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Definition 6.4.1

1. SeiV ein K–Vektorraum. Eine quadratische Form auf V ist eine Abbildung q : V →K

mit den beiden Eigenschaften:

(QF1) F¨ur alle λ∈K und v ∈V gilt q(λv) = λ2q(v).

(QF2) Die Abbildung

βq: V ×V →K

(v, w)7→q(v+w)−q(v)−q(w) ist eine Bilinearform auf V.

2. Eine quadratische Form q heißt nicht-ausgeartet, wenn die zugeh¨orige Bilinearform βq

nicht-ausgeartet ist.

Bemerkungen 6.4.2.

1. Sei V =K; dann ist q: K →K mit x 7→cx2 mit c∈ K eine quadratische Form. Denn es gilt

q(λx) = c(λx)22cx22q(x) , und

βq(x, y) = c(x+y)2−cx2 −cy2 = 2cxy

ist eine Bilinearform auf K. Die Form ist nicht-ausgeartet genau dann, wennc∈K\ {0}

gilt.

2. Allgemeiner sei V =Kn und C = (cij)∈M(n×n, K). Dann ist q(x) = xtCx=X

i,j

xicijxj

eine quadratische Form auf Kn.

3. Offensichtlich ist die zu einer quadratischen Form geh¨orige Bilinearform symmetrisch:

βq(x, y) =βq(y, x).

Satz 6.4.3.

SeiK ein K¨orper, in dem 1+16= 0 gilt. Dann entsprechen sich quadratische Formen ¨uber einem K–VektorraumV und symmetrische Bilinearformen β ∈SBilK(V, V) umkehrbar eindeutig:

QF(V)→SBilK(V, V) q 7→βq

SBilK(V, V)→QF(V) β 7→qβ mit qβ(x) = 2−1β(x, x) .

Beweis.

1. Wir untersuchen f¨ur eine gegebene symmetrische Bilinearform β die Abbildung qβ :V → K. Dazu bilden wir

qβ(x+y)−qβ(x)−qβ(y)

= 1

2(β(x+y, x+y)−β(x, x)−β(y, y))

= 1

2(β(x, y) +β(y, x)) =β(x, y).

was tats¨achlich eine Bilinearform ist, so dass (QF2) f¨urqβ erf¨ullt ist. Ferner gilt qβ(λx) = 1

2β(λx, λx) = λ2qβ(x) .

Also gilt auch (QF1) undqβ ist eine quadratische Form, zu der die Bilinearform βgeh¨ort.

Die Gleichung

β(x, y) =qβ(x+y)−qβ(x)−qβ(y) heißt Polarisierungsformel f¨ur die Bilinearformβ.

2. Sei umgekehrt eine quadratische Form q gegeben, zu der eine Bilinearform βq geh¨ort.

Dieser wird nach 1. die folgende quadratische Form zugeordnet:

1

q(x, x) = 1

2(q(x+x)−q(x)−q(x)) =q(x).

Satz 6.4.4. Normalform f¨ur quadratische Formen

Sei K ein K¨orper, in dem 1 + 16= 0 gilt. SeiV ein endlich–dimensionalerK–Vektorraum undβ eine symmetrische Bilinearform aufK. Dann existiert eine geordnete Basis B= (b1, . . . , bn) von V, in der die darstellende Matrix MB(β) eine Diagonalmatrix ist, d.h. β(bi, bj) = 0 f¨ur i6=j.

Beweis.

Durch vollst¨andige Induktion nach n := dimV. F¨ur den Induktionsanfang n = 1 ist nichts zu zeigen.

• Gilt qβ(v) = 0 f¨ur alle v ∈ V, so folgt aus Satz 6.4.3 β = 0, also MB(β) = 0n in jeder Basis B von V. In diesem Fall ist der Satz trivialerweise wahr.

• Sei also b1 ∈V mit qβ(b1)6= 0. Die Linearform ϕ: V →K

v 7→β(b1, v)

ist wegen ϕ(b1) =β(b1, b1)6= 0 nicht die Nullform. Also ist die Dimension des Untervek-torraums

U := kerϕ

gleich dimKU =n−1. Nach Induktionsannahme finde eine geordnete Basis (b2, . . . , bn) des Unterraums U mit β(bi, bj) = 0 f¨ur i6= j und i, j ≥ 2. Wegen b1 6∈ U ist (b1, . . . , bn) eine geordnete Basis von V. In ihr hat die Bilinearform β wegen

β(b1, bi) = ϕ(bi) = 0 f¨ur i= 2, . . . , n die gew¨unschte Diagonalgestalt.

