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3. Ergebnisse

3.8. Präsentation der Sendungen

Matzko vom „Gesundheits-Check“: „Da ist gar nichts konstruiert. Die Patienten sind real, die Geschichten sind real.“ (Interview Matzko, S. 94 im Anhang) Die Patienten würden begleitet, ohne Einfluss auf ihre Entwicklung zu nehmen. Und Stefan Mugrauer, Chef von „Hauptsache Gesund“, sagt: „Wir versuchen schon, die Fälle sehr real und ohne jegliche Verfälschung darzustellen. Wir erzählen jede Geschichte so, wie sie ist. Wir biegen nichts zurecht. Sonst lassen wir sie lieber weg.“ (Interview Mugrauer, S. 177f. im Anhang)

„Unterhaltung wünschen wir uns schon für unsere Sendung. Aber das ist ein untergeordneter Aspekt. Wir versuchen das zu leisten, indem wir sympathische und lockere Ärzte als Experten suchen.“ (Interview Ließmann, S. 161 im Anhang)

Und bei der dritten häufigen Darstellungsform, den Aktionen im Studio, ist der Unterhaltungsansatz ganz offensichtlich das primäre Ziel (vgl. Interview Krumme, S. 110 im Anhang). Das galt auch für die Rahmenhandlung in „Gesundheit!“, die bis Frühjahr 2016 um die medizinischen Beiträge herum gezeigt wurde. Redaktionsleiter Andreas Geyer: „Wenn Sie verschiedene Beiträge mit verschiedenen Themen miteinander verbinden wollen – wie gesagt, das sind hochmedizinische Beiträge und auch welche zu Fitness und so weiter – ist es ganz gut, wenn der Zuschauer zwischendurch verschnaufen kann.“ (Interview Geyer, S. 88 im Anhang)

Bei der „rbb PRAXIS“ ist während der Live-Sendung sogar Publikum im Studio. Es beklatscht den Moderator und die eingeladenen Ärzte für bestimmte Tätigkeiten oder Statements und wird oft in die Aktionen im Studio eingebunden: Es darf zum Beispiel fleischfreie Wurst probieren und ins Mikrofon sagen, wie sie schmeckt, oder gymnastische Übungen mitmachen. Moderator Raiko Thal macht daran und an der Gestaltung der Darstellungsformen die große Bedeutung fest, die Unterhaltung in der „rbb PRAXIS“ hat: „Die Sendung eine Show zu nennen, wäre jetzt vielleicht ein bisschen zu viel. Aber durch das Publikum im Studio und eine ganze Reihe lockerer Elemente hat die ‚PRAXIS‘ schon die Anmutung einer Unterhaltungssendung. Aber eben mit einem hohen Informationsgehalt. Man könnte auch sagen: Eine Informationssendung mit Unterhaltungsansatz.“

(Interview Thal, S. 131 im Anhang)

Auch wenn sich die Macher der TV-Gesundheitsratgeber einig darin sind, dass Informationen ansprechend vermittelt werden müssen, mit dem Begriff Unterhaltung haben manche von ihnen ein Problem. Anne Brüning, die im HR nicht nur „service: gesundheit“, sondern auch Ratgeber zu etwa Garten und Reisen moderiert, betont in Abgrenzung zu eben diesen Sendungen: „Ich versuche (...) nicht, zu unterhalten.“ (Interview Brüning, S. 166 im Anhang) Als öffentlich-rechtliches Angebot wollen die Sendungen einen seriösen, nachrichtenorientierten Eindruck erwecken, weniger einen unterhaltenden. Das zeigt unter anderem Friederike Krummes Umgang mit dem Thema in der „Visite“: „Bei 60 Minuten Sendung kommt es auf die Mischung an. Man kann ja auch klassische Medizinthemen spannend vermitteln. Unterhaltung ist das falsche Wort.

Unterhaltend wollen wir sicher nicht sein. Sondern interessant und spannend. Es soll anregend sein, die Sendung anzugucken, obwohl es schwere Themen sind. Das ist die Kunst. Ich würde das nicht Unterhaltung nennen.“ (Interview Krumme, S. 110 im Anhang)

Worin sich die befragten Journalisten weitgehend einig sind: „Infotainment“, so nennt die unterhaltend verpackte Informationsvermittlung „Hauptsache Gesund“-Mitarbeiterin Bettina

Goldbach (Interview Goldbach, S. 188 im Anhang), hat Grenzen: So sagt Goldbachs Chef Stefan Mugrauer, in den TV-Gesundheitsratgebern fänden sich „keine klassischen Unterhaltungselemente wie den Wettbewerb oder das Quiz“ (Interview Mugrauer, S. 178 im Anhang).

