• Keine Ergebnisse gefunden

3. Ergebnisse

3.2. Häufige Themen

„Natürlich berichten wir vor allem über die Volkskrankheiten. Immer wieder, mit neuen Aspekten. Da gibt es ja auch immer wieder etwas Neues dazu. Zum Beispiel Diabetes, Bluthochdruck oder Glaukom. Je mehr Leute betroffen sind,

umso mehr Leuten können wir mit unseren Service-Sendungen helfen.“

Claudia Bohm, „service: gesundheit“ (Interview Bohm, S. 155 im Anhang)

Wenn am Mittwoch um 20.15 Uhr die „rbb PRAXIS“ öffnet, präsentiert Moderator Raiko Thal das Ergebnis eines dreimonatigen Entstehungsprozesses. Seinen Anfang nimmt jedes Thema an der Magnettafel von Stefan Tschirner, dem Planungsredakteur der Sendung. „Ich glaube, dass die haptische Form der Magnettafel mit Karteikarten für die Themen immer noch die beste ist. Vor allem, wenn man so arbeitet wie wir, wenn man als ganze Redaktion die Themen erarbeitet. (...) Man überblickt die einzelnen Sendungen und die dafür vorgesehenen Themen. Auf dieser Tafel kann ich kleine Kärtchen mit Themen hin und her schieben: Das Thema passt besser in die

Sendung, jenes Thema passt besser in jene Sendung. Als Planer schaue ich auch darauf, wie viele Beiträge eine Sendung verträgt und wie groß mein finanzieller Etat dafür ist.“ (Interview Tschirner 2015, S. 140 im Anhang) Tschirner überlegt sich, worüber die „rbb PRAXIS“ wann berichten könnte und entwirft an seiner Magnettafel ein Grundkonzept für die einzelnen Ausgaben. Dafür recherchiert er mögliche Themen unter anderem in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Gesundheitsportalen im Internet und Meldungen der Nachrichtenagenturen. Der Planungsredakteur bekommt viele Vorschläge von seinen Mitarbeitern, manchmal welche von den Zuschauern und selten Anregungen direkt von Ärzten (vgl. ebd., S. 138f. im Anhang).

In einer ganzen Reihe von Redaktionskonferenzen in den vier Wochen vor der Ausstrahlung wird dann besprochen, wie die einzelnen Sendungen konkret aussehen sollen. Von zentraler Bedeutung ist die Themenkonferenz, die jeden Donnerstag stattfindet: „Da reden wir über die kommenden vier Sendungen und die Fragen, die dazu noch offen sind. Wie weit sind wir da mit den Beiträgen?

Haben die Experten zugesagt? Müssen wir an der Themenreihenfolge in der Sendung etwas ändern? Dann bereite ich die ganze Woche über ein Themendossier vor, in dem die neuen Themenvorschläge mit Hintergründen und Links vorgestellt werden. Das verschicke ich in den meisten Fällen am Mittwoch vorher. Dann können die Kolleginnen und Kollegen das Papier durcharbeiten und in der Konferenz arbeiten wir das dann ab. Wenn wir ein Thema annehmen, vergeben wir es an einen Autor. Der wird dann gebeten, das nochmal durchzurecherchieren, bevor wir es sicher in die Sendung nehmen.“ (Ebd., S. 140 im Anhang)

Die Beitragsautoren haben etwa 14 Tage Zeit, um einen Film aus dem Thema zu machen: „Die meisten Filme für die ‚rbb PRAXIS‘ beginnen wir zwei Wochen vor der Sendung zu drehen. In der Woche vor der Sendung werden sie dann geschnitten und zwei Tage vor der Sendung synchronisiert. Solche geplanten Themen bilden das Grundgerüst jeder Sendung. Dazu kommen dann die aktuellen Beiträge, die viel kurzfristiger umgesetzt werden müssen.“ (Interview Tschirner 2014, S. 135 im Anhang) Ebenfalls kurzfristig, also innerhalb weniger Tage, werden die themenergänzenden Elemente wie Experteninterviews und Aktionen im Studio von den Mitarbeitern vorbereitet, um die Sendungen zu komplettieren.

