operation oder kurz postoperativ Ausbruchfragmente oder Femurfrakturen. Der Frakturverlauf entsprach dabei den Ergebnissen von BLATTER et al. (1989), ENGELBRECHT und SIEGEL (1989) sowie LISKA (2007), die von langen Schräg- oder Spiralfrakturen im Prothe-senstielbereich berichten. Während die Frakturen mit Neutralisationsplatten versorgt wurden, musste den Patienten mit Ausbruchfragmenten aufgrund aussichtsloser Chancen auf Primärstabilität eine zementierte TEP implantiert werden. Eine der drei Frakturen wurde durch ein Trauma verursacht. In den übrigen Fällen sind die Kom-plikationen vermutlich auf die Verwendung zu großer Markraumfräsen oder die Dis-krepanz zwischen Femurkanal und Prothesenschaftdimension zurückzuführen. Zu-sätzlich brachte eine dezentrale Markraumpräparation die Ausdünnung der kranio-proximalen Kompakta mit sich und erhöhte die Gefahr von Ausbrüchen.

Die Auswahl der richtigen Prothesenschaftgröße stellte sich als schwierig heraus.

Einerseits führen zu kleine Implantate zu einer verstärkten Absenkung (PERNELL et al. 1994), andererseits läuft der Femur Gefahr, durch zu große Implantate nachhalti-gen Schaden zu nehmen. Durch die Verfügbarkeit von Zwischengrößen bestünden für den Operateur mehr Möglichkeiten, das optimale Implantat-Femurschaft-Verhältnis zu bestimmen. Von einer Reduzierung der Komplikationen wäre ebenfalls auszugehen.

Verschiedene Autoren bestätigen den Einfluss zu großer Implantate oder unsachge-mäßer Präparierung auf die Entstehung von Fissuren oder Frakturen. Insbesondere Fissuren bleiben intraoperativ häufig unbemerkt und führen erst im Nachhinein zum Prothesenausbruch (OLMSTEAD 1987; JASTY et al. 1992; MONTGOMERY et al.

1992; GUTBROD und FESTL 1995; MASSET 1995; LISKA 2007). Die

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nen Komplikationen werden deshalb mit intraoperativ unerkannt gebliebener Schädi-gung des Femurschaftes in Zusammenhang gebracht. Ebenso wird eine BeteiliSchädi-gung des Prothesendesigns an der Entstehung von Fissuren vermutet, in deren Folge es zu Frakturen und Ausbrüchen kommen kann (siehe Kapitel 5.3.1).

5.3.3 Luxationen

Postoperative Luxationen der Schaftprothese werden mit unzureichender Schonung des Tieres, falscher Implantatposition oder Implantationsfehlern begründet (OLM-STEAD 1987; MONTGOMERY 1992; MASSET 1995; GERVERS et al. 2002).

Von drei in der Studie luxierten Prothesen wiesen zwei im mediolateralen Strahlen-gang eine starke Anteversion auf. Allerdings lag im ventrodorsalen StrahlenStrahlen-gang ei-ne zentrierte Position vor. Das dritte Implantat zeigte in der Mediolateralen eiei-ne zen-trierte Position, wobei in der Ventrodorsalen jedoch eine valgische Ausrichtung fest-stellbar war. Retrospektive Studien demonstrieren, dass mit einer fehlerhaften Im-plantatposition erhöhte Luxationstendenzen einhergehen (HOHN et al. 1986; MA-SSET und VASSEUR 1994, GERVERS et al. 2002, SCHWARZ 2006). Das eigene Datenvolumen reicht nicht aus, um einen hinreichend begründbaren Zusammenhang zwischen Schaftstellung und Luxation herzustellen. Eine abschließende Aussage über die Bedeutung der Schaftposition für die Luxationstendenz der Hexagon-Prothese muss deshalb vorerst unterbleiben.

5.3.4 Infektionen und Wundkomplikationen

Inklusive der durch Komplikationen erforderlich gemachten Revisionsoperationen konnten 34 mikrobiologische Proben ausgewertet werden. In 8,8% (n = 3 von 34) der Fälle war der bakteriologische Befund positiv. Bezogen auf die Gesamtzahl des Pati-entengutes lag der Anteil der Hunde mit kontaminierter Operationswunde bei 10,7%

(n = 3 von 28). Abhängig von individuellen Faktoren finden sich Infektionsraten von

5-35% nach TEP-Implantation, wobei die Gefahr eines infektiösen Prozesses mit je-der Revisionsoperation steigt (RITSCHL et al. 1992; CAPANNA et al. 1994; SAFRAN et al. 1994; MALAWER und CHOU 1995; WIRGANOWICZ et al. 1999; MITTER-MAYER und KREPLER 2001; GERVERS et al. 2002). Bei zwei Patienten konnte das in der eigenen Studie nachvollzogen werden, weil erst die in der Revisionsoperation gewonnene Gelenktupferprobe einen positiven Befund ergab.

Zwei der positiv befundeten Hunde entwickelten postoperative Wundkomplikationen, die im Zusammenhang mit der bakteriellen Kontamination anzusprechen sind. Ihre Prothesen lockerten im Untersuchungszeitraum aus und wurden explantiert. Eines dieser Tiere musste wegen einer Septikämie mit folgendem Multiorganversagen ein-geschläfert werden. Beim dritten Hund blieb der positive Keimnachweis ohne Ein-fluss auf die Wundheilung. In der frühen postoperativen Phase zeigte der Patient je-doch klinische Schwierigkeiten, die ebenso mit röntgenologischen Veränderungen einhergingen. Der Verdacht einer septischen Lockerung lag nahe. Durch die bei der Explantationsoperation gewonnene Gelenktupferprobe konnte das bestätigt werden.

Generell wird für Hunde mit Implantat-assoziierten Infektionen die ersatzlose Explan-tation aller Prothesenanteile empfohlen. Dabei sind die penible Entfernung des avita-len Gewebes und sämtlicher Zementreste sowie eine intraoperative Antibiotikaspü-lung mit anschließender Langzeitantibiose zwingend erforderlich (NUNAMAKER 1985; MASSET 1995; TOMLINSON und McLAUGHLIN 1996).

Ein Teil der implantierten Prothesen besaß silberlegierte Oberflächen, deren antiin-fektiven Effekte GOSHEGGER et al. (2002) eine tierexperimentelle Studie belegte.

Ein Hund mit mikrobiologisch positivem Nachweis war Träger einer Silber-Prothese.

Für eine schlüssige Aussage über die infektionsprophylaktischen Eigenschaften der Silberlegierung sind die Fallzahlen entschieden zu gering. Zudem ist die Evaluierung der Silberbeschichtung hinsichtlich seiner antiinfektiven und osteointegrativen Eigen-schaften Gegenstand einer groß angelegten Parallelstudie seitens der Westfälischen Wilhelms Universität Münster. Einem Vorgreifen der Ergebnisse soll an dieser Stelle vorgebeugt werden. Aus eigener Sicht darf dennoch angemerkt werden, dass weite-re Experimente mit Silber ausdrücklich zu empfehlen sind. Gerade vor dem Hinter-grund zunehmender Infektionen mit multiresistenen Keimen und der vitalen

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hung für den Patienten werden dringend neue Maßnahmen erforderlich, um die kon-ventionelle Antibiotikatherapie sinnvoll zu ergänzen (HOEKSTRA und PAULTON 2002; HOWE und BOOTHE 2006; WEESE et al. 2007).

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