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Private Dienstleistungen und Zugang zu Gütern

Diskriminierungserfahrungen in Deutschland

Mit 8 Prozent identifizieren vergleichsweise wenige Stellen die sexuelle Orientierung der Ratsuchenden als Diskriminierungsgrund im Arbeitsleben. Geschilderte Formen der Diskriminierung sind Mobbing oder

1.3.3 Private Dienstleistungen und Zugang zu Gütern

Merkmale ethnische Herkunft und Behinderung besonders diskriminierungsgefährdet: Über alle Beratungs-strukturen hinweg zeichnet sich ab, dass rassistische Benachteiligungen bzw. Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft und solche wegen einer Behinderung oder chronischen Krankheit im AGG-Schutzbereich der Güter und Dienstleistungen besonders häufig vorkommen. Die Merkmalsdimension der ethnischen Her-kunft verschränkt sich dabei häufig mit der Religion oder dem männlichen Geschlecht, v. a. bei Zutrittsverwei-gerungen in Diskothek oder Fitnessstudio.

Mangelnde Barrierefreiheit noch immer zentrales Problem: Ob Cafés, Arztpraxen, Supermärkte, Büchereien oder bei Transportmitteln, ob in Bahnhöfen oder beim Wohnraum, überall sollte Barrierefreiheit selbstverständ-lich werden. Die zuverlässige Mitnahme von E-Scootern, Rollstühlen, Assistenzhunden oder Begleitpersonen muss jedoch immer wieder in ÖPNV, Fernbussen, bei Bahn- und Flugreisen eingefordert werden. Bauliche Bar-rieren sind insbesondere ein Problem von Bahnhöfen, unzureichend vorhandenem barrierefreien Wohnraum oder der Weigerung von Vermieterseite, entsprechende Umbauten vornehmen zu lassen. Betroffene erleben in der jeweiligen Situation, dass ihnen ganz konkret der Zugang zu bestimmten gesellschaftlichen Bereichen nicht möglich ist. Es entsteht durch fehlende Barrierefreiheit ein ganz grundlegendes Gefühl des Ausgeschlos-senseins, der Nichtzugehörigkeit und der verwehrten Teilhabe an der Gesellschaft. Dies bestätigt sich auch im Fallbild zur fehlenden Barrierefreiheit der Betroffenenumfrage (siehe Kapitel 1.5.5.2.1).

Wenig Erfolgsaussichten gegen Ungleichbehandlung durch private Versicherungen: Vor allem ältere Perso-nen und Menschen mit Behinderungen beklagen, dass sie beim Abschluss von Berufsunfähigkeitsversicherung, privater Unfall- oder Krankenversicherung oder der Kfz-Versicherung benachteiligt würden. Versicherungsun-ternehmen können eine erhöhte Risikolage (§ 20 Abs. 2 AGG) verweigern bzw. einen Abschluss nur mit einem höheren Versicherungsbeitrag in Aussicht stellen, wenn sie anerkannte Prinzipien risikoadäquater Kalkulation

berücksichtigen. Betroffene empfinden diese Ausschlüsse bzw. erhöhten Beiträge dennoch als persönlich he-rabwürdigend. Trotz Unterstützung der Beratungsstellen oder der Beauftragten der Bundesregierung für die Be-lange von Menschen mit Behinderungen gelang es den Betroffenen kaum, Vertragsabschlüsse herbeizuführen.

