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Die Operationalisierung des modifizierten Huff-Modells von G ÜßEFELDT

4 Das Fallbeispiel

4.1 Die Operationalisierung des modifizierten Huff-Modells von G ÜßEFELDT

Die Anwendung des Modells erfordert zum einen Indikatoren und Daten zur Be-stimmung

• des Einzelhandelsumsatzes in den Zielorten, welche im Weiteren auch synonym als Angebotsort, Angebotsstandort und Zentrum bezeichnet wer-den,

• der Attraktivität der Zielorte,

• des Nachfragevolumens in den Quellorten, die im Folgenden synonym als Nachfrageort, Nachfragestandort oder Wohnort bezeichnet werden, sowie

• der Distanz zwischen allen Quell- und Zielorten.

Zum anderen bedarf es entsprechender Software. Wie schon erwähnt, hat G

ÜßE-FELDT mit dem Programmsystem GraphGeo (Version 4.811) eine solche entwi-ckelt, die eine Anwendung des von ihm modifizierten Huff-Modells, ermöglicht (GÜßEFELDT 2003d,1999).

Zunächst stellt sich aber die Frage, welche räumliche Bezugsebene man für die Bearbeitung der Fragestellung auswählt. Was soll im Weiteren unter dem Begriff Angebotsstandort verstanden werden? Fast täglich kann man den unterschied-lichsten Medien entnehmen, welche dynamischen Veränderungen im Einzelhan-del stattfinden. Schlagworte wie "Ungebremstes Flächenwachstum", "Betriebs-formenwandel", "Sterben der Innenstädte", usw. machen die Runde und sugge-rieren das Vorhandensein umfangreicher Statistiken zu diesem Themenkomplex.

Bei genauerem Hinsehen muss man allerdings feststellen, dass sich diese Infor-mationen zumeist auf die ganze Bundesrepublik bzw. auf die Länderebene bezie-hen. Für die darunter liegenden Verwaltungsebenen sind von behördlicher Seite keine aktuellen, flächendeckenden Statistiken zum Einzelhandel verfügbar bzw.

aus dem Abteilungsetat eines Universitätsinstituts kaum oder gar nicht zu finan-zieren.

Ausgefüllt wird diese Lücke von privaten Anbietern, die teils die amtliche Statis-tik nutzen bzw. diese bezahlen können und teils auf eigene Erhebungen oder

an-dere private Datenanbieter zurückgreifen. Dies führt zu der absurden Situation, dass wissenschaftliche Einrichtungen - und damit die öffentliche Hand / der Steuerzahler - Daten von Privatunternehmen kaufen müssen, die diese wiederum größtenteils von statistischen Ämtern beziehen. Weshalb es nicht möglich ist, unter Wahrung des Datenschutzes, amtliche Statistiken für wissenschaftliche Zwecke kostenlos oder zumindest zu einem "erschwinglichen Preis", zur Verfü-gung zu stellen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ob da nicht das betriebswirt-schaftliche Denken in der öffentlichen Verwaltung über das Ziel hinaus geschos-sen ist? Die Konsequenzen dieser Praxis können jedenfalls weit reichend sein, denn auf diese Weise werden Forschungen verhindert, die evtl. helfen könnten, Fehlinvestitionen der öffentlichen wie auch der privaten Hand zu vermeiden.

Weil diese Arbeit im Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprojek-tes entstand, war es jedoch möglich, umfangreiche Datenpakete (Stand:

