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Diskriminierungsschutz im Bereich Arbeit und Beschäftigung

1.3.7.1.3 „Racial Profiling“

Für 13 Prozent der Stellen stellt darüber hinaus die sexuelle Orientierung einen Diskriminierungsgrund dar, mit dem sie im Bildungsbereich oft oder manchmal zu tun haben

1.4 Übersicht Rechtsprechung EuGH und deutsche Rechtsprechung

1.4.1 Übersicht über die Rechtsprechung des EuGH zum Antidiskriminierungsrecht 2013–2016

1.4.1.1 Diskriminierungsschutz im Bereich Arbeit und Beschäftigung

1.4.1.1.1 Reichweite der Rahmenrichtlinie Beschäftigung

Die Richtlinie 2000/78/EG verbietet Benachteiligungen wegen der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung „in Beschäftigung und Beruf“. Erfasst werden u. a.

der Zugang zur Beschäftigung, die Arbeitsbedingungen, Berufsausbildung, -beendigung und Arbeitsbe-dingungen. Anwendung findet die Richtlinie daher nicht nur auf Bestimmungen, die die Ansprüche von Arbeitgebern und Beschäftigten regeln, sondern z. B. auch auf betriebliche Sozialsysteme.

Alle Vorteile, die einen Bezug zur Arbeit oder Berufsausbildung haben, müssen unterschiedslos geleis-tet werden. So sind z. B. Vergünstigungen in Form von Sonderurlaubstagen und Eheschließungsprämien nicht nur bei Ehen, sondern auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften zu gewähren (Hay C-267/12;

Urteil vom 12.12.2013), nach Alter gestaffelte Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge müssen sich am Diskriminierungsverbot messen lassen (Kristensen C-476/11; Urteil vom 08.11.2013) und eine steuerlich unterschiedliche Behandlung von Berufsausbildungskosten anhand des Alters kann eine Altersdiskrimi-nierung zur Folge haben (De Lange C-548/15; Urteil vom 10.11.2016).

Dagegen werden weder die staatlichen Rentensysteme noch die Einkommensteuer von der Richtlinie und damit vom Diskriminierungsverbot erfasst (C-122/15; Urteil vom 02.06.2016 zu Altersregelungen im Ein-kommensteuerrecht).

Auch das Zusammenspiel staatlicher Regelungen – hier über die Anerkennung eingetragener Lebenspart-nerschaften – mit den betrieblichen Vorsorgeleistungen führt nicht zu einer Diskriminierung. So entschied der EuGH in der Rechtssache Parris (C-443/15; Urteil vom 24.11.2016), dass die Regelung, nach welcher Hinterbliebenenrenten an Lebenspartner_innen nur gezahlt werden, wenn die eingetragene Lebenspart-nerschaft vor dem 60. Lebensjahr eingegangen wurde, nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, auch wenn die Lebenspartnerschaft aufgrund der nationalen Regelungen nicht vor dem 60. Lebensjahr im Mitgliedstaat anerkannt werden konnte.

1.4.1.1.2 Zugang zu Beschäftigung und Beruf

Ob es zulässig ist, Höchstaltersgrenzen für den Eintritt oder Austritt aus dem Beruf festzulegen, ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreiten. Im Berichtszeitraum hatte der EuGH mehrere Vorlagefragen zu Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in den Polizeidienst zu entscheiden. Im Fall Pérez (C-416/13, Ur-teil vom 13.11.2014) war eine Altersgrenze von 30 Jahren für Bewerber_innen für den Polizeidienst vorge-sehen, im Fall Sorondo eine Altersgrenze von 35 Jahren (C-258/15, Urteil vom 15.11.2016).

Altersgrenzen für die Einstellung sind unmittelbare Benachteiligungen wegen des Lebensalters. Art. 4 der Richtlinie sieht jedoch vor, dass aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit oder Bedingungen ihrer Aus-übung Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot gemacht werden können, wenn es sich um wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen handelt, sie einem rechtmäßigen Zweck dienen und die An-forderung angemessen ist. Der EuGH prüfte dementsprechend, ob die mit dem Polizeidienst verbundenen Tätigkeiten eine körperliche Belastbarkeit und Einsatzfähigkeit erfordern, die die gesetzte Altersgrenze rechtfertigen. Im Ergebnis hielt er die Grenze von 30 Jahren für die örtliche Polizei für unzulässig, in der später entschiedenen Rechtssache Sorondo die Grenze von 35 Jahren für Polizeikräfte aber für europa-rechtskonform.