Diskriminierung nach Augenschein: Über alle Beratungsstrukturen hinweg bestätigt sich das Bild, dass als nichtdeutsch wahrgenommene Personen von rassistischen Einlass- und Personenkontrollen oder Zutrittsver-weigerungen betroffen sind. Als besonders stigmatisierend empfinden es Betroffene, wenn sie allein wegen ih-res Aussehens an der Diskothekentür abgewiesen werden, ihnen die Mitgliedschaft im Fitnessstudio verweigert wird oder sie als Einzige in öffentlichen Transportmitteln, an Flughäfen oder Bahnhöfen von Sicherheitsbehör-den kontrolliert werSicherheitsbehör-den. Hierbei wirken mehrdimensionale Verschränkungen mit Sicherheitsbehör-den Merkmalen Geschlecht und Alter: Insbesondere junge Männer einer (vermeintlich) nichtdeutschen Herkunft sind von Diskriminierun-gen bei derartiDiskriminierun-gen Einlass- und Personenkontrollen betroffen. Erfreulich ist, dass KlaDiskriminierun-gen geDiskriminierun-gen diese Formen unmittelbarer Diskriminierung beim Zugang zu Diskotheken oder Fitnessstudios bei guter Beweislage zuneh-mend erfolgversprechend sind. Der verwehrte Zugang im Gaststätten- und Unterhaltungsgewerbe ist auch Inhalt zahlreicher Diskriminierungserfahrungen in der Betroffenenbefragung (vgl. Kapitel 1.5.5.2.2).

Verbesserter Diskriminierungsschutz bei Bankgeschäften: In der Vergangenheit wurde immer wieder von Diskriminierungen berichtet, weil Ausländer_innen wegen unzureichender Identitätsdokumente von Dienst-leistungen ausgeschlossen werden konnten. Dies betrifft vor allem asylsuchende und geduldete Personen oder Menschen aus dem Iran, z. B. bei der Eröffnung eines Girokontos. Der Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungs-verkehr ist mit erheblichen Einschränkungen verbunden und erschwert die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in besonderer Weise. Das Gesetz zur Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie31 bezieht nun auch aus-drücklich weitere Dokumente wie den Ankunftsnachweis oder eine Duldungsbescheinigung mit ein. Dadurch ist die Eröffnung eines Girokontos in den meisten Fällen nun möglich.

Außerhalb des Bereichs Beschäftigung und Beruf findet das AGG auf die unterschiedlichsten Rechtsge-schäfte Anwendung, vom Autokauf über Reisen bis hin zur Wohnungssuche (siehe Kapitel 1.3.4) sowie zu den Versicherungs- und Bankgeschäften. Voraussetzung ist, dass es sich um Güter oder Dienstleistun-gen handelt, die öffentlich angeboten werden, § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG. Das Angebot muss in TageszeitunDienstleistun-gen, Schaufensterauslagen, Veröffentlichungen im Internet oder auf ähnliche Weise der Allgemeinheit zugäng-lich sein (vgl. Deutscher Bundestag 2006, BT-Drs. 16/1780, S. 32). Ausgenommen sind Benachteiligungen wegen der Weltanschauung32. Die Weltanschauung wird im privaten Geschäftsverkehr überhaupt nicht geschützt.

Der Benachteiligungsschutz ist – sofern nicht ein rassistisches Motiv vorliegt oder die ethnische Herkunft bzw. der Abschluss einer privatrechtlichen Versicherung betroffen ist (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG) – wie folgt eingeschränkt: Er bezieht sich nur auf Verträge, bei denen der Anbieter viele Geschäfte ähnlicher Art – sog.

Massengeschäfte – abschließt und sie normalerweise nicht von der Identität des_der Vertragspartner_in oder dessen_deren persönlichen Eigenschaften abhängig macht.

Typische Massengeschäfte sind Einkäufe, Gaststätten- oder Diskothekenbesuche, die Benutzung des öf-fentlichen Nahverkehrs, Kino- und Konzertbesuche, Pauschalreisen und Ähnliches.

31 BGBl. Teil I Nr. 17, S. 720.

32 Zur Definition der Weltanschauung siehe Kapitel 1.2.1.

In diesem Abschnitt soll näher betrachtet werden, welche Form die Diskriminierung im Bereich private Dienstleistungen und Zugang zu Gütern annimmt und wie sie sich konkret äußert. Dabei werden zuerst die Beratungsanfragen, die im Berichtszeitraum bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingingen (Kapitel 1.3.3.1) vorgestellt. Es folgen die Schilderungen von Problemlagen und Beratungsanfragen in den Aufgabenbereichen der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinde-rungen (Kapitel 1.3.3.2), der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Kapitel 1.3.3.3) sowie der anderen staatlichen und nichtstaatlichen Antidiskriminierungsberatungen (Ka-pitel 1.3.3.4).