Der On-Reporterin des „Gesundheits-Checks“ Caro Matzko ist noch wichtig, dass der Begriff Unterhaltung nicht negativ belegt wird: „Ich finde, es ist ein großer Irrtum zu glauben, dass nur trockenes, dozentenvermitteltes Wissen vom Zuschauer ernst genommen wird. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man auch mit einem unterhaltsamen Format wahnsinnig viel Wissen vermitteln kann. Humor ist nie falsch.“ (Interview Matzko, S. 92 im Anhang)

Auf der Grundlage dieser Einstellung, den Zuschauern vorrangig echte medizinische Informationen zu vermitteln und dies – im positivsten Sinne – auf eine unterhaltsame Art zu tun, arbeiten auch die Präsentatoren der TV-Gesundheitsratgeber: Ihre Moderationen seien – ganz im Stil der Sendungen – sowohl faktenorientiert als auch von einer „gewissen Leichtigkeit“ und einem

„Augenzwinkern“ geprägt, wie Vera Cordes, Moderatorin des Ratgebers „Visite“, sagt (Interview Cordes, S. 115 im Anhang).

Niemanden verbinden die Zuschauerinnen und Zuschauer so sehr mit den Sendungen wie die Präsentatoren. Die Moderatoren der TV-Gesundheitsratgeber führen das Publikum furchtlos durch die Welt der Krankheiten: Sie kündigen Filmbeiträge an, interviewen Experten und machen die Aktionen im Studio mit. Sie sind zum Teil auch als Reporter außerhalb des Studios unterwegs.

Als Präsentatoren geben sie den Formaten ein Gesicht und dienen dem Publikum nicht selten als Identifikationsfiguren. Deswegen ist ihr Auftreten für „rbb PRAXIS“, „Gesundheits-Check“ und Co. von größter Bedeutung.

Fünf der sechs in den Leitfadeninterviews befragten Präsentatoren beschreiben ihre Aufgabe als

„Anwalt der Zuschauer“ (Interviews Matzko, S. 93, Cordes, S. 113, Thal, S. 132, Brüning, S. 162, Lekutat, S. 184 im Anhang). Mathias Münch von „service: gesundheit“ drückt es auf seine eigene Weise aus: Er sieht sich als „Kellner“ (Interview Münch, S. 170 im Anhang). Alle sechs meinen damit: Sie wollen das Publikum vertreten. An ihrer Stelle befragen sie die Ärzte in den Experteninterviews. „So wie sich das der Zuschauer auf der Coach zuhause fragt.“ (Interview Thal, S. 132 im Anhang) Vera Cordes, Raiko Thal, Anne Brüning und Mathias Münch nehmen die Rolle des klassischen Moderators ein. Caro Matzko steht mit ihrer Rolle als Reporterin im On für die neue Art der Präsentation medizinischer Themen im „Gesundheits-Check“. Carsten Lekutat unterscheidet sich von ihnen allen am deutlichsten in der Form, einen TV-Gesundheitsratgeber zu präsentieren: Er hält in „Hauptsache Gesund“ als einziger die Rolle des Arztes als Moderator am Leben.

Die klassischen Moderatoren in „Visite“, „rbb PRAXIS“ und „service: gesundheit“ sind

„Journalisten“ (Interview Brüning, S. 165 im Anhang) und „keine Ärzte“ (Interview Cordes, S.

114 im Anhang). Sie wissen etwas mehr als die Zuschauer, weil sie sich in die Themen eingearbeitet haben (vgl. ebd.). Aber sie stehen eindeutig auf der Seite des Publikums. Ihnen gegenüber stehen die Experten, also in der Regel die Ärzte. Cordes sieht einen Vorteil für ihren Job darin, nicht ausgebildete Medizinerin zu sein: „Wenn mich die Zuschauer als Journalistin wahrnehmen, die in ihrem Namen Fragen stellt, erziele ich damit das beste Ergebnis für mein Publikum. Träte ich als Expertin auf, wären die Leute zuhause außen vor. Ich bin sicher, wäre ich gelernte Ärztin, hätte ich öfter die Arztbrille auf und es gelänge mir nicht so leicht, zwischen dem Ottonormalverbraucher und dem international anerkannten Medizin-Professor zu vermitteln.“

