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2 Privatisierung

Über Privatisierungen wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Artikeln und Büchern veröffentlicht1. Ausgehend von den Privatisierungen der Thatcher-Regierung in Großbritannien wurde die Maßnahme zur Verringerung der staatlichen Aktivitäten und Ausgaben in der nationalen Wirtschaft bekannt und beliebt. Aufgrund der bei diesen Transaktionen gesammelten Erfahrungen entstand eine umfangreiche Literatur mit gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Implikationen. In diesem Kapitel werden der Begriff, die mit Privatisierung verbundenen Ziele und ihre Erfolgsaussichten vorgestellt. Privatisierungsmaßnahmen werden von Liberali-sierungs- und Deregulierungsaktivitäten eingerahmt.

2.1 Definitionen

Der Privatisierungsbegriff ist in den 1970er und 1980er Jahren in Großbritannien durch neue Erkenntnisse über die Ineffizienz der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen entstanden. Privatisierung beschreibt einerseits den Transfer von bisher staatlich bereitgestellten Aktivitäten in den privaten Sektor und andererseits die Verlagerung der Produktion öffentlicher Güter und Dienstleistungen zu privaten Anbietern. Die erste Definition umfasst die Begrenzung der regulierenden und finanzierenden Aktivitäten der Regierung. Die zweite Definition schließt Regulierung und Reduzierung der öffentlichen Ausgaben aus (Starr, 1989: 22).

Boycko et al. (1996) sehen Privatisierung als eine Kombination von zwei Veränderungen: Die Übergabe der Kontrolle über ein Unternehmen von Politikern an Manager, auch „Korporatisierung” genannt. Hinzu kommt die Reduzierung der Abhängigkeit des Unternehmens von den finanziellen Zuflüssen aus öffentlichen Kassen bei gleichzeitiger Steigerung der Abhängigkeit von Unternehmensinhabern und Aktionären (Boycko et al., 1996: 313).

Gurliet (1995) fasst eine Reihe von Aktivitäten zusammen, die mit Privatisierung in Verbindung gebracht werden. Er nennt die Einführung einer privatrechtlichen

1 Eine ausführliche Übersicht über den aktuellen Stand der Privatisierungsdebatte vermitteln Hodge (2000), Shirley/ Walsh (2000) und Megginson/ Netter (2001).

Rechtsform, leistungsorientierte Führungs- und Anreizsysteme in Staatsbetrieben, den Abbau hoheitlich-administrativer Markteintrittsbarrieren und branchenspezifischer Regulierungen, die Übertragung des Eigentums an Unternehmen vom Staat auf Private, die Übertragung von Anspruchsrechten auf die Unternehmensergebnisse durch den Verkauf sowie die Auftragsvergabe an private Anbieter für Leistungen öffentlicher Unternehmen (Gurliet, 1995: 5).

Aus der Literatur wird ersichtlich, dass kein einheitliches Verständnis von Privatisierung existiert. Jedes Land entwickelt ein eigenes Verständnis. Im europäischen Raum wird von der Veränderung der Eigentumsverhältnisse bei der Produktion von Gütern und Leistungen im Interesse der Bürger gesprochen. Dabei existieren in Europa Wirtschaftssysteme, in denen der Staat eine aktive Rolle spielt (z. B. Frankreich, Belgien, Italien) und solche, in denen sich der Staat weitgehend zurückzieht (Großbritannien). Das amerikanische Privatisierungsverständnis bezieht sich auf die vertragliche Vergabe von öffentlichen Aufgaben an private Anbieter, auch Contracting-out genannt. Dabei werden Qualität und Zeitraum der Erbringung der öffentlichen Leistung vertraglich geregelt (vgl. auch Blankart, 1986: 1;

Feigenbaum et al., 1999: 6). Diese Untersuchung folgt dem europäischen Verständnis, da die Auswirkungen der Veränderung der Eigentumsverhältnisse untersucht werden.