Ähnlich wie bei der „rbb PRAXIS“ läuft auch der Entstehungsprozess der übrigen TV-Gesundheitsratgeber (vgl. etwa die Interviews Goldbach, S. 189f., und Bohm, S. 154 im Anhang):

Themenrecherche, Besprechung in der Redaktion, Ideenumsetzung. Dabei sind die entscheidenden Fragen, die die Macher bei der Planung von „Visite“, „Gesundheit!“ und Co.

umtreibt: Was ist grundsätzlich ein Thema für unsere Sendung? Welche aktuellen Ereignisse sollten aufgegriffen werden? Also: Aus welchen Inhalten besteht ein TV-Gesundheitsratgeber?

Zuallererst und am häufigsten erwähnen die Gesprächspartner der Leitfadeninterviews dieser Studie die Volkskrankheiten. Sie bilden den Kern der Gesundheitsberichterstattung im Fernsehen.

So meint Andreas Geyer, Redaktionsleiter von „Gesundheit!“: „Die großen Volkskrankheiten sind eine wichtige Säule unserer Sendung.“ (Interview Geyer, S. 89 im Anhang) Auch die Themenplanerin von „Hauptsache Gesund“, Bettina Goldbach, sieht das so: „Wichtig sind die Volkskrankheiten.“ (Interview Goldbach, S. 188 im Anhang) Und Claudia Bohm, Redakteurin bei

„service: gesundheit“, begründet gleich, warum Volkskrankheiten für die Magazine so bedeutend sind: „Generell laufen die Volkskrankheiten schon besser als die exotischeren Themen.“

(Interview Bohm, S. 156 im Anhang) Sie rufen beim Publikum das größte Interesse hervor, weil von diesen Krankheiten viele Zuschauer unmittelbar betroffen sind. Vera Cordes, Moderatorin der

„Visite“: „Themen, die jeweils sehr viele Menschen bewegen, stehen ganz oben.“ (Interview Cordes, S. 113 im Anhang)

Volkskrankheiten sind laut Duden-Bedeutungswörterbuch „Krankheiten von dauernder starker Verbreitung und Auswirkung in der gesamten Bevölkerung“ (Duden 2001: 1743). Es sind also Leiden, von denen verhältnismäßig viele Menschen betroffen sind. Die Krankheiten haben außerdem eine große wirtschaftliche Bedeutung für die Gesellschaft, etwa wegen hoher Behandlungskosten oder häufiger Frühberentung. Der Duden nennt als Beispiele Karies und Rheuma, die Interviewpartner sprechen vor allem über Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und Probleme mit dem Muskel-Skelett-Apparat: Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Rücken- und Gelenkbeschwerden, hinzu kommen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus (vgl. etwa die Interviews Krumme, S. 108, Henss 2015, S. 127, und Mugrauer, S. 176 im Anhang).

In der wissenschaftlichen Literatur attestiert man den Volkskrankheiten ebenfalls den größten Anteil an den Themen in den Medien (vgl. Appel 2000: 100 und Meier 2006: 41). Sowohl in der Literatur (vgl. Appel 2000: 100) als auch in den Interviews (vgl. Interview Fass 2014, S. 145 im Anhang) werden sie oft „Klassiker“ genannt. Für Stefan Mugrauer, Chef von „Hauptsache Gesund“, sind sie ein „wiederkehrender Kanon an Themen“ (Interview Mugrauer, S. 176 im Anhang). Ihre Berechtigung liegt vor allem in der großen Betroffenheit der Bevölkerung. Susanne Fass, Medizinredakteurin beim RBB: „Das sind Themen, die immer mal wieder kommen müssen, auch wenn es nichts wirklich Neues gibt.“ (Interview Fass 2014, S. 145 im Anhang)

