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5. Die Stadthalle in Heidelberg (1901-1903)

5.2 Überblick über die Geschichte der Stadthalle

5.3.1 Die provisorische Festhalle von 1886

Erneut heftig diskutiert wird die Frage der Notwendigkeit einer Festhalle erst wieder, als sich 1883 im Rahmen der Vorbereitungen zum bevorstehenden fünfhundertjährigen Universitätsjubiläum 1886 das Fehlen eines großen Saales bemerkbar macht. Ein ausreichend großer Raum für die "gesellige Vereini-gung" von erwarteten 5000 Festteilnehmern steht in Heidelberg nicht zur Verfügung.635 Vorschläge für die Herstellung von Räumen mittels Umbauten auf dem Schloß im Friedrichsbau und im Bandhaus werden letztlich aus techni-schen, finanziellen und denkmalpflegerischen Gründen verworfen. Die Anregung, eine hölzerne Festhalle auf den Schloßterrassen zu errichten, findet

632 DUFNER (1903), S. 7.

633 StA Hd: UA 77,2: Die Erwerbung der Häuser Untere Neckarstraße No. 11, 13 und 15 [...] durch die Stadtgemeinde, Jahr 1894-1897, hier: Protokoll der Stadtratssitzung vom 26. Juni 1894.

634 Ibd.

635 BOCK (1993), S. 111.

ebenfalls keinen Zuspruch. Eine zufriedenstellende Lösung zeichnet sich nicht ab. Aufgrund der knappen verbleibenden Zeit bis zum Jubiläum verkündet Oberbürgermeister Bilabel im März 1884,636 eine temporäre Halle im Gebiet der Stadt erstellen zu lassen. Da jede Entscheidung bauliche Maßnahmen und Kostenaufwendungen verursacht, bringt die Großherzogliche Baudirektion den Vorschlag ein, doch eher den Bau einer massiven Festhalle im Stadtzentrum als die Errichtung einer provisorischen Halle in Erwägung zu ziehen.637 Dieser Gedanke entspricht sehr den Bedürfnissen des Gemeinnützigen Vereins,638 der im Juni 1884 die "Erbauung einer stehenden Festhalle [...] als eine für das allgemeine Wohl und Interesse der Stadt unbedingt erforderliche" Angelegen-heit betrachtet.639 Der Verein schlägt vor, die Finanzierung des Baues über eine von der Großherzoglichen Regierung genehmigte Verlosung vorzunehmen:

Der Verkauf der Lose werde insgesamt 300.000 Mark erbringen. Als Garant für den Verkauf aller Lose möge die Stadt auftreten, der die fertiggestellte Festhalle "als freies Eigentum übergeben" werde.640 Favorisiert werde der aufgrund seiner landschaftlich schönen Lage der Teil des Zimmerplatzes, an welchen sich die Karpfengasse anschließt. Auch wenn die verbleibende Zeit bis zum Universitätsjubiläum zu knapp sei, um einen Massivbau fertigzustellen, so könne "doch vielleicht der Rohbau der ständigen Halle so weit gediehen sein, daß diese mit einem Holzanbau verbunden den nötigen Raum für das Fest abgeben" werde.641

Der Stadtrat geht nicht auf den Vorschlag der Verlosung ein, sondern spricht sich gegen die Erbauung einer massiven Festhalle aus. Er halte, "abgesehen von den schwerwiegenden finanziellen Bedenken, [...] den Theil des Zimmer-platzes, der zur Aufstellung der Halle in Aussicht genommen" sei, für

"vollständig ungeeignet [...], da dieselbe unmittelbar neben die Untere Neckarstraße, nur 9 Meter von den Häusern dieser Straße zu stehen käme und auch noch dem Hochwasser ausgesetzt sein würde, sofern nicht eine bedeutende Erhöhung des Bauterrains vorgenommen werden würde."

636 StA Hd: Heinrich August Bilabel, geb. 7. August 1831, gest. 23. Oktober 1913. Erster Oberbürgermeister von Heidelberg, amtierte von 1875-1885.

637 Zur Diskussion über die erwogenen Möglichkeiten zur Erstellung einer Halle siehe:

BOCK (1993), S. 111-114.

638 Gegründet im Jahr 1884, den Vorsitz führte der Kaufmann Max Klingel.

639 StA Hd: UA 72,1: Die Erbauung einer stehenden Festhalle, Jahr 1884-1903, hier:

Schreiben vom 15. Juni 1884.

640 Ibd.

641 Ibd.

hin vermöge er "zur Zeit das Bedürfnis zur Erbauung einer solchen Festhalle nicht anzuerkennen."642 Ein weiteres Schreiben des Gemeinnützigen Vereins, das die dringliche Bitte an den Stadtrat enthält, "etwas Bleibendes zu schaffen, [da] die Großherzogliche Regierung die Erstellung der Festhalle für das Universitäts-Jubiläum der Stadtgemeinde überläßt, aber einen namhaften Betrag beizusteuern in Aussicht stellt",643 bewirkt keine Standpunktänderung des Stadtrates.644

Im Dezember 1884 fällt die Entscheidung für den Aufbau einer provisorischen Festhalle (Abb. 212) auf dem östlichen Teil des Zimmerplatzes.645 Die Ausführung erfolgt im Auftrag des Badischen Ministeriums nach Entwürfen des Oberbaurats Durm aus Karlsruhe. Die Aufbauarbeiten beginnen zu Ostern 1886 und enden am 30. Juli646 rechtzeitig zum Beginn der Universitätsfeier, die vom 3. bis zum 7. August 1886 abgehalten wird. Die provisorische Festhalle, die nach ihrem Abbruch "als Sortierhaus in der Holzmann'schen Blendziegel-fabrik zu Frankfurt a. M. ihr Dasein weiter fristet",647 ist für wenige Wochen, bis Anfang September, zugänglich. Der Zimmerplatz wird zur Erinnerung an das Universitätsfest 1886 in Jubiläumsplatz umbenannt.648 Nach dem später vorgenommenen Terrainausgleich wird der Platz mit Bäumen eingefaßt.649 Der obere Lauerplatz wird von dem darauf lagernden Holz geräumt, und der gewonnene freie Platz mit dem Detailexerzierplatz der Garnison zusammen-geschlossen.650 Er dient bis zum Baubeginn der Stadthalle 1901 den Übungs-zwecken des Militärs.