(Ebd.) Ähnlich beschreibt Brüning ihre Rolle als Anwältin der Zuschauerschaft: „Ich finde, je mehr ich über ein Thema weiß, desto mehr muss ich aufpassen, nicht zu vergessen, dass ich auf der Seite der Zuschauer stehe. Zum Beispiel muss ich mir vor der Kamera Fachbegriffe von den Experten immer wieder erklären lassen. Ich stelle Fragen für den Zuschauer, sodass der das Gefühl bekommt: Ich habe durch die Sendung Handlungsoptionen bekommen. Früher hatten wir Publikum in der Sendung. Das war eigentlich ganz hilfreich. Da konnte man sich klar machen: Für die mache ich das alles hier.“ (Interview Brüning, S. 165 im Anhang)

Im „Gesundheits-Check“ nehmen die Präsentatoren Caro Matzko und Fero Andersen eine Doppelrolle ein. Sie erfüllen zum einen die Funktion, „die Zuschauer an die Hand zu nehmen, sich in sie hineinzuversetzen und die Fragen zu stellen, die auch die Zuschauer stellen würden“, so Andreas Geyer, der Chef der Sendung (Interview Geyer, S. 88 im Anhang). Sie nehmen also wie die klassischen Moderatoren der Magazinsendungen die Rolle der Anwälte des Publikums ein.

Hinzu kommt bei ihnen aber noch eine zweite Rolle: die des Reporters vor der Kamera. Matzko:

„Ich präsentiere nicht nur fertiges Wissen, sondern ich recherchiere Wissen. Dabei werde ich gefilmt. Das nennt man dann Reportage.“ (Interview Matzko, S. 93 im Anhang) Die Reporter im On sind nicht im Studio, sondern draußen unterwegs – mit und bei den betroffenen Patienten und Experten. Sie probieren aus, finden heraus und machen mit. Die Sendung soll dadurch zur modernen, unterhaltsamen Reportage werden (vgl. Intervier Geyer, S. 87f. im Anhang).

Eine andere Rolle als die klassischen Moderatoren und On-Reporter hat Carsten Lekutat in

„Hauptsache Gesund“: Er ist nicht primär Publikumsvertreter, sondern steht als Arzt auf der Seite der Experten. Sendungschef Mugrauer: „Am Anfang hatte er noch ein Jackett an, jetzt hat er den Kasack an. Wir wollen damit das Signal geben, dass wir eine Hausarzt-Sprechstunde machen.“

(Interview Mugrauer, S. 173 im Anhang) Das heißt, der praktizierende Hausarzt Lekutat stellt in seiner Sendung Themen als Fälle vor, zu denen er auch selbst – als Experte – professionelle

Einschätzungen abgibt. Die Redaktion von „Hauptsache Gesund“ ist sich im Klaren darüber, dass sich daraus ein Konflikt ergibt. Einerseits beantwortet er als praktizierender Hausarzt selbst medizinische Fragen in der Sendung – als Experte. Andererseits lädt er auch Kollegen ins Studio, um sie als „Anwalt der Zuschauer“ (Interview Lekutat, S. 184 im Anhang) zu interviewen, obwohl

„ich 100 Prozent der Fragen, die dem eingeladenen Experten gestellt werden, eigentlich selbst beantworten kann. Das ist einfach so. Ein Gesundheitsformat ist nicht so tiefgründig, dass die Fragen nicht auch ein Hausarzt beantworten könnte.“ (Ebd., S. 181 im Anhang) Die Redaktion versucht diesen Konflikt durch das aus dem Alltag in Deutschlands Arztpraxen bekannte Modell der Überweisung zu lösen: Lekutat beantwortet als Hausarzt die allgemeineren Fragen zu einem Thema, bei spezielleren Aspekten übergibt er an einen Facharzt im Studio, den er befragt (vgl.

Interview Mugrauer S. 173 im Anhang).

Sendungschef Mugrauer und Moderator Lekutat sehen die großen Vorteile des moderierenden Arztes in „Hauptsache Gesund“ darin, dass personalisiertes medizinisches Knowhow und ein Gespür für die alltäglichen Sorgen der Patienten in den Arztpraxen in die Sendung komme. So sagt Lekuat: „Wenn man die Uni meint, spricht man ja vom akademischen Elfenbeinturm. Ich versuche, die Medizin vom Weichspülerturm des Fernsehens wegzukriegen. Ihr die Alltagsrelevanz einzuhauchen. Ich versuche, das einzubringen, was ich als Inzidenz und Prävalenz hier in der Praxis wahrnehme.“ (Interview Lekutat, S. 183 im Anhang)