Die TV-Gesundheitsratgeber wollen sich in ihrer Themenwahl also schwerpunktmäßig an den in unserer Gesellschaft häufig vorkommenden Krankheiten beziehungsweise allgemeinen Gesundheitsproblemen orientieren. Kristina Henss, Redaktionsleiterin der „rbb PRAXIS“, spitzt

es folgendermaßen zu: „Es geht um das, was die Menschen tatsächlich auch statistisch am häufigsten krank macht.“ (Interview Henss 2015, S. 127 im Anhang)

Ein Blick auf die Zahlen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, die gleichermaßen vom Statistischen Bundesamt und vom Robert-Koch-Institut getragen wird, zeigt, wie nahe die Ratgebersendungen mit ihrer Themenwahl an den Diagnosen in deutschen allgemeinmedizinischen Praxen liegen: In unserer Gesellschaft dominieren Erkrankungen aus den Gebieten des Herz-Kreislauf-Systems, des Muskel-Skelett-Systems und der Stoffwechselstörungen (vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2016a).

Die Themenfrequenzanalyse für diese Arbeit quantifiziert, in welchem Umfang Deutschlands Fernseh-Gesundheitsratgeber tatsächlich über einzelne Krankheiten berichten: Relativ häufig sind Themen aus dem Gebiet des Herz-Kreislauf-Systems und des Muskel-Skelett-Systems. In den multithematischen Sendungsformaten machen alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammengenommen einen Anteil von zehn bis 25 Prozent aus. Damit liegen sie gleichauf mit den muskuloskelettalen Beschwerden und weit vor den übrigen medizinischen Themengebieten, die allesamt nur auf einstellige Prozentzahlen kommen. Unter ihnen sind Infektionen und Hautkrankheiten mit jeweils fünf bis neun Prozent noch am häufigsten.

In der Rangliste der konkreten Krankheitsbilder führen – natürlich aus dem Gebiet des Herz-Kreislauf-Systems und des Muskel-Skelett-Systems – folgende Themen: Hypertonie, Schlaganfall, Gelenkerkrankungen und Rückenschmerzen. Dazu kommen die Stoffwechselprobleme Diabetes mellitus und Adipositas. Die Zahlen für diese Krankheitsbilder im Bereich von 1,2 bis 5,9 Prozent decken sich mit den spontanen, groben Einschätzungen der Macher in den Leitfadeninterviews.

Tabelle 1: Häufigkeit der Themengebiete

Sendung/

Themengebiet

„Gesundheit!“

(n=60)

„Visite“

(n=82)

„rbb PRAXIS“,

Magazin (n=34)

„rbb PRAXIS“,

Feature (n=5)

„Hauptsache Gesund“

(n=65)

„service:

gesundheit“

(n=12)