Auf den Bereich des Wohnens, der auch zum Schutzbereich private Dienstleistungen zählt, wird getrennt in Kapitel 1.3.4 eingegangen, da hier einerseits rechtliche Besonderheiten vorliegen und andererseits ver-mehrt Beratungsanfragen in diesem Bereich eingehen.

1.3.3.1 Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Von den insgesamt 1.673 Beratungsanfragen im Bereich private Dienstleistungen und Zugang zu Gütern (ohne Wohnen)33, die zwischen 2013 und 2016 bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingingen, betraf die Mehrzahl die Merkmale ethnische Herkunft und Behinderung (jeweils 21 %) (Abbildung 21). Die Merkmale Alter (15 %) und Geschlecht (11 %) waren ebenfalls häufiger betroffen. Dagegen lagen deutlich weniger Beratungsanfragen zu den Merkmalen Religion (3 %) und sexuelle Identität (2 %) vor.

Abbildung 21: AGG-Diskriminierungsmerkmale bei Beratungsanfragen zu Dienstleistungen und Gütern (nicht ausgewiesen sind Merkmale ohne AGG-Bezug)

Ethnische Herkunft/rassistische Gründe

Geschlecht

Religion/Weltanschauung

Behinderung

Alter

Sexuelle Identität

21 11 3

21 15 2

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Prozent

Quelle: Beratungsanfragen an die ADS im Berichtszeitraum 2013–2016

33 Darüber hinaus gab es zum Bereich Zugang zum Wohnraum 467 Beratungsanfragen (vgl. Kapitel 1.3.4).

In dem vorliegenden Lebensbereich wurden die Anfragen zu Beherbergung (Hotel etc.), Diskotheken, Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen, Einzelhandel, Fitnesszentren, Gastronomie, Gelddienstleistung/Banken, Handyverträge, Reisebüros, Gesundheits- und Sozialwesen, Verkehr/Personenbeförderung und privates Ver-sicherungswesen untersucht. Besonders viele Beratungsanfragen gingen hierbei zu den Bereichen Gelddienst-leistung/Banken, Verkehr/Personenbeförderung und private Versicherungen ein. Abbildung 22 zeigt, wie sich die Beratungsanfragen auf die unterschiedlichen Teilbereiche von Gütern und Dienstleistungen verteilen.

Abbildung 22: Verteilung der Beratungsanfragen zu Dienstleistungen und Gütern auf Teilbereiche

Private Versicherungen

Verkehr/Personenbeförderung

Einzelhandel

Andere Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen

Diskotheken

Gastronomie Fitnesszentren

Gesundheits- und Sozialwesen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Prozent 16

11 16

9 8 7 6 6 Beherbergung 2

Keine Angabe Gelddienstleistung/Banken

30 18

Quelle: Beratungsanfragen an die ADS im Berichtszeitraum 2013–2016

Im Folgenden sollen Beispielfälle aus den Beratungsanfragen der ADS aufgezeigt werden, welche gehäuft in diesem Lebensbereich vorkamen und exemplarisch für die jeweilige Diskriminierungsform stehen.

Private Versicherungen

Besonders viele Beratungsanfragen erreichten uns von Betroffenen, welche sich durch die altersbedingte Beitragserhöhung ihrer Kfz-Versicherung diskriminiert fühlten. Ein Petent, welcher mehr als 40 Jahre unfallfrei gefahren war, musste mit dem Eintritt des 65. Lebensjahres einen um 20 Prozent erhöhten Bei-trag entrichten.

Hierbei ist zunächst zu beachten, dass Ungleichbehandlungen im Geschäftsverkehr u. a. nach § 20 AGG gerechtfertigt sein können. § 20 AGG zählt nur die Gründe Religion, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht auf. Rassistische Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft können nicht nach

§ 20 AGG gerechtfertigt werden.

