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4. Das Kurhaus in Scheveningen (1884/85; 1886/87)

4.1 Quellen-, Forschungs- und Literaturlage

Über das Kurhaus in Scheveningen liegt keine wissenschaftliche Arbeit vor.

Eine intensive Aufarbeitung der Quellen, vor allem in Bezug auf die Bauge-schichte, das heißt von der Auftragsvergabe bis zur Eröffnung des ersten Kurhauses, unterblieb bis heute. Daher soll diesem Aspekt in der vorliegenden Arbeit Rechnung getragen werden. Zugrunde gelegt werden Quellen aus dem Gemeentearchief Den Haag. Es handelt sich dabei sowohl um Akten der Gemeindeverwaltung als auch um Entwürfe und einige Zeichnungen der Außenansichten des ausgeführten Kurhauses. Die originalen Grundrißpläne sind nicht überliefert.277

In nur wenigen zeitgenössischen niederländischen Architekturzeitschriften, dem "Bouwkundig Weekblad"278 und dem "Vademecum der Bouwvakken"

wurde über das Kurhaus nach Vollendung des Baues im Jahr 1885 sowie nach dem Brand im Jahr 1886 berichtet.279 Eine umfangreiche Diskussion dieser Ereignisse fand aber in der nationalen Tages- und Wochenpresse statt.280 In einer Reihe bekannter Reiseführer der Zeit, wie zum Beispiel in Baedekers Reisehandbuch "Belgien und Holland" wurde das Kurhaus erwähnt und mit kursorischen Beschreibungen versehen.281 Im Rahmen stadthistorischer

277 Mitteilung von Richard Wittmann: Um 1923 wurden der Kurhausverwaltung von Jakob Wittmann, dem Geschäftsnachfolger der Firma Henkenhaf & Ebert, Zeichnungen und Baupläne angeboten. Diese lehnte die Kurhausverwaltung mit der Begründung ab, es seien ausreichend Pläne vorhanden.

278 Het Badhuis te Scheveningen, in: Bouwkundig Weekblad 5 (1885), S. 183-184.

279 Als het kalf verdronken is, dempt men de put [Brand], in: Vademecum der Bouwvakken (1886), S. 35-38. – De Brand van het Kurhaus te Scheveningen, in: BW 6 (1886),

S. 217; 229-230.

280 Vornehmlich wird hier das "Dagblad Le Hague" und "De Amsterdammer" genannt.

281 Karl Baedeker, Belgien und Holland nebst dem Grossherzogthum Luxemburg.

Handbuch für Reisende. 18. Aufl. Leipzig 1888, S. 297-298; Die Ost- und Nordsee-Bäder. Praktischer Wegweiser. 7. Aufl. Berlin 1896 (= Griebens Reisebücher, Bd. 55), S. 171-173; Nordseebäder und Städte der Nordseeküste. 1. Aufl. Leipzig; Wien 1901 (= Meyers Reisebücher), S. 252-253; Führer für das Nordseebad Scheveningen, der Stadt Haag und Umgebung. 1. Aufl. Würzburg; Wien 1890 (= Woerl's Reisehand-bücher), S. 9-18.

Beschreibungen von Scheveningen und Umgebung wurde das Kurhaus jedoch erst ab 1905 genannt.282

Ter Kuile beschäftigte sich erstmals im Jahr 1958 aus kunsthistorischer Sicht mit dem Kurhausbau.283 Es ist auffällig, daß das Kurhaus in Scheveningen kaum Eingang in die deutschsprachige wissenschaftliche Literatur zur Archi-tekturgeschichte des 19. Jahrhunderts fand. Lediglich ein knapper Beitrag zum Kurhaus ist in die "Propyläen Kunstgeschichte" aufgenommen,284 wobei der Autor den erwähnten Artikel des Architekturhistorikers Ter Kuile zugrunde legte. In einigen Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätzen der grenznahen Presse wurde in deutscher Sprache über das Kurhaus nach Beendigung der Renovie-rungs- und Umbauarbeiten in den Jahren 1976 bis 1979 berichtet.285 Anläßlich der Renovierung beziehungsweise des Wiederaufbaues des Kurhauses entstand ein Bericht des zuständigen Baubetriebes, der in der Fachzeitschrift

"pt bouwkunde" veröffentlicht wurde. In vier ausführlichen Berichten wurde über die jeweils vorgenommenen Arbeitsschritte informiert.286 Nach erfolgten Wiederaufbauarbeiten erschien eine Fülle von populärwissenschaftlichen Publikationen in niederländischer Sprache, die zumeist die Geschichte des Kurhauses darlegten und eine große Auswahl von historischen Fotografien veröffentlichten. Aus diesen Werken wurden die Arbeiten des Autorenteams van Dompseler/Versteeg und von Adama Zijlstra vorwiegend für die zusam-menfassende Darstellung der Geschichte des Kurhauses im Rahmen dieser Arbeit verwendet.287

282 Auswahl: Johan Gram, 's-Gravenhage voorheen en thans [= 's-Gravenhage einst und heute]. 's-Gravenhage 1905, S. 239-252; Th. Morren, Van Badhuis tot Kurhaus.

's-Gravenhage 1908, S. 14-19; J. C. Vermaas, Geschiedenis van Scheveningen. Deel II.

's-Gravenhage 1926, S. 424-435.