1.4.1.1.3 Arbeitsbedingungen

Relativ häufig beschäftigte sich der EuGH in den Jahren 2013–2016 mit Ansprüchen aus dem Arbeitsver-hältnis. Infrage standen dabei die gleiche Bezahlung, die betrieblichen Sozialleistungen wie die Altersvor-sorge sowie die Gewährung von Urlaubsansprüchen. Häufig finden sich hier Fälle, bei denen es um die Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung wegen des Alters geht. Daneben ist auch häufig der Diskrimi-nierungsgrund „Geschlecht“ betroffen, insbesondere in der Verbindung mit Elternschaft.

Altersdiskriminierung bei Ansprüchen auf betriebliche soziale Leistungen

Im ersten Fall, der Rechtssache Toftgaard (C-546/11, Urteil vom 26.09.2013), behandelte der EuGH die Fra-ge, inwieweit Altersdifferenzierungen bei zusätzlichen Arbeitgeberleistungen möglich sind.

Herr Toftgaard war Leiter der Kreisverwaltung Vejle (Dänemark), bis er im Jahr 2006 wegen Streichung dieser Stelle entlassen wurde. Da er bereits 65 Jahre alt war, erhielt er unter Verweis auf seinen Anspruch auf Beamtenpension kein Freistellungsgehalt. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters war problem-los festzustellen, da die unterschiedliche Behandlung ausdrücklich an das Alter anknüpft. Schwieriger zu klären war jedoch eine mögliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Die einschlägige Richtlinie 2000/78/EG sieht in Art. 6 vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen Benachteiligungen wegen des Al-ters zulässig sein können. So können AlAl-tersgrenzen nach Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG u. a. bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit angesetzt werden.

Im vorliegenden Fall Toftgaard musste der EuGH sich im Wesentlichen mit dem Begriff der betriebli-chen Sozialsysteme auseinandersetzen. Nach einem Vergleich der unterschiedlibetriebli-chen Sprachfassungen der Richtlinie 2000/78/EG, die z. T. erheblich abweichen, kommt der EuGH zu dem Schluss, dass der Begriff

„betriebliches Sozialsystem“ eher eng ausgelegt werden muss, damit das Diskriminierungsverbot wegen des Alters noch gewährleistet bleibt. Unter „betrieblichen Sozialsystemen“ sollen daher nur solche gefasst werden, die Alters- und Invaliditätsrenten betreffen. Das hier fragliche Freistellungsgehalt gehört nicht zu diesen Renten. Die Altersgrenze war unzulässig.

Dagegen sah der EuGH eine Regelung als gerechtfertigt an, nach der Beschäftigungszeiten vor dem 18. Le-bensjahr nicht in die Berechnung von Pensionsansprüchen einfließen, wenn es sich um ein Rentensystem für Beamt_innen handelt (C-159/15 – Lesar, Urteil vom 16.06.2016).

Am gleichen Tag wie das Urteil Toftgaard erging auch die Entscheidung in der Rechtssache Kristensen (C-476/11, Urteil vom 26.09.2013). Hier befasste sich der EuGH mit der Frage, ob Ungleichbehandlungen wegen des Alters durch Altersvorsorgeregelungen gerechtfertigt sein können. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 sieht vor, dass insbesondere aus Gründen der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik eine Rechtfertigung möglich ist. Im Fall Kristensen legte eine Regelung der Altersvorsorge die Beiträge anhand des Alters fest, wobei die Beiträge im jungen Alter niedrig sind und mit steigendem Alter sich gleichfalls erhöhen. Dies wurde damit begründet, dass ältere Arbeitnehmer_innen, die später in den Betrieb einsteigen, gleichfalls eine gesicherte Altersvorsorge durch erhöhte Beiträge erhalten sollen.

Die Entscheidung des EuGH steht hier für eine Vielzahl von Urteilen, in denen der Schwerpunkt der Prü-fung auf der Frage beruht, ob die jeweils fragliche Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und angemes-sen ist. Rechtmäßige Ziele sind nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 insbesondere solche der Beschäftigungs- oder Arbeitsmarktpolitik. Wie häufig in diesen Fällen, stellte der EuGH die Rechtfertigungsmöglichkeit einer Ungleichbehandlung wegen des Alters durch solche Maßnahmen fest. Für die Abwägung im jeweiligen Einzelfall, ob die Maßnahme auch angemessen ist und nicht über das Ziel hinausgeht, verwies er an das vorlegende Gericht des jeweiligen Mitgliedstaates.