Ein besseres Verständnis von Privatisierung vermittelt die Unterscheidung zwischen formeller und materieller Privatisierung. Formelle Privatisierung beschreibt die Umwandlung einer öffentlichen Einrichtung in eine privatrechtliche Organisationsform. Dabei bleiben die Unternehmensanteile in staatlicher Hand. Von materieller Privatisierung spricht man bei der Übertragung eines größeren Pakets von Unternehmensanteilen an private Käufer (Schneider, 2001: 103; Brede, 2001: 40).

Einige Autoren setzen für eine materielle Privatisierung die Übertragung von mehr als 50% der Anteile an Private voraus (Newberry, 2004: 2; Schneider, 2001: 103).

In dieser Arbeit werden die Auswirkungen der Übertragung von Unternehmensanteilen des Staates und der öffentlichen Institutionen an Private untersucht. Dazu ist die Betrachtung aller Privatisierungsschritte notwendig, auch solcher, bei denen nur geringe Anteile am Unternehmen über die Kapitalmärkte veräußert werden.

2.2 Begriffe „Privat“ und“ Öffentlich“

Voraussetzung für eine Analyse von Privatisierungsmaßnahmen und -ideen ist die Definition der Begriffe „öffentlich“ und „privat“, die weite Kreise des gesellschaftlichen Lebens durchziehen. Der „öffentliche Bereich“ gilt als Angelegenheit des Staates und der öffentlichen Institutionen, während unter „privat“

ein Sammelbegriff für Unternehmen, Individuen und persönliche Verantwortung verstanden wird (Starr, 1989: 17).

Feigenbaum, Hening und Hamnett (1999) vertreten die Ansicht, es gäbe diese Unterscheidung der Begriffe im sozialen Zusammenleben nicht. Sogar die privateste Interaktion von Menschen habe eine öffentliche Komponente, weil diese im Rahmen rechtlicher Bestimmungen über Befugnisse und Sanktionen stattfinde. Entsprechend bedürfe jede autoritäre Staatshandlung eines Rückhaltes durch die Bürger und die öffentlichen Institutionen. Privatisierungen fänden in einem eng vernetzten Bereich zwischen öffentlichen und privaten Interessen statt. Sie bedeuteten eine Veränderung auf verschiedenen Dimensionen. Auf der finanziellen Dimension stünde die Finanzierung der Unternehmen durch Steuergelder zur Diskussion, die durch die Finanzierung der Kosten durch die Leistungsempfänger abgelöst würde. Die Versorgungsdimension verändere sich von einer Bereitstellung von Leistungen durch bürokratische Organisationen hin zu von privaten Vertragspartnern bereitgestellten Dienstleistungen. Die Dimension der Verantwortlichkeit verändere sich von Regierungsverantwortung hin zu individueller Zuständigkeit. Entscheidungen würden nicht länger kollektiv, sondern individuell getroffen (Feigenbaum et al., 1999: 9).

2.3 Privatisierungsziele

Regierungen verfolgen mit der Privatisierung ihrer Staatsunternehmen eine Reihe von Zielen. Aus staatlicher Sicht (Makro-Ebene) zählen dazu die Generierung von Einnahmen für den Staatshaushalt, die Förderung der ökonomischen Effizienz, die Begrenzung der Einflussmöglichkeiten der Regierung auf die nationale Wirtschaft, die Förderung eines weit gestreuten Aktienbesitzes in der Bevölkerung, die Einführung von Wettbewerb in Monopolmärkten, die Konfrontation staatlicher

Unternehmen mit Kräften des Marktes sowie die Förderung nationaler Kapitalmärkte (Megginson/ Netter, 2001: 4; Vickers/ Yarrow, 1988: 157; Pisciotta, 1997: 338;

Suleimann/ Waterbury, 1990: 3-4).