Bei privatrechtlichen Versicherungen und Verträgen besteht die Besonderheit, dass diese vielfach nach personenbezogenen Merkmalen wie z. B. dem Alter differenzieren und damit häufig an die durch das AGG geschützten Kriterien anknüpfen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters durch Privatversicherungen zulässig, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht. Dazu gehören insbesondere versicherungsmathematisch ermittelte Risikobewertun-gen unter Heranziehung statistischer ErhebunRisikobewertun-gen.

Die Kfz-Versicherungen berufen sich regelmäßig auf Statistiken erhöhter Unfallzahlen bei älteren Auto-fahrer_innen. Bei Vorliegen dieser Daten kann ein typischerweise erhöhtes Risiko vermutet werden, wel-ches gegenüber der_dem einzelnen Versicherungsnehmer_in unabhängig von ihrer_seiner Unfallbilanz geltend gemacht werden kann. Eine solche Typisierung ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässig und eine in der Praxis anerkannte Methode.

Auch erreichten die ADS im Berichtszeitraum vermehrt Anfragen von Menschen mit Behinderungen, de-nen der Abschluss einer privaten Versicherung entweder gänzlich versagt wurde oder bei dede-nen das Ver-sicherungsunternehmen dem Abschluss der Police nur gegen eine deutlich höhere (in einigen Fällen 100 %) Beitragszahlung zustimmte. In diesem Zusammenhang wandte sich ein Vater an die ADS mit der Bitte, ihm zu helfen, für seine beiden Söhne eine private Unfallversicherung abzuschließen. Für beide Kin-der besteht jeweils die Pflegestufe II. Die Versicherung lehnte gänzlich den Abschluss einer Versicherung ab, da sie mit der Versicherungsunfähigkeit der Kinder argumentierte. Auch in diesem Fall ist die Ent-scheidung der Versicherung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG gerechtfertigt. Danach sind abweichende Prämien und Leistungen sowie die Ablehnung des Vertragsabschlusses gerechtfertigt, wenn anerkannte Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beachtet wurden. In fast allen Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der privaten Unfallversicherungen werden immer wieder pflegebedürftige Menschen als versicherungs-unfähig eingestuft. Dies erfolgt aufgrund der Unkalkulierbarkeit der im Falle eines Unfalles entstehenden Kosten für den Versicherer. Aufgrund der bereits bestehenden Vorerkrankung kann eine Versicherung kei-ne realistisch abschätzbare Einstandspflicht bzw. Kostenkalkulation treffen.

Verkehr/Personenbeförderung

Vermehrt wurden Beratungsanfragen zur Personenkontrolle an Flughäfen an die Antidiskriminierungs-stelle des Bundes gerichtet. Petent_innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder deutscher Staats-angehörigkeit mit Migrationsgeschichte berichteten, einer Einzeldurchsuchung ihrer Person und ihres Gepäcks ausgesetzt gewesen zu sein. Die Rechtfertigungsmöglichkeit des § 20 AGG greift hier nicht, da das Merkmal „ethnische Herkunft“ betroffen ist. Allerdings erweist sich in solchen Fällen die Beweisbarkeit einer Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft als besonders schwierig. § 22 AGG regelt die Darle-gungs- und Beweislast in Diskriminierungsfällen. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien nachweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Als Indizien gelten sog. Vermutungstatsachen. Demnach besteht die Vermutung einer Benachteili-gung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nur, wenn Indizien vorliegen, die mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ darauf schließen lassen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund tatsächlich ursächlich für die Benachteiligung war. Sofern Betroffene keine Zeugen_innen oder Tatsachen für die rassistisch motivierte Ungleichbehandlung vorbringen können, wird der Indizienbeweis nur schwer zu erbringen

sein, denn Durchsuchungen durch das Flughafen- bzw. Sicherheitspersonal müssten eine gewisse Häu-figkeit bei Personen aufgrund der ethnischen Herkunft erkennen lassen. Regelmäßig folgt aus dem bloß objektiven, tatsächlichen Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals bei den Betroffenen kein Indiz für eine Benachteiligung gerade aufgrund dieses Merkmals. Betroffene wurden von der ADS über die recht-lichen Möglichkeiten eines Vorgehens nach dem AGG informiert und in deutrecht-lichen Fällen wurden auch Stellungnahmen von den am Flughafen tätigen Sicherheitsfirmen eingeholt.