Mitte Januar 1892 beginnt die Diskussion um den Bau einer Festhalle erneut.

Die Vorstände der Gesangvereine Heidelbergs651 beklagen in einem gemein-samen Schreiben an den Stadtrat, daß für die geplante musikalische

642 StA Hd: UA 72,1: Antwort vom 2. Juli 1884.

643 Ibd.: Schreiben vom 19. Nov. 1884.

644 Ibd.: Antwort vom 26. Nov. 1884.

645 Grundbedeutung von: "Zimmer" = Bauholz. Vgl.: DERWEIN (1940), S. 290-291.

646 Josef Durm, Die Festhalle, in: RUP CAR (1886), S. 17.

647 DURM (1904), S. 281. – Zur Baugeschichte der provisorischen Festhalle siehe: DURM (1904), S. 252-253. – GRAMMBITTER (1984), S. 276-278. – BOCK (1993), S. 114-118.

648 DERWEIN (1940), S. 167.

649 [Provisorische Festhalle], in: HZ vom 29. Oktober 1886, S. 2-3.

650 StA Hd: Bericht des Stadtrats Heidelberg an den verehrlichen Bürgerausschuß: Den Rechenschaftsbericht für 1886 betr., 24. Juni 1897. – Lauer = Brennholzstapel- und Handelsplatz, vgl.: DERWEIN (1940), S. 192.

651 StA Hd: UA 72,1: Schreiben vom 14. Januar 1892: Vereine Concordia, Constantia, Eintracht, Liederhalle, Liederkranz, Liedertafel und Tannhaeuser.

staltung anläßlich der bevorstehenden Geburtstagsfeier des Kaisers Wilhelm II.

keine geeigneten großen Räume zur Verfügung stehen. Die Vorstände richten gleichsam einen Appell an das patriotische Gewissen der Stadtväter und an deren Veranwortungsbewußtsein für Bürger und kulturelles Leben in der Stadt:

"Als die ausgeprägteste Eigenschaft des deutschen Sängers ist stets seine Vaterlandsliebe genannt worden. Der deutsche Sänger kann daher auch einen Anlaß, wie die Feier des Kaisergeburtstages nicht an sich vorübergehen lassen, ohne nach Sänger Art, durch das deutsche Lied, seiner Begeisterung für das deutsche Vaterland, seiner Treue und Liebe zu dessen Schirmherrn Ausdruck zu geben. – Wenn wir daher eine thätige Theilnahme an dieser schönen Feier als selbstverständlich betrachten, so müssen wir nur bedauern, daß diese nicht in der von den Gesangvereinen gewünschten Weise erfolgen kann. Denn als der Bedeutung des Festes würdig können wir nur Gesammtchöre bezeichnen, nicht aber ein, einem Wettsingen und Haschen nach Erfolg gleichendes Auftreten der einzelnen, in Stimmmitteln und Sänger-zahl verschiedenen Vereine, das nur zu unpassenden Vergleichen und Kritiken Veranlassung geben kann." 652 Da kein Raum vorhanden sei, in dem ein Podium für etwa 280 bis 300 Sänger untergebracht werden könne, habe man einen Verein bestimmt, der den gesanglichen Teil für diese Feier alleine bestreiten werde. Der eindringlichen Darstellung schließt sich der Hinweis an den Stadtrat an, daß mit der Erstellung einer Festhalle ein "von den Gesang-vereinen schon längst und tief empfundenes Bedürfnis" gestillt würde.653 Man verkenne "die großen Schwierigkeiten und Hindernisse, welche der Erbauung einer solchen Halle auf paßendem Gelände entgegenstehen und auch die großen Geldopfer nicht". 654 Vorteilhaft wäre das Vorhandensein eines großen Raumes für Veranstaltungen verschiedener Art, wie beispielsweise für die bereits abgehaltene Naturforscherversammlung oder die Scheffelfeier, und weitere derartige Versammlungen würden bei entsprechendem Raumangebot mit Sicherheit stattgefunden haben. Es "wurde auch schon an hiesige Gesangs-vereine das Ansinnen gestellt, die Veranstaltung eines Bad.

Sängerbundesfestes zu übernehmen, das aber wegen Mangels an paßenden Räumen abgelehnt werden mußte. [...] Insbesondere sind es die Gesangvereine, die ohne Ausnahme unter diesem Mangel leiden."655 Dieser

652 StA Hd: UA 72,1: Schreiben vom 14. Januar 1892.

653 Ibd.

654 Ibd.

655 Ibd.

nahegehenden Bitte kann sich der Stadtrat scheinbar nun nicht mehr entziehen.

Der Erbauung einer Festhalle könne zwar wegen anderer wichtiger Unternehmungen nicht sofort nachgekommen werden, zugesagt werde aber, diese Frage im Auge zu behalten.656