Aus Unternehmenssicht (Mikro-Ebene) werden erhöhte Profitabilität, gesteigerte operative Effizienz, verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten, erhöhte Produktions-leistung sowie konstantes Beschäftigungsniveau angestrebt (Megginson et al., 1994:

421). Der Britischen Regierung unter Thatcher wird nachgesagt, sie habe mit ihrem Privatisierungsprogramm gezielt die starken Gewerkschaften schwächen wollen. Im Laufe der Privatisierung wurden weite Teile der Bevölkerung zu Aktionären und unterstützten die wirtschaftsfreundliche, konservative Politik der Regierung (Meseguer, 2002: 7).

Die genannten Privatisierungsziele können miteinander im Konflikt stehen. Jede Regierung setzt dabei ihre eigenen Schwerpunkte. In Tabelle 2-1 sind Aktivitäten, die weltweit mit Privatisierung in Verbindung gebracht werden, aufgelistet.

2.4 Erfolgsaussichten

Der Erfolg von Privatisierungsprogrammen stellt sich nicht von selbst ein. Parker (1998) unterstreicht, dass Verbesserungen der ökonomischen Performance als Folge der Privatisierung desto unwahrscheinlicher werden, je schwieriger substantielle Veränderungen in der Unternehmensführung und dem operativen Geschäft sind. Er nennt eine Reihe von Staaten der Europäischen Union, die Beschränkungen für die Restrukturierung der Unternehmen nach der Privatisierung eingeführt haben. So schufen die Niederlande zusätzliche Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor für Mitarbeiter privatisierter Unternehmen, werteten Gehälter, die das Vergütungsniveau des öffentlichen Sektors unterschritten, mit staatlichen Zuschüssen auf und gewährten Arbeitern einen Anspruch auf die umfangreiche Arbeitslosenunterstützung des öffentlichen Sektors. Privatisierungen in Frankreich würden erschwert durch den Angestellten- und Beamtenstatus der Mitarbeiter öffentlichen Unternehmen, welche mit entsprechenden Privilegien ausgestattet seien. In Italien seien Mitarbeiter staatlicher Unternehmen mit Job-Garantien abgesichert worden.

Tabelle 2-1: Details zum Privatisierungsbegriff

Einordnung Aktivitäten

De-Nationalisierung

- Verkauf des gesamten Unternehmens

- Verkauf von vollständigen Unternehmensbereichen - Verkauf von Unternehmensanteilen

- Verkauf der Arbeitskraft

- Veräußerung der Unternmensanteile an die Bürger - Veräußerung der Unternehmensnteile an die Mitarbeiter - Liquidation

Entlastung - Förderung des Ausstiegs aus der staatlichen Bereitstellung - Ausstieg aus der staatlichen Bereitstellung

- Förderung alternativer Institutionen (Kapitalmärkte) Privatisierung der

Produktion

- Vertragliche Ausgliederung in den privaten Sektor - Franchising

- Subvention privater Anbieter

- Verteilung von Berechtigungsscheinen an private Konsumenten - Ausdünnung des privaten Sektors

- Subvention privater Initiativen, welche die Bereitstellung öffentlicher Leistungen untergraben

Deregulierung/

Liberalisierung

- Einführung von Wettbewerb in eine Branche/ Erlaubnis der privaten Substitution eines öffentlichen Angebots

- Begrenzung der staatlichen Macht - Aufhebung nationaler Monopole

- Subsidiarität in der Bereitstellung von Leistungen - Buying-out (Entschädigung) von Interessengruppen - Deregulierung durch Verbände

Privatisierung der Finanzierung

- Berechnung von vormals unentgeltlichen Gütern und Angeboten - Freiwilliges Angebot von Diensten

(Quelle: in Anlehnung an Hodge, 2000: 15)

Durch Verhandlungen zwischen Regierungen und Gewerkschaften im Vorfeld von Privatisierungsmaßnahmen, so Parker, seien zum Schutz der Mitarbeiter und Wahrung der Arbeitsbedingungen eine Reihe von Zugeständnissen gemacht worden.