Die diagonalisierende BasisB aus Satz 6.4.4 ist nicht eindeutig. Auch die Diagonalelemente sind nicht einmal bis auf die Reihenfolge eindeutig. Allerdings haben kongruente Diagonalma-trizen die gleiche Anzahl r0 von Nullen auf der Diagonale.

Lemma 6.4.5.

Der Nullraum einer symmetrischen Bilinearform β auf einem K-Vektorraum V ist der Unter-vektorraum

N(β) :={v ∈V | β(v, w) = 0 f¨ur allew∈V} ⊂V . F¨ur jede diagonalisierende Basis wie in Satz 6.4.4 gilt

N(β) = spanK{bi | β(bi, bi) = 0}.

Beweis.

“⊃” Sei i so gew¨ahlt, dass f¨ur das Basiselement bi β(bi, bi) = 0 gilt. Dann ist f¨ur jedes w = Pn

j=1wjbi ∈V

β(bi, w) =

n

X

j=1

wjβ(bi, bj) =wiβ(bi, bi) = 0 ,

also gilt bi ∈ N(β). Da N(β) ein Untervektorraum ist, gilt auch spanK{bi | αi = 0} ⊂ N(β).

“⊂” Seiv ∈N(β). Schreibe v =Pn

j=1vjbj und finde 0 = β(v, bi) =

n

X

j=1

vjβ(bj, bi) =viβ(bi, bi);.

Ist β(bi, bi)6= 0, so ist vi = 0. Also ist jedes v ∈N(β) eine Linearkombination derjenigen Basisvektoren bi mit β(bi, bi) = 0. also vi = 0.

Der Vergleich der Dimensionen zeigt dann die Gleichheitr0 = dimKN(β). Da der Nullraum nicht von der Wahl einer Basis von V abh¨angt, ist auch r0 als Dimension der rechten Seite basisunabh¨angig. Ist MB(β) = diag(α1, . . . , αn), so ist β genau dann nicht-ausgeartet, wenn detMB(β)6= 0 gilt, also genau dann, wennαj 6= 0 f¨ur alle j gilt, also wenn r0 = 0 gilt.

Bemerkung 6.4.6.

Man kann den sogenannten Wittschen Relationensatz 5 zeigen:

Seien αi, βi ∈K× und gelte die Kongruenz von Diagonalmatrizen diag(α1, . . . , αn)'diag(β1, . . . , βn).

Dann l¨asst sich das n–Tupel (α1, . . . , αn) durch das fortgesetzte Anwenden der folgenden drei elementaren quadratischen Umformungen in das n–Tupel (β1, . . . , βn) ¨uberf¨uhren:

1. Vertauschen zweier Eintr¨age

2. Multiplikation eines Eintrags mit einem Quadrat aus K×.

3. Ersetzen von (γ1, γ2) in (γ1, . . . , γn) durch (γ1 + γ2,(γ121γ2), falls γ12 6= 0 (Wittsche Relation).

F¨ur den Beweis verweisen wir etwa auf F: Lorenz, Lineare Algebra II, Kapitel VII §2.

Wir wollen nun speziell quadratische Formen ¨uber den K¨orper CundRder komplexen bzw.

reellen Zahlen untersuchen.

Satz 6.4.7.

Sei V ein endlich–dimensionalerC–Vektorraum und β : V ×V →C

5Ernst Witt, 1911-1991, 1939-1991 Professor in Hamburg. Biographie unter http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/Biographies/Witt.html

eine symmetrische Bilinearform. Dann existiert eine geordnete Basis B von V, in der die dar-stellende Matrix die Gestalt

MB(β) = diag(1, . . . ,1

| {z }

r

,0, . . . ,0

| {z }

r0

)

hat. Die nicht-negativen ganzen Zahlen r und r0 sind durch β eindeutig bestimmt und h¨angen nicht von der Wahl der geordneten Basis B ab.