Mehrere Beratungsanfragen erreichten die ADS zudem aufgrund der mangelnden Barrierefreiheit in Flugzeugen und Fernbussen. Auch in der Betroffenenbefragung wurden immer wieder Diskriminie-rungserfahrungen im Bereich des Verkehrs geschildert (siehe auch Kapitel 1.5.5.2.1). So berichtete z. B. eine Petentin der ADS, ihren Flug aufgrund eines nicht funktionsfähigen Fahrstuhls im Flughafen verpasst zu haben. In diesen Fällen weist die ADS die Betroffenen bzw. die Flughafenbetreiber und/oder Flugge-sellschaften auf die am 26. Juli 2007 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugrei-senden mit eingeschränkter Mobilität hin. Mit dieser Verordnung soll für behinderte und in ihrer Mo-bilität eingeschränkte Menschen ein diskriminierungsfreier Zugang zum Luftverkehr sichergestellt wer-den. Die Verordnung verbietet den Luftfahrtunternehmen, behinderten oder mobilitätseingeschränkten Menschen den Zugang zu einer Flugreise – abgesehen von begründeten Ausnahmefällen – zu verweigern.

Zudem werden die Fluggesellschaften und Flughäfen verpflichtet, eine qualitativ anspruchsvolle nahtlose Assistenz vom Ankunftsort vor dem Flughafen bis zum Sitzplatz im Flugzeug, während des Fluges, vom Sitzplatz im Flugzeug bis zum Verlassen des Terminals bzw. bei Transitpassagieren bis zum Sitzplatz im Flugzeug des Anschlussfluges sicherzustellen (siehe auch Kapitel 1.4.2.5.1).

Um diese Hilfe zu gewährleisten, haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) auf Be-stimmungen über die Rechte der Fluggäste geeinigt sowie offizielle Durchsetzungsstellen eingerichtet. Das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) ist die zuständige Behörde für die Durchsetzung der Verordnung.

Gelddienstleistung/Banken

Vermehrt ältere Menschen wandten sich mit Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, da einige Banken die Erhebung von Kontoführungsgebühren von der Höhe des monatlichen Zahlungseingangs abhängig machen. Dies deckt sich mit den von Befragten geschilderten Diskriminie-rungserfahrungen in der Betroffenenbefragung (siehe auch Kapitel 1.5.5.2). Eine Diskriminierung wegen des Alters liegt jedoch in diesen Fällen nicht vor, da Kontoführungsgebühren von jeder_m erhoben wer-den, deren_dessen monatlicher Zahlungseingang eine bestimmte Summe unterschreitet. Von dieser Be-stimmung sind demnach – unabhängig vom Alter – finanziell schwächere Kund_innen gleichermaßen be-troffen. Durch das AGG wird jedoch der „soziale Status“ nicht geschützt und deshalb ist ein Vorgehen nach diesem Gesetz in diesen Fällen nicht möglich.

Mehrfach erreichten uns auch Anfragen von Petent_innen mit iranischer Staatsangehörigkeit, welchen durch verschiedene Kreditinstitute die Eröffnung eines Bankkontos verweigert wurde. Zwar ist das AGG nicht anwendbar auf Benachteiligungen bezüglich der Staatsangehörigkeit, denn die Definition der Dis-kriminierung wegen der ethnischen Herkunft ist gesetzlich enger gefasst, als es der Begriff vermuten lässt und umfasst keine Benachteiligungen wegen der Staatsangehörigkeit. Es kann sich jedoch um eine mittel-bare Benachteiligung im Sinne des AGG handeln, wenn zwar wegen der Staatsangehörigkeit differenziert worden ist, im Ergebnis aber die ethnische Herkunft betroffen ist. Bei einer solchen Verweigerung der Er-öffnung eines Bankkontos einzig aufgrund der Staatsangehörigkeit kann es sich somit um eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft handeln. Diese ist nach § 19 Abs. 2 AGG verboten. Ein sachlicher Grund, der diese unterschiedliche Behandlung nicht zur mittelbaren Diskriminierung werden

