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3.5 Jugendliche Ästhetik in Bezug auf Sprache und Liturgie

3.5.4 Predigt und Sprache in einer jugend-gerechten Liturgie:

In Homiletik-Lehrbüchern lassen sich einige Kriterien für eine „gute“ Predigt finden, die m.E.auch für die Predigt und die Sprache in einer Jugendliturgie wichtig sind.

Verkündigung, und das umschließt nicht nur die Predigt, sollte einerseits an die befreiende

Botschaft der Bibel rückgebunden sein.425 Wichtig ist allerdings, dass sie dabei immer

gegenwarts-419 Vgl. Grethlein, Sinnlich predigen, 231.

420 Sellmann, „...denn Gott ist schön.“, 103.

421 Vgl. Sellmann, Christsein im „iconic turn“ der Gegenwartskultur, 33-36.

422 http://www.uni-due.de/~bj0063/archiv/interview/i-wyss.html [abgerufen am: 10.5. 2013].

423 Bongartz, Sprache der Freiheit, 152.

424 Vgl. Bongartz, Sprache der Freiheit, 150-152.

425 Vgl. Pock, Zwischen Videoclips und SMS, 78.

gebunden bleibt und die Botschaft in die heutige Zeit übersetzt und aktualisiert.426 Andererseits sollte sie die gegenwärtigen Menschen, ihre „Ängste, Hoffnungen, Resignationen, das Gefühl der Ohnmacht gegenüber den großen gesellschaftlichen Prozessen“427 im Blick haben. Beides muss aufeinander abgestimmt werden.428 Die Shell-Jugendstudie hat gezeigt, dass diese Gefühlslagen Jugendliche ebenso betreffen. Für Jugendliche aus prekären Milieus in einem eklatant stärkeren Ausmaß als für jene aus finanziell gut gestellten Haushalten.

Für gelungene Verkündigung ist es wichtig zu versuchen, sich in die jeweilige Situation hinein zu versetzen. Für Jugendliturgie kann dabei ein Blick in die eigene Geschichte hilfreich sein. Was waren meine Fragen als Jugendliche? Was hat mich umgetrieben? Wo lagen meine

Herausforderungen? Wodurch hat sich diese Zeit ausgezeichnet?

Johann Pock plädiert außerdem dafür, dass sich die Zuhörenden im Gesagten wiederfinden müssen.

Dass Verkündigung ankommt, hänge essentiell damit zusammen, denn der größte Teil des Verstehens geschehe im Unterbewussten, dort wo Emotionen, Wünsche, Grundantriebskräfte liegen, so Pock. Der Pastoraltheologe meint allerdings zu Recht, dass Predigende zuvor selbst berührt und bewegt sein müssen von dem, was sie weitergeben wollen.429 Für Jugendliche, die Nicht-Authentisches in der Regel schnell aufspüren, gilt dies m.E. in besonderem Maß.

Achim Härtner und Holger Eschmann sind der Meinung, dass angesichts der zunehmenden Steigerung des Lebenstempos gerade der Gottesdienst auf Vertiefung statt auf Vermehrung setzen sollte, denn Kopf und Seele brauchen Zeit, „damit aus oberflächlichen Erlebnissen tiefgründige Erfahrungen werden können“430 so die Autoren. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass eine Predigt und die ganze Liturgie den Leistungsgedanken des ökonomischen Denkens, von dem Jugendlichen wie bereits erwähnt ebenso betroffen sind, bewusst „draußen“ lässt. Es sollte ein Raum des Nachdenkens, ein Ort der Kreativität und Poesie eröffnet werden, der die Wahrnehmung für Gott, die Welt und sich selbst schult. Die Autoren sind darüber hinaus der Meinung, dass sich eine Predigt nicht mehr auf vorgängige Plausibilitäten verlassen kann. Sie solle aus sich selbst verständlich sein und müsse von einem „Nullpunkt“ aus beginnen.431 M.E.ist dies gerade in einer Liturgie von und für Jugendliche von besonderer Relevanz, denn wie bereits erwähnt sind heutige Jugendliche in besonderem Maße von einer Praxiskrise in Bezug auf Glaube, Glaubensgut und Religion betroffen. Die Rede von Gott, das Zeugnis der biblischen Botschaft muss also wieder ganz elementar beginnen.

426 Vgl. Härtner/ Eschmann, Predigen lernen, 19.

427 Ebd.

428 Vgl. ebd.

429 Vgl. Pock, Zwischen Videoclips und SMS, 74-75.

430 Härtner/ Eschmann, Predigen lernen, 39.

431 Vgl. Härtner/ Eschmann, Predigen lernen, 39.

Wort-Verkündigung in der Medienkultur kann außerdem nur gelingen, wenn auf die Bedingungen dieser Kultur eingegangen wird, so Johann Pock. Er spricht in diesem Zusammenhang die Tendenz an, dass heute bildliche, visuelle Wahrnehmung im Vergleich zu akustischer stärker aufgenommen wird. Aus diesem Grund ist er der Ansicht, dass bildreich und sinnlich gepredigt werden sollte.432 Das kann konkret heißen, „dass man tatsächlich mit Bildern predigt und den Schatz der christlichen Ikonographie, aber auch der modernen Kunst für die Verkündigung nutzt.“433, so Pock. Dieser Ansatz steht m.E.nach ganz im Sinne des „Iconic turn“. Gerade die zeitgenössische Kunst hat neben der Poesie das Potential, nicht oder schwer Sagbares auf sinnliche Art und Weise verständlich zu machen. Sie bleibt meist bewusst mehrdeutig und ist deshalb offen für eine individuelle Aneignung.

