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3 Methodische Überlegungen

3.2 Die Einzugsbereichsmessung im Einzelhandel

3.2.4 Das probabilistische Gravitationsmodell von H UFF

3.2.4.1 Probleme bei der Anwendung des Modells

Zur Operationalisierung des Modells werden Daten zum Um-satz / Kundenaufkommen in den Zielorten, der Attraktivität derselben, des Nach-fragevolumens in den Quellorten und den Distanzen zwischen den Quell- und Zielorten benötigt.

Als Maß für die Attraktivität werden einzelhandelsrelevante Indikatoren, wie bspw. Anzahl der Betriebe, Verkaufsflächen, Beschäftigte im Einzelhandel usw.

verwendet. Die Zielgröße des Modells ist in aller Regel der Umsatz / das Kun-denaufkommen in den Angebotsstandorten, wobei der Umsatz die bevorzugte Größe ist, weil dieser Statistiken zu entnehmen bzw. aus diesen berechnet wer-den kann. Das Nachfragevolumen wird mit Hilfe der Kaufkraft, die in wer-den Quell-orten vorhanden ist, operationalisiert. Die Kaufkraft lässt sich ebenfalls aus Se-kundärstatistiken errechnen bzw. liegt möglicherweise als eigene Statistik vor (z.B. KLEIN 1988,S.31ff.). Für die Distanz zwischen Quell- und Zielorten kön-nen Luftliniekön-nentfernungen, Straßenkilometer, Fahrzeiten, Kosten usw. genutzt werden. Diese Aufzählung suggeriert evtl., dass es für die Anwendung des Mo-dells lediglich notwendig ist, bei bestimmten Institutionen, wie bspw. den statis-tischen Ämtern auf Gemeinde-, Landes-, oder Bundesebene, die entsprechenden Daten anzufordern bzw. aus den Publikationen derselben, die benötigten Daten zu entnehmen. An dieser Stelle soll noch nicht näher auf diese Problematik ein-gegangen werden, sondern der Hinweis genügen, dass die letzte amtliche Voller-hebung zum Einzelhandel in Deutschland, die sog. "Handels- und Gaststättenzäh-lung" (im Weiteren mit HGZ abgekürzt), den Stand vom 30.04.1993 widerspie-gelt (HSL1996,S.3)!

3.2.4.1.1 Die Bestimmung des Parameters Lambda

Vorausgesetzt man hat entsprechende Daten für die einzelnen Modellgrößen zur Verfügung, lässt sich mit (3) und (4) der Wert des Distanzexponenten λ ermit-teln, indem dieser so lange variiert wird, bis die Abweichung zwischen der er-rechneten und der empirischen Zielgröße (z.B. Umsatz am Angebotsstandort) minimal ist. Dieses auf den ersten Blick einfach erscheinende Verfahren, bereitet in der Praxis erhebliche Probleme, denn der Wert des Parameters Lambda ist ab-hängig von der angebotenen Ware selbst und den ökonomischen sowie soziogra-phischen Eigenschaften der Verbraucher. Deshalb ist er sowohl für jede Waren-gruppe als auch für jeden betrachteten Raumausschnitt unterschiedlich. Unter-scheiden sich die Attraktivitäten / das Einzelhandelsangebot der Zielorte inner-halb eines Untersuchungsgebietes sehr stark voneinander, so ist die Suche nach einem einheitlichen Wert für Lambda, bei dem die Abweichungen zwischen ge-schätzter und empirischer Zielgröße "akzeptabel" sind, nahezu aussichtslos. Ohne den Ergebnissen vorweg greifen zu wollen, sei hier auf die Abb. 14 verwiesen.

Dargestellt sind die prozentualen Abweichungen der errechneten von den

empiri-schen Umsätzen in den Zielorten des Untersuchungsgebietes bei unterschiedli-chen Werten (1 und 5) für den Distanzexponenten Lambda. Auf der Abszisse sind die Attraktivitäten der Zielorte abgetragen, wobei beachtet werden muss, dass diese zuvor in Rangplätze transformiert worden sind. Die wichtigsten statis-tischen Kennzahlen zu der Abbildung sind in Tab. 1 enthalten, die zusätzlich noch Daten für Lambda gleich 3 beinhaltet, auf deren grafische Darstellung aber aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet wurde. Es bedarf wohl keiner nähe-ren Erläuterungen zu den einzelnen Kennzahlen, um zu erkennen, dass es bei großen Unterschieden zwischen den Attraktivitätswerten der Angebotsstandorte keinen einheitlichen Wert für Lambda gibt, bei dem die Abweichungen zwischen den empirischen und statistischen Werten akzeptabel wären. Daraus folgt, dass das klassische Huff-Modell für die Bearbeitung der Fragestellungen dieser Arbeit nicht in Betracht kommt.