lassen würde, fehlt. Insbesondere können sich die Kreditinstitute nicht auf die einschlägige EU-Verord-nung Nr. 267/2012 berufen. Diese VerordEU-Verord-nung verbietet Kreditinstituten keineswegs Geschäftsbeziehun-gen zu iranischen Personen, sondern regelt nur eine Genehmigungsverpflichtung bei Geldtransfers ab einer bestimmten Höhe von und an diesen Personenkreis. Im Rahmen unserer Beratung baten wir den Betroffenen an, eine Stellungnahme mit dem Ziel der gütlichen Beilegung von den jeweiligen Banken ein-zuholen, oder verwiesen auf den Bundesverband deutscher Banken und die Beschwerdemöglichkeit beim Ombudsmann der privaten Banken.

Diskotheken

Fälle des verweigerten Zutritts in eine Diskothek, die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein-gingen, betrafen fast ausschließlich das Merkmal der ethnischen Herkunft. Dies wurde auch in der Be-troffenenbefragung in ähnlicher Weise beobachtet (siehe auch Kapitel 1.5.5.2.2). Die der Antidiskriminie-rungsstelle des Bundes berichteten Sachverhalte zum verweigerten Zutritt ähnelten sich im Wesentlichen.

Dabei berichteten Betroffene häufig, aufgrund ihrer Hautfarbe bzw. ihres Aussehens oder ihrer auslän-dischen Ausweispapiere keinen Zutritt in eine Diskothek erhalten zu haben. Da es sich um eine unmit-telbare Diskriminierung handelt und eine Rechtfertigung vom AGG nicht vorgesehen ist, handelt es sich hierbei um eine unzulässige Benachteiligung. Häufig liegt in diesen Fällen zudem eine mehrdimensionale Diskriminierung vor. Neben dem Merkmal der ethnischen Herkunft ist auch nicht selten kumulativ das Merkmal des Geschlechts betroffen, da der Zutritt in eine Diskothek in den allermeisten Fällen Männern verweigert wird. Die ADS beriet Betroffene zum einen hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten bzw.

der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen nach dem AGG und zum an-deren bot die ADS Betroffenen an, die Diskobetreiber_innen um eine Stellungnahme mit dem Ziel der gütlichen Beilegung anzuschreiben34. Die Verbotslage ist in diesen Fällen klar, sodass das Einklagen von Schadensersatz oder Entschädigung erfolgversprechend ist, soweit die notwendigen Beweise und Indizien vorhanden sind. Dieses spiegelt sich auch in der Rechtsprechung wider: In dem Berichtszeitraum gab es verschiedene Urteile, in denen ein Verstoß gegen das AGG festgestellt wurde. Das Amtsgericht Hannover hat mit Urteil vom 25.11.2015 – 549 C 12993/14 eine Diskothek dazu verurteilt, 1.000 Euro wegen Verstoßes gegen das AGG zu zahlen und es künftig zu unterlassen, dem Kläger aufgrund seiner ethnischen Herkunft den Zutritt zu verwehren. Dabei verwies das Gericht ausdrücklich auch auf die Abschreckungswirkung des Urteils (siehe Kapitel 1.4.2.5.2).