1993 / 1994 und 1999) anzuschaffen, um mit diesen die einzelnen Modellgrößen zu operationalisieren. Der Kauf der Daten für zwei verschiedene Zeitpunkte dient dazu, einige Entwicklungen der letzten Jahre im Einzelhandel abzubilden. Die Wahl des Zeitpunktes 1993 / 1994 ist dabei eine Folge der Datenverfügbarkeit, denn einerseits stammen die Daten der letzten HGZ aus dem Jahr 1993, so dass für diesen Zeitpunkt z.B. keine Daten zum Einzelhandelsumsatz gekauft werden mussten. Andererseits waren bestimmte Datenpakete nicht für 1993 sondern le-diglich für 1994 erhältlich. Bei diesen Daten musste deshalb die Annahme ge-troffen werden, dass es von 1993 bis 1994 zu keinen Verschiebungen bei den Anteilswerten der Gemeinden am Gesamtwert Hessens gekommen ist. Die Da-tenanbieter waren dabei sowohl Privatunternehmen als auch Behörden (G ESELL-SCHAFT FÜR KONSUMFORSCHUNG 2000,im Weiteren kurz GfK; infas-GEOdaten 2000, im Weiteren kurz infas; BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT 2000,im Weiteren kurz BA; HSL). Die Daten beziehen sich jeweils auf die Gemeindeebene, woraus folgt, dass alle Angebots- und Nachfragestandorte zugleich Gemeinden sind. Die Gemeindeebene wurde ausgewählt, weil dies die feinste räumliche Gliederungs-ebene war, für die von allen Anbietern Daten geliefert werden konnten.

Mit der Wahl der Gemeindeebene geht, auf Grund der damit verbundenen Ag-gregation der Daten, allerdings einen "Realitätsverlust" einher, worauf schon im Zusammenhang mit der Kalibration der Attraktivitätswerte hingewiesen wurde.

Neben den dort genannten Aspekten ist hier die Verortung des Angebotsstandor-tes zu nennen. Am anschaulichsten lässt sich dieses Problem am schon genannten Beispiel "Innenstadt" vs. "Grüne Wiese" erklären, denn diese werden, wenn sie sich innerhalb einer Gemeinde befinden, wie ein einzelner Angebotsstandort be-handelt. Gleiches gilt für sehr großflächige Gemeinden, die sich aus einzelnen, räumlich getrennten Orten bzw. Ortsteilen zusammensetzen. Auch bei diesen erfolgt eine Aggregation der Anbieter an einem Punkt / Gemeindehauptort ob-wohl sich diese möglicherweise auf mehrere Ortschaften verteilen. Inwiefern dieser "Fehler" akzeptabel ist, kann pauschal nicht beantwortet werden, denn dies ist von der jeweiligen Fragestellung / Zielsetzung einer Arbeit, dem zur Verfü-gung stehenden Budget usw. abhängig. In diesem Fall sprachen mehrere Gründe dafür, dass dieser "Fehler" zu vertreten ist: So umfasst das Untersuchungsgebiet 148 Gemeinden / Angebotsstandorte, was es unmöglich macht, mit vertretbarem Zeit- und damit Kostenaufwand, diesen "Fehler" zu beheben. Zudem stellt sich die Frage, ob selbst bei Vorhandensein entsprechender Daten, die Betrachtung von Raumgliederungen unterhalb der Gemeindeebene für diese Arbeit sinnvoll und vertretbar wäre? So wird die Autobahn - wenn überhaupt - erst in einigen Jahren fertig gestellt sein. Vor dem Hintergrund der stattfindenden Veränderun-gen im Einzelhandel, die sich bspw. daran ablesen lassen, dass, nach einer Studie der GfK (SPIEGEL-ONLINE 2004),der Lebensmittel-Discounter Lidl im Jahr 2003 allein 422 neue Filialen in Deutschland eröffnet hat, wäre ein derartiges Vorge-hen zumindest zweifelhaft zu nennen. Vielmehr würde eine Art "Pseudoexakt-heit" produziert, die schlichtweg irreführend wäre. Die Gemeindeebene ist des-halb, trotz der beschriebenen Mängel, für diese Arbeit als geeignet einzustufen.

Neben den Sach- / Eigenschaftsdaten sind für die Operationalisierung des Mo-dells Geometriedaten erforderlich. Aus diesen lassen sich die Distanzen bzw.

Transportkosten zwischen den Quell- und Zielorten ableiten. Die Geometriedaten bestanden in diesem Fall aus einer digitalen Gemeindegrenzkarte sowie einem digitalen Straßennetz (infas 2000). Die Datenpakete wurden jeweils für das ge-samte Bundesland Hessen gekauft, weil die Anschaffungskosten geringer bzw.

genau so hoch waren wie für die Teilräume Hessens.