Diese Verhandlungen waren von lang anhaltenden Streiks in den Niederlanden, Frankreich, Italien und Deutschland begleitet (Parker, 1998: 35-36).

2.5 Entwicklung von Privatisierungsmaßnahmen

British Telecom (BT) war eines der ersten Unternehmen, dessen Anteile im Zuge des breit angelegten britischen Privatisierungsprogramms veräußert wurden. In einem ersten Schritt wurde 1981 der Telekommunikationsbereich von den Postdiensten getrennt und in eine private Rechtsform überführt (formelle Privatisierung). Drei Jahre später folgte die Veräußerung eines ersten Anteilspaketes beim Börsengang des Unternehmens (Parker, 1998: 28). Weitere Schritte folgten, sodass BT eines der wenigen vollständig privatisierten Telekommunikationsunternehmen in Europa ist.

Zeitgleich wurde Cable & Wireless (C&W), eine britische Telefongesellschaft mit Aktivitäten im Ausland, privatisiert.

In Folge der Privatisierung der Britischen Telekommunikationsunternehmen verbesserte sich die Qualität der Dienstleistungen spürbar, während die Kosten sanken (Newberry, 2004: 28). Diese Auswirkungen werden auf eine Reihe von Faktoren zurückgeführt, die ihre Wirkung erst unter privatem Besitz entfalten konnten. Dazu zählen Modernisierung der Netzwerk-Infrastrukturen, veränderte Unternehmenskultur, Fokussierung auf kommerzielle Ziele und Bedürfnisse der Kunden, öffentlicher Widerstand bei Verschlechterung der Service-Qualität und die Verpflichtungen, Kompensationen für schlechte Leistungen zu zahlen (Milne, 1997:

191-192).

Neben BT und C&W wurden in den 1980er Jahren Staatsanteile von Telecom Italia (ITTE), Telefonica de Espana (TELE) und TeleDanmark (TDC) reduziert. Die Anteile der Unternehmen wurden nicht in Folge eines Privatisierungsprogramms reduziert, sondern sind mit den gemischten Wirtschaftssystemen in den Ländern zu erklären. Zwischen öffentlichem und privatem Sektor bestanden in diesen Ländern traditionell enge Verbindungen. In Italien ist diese Entwicklung mit der Veräußerung von Anteilen des Staates an einer ihrerseits im Telekommunikationssektor engagierten staatlichen Holding zu erklären. Abbildung 1 zeigt die Situation der untersuchten Unternehmen zwei Jahre vor Beginn des ersten Privatisierungsschrittes.

Abbildung 2 zeigt das Ausmaß staatlichen Eigentums nach dem jeweils ersten Privatisierungsschritt der Unternehmen. Es zeigt sich, dass in früheren Privatisierungen größere Anteile verkauft wurden. Die ersten Schritte in den 1980er Jahren wurden aus ideologischen Motiven deutlich weitreichender durchgeführt.

Belcom BT

C&W KPNPTEDTEFTEOTEEIR SONKCOM

ITTE TDC

TELE

ATE TELIA

406080100Staatlicher Anteil an Unternehmensaktien

1980 1985 1990 1995 2000

Jahr

Staatseigentum vor erstem Privatisierungsschritt

Abbildung 1: Staatseigentum vor Beginn der Privatisierungen2 (Quelle: PrivatizationBarometer)

Die Mehrzahl der Privatisierungen wurde ab Mitte der 1990er Jahre sehr viel behutsamer vorgenommen, wie sich in den teilweise geringen Reduzierungen des Staatsanteils in den ersten Schritten zeigt. Dafür veräußerten einige Unternehmen in kurzer Zeit in mehreren Schritten Unternehmensanteile. So wurden bis 2001 sechs Privatisierungsschritte für die portugiesische Telfongesellschaft Portugal Telecom (PTE), fünf Schritte der griechischen OTE (OTE) und jeweils vier Schritte der finnischen Sonera (SON) und der irische Telecom Ireland (EIR) vorgenommen. In drei Schritten wurden die Anteile der Deutschen Telekom (DTE) und der spanischen Telefonica3 (TELE) reduziert. Eine ausführliche Übersicht der Privatisierungs-maßnahmen und dem Ausmaß der einzelnen Schritte ist Abb. 7-1 auf S. 69 zu entnehmen.

