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2 Theoretische Grundlagen

2.3 Die Raumwirtschaftstheorien von C HRISTALLER und L ÖSCH

2.3.3 Die dynamischen Teile der Theorien von C HRISTALLER und L ÖSCH

2.3.3.8 Die Wirkung von Transportkostenveränderungen bei

Orten

Wie zuvor gezeigt, führt die Absenkung von Transportkosten zu einem Anstieg der Nachfrage in den zentralen Orten sowie einer Vergrößerung der oberen Grenze der Reichweite der zentralen Güter. Welche Folgen sich aus einer Trans-portkostenabsenkung in einem System zentraler Orte ergeben, in dem die Güter-preise und damit die Reichweiten der zentralen Güter unterschiedlich hoch sind (s. 2.3.3.6), wird im Weiteren erläutert.

Aus Gründen der Anschaulichkeit wird angenommen, dass das Zentrale-Orte-System nur aus zwei Hierarchiestufen besteht, so dass es ausschließlich zentrale Orte 1. und 2. Ordnung gibt. Die zentralen Orte 2. Ordnung bieten zusätzlich zu den Gütern 1. Ordnung auch alle höherrangigen Güter mit größerer Reichweite an. Die Preise für die Güter 1. Ordnung sind auf Grund von Skalenerträ-gen / Kopplungskäufen in den zentralen Orten 2. Ordnung geringer als in den zentralen Orten 1. Ordnung (CHRISTALLER 1933, S. 107). Die Folgen für die Reichweiten der Güter und die räumliche Ausdehnung der Ergänzungsgebiete, lassen sich Abb. 10 entnehmen.

Im oberen Teil von Abb. 10 sind zwei sog. Transporttrichter dargestellt. Der Preis für das zentrale Gut A hat an den zentralen Orten 1. Ordnung (KZ1) die Hö-he P1, während er an den zentralen Orten 2. Ordnung (GZ2) P2 beträgt. Die auf-steigenden Äste der Trichter symbolisieren die mit der Distanz vom Angebots-standort in Folge von Transportkosten (T1) ansteigenden Preise (cif-Preise), die die außerhalb der zentralen Orte lebenden Konsumenten, für die Güter bezahlen müssen. Welche Auswirkung die unterschiedliche Höhe der Güterpreise auf die Größe der Marktgebiete hat, ist im unteren Teil der Abb. 10 abgebildet.

Abb. 10: Die Wirkung unterschiedlicher Güterpreise auf die Größe der Markt-gebiete

Wie sich die Marktgebiete verändern, wenn die Transportkosten absinken, zeigt Abb. 11.

Abb. 11: Die Auswirkung einer lokalen Transportkostenabsenkung zwischen zwei zentralen Orten unterschiedlicher Hierarchiestufe.

Durch das Sinken der Transportkosten verlaufen die Äste der Transporttrichter flacher, weil die zur Überwindung einer Distanzeinheit anfallenden Kosten ge-ringer sind. Es kommt zu einer Drehung von T1 auf T2. Profiteure dieser Verän-derung sind die Anbieter in den zentralen Orten höherer Ordnung, die ihr Markt-gebiet auf Kosten der Anbieter in den niederrangigen zentralen Orten ausdehnen, was durch die Verschiebung der Marktgebietsgrenze von GT1 nach GT2 darge-stellt ist. Die Gründe für diese Entwicklung sind die schon beschriebenen Ag-glomerationsvorteile / Kopplungskäufe (s. 2.3.3.3 u. 2.3.3.4). Für das Zentrale-Orte-System folgt daraus, eine Stärkung der höherrangigen zentralen Orte auf Kosten der niederrangigen zentralen Orte (CHRISTALLER 1933,S.105,S.107,S.

110). Zu den gleichen Schlüssen kommt LÖSCH,der ebenfalls unterstellt, dass die großen / billigen Angebotsstandorte die Nutznießer einer Transportkostenabsen-kung sind während die kleinen / teueren Angebotsstandorte die ökonomischen Verlierer sind (LÖSCH 1940. S. 110). Die ökonomischen Konsequenzen einer Transportkostenabsenkung bei unterschiedlich hohen Güterpreisen sind in Abb.