Abb. 14: Der Einfluss des Distanzexponenten Lambda auf die Schätzgüte des Modells

Kennziffern Lambda = 1 Lambda = 3 Lambda = 5 Mittelwerte -17.477551 29.087410 77.314247 Standardabweichung 41.560669 38.277176 66.257370

Minimum -79.6300 -55.84 -48.4432

Maximum 222.760 193.179 323.484

Tab. 1: Die prozentuale Abweichung der geschätzten von den statistischen Werten in Abhängigkeit vom Distanzexponenten Lambda

3.2.4.1.2 Die Bestimmung des Einkaufs am Wohnort

HUFF ging davon aus, dass die Wohnorte und die Angebotsstandorte räumlich voneinander getrennt sind, die Konsumenten für ihren Einkauf also immer eine gewisse Distanz überwinden müssen. Diese Annahme hat zur Konsequenz, dass Einkäufe am Wohnort nicht berücksichtigt werden können, denn in diesem Fall ergäbe sich eine Distanz von 0 wodurch der Quotient aus Attraktivität und Dis-tanz mathematisch nicht definiert ist.

,

Zur Lösung des Problems bieten sich mehrere Möglichkeiten an. So wird für i = j an Stelle von dij = 0 ein beliebiger anderer Wert dij ≥ 1 definiert, den man dann als Innerortsdistanz interpretieren kann (üblicherweise wird hierfür der Wert 1 verwendet). Einen etwas anderen Weg beschreiten KLEIN / LÖFFLER (1989, S.

406), indem sie zu jeder Distanz dij den Wert 1 addieren. Diese Translation der Distanzfunktion bewirkt, dass

• der am Wohnort verbleibende Ausgabenanteil berechnet werden kann, weil der Wert Aj/wij mit wij = dij + 1 für dij = 0 definiert ist und

• die Funktion ein Maximum hat.

Zweifelsohne stellt die Setzung eines Wertes für die Innerortsdistanz oder die von KLEIN / LÖFFLER vorgeschlagene Translation der Distanzfunktion, eine Ver-besserung gegenüber dem ursprünglichen Modell von HUFF dar, weil so Einkäu-fe am Wohnort abgeschätzt werden können. Nichtsdestotrotz sind auch diese

Modellierungen der Innerortsdistanz weit von der Realität entfernt. Stehen bspw.

nur Daten auf Gemeindeebene zur Verfügung und nutzt man als Distanzmaß Zeitentfernungen in Minuten, so bedeutet eine Setzung von dii = 1, dass für alle Gemeinden des Untersuchungsgebietes, unabhängig von ihrer jeweiligen flä-chenhaften Ausdehnung, die Zeit, um vom Ortsrand / Gemeindegrenze zum Zentrum zu gelangen, eine Minute beträgt. Neben der offensichtlichen Realitäts-ferne dieser Annahme, besteht das Problem, dass hierdurch die Wahrscheinlich-keit für den Einkauf am Wohnort insbesondere bei großflächigen Gemeinden überproportional erhöht wird.

GÜßEFELDT (2003 a, S. 92) schlägt deshalb ein alternatives Verfahren zur Be-stimmung der Innerortsdistanz vor: Er schätzt aus den halben euklidischen Nächst-Nachbar-Distanzen Fahrzeiten bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h, wobei die von ihm genutzte und entwickelte Software GraphGeo (Version 4.811) die Möglichkeit bietet, die Höhe der Durchschnittsgeschwindig-keit frei zu wählen (GÜßEFELDT 2003 d). Wie im empirischen Teil der Arbeit noch gezeigt werden wird, ist die Abbildungsqualität des Modells mit Hilfe die-ses Verfahrens besser als mit den zuvor genannten.

3.2.5 Das modifizierte Potentialmodell von KLEIN / LÖFFLER (1989)