2 Dem unübersichtlichen Teil der Darstellung ist zu entnehmen, dass alle Unternehmen bis auf die deutlich zu erkennenden ab 1993 privatisiert wurden und 100% der Unternehmensanteile in staatlichem Eigentum waren. Abbildung 3 auf S. 32 zeigt an, zu wie vielen Unternehmen in den jeweiligen Jahren erste Anteile privatisiert wurden.

3 Der Anteil des spanischen Staates wird mit 0,7% angegeben. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um eine sog. Goldene Aktie handelt, die der Regierung ein Mitsprache- und Vetorecht in allen entscheidenden Unternehmensentwicklungen einräumt (vgl. auch PrivatizationBarometer).

Belcom BT

C&W

DTE FTE OTE

KCOM KPN

PTE EIR SON

ITTE TDC

TELE

ATE TELIA

020406080100Anteil Staatseigentum

1980 1985 1990 1995 2000

Jahr der Unternehmensprivatisierung

Staatseigentum nach erstem Privatisierungsschritt

Abbildung 2: Erste Privatisierungsschritte im Telekommunikationssektor (Quelle:

PrivatizationBarometer)

2.6 Privatisierung und Liberalisierung

Liberalisierung steht für die Öffnung der Märkte, die zuvor durch national geduldete bzw. betriebene Monopole bedient wurden. Wo vorher das Monopol die effizienteste Bereitstellung versprach, werden nun vom Wettbewerb zwischen Anbietern deutlich effizientere Resultate erwartet. Marktöffnung bedeutet Erleichterung des Zugang für neu in den Markt eintretende Unternehmen.

Gleichzeitig werden Begünstigungen der Monopol-Betreiber zurückgenommen.

Privatisierungsmaßnahmen garantieren allerdings nicht automatisch mehr Wettbewerb. Die Umwandlung eines öffentlichen in ein privates Monopol bringt keine Verbesserung für die Konsumenten. Sie bedeutet lediglich eine Umverteilung der Ertragsrechte verbunden mit einer einmaligen Einnahme des Staatshaushaltes.

Pisciotta (1997) beobachtet, dass Staatsunternehmen oft unter Gewährung von Exklusivitätsrechten an strategische Investoren, die ihrerseits unter der Kontrolle staatlicher Monopole aus anderen Ländern stehen, veräußert werden (Pisciotta, 1997:

339).

Parker (1998) argumentiert, die Märkte in Großbritannien, Schweden und Dänemark seien stark liberalisiert worden. In vielen Ländern sei dies nicht oder mit einiger Verzögerung geschehen. Die Art der Restrukturierung der Telekom-munikationssektoren in den einzelnen Länder spiegele deren Einstellung zu Wettbewerb und Staatseigentum wieder (Parker, 1998: 28).

Privatisierung und Liberalisierung müssen nicht zusammen vorkommen. Es ist möglich, dass Regierungen privatisieren ohne zu liberalisieren. Aber auch die Liberalisierung (Öffnung der Märkte) ohne Privatisierung ist möglich (Starr, 1990:

29). So hat Belgien 1996 (nach Pisciotta schon 1995) 49,9% der Anteile am nationalen Monopolanbieter für Telekommunikationsdienstleistungen, Belgacom, an eine internationale Investoren-Gruppe verkauft. In der Folge ist das Land allerdings bei der Umsetzung der Marktöffnungsvorgaben durch die Europäische Union in Verzug geraten (Pisciotta, 1997: 342)4. In der aktuellen Diskussion über die Auswirkungen von Privatisierungsmaßnahmen werden neben Privatisierung auch immer stärker die Re-Organisation der Regulierung und die Öffnung der Märkte thematisiert, welche für die Realisierung der mit Privatisierung verbundenen Ziele von großer Bedeutung sind. Rowthorn und Chang (1994) kommen zu dem Ergebnis, die Veränderung der Eigentumsverhältnisse führe nicht automatisch zu einer verbesserten Allokation der Ressourcen. Die Wettbewerbsumgebung eines Unternehmens sehen sie als ausschlaggebend für Verbesserungen der Effizienz des Unternehmens, nicht die Struktur der Eigentumsverhältnisse (Pitelis/ Clarke, 1993:

11; Rowthorn/ Chang, 1994: 65).

2.7 Privatisierung und Deregulierung

Deregulierung beschreibt die Umwandlung der Kontrolle durch staatliche Institutionen. Dabei ist oft von Bürokratieabbau und Lockerung der rechtlichen Rahmenbedingungen die Rede. In den letzten Jahren wurde die staatliche Kontrolle in

4 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Autorin vor Ablauf der Umsetzungsfrist feststellt, dass noch keine Aktivitäten zur Umsetzung der Vorgaben zu erkennen seien und dabei unterstellt, ein solches Verfahren benötige einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf.

Wirtschaftssektoren jedoch kaum reduziert. Eher kann von einer zeitgemäßen Anpassung an die sich immer weiter diversifizierende und schneller voranschreitende technologische Entwicklung bei gleichzeitig steigenden Erwartungen an freie Marktkräfte gesprochen werden. Regulierungsbehörden werden speziell für Sektoren errichtet und verfügen über größeres fachliches Know-how als Ministerien. Dabei sind sie an rechtliche Rahmenbedingungen gebunden.

Im Modell der Telekommunikations-Verwaltung wurde das öffentliche Interesse durch die Kontrolle und Einflussnahme der Regierung und Fachministerien gewährleistet. Die neu entstandene doppelte Rolle des Staates als Regulierungs-instanz und (Teil-)Eigentümer birgt die Gefahr der Verzerrung der Regulierung, welche sich als Nachteil für neu in den Markt eintretende Unternehmen erweisen kann (Bauer, 2003: 2). Fairer Wettbewerb bedarf strenger Regulierung zum Schutz kleiner Unternehmen vor der Macht dominanter Unternehmen und zur Vorbeugung von Wettbewerbsbehinderungen (Eliassen/ Sjovaag, 1998: 6). Damit lässt sich auch die beachtliche Zahl neu geschaffener Regulierungsbehörden erklären. Intven, Oliver und Sepúlveda (2000) zählen weltweit einen Anstieg von 12 auf über 90 Regulierungsbehörden. Sie argumentieren, für eine erfolgreiche Transformation von monopolistischen Telekommunikationsmärkten sei die Kontrolle durch Regulierungs-behörden notwendig. Ohne Regulierung würden die ehemaligen Monopol-Betreiber ihre Macht zur Wettbewerbsbehinderung nutzen. Regulierungs-behörden hätten die Aufgabe, Lizenzen für neue Anbieter zu vergeben, Markt-Eintrittsbarrieren für neue Unternehmen zu überwachen, Regelungen für die Kopplung zwischen verschiedenen Netzen zu treffen, Frequenzen zu verteilen und bei der Lösung von Netzwerk-Problemen mitzuwirken. Dabei sehen sie die Aufgabe nicht in aktiver Lenkung des Sektors, sondern in der Aufrechterhaltung der regulativen Rahmenbedingungen. Mit erfolgreicher Einführung des Wettbewerbs in den Märkten sei ein Rückgang der Regulierungsaktivitäten zu erkennen (Intven et al., 2000: 1-2).