Altersdiskriminierung bei der Besoldung

Die Rechtssache Specht C-501/12, EuGH-Urteil vom 19.06.2014, steht stellvertretend für zwei weitere The-men im RahThe-men von Altersdiskriminierungen, die den EuGH beschäftigten. Herr Specht wurde als Be-amter auf Lebenszeit der Bundesrepublik Deutschland ernannt. Seine Besoldung richtete sich zunächst nach seinem Alter. Nach Änderung des Besoldungssystems waren das Dienstalter und damit die Erfahrung maßgeblich. Das neue Besoldungssystem hatte jedoch die bis dahin aufgrund des Lebensalters erreichte Höhe des Gehalts übernommen (Bestandsschutz).

Fragen zum altersorientierten Entgelt haben den EuGH bereits zuvor beschäftigt. Er stellt zunächst fest, dass eine Honorierung der Dienstzeit und Berufserfahrung, die den Beschäftigten seine Arbeit besser er-ledigen lässt, ein rechtmäßiges Ziel ist. Auch das Anknüpfen an das Dienstalter ist hierbei möglich, da die Erfahrung mit dem Dienstalter einhergeht.

Ebenso sei beim Übergang des Besoldungssystems eine Rückanknüpfung an die erreichte Höhe des Ge-halts nach dem Lebensalter, was eine unmittelbare Altersdiskriminierung darstellt, gerechtfertigt: Der Be-standsschutz ist ein rechtmäßiges Ziel und hier auch angemessen umgesetzt. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in der Entscheidung in der Rechtssache Unland vom 09.09.2015 (C-20/13) bestätigt.

Bedeutsam ist die Rechtssache Specht vor allem hinsichtlich der Fragen zu den Rechtsfolgen einer Al-tersdiskriminierung. Hob der EuGH zunächst noch hervor, dass die finanzielle und administrative Last keine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot sind, so ließ er doch keinen Anspruch auf Zahlung der entgangenen Besoldung zu. Hierfür müsste zur Berechnung der Nachzahlung ein gültiges Berechnungssystem vorliegen, nach dem die Differenz und damit die Höhe des Anspruchs festgestellt werden kann. Eine solche Regelung lag aber nicht vor.

Keinesfalls ist in dieser Entscheidung aber eine Tendenz des EuGH zur Ablehnung eines Nachzahlungsan-spruchs zu sehen. Bereits kurz darauf in der Rechtssache Starjakob (C-417/13, Urteil vom 28.01.2015) ließ er einen solchen Nachzahlungsanspruch zu, da hier ein gültiges Berechnungssystem vorlag. Zugleich stellte der Gerichtshof jedoch klar, dass ein finanzieller Ausgleich nicht zwingend ist.

Geschlechtsdiskriminierung bei der Besoldung – mittelbare Diskriminierung

Auch über eine Diskriminierung wegen des Geschlechts durch Besoldungsregelungen musste der EuGH häufiger entscheiden. Entgegen den Sachverhalten bei der Altersdiskriminierung knüpfen die hier zu prü-fenden Vorschriften in der Regel allerdings nicht ausdrücklich an das Merkmal „Geschlecht“ an, sodass sich die Frage stellt, ob eine mittelbare Diskriminierung vorliegt: Neben der unmittelbaren Diskriminie-rung, bei der die Maßnahme oder Regelung sich ausdrücklich auf ein Diskriminierungsmerkmal bezieht, ist auch die mittelbare Diskriminierung verboten. Hier zeigt sich die Benachteiligung in der Wirkung der Regelung, wenn tatsächlich überwiegend Personen aus einer Merkmalsgruppe nachteilig betroffen sind.