Beweis.

Wegen Satz 6.4.4 gibt es eine geordnete Basis B0 = (b01, . . . , b0n), in der gilt MB0(β) = diag(α1, . . . , αn)

Setze bi :=γib0i mit

γi :=

( 1

αi fallsαi 6= 0 1 fallsαi = 0 . Wir finden

β(bi, bj) = γiγjβ(b0i, b0j) =γiγjαiδi,j .

Es folgt f¨urαi = 0 die Gleichungβ(bi, bi) = 0 und f¨ur αi 6= 0 die Gleichung β(bi, bj) = αi

αi = 1. Durch Umnummerierung erh¨alt man die gew¨unschte Form.

Die Unabh¨angigkeit von r0 und somit auch von r von der Wahl der geordneten Basis B

folgt aus Lemma 6.4.5.

F¨ur quadratische Formen ¨uberRist die Situation etwas komplizierter, weil nicht jede reelle Zahl Quadrat einer reellen Zahl ist.

Satz 6.4.8. Sylvesterscher Tr¨agheitssatz

Sei V ein endlich–dimensionalerR–Vektorraum und β : V ×V →R

eine symmetrische Bilinearform. Dann existiert eine geordnete Basis B von V, in der die dar-stellende Matrix die Gestalt

MB(β) = diag(1, . . . ,1

| {z }

r+

,−1,−1, . . . ,−1

| {z }

r

,0, . . . ,0

| {z }

r0

)

hat. Die nicht-negativen ganzen Zahlen r+, r und r0 sind durch β eindeutig bestimmt und h¨angen nicht von der Wahl der geordneten Basis B ab.

Beweis.

• Wegen Satz 6.4.4 gibt es eine geordnete Basis B0 = (b01, . . . , b0n), in der gilt MB0(β) = diag(α1, . . . , αn)

Setze bi :=γib0i mit

γi :=

(√1

i| falls αi 6= 0 1 falls αi = 0. Wir finden

β(bi, bj) = γiγjβ(b0i, b0j) =γiγjαiδi,j .

Es folgt f¨urαi = 0 die Gleichung β(bi, bi) = 0 und f¨ur αi 6= 0 die Gleichung β(bi, bj) = αi

i| = sign(αi)∈ {±1}. Durch Umnummerierung erh¨alt man die gew¨unschte Form.

• Wir wissen schon aus Lemma 6.4.5, dassr0 als Dimension des Nullraums vonβ nicht von der Wahl der diagonalisierenden Basis abh¨angt.

• Wir zeigen:

r+= max{dimRW | W ⊂V Untervektorraum mit q(v)>0 f¨ur alle v ∈W \ {0}}. Die rechte Seite bezeichnen vor¨ubergehend mit m. Aus dieser Darstellung von r+ folgt sofort, dass r+ und damit auch r nicht von der Wahl der Basis B abh¨angt. Zum Beweis betrachte zun¨achst den Untervektorraum

W0 := spanR{b1, . . . , br+}. F¨ur

v =

r+

X

j=1

vjbj ∈W0\ {0} mit vj ∈R gilt wegen β(v, v) = 2q(v):

2q(v) =β(v, v) =

r+

X

i,j=1

vivjβ(bi, bj) =

r+

X

i=1

(vi)2 >0. Daraus folgt die Ungleichung

m ≥dimRW0 =r+ .

Um die entgegengesetzte Ungleichung zu zeigen, zeigen wir, dass in jedem Untervektor-raum W von V mit dimRW > r+ ein Vektor v ∈W \ {0}mit q(v)≤0 existiert. Sei also dimRW > r+. Wegen

dimRW + dimRspanR{br++1, . . . , bn}> r++r0+r = dimRV finde mit Satz 2.5.3 ein v 6= 0 in

v ∈W ∩spanR{br++1, . . . , bn} , Es gibt also ein v ∈W, das die Darstellung

v =

n

X

j=r++1

vjbj mit vj ∈R besitzt. Aus dieser Darstellung folgt die gew¨unschte Ungleichung:

2q(v) =β(v, v) =

n

X

j=r++1

(vj)2β(bj, bj)≤0.