Infektionen 5 % 6,1 % 8,8 % 0 % 6,2 % 8,3 %

Neubildungen 3,3 % 1,2 % 2,9 % 0 % 0 % 0 %

Blut und Immunsystem 3,3 % 1,2 % 0 % 0 % 0 % 0 %

Stoffwechselkrankheiten 3,3 % 4,3 % 2,9 % 0 % 4,6 % 8,3 %

Psyche 3 % 1,2 % 0 % 0 % 0 % 8,3 %

Nervensystem 1,7 % 1,2 % 2,9 % 0 % 4,6 % 8,3 %

Auge 0 % 3,7 % 5,9 % 0 % 3,1 % 8,3 %

Ohr 5 % 2,4 % 2,9 % 0 % 1,7 % 0 %

Herz-Kreislauf-System 10,1 % 15,8 % 15,5 % 20 % 14,8 % 25 %

Atmungs- system 0 % 2,4 % 5,9 % 0 % 0% 0%

Zähne/Verdauungssystem 6,7 % 3,7 % 5,9 % 0 % 8,7 % 8,3 %

Haut 5 % 8,5 % 5,9 % 0 % 8,2 % 0 %

Muskel-Skelett-System 10,3 % 14,6 % 20,1 % 40 % 14,8 % 8,3 %

Urogenital- system 0 % 2,4 % 0 % 0 % 0 % 0 %

Schwangerschaft, Geburt 5 % 0 % 0 % 0 % 0 % 0 %

Perinatal- periode 3,3 % 0 % 2,9 % 0 % 0 % 0 %

Angeborene Fehlbildungen

0 % 0 % 0 % 0 % 0 % 0 %

Verletzungen, Vergiftungen

1,7 % 1,2 % 0 % 0 % 2 % 0 %

Wellness, Lifestyle 5 % 4,9 % 0 % 0 % 1,5 % 0 %

Ernährung 13,3 % 12,2 % 8,8 % 20 % 12,3 % 8,3 %

Gesunheits- politik 5 % 2,4 % 2,9 % 0 % 7,7 % 0 %

Notfallmedizin 0 % 2,4 % 0 % 0 % 0 % 0 %

Altersmedizin 0 % 0 % 2,9 % 20 % 0 % 0 %

Sonstiges 10 % 8,2 % 2,9 % 0 % 9,8 % 8,6 %

Anteil der Themengebiete an allen Themen eines Sendungsformats. Themen gesamt: n=258.

Ausgaben vom 30. März bis 3. Juli 2015. Quelle: eigene Darstellung

Tabelle 2: Häufigkeit ausgewählter Krankheitsbilder

Sendung/

Krankheiten

„Gesundheit!“

(n=60)

„Visite“

(n=82)

„rbb PRAXIS“, Magazin

(n=34)

„rbb PRAXIS“, Feature

(n=5)

„Hauptsache Gesund“

(n=65)

„service:

gesundheit“

(n=12) Diabetes

mellitus

1,7 % 1,2 % 2,9 % 0 % 1,6 % 0 %

Adipositas 0 % 2,4 % 0 % 0 % 1, 6 % 0 %

Hypertonie 3,3 % 1,2 % 5,9 % 20 % 3,1 % 8,3 %

Herzinfarkt 3,3 % 2,4 % 2,9 % 0 % 3,1 % 8,3 %

Schlaganfall 1,7 % 2,4 % 5,9 % 0 % 4,6 % 0 %

Gelenk- erkrankungen

1,6 % 3,7 % 2,9 % 20 % 3,1 % 8,3 %

Wirbelsäule/

Rücken

3,3 % 2,4 % 11,8 % 20 % 3,1 % 0 %

Anteil der Krankheitsbilder an allen Themen eines Sendungsformats. Themen gesamt: n=258.

Ausgaben vom 30. März bis 3. Juli 2015. Quelle: eigene Darstellung

Neben den großen Volkskrankheiten liegen – in abgeschwächter Form – noch Schwerpunkte auf drei weiteren Themenkomplexen in den TV-Gesundheitsratgebern: saisonale Themen, Aktuelles und Ernährung.

Zu den saisonalen Themen gehören solche, die zu den Jahreszeiten passen. Einige Beispiele aus den Leitfadengesprächen: „Jedes Jahr im Frühjahr ist gesetzt: Was machen wir zu Allergien? Im Winter geht es mehr um Erkältung und Grippe.“ (Interview Henss 2015, S. 127 im Anhang) „Den Zecken-Beitrag beispielsweise senden wir nicht im Winter, sondern zu der Zeit, in der die Zecken unterwegs sind.“ (Interview Geyer, S. 89 im Anhang) Saisonale Themen können langfristig geplant werden und helfen den Planungsredakteuren, schon früh erste Inhalte für die einzelnen Ausgaben zu setzen. Es sind wiederkehrende Themen, die zu einer feststehenden Zeit im Jahr für die Zuschauerinnen und Zuschauer relevant werden, weil dann bestimmte Krankheiten häufiger auftreten, beispielsweise auch Beiträge über giftige Pilze im Herbst (vgl. Interview Tschirner 2015, S. 138 im Anhang). Zum Teil sind es Themen, die von Organisationen in Form etwa eines Aktionstages verbreitet werden, um auf bestimmte Erkrankungen aufmerksam zu machen. Dazu gehört unter anderem die Berichterstattung über Herzerkrankungen in den von der Deutschen Herzstiftung alljährlich im November ausgerufenen Herz-Wochen (vgl. ebd., S. 140 im Anhang).