Wichtig ist diese Unterscheidung vor allem in Hinblick auf die Rechtfertigung einer ungleichen Be-handlung: Ist bei einer unmittelbaren Benachteiligung eine Rechtfertigung nur aus bestimmten, in den Richtlinien näher genannten Gründen möglich, kann eine mittelbare Benachteiligung schon durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden, sofern die verfolgten Ziele objektiv angemessen und die unter-schiedliche Behandlung bezogen auf das Ziel angemessen und erforderlich ist (siehe z. B. Art. 2 Abs. 2 b)i) RL 2000/78/EG und sowie speziell zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei Arbeit und Beschäfti-gung Art. 2 Abs. 1 b) RL 2006/54/EG).

In der Rechtssache Kenny (C-427/11, Urteil vom 28.02.2013) wurden an die Landespolizei für Verwaltungs-tätigkeiten entliehene mehrheitlich weibliche Beschäftigte schlechter bezahlt als die mehrheitlich männli-chen Beamten der Landespolizei. Die Entgeltunterschiede folgten nicht aus einer ausdrücklimännli-chen Anknüp-fung an das Geschlecht. Der EuGH sah aber eine mittelbare Diskriminierung als möglich an. Voraussetzung war zunächst, dass sowohl die weiblichen als auch die männlichen Beschäftigten, deren Entgelt verglichen werden sollte, gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichteten. Dieses soll dann der Fall sein, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren, wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Ar-beitsbedingungen, als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Die Ermitt-lung dieser Tatsachen obliegt dabei jeweils dem nationalen Gericht.

In der Rechtssache Riezniece C-7/12, EuGH-Urteil vom 20.06.2013, fand eine betriebsinterne Bewertung von Arbeitsleistungen statt. Da die Betroffene hier über einen nicht unerheblichen Zeitraum der Bewer-tung im Elternurlaub war, hatte sie im Gegensatz zu ihren anderen Kolleg_innen keine Möglichkeit, ihre früheren Leistungen zu verbessern.

Maßgeblich für die Entscheidung des EuGH war hier die Frage, ob in dieser Maßnahme eine Diskrimi-nierung wegen des Geschlechts liegt. Da die Maßnahme zumindest nicht unmittelbar an das Geschlecht anknüpfte, war zu prüfen, ob eine mittelbare Diskriminierung vorlag, ob von der Maßnahme also unver-hältnismäßig häufig Frauen betroffen sind. Einen Erfahrungssatz, nach dem mehr Frauen als Männer in

Elternurlaub gehen, vermochte der EuGH jedoch nicht aus eigener Anschauung aufzustellen, sodass er die Klärung eines solchen Erfahrungssatzes zurück an das vorlegende Gericht verwies.

Geschlechtsdiskriminierung bei Urlaubsansprüchen

Über eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts hatte der EuGH in der Rechtssache Mais-trellis (C-222/14, Urteil vom 16.07.2015) zu urteilen. Nach einer griechischen Regelung hatten Väter kein Anrecht auf Elternurlaub, wenn deren Partnerin erwerbslos war. Eine umgekehrte Regelung für Mütter gab es nicht. Interessant ist dieser Fall auch hinsichtlich der Ausführungen des Gerichtshofs zu Artikel der RL 2006/54/EG, der die Möglichkeit positiver Maßnahmen zur Gewährleistung „der vollen Gleich-stellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben“ vorsieht: Unter ausdrücklichem Verweis darauf, dass die infrage stehende Regelung keine Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern schaffe, sondern bestehende Rollenverteilungen verstärke, stellte der EuGH hier eine nicht gerechtfertigte unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts fest.

Religionsdiskriminierung durch Bekleidungsvorschriften

Erstmalig befasste sich der EuGH mit zwei Vorlagefragen zur Reichweite des Verbots der Diskriminierung wegen der Religionszugehörigkeit. Gegenstand der Verfahren waren jeweils Kündigungen, die infolge des Tragens eines Kopftuchs am Arbeitsplatz von den Arbeitgebern ausgesprochen wurden. Dabei war es im Fall Achbita (C-157/15, Urteil vom 14.03.2017) allen Beschäftigten gleichermaßen untersagt, am Arbeits-platz sichtbare Zeichen ihrer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugungen zu tragen. Im Fall Bougnaoui (C-188/15, Urteil vom 14.03.2017) erfolgte die Kündigung von Frau Bougnaoui nach einer Kundenbeschwerde wegen ihres Kopftuchs.

Der EuGH entschied, dass eine betriebsinterne Regelung, die allen Beschäftigten gleichermaßen das Tra-gen sichtbarer Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser ÜberzeugunTra-gen verbietet und damit unterschiedslos für jede Bekundung solcher Überzeugungen gilt, keine unmittelbar auf der Religion oder Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung im Sinne der Richtlinie darstellt.