12 dargestellt.

Abb. 12: Wirkung einer Transportkostenabsenkung bei unterschiedlichen Gü-terpreisen

Bei Transportkosten in Höhe von T1 ist der Markt annahmegemäß im Gleichge-wicht. Die Unternehmen in den Zentren 1. Ordnung bieten das Gut A bei der Nachfrage KQT1 zum Preis KPT1 an, während die Anbieter in den zentralen Orten 2. Ordnung, auf Grund der größeren Nachfrage (GQT1), das Gut A zum Preis GPT1

anbieten. Eine Transportkostenabsenkung bedeutet, dass die Nachfrager mehr Geld für den Konsum zur Verfügung haben, was zu einer Ausweitung der Nach-frage führt. Wegen der niedrigeren Preise / besseren Möglichkeiten des Kopp-lungskaufs richtet sich diese Nachfrage jedoch nur auf die zentralen Orte höherer Ordnung. Dies führt dort zu Sondergewinnen, die die Anbieter nutzen um ihre Produktion umzustellen, was zur Folge hat, dass sich die Durchschnittskosten-kurve von GDKT1 nach GDKT2 verschiebt. Im neuen Gleichgewicht bieten die Un-ternehmen in den zentralen Orten 2. Ordnung das Gut A bei einer Nachfrage von

GQT2 zum Preis GPT2 an. Für die Anbieter in den zentralen Orten 1. Ordnung folgt daraus ein Nachfragerückgang von KQT1 nach KQT2. Ob die Unternehmen in den

zentralen Orten 1. Ordnung ihre Ware zum Preis KPT2 absetzen können, hängt davon ab, ob es ihnen gelingt, ihre Produktvariante so zu verändern / verbessern, dass der Konsument den höheren Preis akzeptiert. Gelingt ihnen dies nicht, dann müssen sie aus dem Markt ausscheiden, weil sich Kosten- und Nachfragekurve nicht mehr berühren würden.

LÖSCH (1940, S. 111) berücksichtigt noch die Möglichkeit, dass in Folge des Auftretens von Sondergewinnen neue Unternehmen in den Markt eintreten. Es kommt zu einer weiteren Konzentration von Anbietern an den großen Standorten was ebenfalls eine Verstärkung der wirtschaftlichen Unterschiede zwischen gro-ßen und kleinen Angebotsstandorten zur Konsequenz hat.

Um Missverständnisse zu vermeiden, muss darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeiten der Produktionsausdehnung für die Anbieter in den großen Ange-botsstandorten, auf Grund der beschriebenen Agglomerationsnachteile, begrenzt sind. Die Abb. 7 und Abb. 12 sowie die dazu getroffenen Erläuterungen über-zeichnen also die Folgen von Kopplungskäufen / Transportkostenabsenkungen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass beide Theoretiker zu dem Schluss kommen, dass es in Folge einer Transportkostenabsenkung zu einem Anstieg der wirtschaftlichen Disparitäten innerhalb eines Systems zentraler Orte bzw. einer Wirtschaftslandschaft kommen kann.

Überträgt man die theoretischen Ergebnisse auf die Fragestellung nach den Fol-gen der Autobahn 49 für den Einzelhandel in der betroffenen Region, so lässt sich folgende Hypothese ableiten:

Nach Fertigstellung der Autobahn sinken die PKW-Fahrzeiten in der Region, was mit einer Absenkung der Transportkosten gleichzusetzen ist (CHRISTALLER

1933,S.56,S.107;LÖSCH 1940, S.116Fn. 4, S. 137). Infolgedessen kommt es zu einer Veränderung der Kaufkraftströme von den kleinen Angebotsstandorten mit geringem Warenangebot hin zu den großen Angebotsstandorten, weil die Nachfrager auf Grund von Kopplungskäufen mehr Güter bei einem einzelnen Einkaufsgang erwerben können und dadurch ihre Transportkosten verringern.

Die Marktgebiete der großen Angebotsstandorte dehnen sich somit auf Kos-ten der kleineren Angebotsstandorte aus.

Wie sich die Nachfrage innerhalb eines Marktgebietes verändert, wenn die Transportkosten variiert werden, untersuchte LÖSCH.