Beherbergung/Hotel

Im Berichtszeitraum erhielt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nur sehr vereinzelt Beratungsan-fragen im Zusammenhang mit Diskriminierungen im Bereich Beherbergung/Hotel. Einen sehr positiven Ausgang nahm jedoch der folgende Fall: Ein Petent und Nutzer einer Internetplattform für Wohnungsver-mietungen berichtete der ADS, dass die Mitnahme von „Servicehunden“ (Blindenführhunde und Assistenz-hunde) generell ausgeschlossen sei, wenn die Wohnungsanbieter_innen das Mitbringen von Haustieren nicht gestatten. Demnach stand es im Ermessen des_der Gastgeber_in, ob Haustiere in die Ferienwohnung mitgebracht werden können. Dies galt gleichermaßen für sog. Servicehunde. Um eine gütliche Beilegung zu erwirken, ersuchte die ADS die Betreiber_innen der Internetplattform um eine Stellungnahme. Darin teilte die ADS dem Unternehmen mit, dass in der Feststellung, dass Behindertenbegleithunde unter das pauschale Hundeverbot fallen, eine mittelbare Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG liegen könnte. Denn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, wie dies ein generelles Verbot der Mitnahme von Hunden darstellt, benachteiligen Menschen mit Behinderungen im Vergleich zu nicht

be-34 Um auf die Problematik von Diskriminierungsrisiken beim Einlass in Clubs hinzuweisen und Betroffene aufzuklären, hat die ADS 2014 einen Flyer mit dem Titel „Du darfst rein – gegen Rassismus an der Clubtür“ veröffentlicht (ADS 2014d).

hinderten Menschen unangemessen, wenn ihnen die Mitnahme eines Servicehundes nicht gestattet wird.

Es könnte sich sogar um eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Behinderung handeln, da Men-schen mit Behinderungen ihr Nachteilsausgleich versagt wird.

Das Unternehmen reagierte in der Folge darauf und teilte der ADS gegenüber mit, dass es eine Antidiskri-minierungsrichtlinie eingeführt habe, welche für alle Nutzer_innen verbindlich gelte. Von Gastgeber_in-nen wird daher erwartet, dass sie Blindenhunde und andere Servicetiere in Übereinstimmung mit der Antidiskriminierungsrichtlinie unterbringen – es sei denn, es liegt eine Situation vor, in der die Gesundheit einer Gastgeberin oder eines Gastgebers in ihrem_seinem Wohnraum (oder die Gesundheit einer anderen dort lebenden Person) gefährdet sein könnte.

Festzuhalten bleibt, dass in diesem Lebensbereich häufig die Beweisbarkeit durch die Betroffenen schwer zu erbringen ist. Da es sich um sog. Alltagsgeschäfte handelt, welche zudem häufig unter „vier Augen“ statt-finden, ist trotz der Beweislasterleichterung (sog. Indizienbeweis ausreichend) die Geltendmachung von Ansprüchen nicht immer durchsetzbar.

1.3.3.2 Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen

Im maßgeblichen Berichtszeitraum gingen bei der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen rund 1.100 Beratungsanfragen zum Themengebiet Private Dienstleistun-gen und Zugang zu Gütern ein. Ein Großteil der AnfraDienstleistun-gen betraf den Themenkomplex der privatrechtli-chen Versicherungen. Hier war neben dem Bereich der privaten Unfallversicherung und der Lebensver-sicherung insbesondere der Bereich der privaten KrankenverLebensver-sicherung betroffen. Daneben betrafen die Anliegen auch die Barrierefreiheit von Hotels und Beherbergungen im Allgemeinen. Auch die Beförde-rung von Menschen mit BehindeBeförde-rungen wurde im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit überdurch-schnittlich häufig thematisiert. In jüngster Vergangenheit haben sich auch die Zuschriften zur Eröffnung

Im maßgeblichen Berichtszeitraum gingen bei der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen rund 1.100 Beratungsanfragen zum Themengebiet Private Dienstleistun-gen und Zugang zu Gütern ein. Ein Großteil der AnfraDienstleistun-gen betraf den Themenkomplex der privatrechtli-chen Versicherungen. Hier war neben dem Bereich der privaten Unfallversicherung und der Lebensver-sicherung insbesondere der Bereich der privaten KrankenverLebensver-sicherung betroffen. Daneben betrafen die Anliegen auch die Barrierefreiheit von Hotels und Beherbergungen im Allgemeinen. Auch die Beförde-rung von Menschen mit BehindeBeförde-rungen wurde im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit überdurch-schnittlich häufig thematisiert. In jüngster Vergangenheit haben sich auch die Zuschriften zur Eröffnung