Dies könnte gerade Jugendlichen, die sich vor allem in Bezug auf Glaube nichts vorschreiben lassen möchten, entgegen kommen.

Johann Pock weist außerdem auf die Wichtigkeit hin, dass LiturgInnen nicht pädagogisierend oder bevormundend ein Kunstwerk erklären bzw. ihnen fixe Deutungen geben sollen.434 Bei der

Interpretation von Seiten der Jugendlichen darf es die Kriterien „richtig oder falsch“ also nicht geben.

Zu bedenken ist ebenso, dass biblische Rede in einem großen Ausmaß ebenso bildliche Rede ist.

Die Gleichnisse Jesu etwa sind gefüllt mit Bildern und Metaphern, die aus auf eine Sache verweisen. (Das Senfkorn verweist beispielsweise auf das Reich Gottes.) Johann Pock plädiert deshalb zu Recht dafür, diese Methode wieder zu entdecken. Er meint, dass LiturgInnen versuchen sollen, „neue Metaphern, Bilder und Gleichnisse zu finden, in denen sich die alten

Glaubenswahrheiten neu erschließen.“435 Dabei sei darauf zu achten, dass sie aus der Erfahrungswelt der ZuhörerInnen stammen.436

Der Pastoraltheologe gibt weitere Anleitungen, die eine gute Predigt ausmachen: Mit dem Motto

„überzeugend predigen“ stellt er wiederum die Wichtigkeit der Authentizität der LiturgInnen in den Mittelpunkt.437 Martin Sellmann meint in diesem Zusammenhang, dass sich die Qualität der

Botschaft am Liturgen und an der Liturgin selbst zeige.438 Viele TheologInnen weisen deshalb darauf hin, dass es wichtig sei, präsent zu predigen. Präsenz beziehe nämlich das Element des Performativen mit ein439, denn: „Die Predigt hat ihr Wesen in der Aufführung.“440, so der

432 Vgl. Pock, Zwischen Videoclips und SMS, 77.

433 Ebd.

434 Vgl. Pock, Zwischen Videoclips und SMS, 77.

435 Ebd.

436 Vgl. ebd.

437 Vgl. ebd.

438 Vgl. Sellmann, „...denn Gott ist schön.“, 108.

439 Vgl. Deeg, Präsent predigen, 11.

440 Ebd.

evangelische Theologe Alexander Deeg.

M.E. ist es wichtig, neben der geistigen Präsenz (Aufmerksamkeit sich selbst und den ZuhörerInnen gegenüber) auch eine körperliche Präsenz, die sich in der Körpersprache äußert, zu zeigen. Ein aufrechter, guter Stand und eine offene, unverkrampfte Haltung sind dazu notwendig.

Obwohl einige TheologInnen davor warnen, vollkommen frei zu predigen, da der Text dabei in den Hintergrund rücken könne441, hat die freie, aber trotzdem gut vorbereitete Predigt dennoch einige Vorteile: Sie ermöglicht nämlich größeren Spielraum in der Kommunikation und Interaktion.

Eine Predigt lebt auch von überraschenden, unvorhersehbaren Elementen, so Pock.442 Gerade für eine Jugendliturgie ist dies m.E.wichtig. Hier können alternative Predigtformen wie beispielsweise ein Bibliolog eingesetzt werden. Jugendliche sind mit diesen Methoden in der Regel kaum

konfrontiert. Sie ermöglicht ihnen aber eine autonome Auseinandersetzung und Interpretation mit der Frohen Botschaft.

Auch Michael Bollig hat auf die Wichtigkeit des Einbezugs der Jugendlichen hingewiesen. Eine

„gute“ Glaubenskommunikation verzichte darauf, „den anderen in eine einseitige Empfängerrolle zu stecken oder ihn zum Objekt des pädagogischen bzw. katechetischen Handelns zu machen.“, so der Theologe.443

Andreas Prokopf hat außerdem aufgezeigt, dass Religiosität von den Jugendlichen in der Regel dort verortet wird, wo eine autobiographische Selbstbetrachtung ins Spiel kommt. Ihre Religiosität ziele genauer auf eine biographische Ganzheit, so der Autor.444

Dies deckt sich zum Teil mit der Ansicht des Religionspädagogen Stefan Altmeyer, der die Erfahrung gemacht hat, dass religiöse Sprache von Jugendlichen eine ich-bezogene Sprache sei:

„Gottesrede“, so der Autor, „ist für sie etwas streng Subjektives.“445

Dass Glaubenskommunikation auf den Einbezug der Biographie nicht verzichten kann, meint auch Michael Bollig: „Glaubenskommunikation als Biographiearbeit will […] zum Ernstnehmen der eigenen Biografie als Erfahrungsraum von Gottesbegegnung ermutigen und zum inneren Dialog mit sich selbst und und des Bewegungen des eigenen Lebens anregen.“446, so der Autor. Hans Georg Ziebertz hat außerdem darauf hingewiesen, dass Jugendliche Religion dann als nützlich erachten, wenn sie es vermag, konkrete Hilfestellung und Lebensorientierung zu geben.447 Die Sprache in der Liturgie sollte die Kreativität und die Ressourcen jugendlicher Sprache in Bezug auf Religion und

441 Vgl. Deeg, Präsent predigen, 14.

442 Vgl. Pock, Zwischen Videoclips und SMS, 78.

443 Bollig, Mit jungen Menschen über Gott reden, 77.

444 Vgl. Prokopf, Religiosität Jugendlicher, 197.

445 Altmeyer, Im Anfang war das Wort, 67.

446 Bollig, Mit jungen Menschen über Gott reden, 76.

447 Vgl. Ziebertz, Religiöse Signaturen heute, 386.

ihre Wünsche m.E.unbedingt im Blick haben, sie einbeziehen bzw. auf diese Rücksicht nehmen.

Sabine Felbecker gibt noch weitere Tipps für die Sprache in einer jugend-gerechten Liturgie:

Wort, Text und Predigt sollten kurz, prägnant und performativ sein. Ein biblischer Text genüge außerdem, so die Theologin und Religionslehrerin. Eine Lesung und ein Evanglium, also zwei biblische Texte, seien zu viel. Bei der Auswahl des biblischen Textes solle außerdem darauf geachtet werden, dass er wirklich eine frohe Botschaft beinhaltet. Außerdem solle er in einer

verständlichen Sprache vorgetragen werden.448 Felbecker plädiert deshalb dafür, aus einer möglichst neuen Übersetzung vorzutragen oder wenn notwendig den Text nochmals aus dem Griechischen zu übersetzen: „[...]denn die aktuelle Sprache verändert sich schneller, als offizielle Übersetzungen erscheinen.“449, so die Autorin.

Wie bereits erwähnt zeigen Jugendliche in der Regel eine Freude am Sprachspiel auf. Dies ließe sich m.E. gut in eine Liturgie einbeziehen. Jugendliche könnten im Vorfeld biblische Texte wie Psalmen neu übersetzen. Sie könnten Kurzgedichte zu einem religiösen Thema verfassen oder selber beispielsweise ein Predigtgespräch führen. Im Sinne des „Iconic turn“ könnten sie als Projekt einen Kurzfilm zu einem biblischen Thema oder einer konkreten Bibelstelle drehen. Das Potential der Jugendlichen ist immer wieder für Überraschungen gut.

Ein Beispiel zum Thema „Lust am Sprachspiel“: Im Zuge der Firmvorbereitung in der Herz-Jesu Pfarre in Graz wurde die Kreativität der Jugendlichen im Zuge einer Gottesdienst-Vorbereitung gut genutzt. Etwa 50 Firmlinge wurden in Gruppen aufgeteilt und bekamen jeweils einen Teil des Eucharistischen Hochgebets. Sie mussten sich eingehend damit beschäftigen und den Sinn verstehen. Danach waren sie in der Gruppe dazu angehalten, den Text in ihre Sprache zu

übersetzen, ohne den Inhalt zu verändern. Wir FirmbegleiterInnen waren begeistert, wie ernsthaft, kreativ und lustvoll die Jugendlichen an den Text herangingen. Es brauchte allerdings starke Überzeugungsarbeit von Seiten des Pastoralreferenten, damit der Priester das Gebet beim

Gottesdienst auch so wiedergab. Meines Wissens nach blieb es bei diesem einmaligen Experiment, obwohl die Jugendlichen bei der Eucharistiefeier so aufmerksam wie selten zuvor teilnahmen und sich äußerst positiv dazu äußerten.

Jörg Seip weist zusätzlich darauf hin, dass alle Texte, die in einer Liturgie verwendet werden, performativ sein sollten. Der Wert der Sprache habe sich nämlich eklatant verschoben: „Sie dient in erster Linie nicht einer propositionalen Aussage, sondern einem performativen Effekt“, so der Pastoraltheologe. 450

Abschließend ist es notwendig aufzuzeigen, dass mit jugend-gerechter Sprache kein Verfallen in

448 Vgl. Felbecker, Jugendliche Ästhetik und Liturgie, 49.

449 Ebd.

450 Seip, Jenseits der Sprache, 41.

einen vermeintlich typischen „Jugendslang“ gemeint ist. Jugendliche fühlen sich dabei in der Regel nicht Ernst genommen.

Der Pastoraltheologe Bernd Lutz warnt in diesem Zusammenhang zu Recht vor einer Anbiederung.

Seiner Meinung nach geht es um eine adäquate aber keine anbiedernde Sprache. Erwachsene Praktische sollten tunlichst vermeiden, die Sprache der Jugendlichen im wörtlichen Sinn nachzuahmen.451