Zwar könnte eine mittelbare Ungleichbehandlung vorliegen. Für deren Rechtfertigung kann aber im Rah-men der Verhältnismäßigkeit als sachlicher Grund auch die vom Arbeitgeber gewünschte Neutralität nach außen berücksichtigt werden. Denn diese ist Ausdruck der von der Charta der Grundrechte anerkannten unternehmerischen Freiheit.

Wenn es jedoch eine solche betriebsinterne Regelung nicht gibt, können Kund_inneninteressen allein nicht zur Grundlage einer Kündigung gemacht werden. Der Wille des Arbeitgebers, den Wünschen von Kund_innen zu entsprechen, die ein Kopftuch ablehnen, kann nicht eine Ungleichbehandlung wegen der Religion rechtfertigen.

Da die Zulässigkeit der Verbote von religiösen Symbolen derzeit auch in der deutschen Rechtsprechung immer wieder Gegenstand von Entscheidungen war, werden die Urteile in diesen Rechtssachen durchaus weitreichen-de Folgen haben, da die weitreichen-deutsche Rechtsprechung bislang anweitreichen-ders entschieweitreichen-den hatte, hierzu siehe unten.

1.4.1.1.4 Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Im Rahmen der Kündigung von Beschäftigten setzte sich der EuGH mit der Definition des Begriffs der „Be-hinderung“ auseinander. In mehreren Fällen waren Arbeitgeber der Ansicht, dass Beschäftigte aufgrund von Krankheiten oder sonstiger körperlicher Verfassung nicht (mehr) in der Lage seien, die ihnen

oblie-gende Leistung zu erbringen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob und unter welchen Voraussetzun-gen Krankheiten auch als „Behinderung“ angesehen werden können und damit dem Diskriminierungs-schutz unterfallen.

In der Rechtssache Ring (C-335/11, Urteil vom 11.04.2013) stellte der EuGH klar, dass nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die EU die dortige Definition heranzuziehen ist. Demnach sind vom Begriff insbesondere physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen umfasst, die – in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren – die Betroffenen an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmer_innen, hindern können, auch können Krankheiten dazuzählen. Hierbei sind Heil- bzw. Unheilbarkeit unbeachtlich. Die Beeinträchtigungen müssen jedoch von langer Dauer sein.

Später führte der EuGH seine Rechtsprechung mit der Rechtssache FOA (C-354/13, Urteil vom 18.12.2014) fort. Herr Kaltoft war bei einer Kommune als Tagesvater eingestellt. Während der gesamten Zeit war er adipös. Die Adipositas des Betroffenen war möglicherweise Grund für seine Entlassung. Da nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Liste der Diskriminierungsmerkmale nach der Richtlinie abschließend und Adipositas somit kein Diskriminierungsgrund ist, prüfte der EuGH hier, ob Adipositas eine Behinderung im Rahmen der Beschäftigung sein kann. Hierzu hob der EuGH hervor, dass es innerhalb des Begriffs keine Differenzierung hinsichtlich möglicher Ursachen für die Behinderung gibt. Damit ist es auch unmaßgeb-lich, ob der Betroffene ggf. selbst zur Behinderung bzw. hier zur Adipositas beigetragen hat.

Die Entwicklung des Begriffs „Behinderung“ schloss der EuGH im berichtsrelevanten Zeitraum mit der Rechtssache Daouidi (C-395/15, Urteil vom 01.12.2016). Herr Daouidi erlitt bei einem Arbeitsunfall eine Luxation des Ellenbogens. Sein Arbeitgeber kündigte ihm im Anschluss, da er seine Leistung nicht wie erwartet erbrachte. Dass auch Einschränkungen und Erkrankungen durch einen Arbeitsunfall unter den Begriff der Behinderung fallen können, war nach der Rechtsprechung des EuGH offensichtlich. Hierfür müsste die Krankheit aber auch langfristig sein. Als Kriterien für die Langfristigkeit sieht der EuGH dabei an, dass ein kurzfristiges Ende der Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen nicht genau absehbar ist bzw. dass sich die Arbeitsunfähigkeit bis zur Genesung des Betroffenen noch erheblich hinziehen kann.