283 KUILE, ter (1958), Sp. 179-186.

284 Anders Åman, Architektur, in: Die Kunst des 19. Jahrhunderts, hrsg. von Rudolf Zeitler. Frankfurt/M. Berlin 1990 (= Propyläen Kunstgeschichte; Bd. 11), [Sonderausgabe],

S. 344-345, Abb. 215a.

285 Auf die Auflistung der zahlreichen Beiträge wird verzichtet.

286 pt bouwkunde wegen- en waterbouw. Polytechnisch tijdschift 33 (1978), Nr. 4 (Kurhausnummer), S. 183-240.

287 Aus der Vielzahl an Veröffentlichungen ab 1979 zum Kurhaus wurde als Grundlage für den folgenden geschichtlichen Abriß ausgewählt: Noël van Dompseler/Coos Versteeg, Kurhaus, baken van Scheveningen. Den Haag 1979. Die Publikation des bis 1963 amtierenden Kurhaus-Direktors Adama Zijlstra enthält im wesentlichen die gleichen Informationen: Anthony Adama Zijlstra, Het Kurhaus van badhuis tot levend monument. Den Haag 1979. Die in den vorgenannten Werken bearbeiteten Quellen wurden nicht mittels Anmerkungen nachgewiesen, sondern summarisch im Literaturverzeichnis aufgeführt.

Das Kurhaus wurde als Beispiel für "Baulichkeiten für Cur- und Badeorte" in das "Handbuch der Architektur"288 von 1894 aufgenommen, allerdings in äußerst kursorischer Form.289 Es erfüllte im wesentlichen die Funktionen eines Kurhauses und eines Hotels und kann somit zu beiden Bauaufgaben gerechnet werden. Hotels in der Größenordnung des Kurhauses in Scheveningen stellten sich aufgrund unterschiedlicher Faktoren verstärkt erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Diese wurden zum Beispiel als Grand Hotel oder synonym als Palasthotel bezeichnet, sie bilden einen Teilbereich des vielsei-tigen Bautypes Hotel. Der Untersuchung dieser speziellen Bauaufgabe widmete sich ein Autorenteam im Jahr 1991.290 In einer Zusammenschau wurden dabei große Hotels in Belgien, in den Niederlanden und in Luxemburg aufgeführt. Die chronologisch aufgebaute Arbeit über im städtischen und ländlichen Bereich sowie an der See gelegenen Hotels ergab eine Entwicklung, an deren Ende die großen Hotels an der Küste stehen, die im Verlauf des zunehmenden Tourismus' errichtet wurden. In diese Reihe wurde das Scheveninger Kurhaus aufgenommen. In der Untersuchung von Michael Schmitt aus dem Jahr 1982 über Palast-Hotels einiger europäischer Länder, welche unter anderen auch Hotels in Kurorten, darunter auch Hotels in Seebädern einschließt, wird das Kurhaus ebenfalls erwähnt.291 Die in den genannten Publikationen erarbeiteten bautypologischen und stilistischen Merkmale werden der Betrachtung des Scheveninger Kurhauses zugrunde gelegt.

Das Gebäude erhielt die deutsche Bezeichnung Kurhaus und gehört damit zu den wenigen Bauten in den Niederlanden, die mit dieser Benennung versehen wurden. Daher wird die Bauaufgabe Kurhaus in Deutschland berücksichtigt.

Einen entwicklungsgeschichtlichen Überblick über die unterschiedlichen Bauaufgaben in Kurstädten in Deutschland für die Zeit des Klassizismus bis hin zum Beginn des 20. Jahrhunderts liefert die Publikation "Kurstädte in

288 Handbuch der Architektur, hrsg. von Josef Durm, Hermann Ende u. a., Stuttgart u. a.

1883 ff. Das Handbuch ist eine Beispielsammlung von historischen Bauwerken und als Lehrbuch für angehende Architekten konzipiert.

289 Jonas Mylius/Heinrich Wagner, Baulichkeiten für Cur- und Badeorte, in: HdA, 4. T., 4. Hb., 2. H. 2. Aufl. Darmstadt 1894, S. 1-25; hier: S. 15. Die erste Auflage erschien 1885, dem Jahr der Fertigstellung des Kurhauses.

290 BRULS/van HOOFF (1991).

291 Michael Schmitt, Palast-Hotels. Architektur und Anspruch eines Bautyps 1870-1920.

Berlin 1982. Das Kurhaus in Scheveningen wird genannt, aber nicht eingehend betrachtet, vgl. S. 126.

Deutschland".292 Ein entscheidender Teil dieses Werkes beruht auf der Aus-arbeitung und Zusammenstellung von bautypologischen und stilistischen Kriterien der einzelnen Bautypen, wobei auch kulturhistorische Aspekte einbe-zogen werden. Die Bezeichnungen für die Gebäude variierten zwischen Kur-und Badehaus oder Kur- Kur-und Badehotel, wobei eine klare Abgrenzung der einzelnen Erscheinungsformen oft kaum möglich ist.293 Es kann vorausgesetzt werden, daß den Architekten Henkenhaf und Ebert die unterschiedlichen Ausprägungen der zur Kurarchitektur gehörenden Bauten bekannt waren.

Im Jahr 1985 erschien eine vergleichende Darstellung der Geschichte von niederländischen, belgischen und deutschen Seebädern aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die Autoren der Publikation "Met Zicht op Zee" verfolgten die Entstehungsgeschichte einiger Küstenbadeorte und deren Bauten unter städte-baulichen und typologischen Gesichtspunkten, gleichzeitig stellen sie die nationalen Unterschiede einander gegenüber.294 Die im Zuge der vorgenannten Untersuchungen erarbeiteten Kriterien zur Definition der Bauaufgaben Hotel und Kurhaus werden bei der Bestimmung des Bautypus Kurhaus in Schevenin-gen berücksichtigt.