Außerdem ist in jeder Ausgabe der multithematischen Magazine ein Thema über ein aktuelles Ereignis gesetzt. Es steht oft am Anfang der Sendung. Volker Ide, der für die „Visite“ vor allem die aktuellen Filmbeiträge macht, beschreibt deren Charakter so: „Da sind die aktuellen News von Bedeutung. Was ist gerade im Gespräch? Was ist diese Woche aktuell? Was wollen die Zuschauer zu diesem aktuellen Thema wissen?“ (Interview Ide, S. 118 im Anhang) Die Medizinredaktionen unterstreichen damit ihren Anspruch, auch kurzfristig reagieren zu können, um ihrer Zuschauerschaft mit den Gesundheitsratgebern eine aktuelle Sendung zu bieten. Die Themen dafür werden dementsprechend innerhalb von maximal zwei Tagen umgesetzt. Das Publikum kennt sie bereits aus Nachrichtensendungen wie der „tagesschau“, bekommt in „Visite“, „rbb PRAXIS“ und Co. jedoch weiterreichende Informationen und Hintergründe dazu, wie Fass am Beispiel SARS darstellt: „Die ‚tagesschau‘ liefert die Fakten: Wo ist es ausgebrochen? Wie viele Leute sind gestorben? Wir würden dann versuchen, an Betroffene direkt ranzukommen, wenn es welche in Berlin und Brandenburg gibt. Vor allem würden wir Ratschläge geben: Ist der Zuschauer direkt bedroht? Wie kann er sich schützen? Wir brechen die Themen also auf unsere Region runter und versuchen, Ratschläge zu geben.“ (Interview Fass 2014, S. 146 im Anhang)

Raiko Thal, der im Fernsehprogramm des RBB nicht nur die „PRAXIS“, sondern auch die tägliche Hauptnachrichtensendung „AKTUELL“ moderiert, macht an den Zusatzinformationen und Hintergründen gleichfalls den grundsätzlichen Unterschied fest, den die Gesundheitsberichterstattung eines Ratgebermagazins im Vergleich zur Nachrichtensendung hat:

„‚rbb AKTUELL‘ ist die klassische Nachrichtensendung hier im Haus. Da fassen wir zusammen, was am Tag Wichtiges in Berlin und Brandenburg passiert ist. Ein medizinisches Thema kommt

darin nur dann vor, wenn es ein tagesaktuelles Ereignis ist, das für die Berliner und Brandenburger wichtig ist. In der ‚PRAXIS‘ haben wir mehr Zeit. Da behandeln wir ja viel mehr als nur ganz aktuelle Themen. Aber auch die können wir viel hintergründiger aufarbeiten. Beispiele wären Masern- oder Grippewellen. Das kommt in beide Sendungen. Aber in der Nachrichtensendung fassen wir das kurz zusammen. In der ‚PRAXIS‘ besprechen wir dann all die Fragen, die die Zuschauer dazu noch haben.“ (Interview Thal, S. 133 im Anhang)

Auch wenn die TV-Gesundheitsratgeber viele klassische medizinische Themen in Form von Krankheitsbildern behandeln, so bezogen sich doch rund 20 Prozent ihrer Inhalte in der Themenfrequenzanalyse nicht darauf. Als wichtiges Themenfeld neben (langfristig geplanten oder aktuell in die Sendung eingeschobenen) Beiträgen über Herz-Kreislauf-Erkrankungen und muskuloskelettalen Beschwerden haben die Sendungen insbesondere die Ernährung als weiteren Schwerpunkt. Ihr Anteil liegt bei acht bis 20 Prozent. In den Beiträgen geht es um Fragen wie:

Welche Tees helfen gegen Erkältung? Wie gesund beziehungsweise gefährlich ist Kaffee? Wie ungesund ist Eiscreme? Cordes misst der Berichterstattung über Ernährung eine wachsende Bedeutung bei: „Vor allem Ernährung spielt definitiv eine zunehmend größere Rolle. Die Botschaften sind hier: ‚Ernährung kann manchmal sogar heilen‘ und: ‚Ernährung kann auch vor Krankheit schützen‘.“ (Interview Cordes, S. 114 im Anhang)

Dafür hat die Medizinredaktion des NDR ein eigenes 45-minütiges Sendungsformat geschaffen, das sich ausschließlich mit dem Thema Ernährung beschäftigt: „Die Ernährungs-Docs“.

Bei „Hauptsache Gesund“ wird sogar live in der Sendung im Studio gekocht. Mugrauer begründet dies damit, neben all den schweren Themen hier Inhalte durch eine lockerere Herangehensweise vermitteln zu können und so für Abwechslung zu sorgen: „Da bekommen wir auch gelegentlich Zuschriften, in denen die Leute uns schreiben, dass wir eine Kochsendung geworden sind, sie aber eine Medizinsendung sehen wollen. Andererseits muss man sagen, dass Kochen bei den Leuten schon beliebt ist. Wir könnten zu fast jedem Thema einen Experten ins Studio stellen, der sagt, die Zuschauer sollen ihre Ernährung umstellen. Wenn wir aber live im Studio kochen, können wir viel lockerer Informationen zur Ernährung vermitteln. Die Zuschauer können das zuhause nachkochen und es tut ihnen gesundheitlich gut.“ (Interview Mugrauer, S. 176f. im Anhang)

Die Berichterstattung über Ernährung und ein Blick auf die Tabelle mit den Häufigkeiten der Themengebiete zeigt: Es gibt zwar Themen, über die besonders oft berichtet wird, insgesamt sind die Themenfelder aber vielfältig und sie decken ein breites Spektrum ab. Das bringt auch Ide zum Ausdruck, wenn er sagt: „Wir machen alles.“ (Interview Ide, S. 117 im Anhang) So verteilt sich immerhin rund die Hälfte aller Inhalte der multithematischen Magazinsendungen auf

Themengebiete außerhalb der Schwerpunkte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, muskuloskelettale Beschwerden und Ernährung.

Bei den monothematischen Ratgebern orientieren die Macher sich hingegen fast komplett an den Volkskrankheiten. Beim „Gesundheits-Check“, „service: gesundheit“ und dem monatlichen Feature der „rbb PRAXIS“ ist die Wahl des Themas schon allein deswegen von größter Bedeutung, weil es eben nur eines pro Sendung gibt. Interessiert dies die Zuschauer, schalten sie ein. Interessiert es sie nicht, erreichen die Redaktionen damit auch fast niemanden (vgl. Interview Henss 2015, S. 130 im Anhang). So ging es in den ersten beiden Folgen des „Gesundheits-Checks“

2014 um Rückenschmerzen und Bewegung. 2016 sollten Sendungen zu Übergewicht, Altern und Zähnen folgen. Das sind Themen, die (beinahe) jeden betreffen (vgl. Interview Geyer, S. 88 im Anhang). Die monothematischen Sendungen, insbesondere „service: gesundheit“, behandeln Themen, die groß genug sind, um sie von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachten zu können (vgl. Interview Brüning, S. 164 im Anhang). Volkskrankheiten sind auch deswegen ein dankbares Thema für die Macher, weil es zu ihnen viel zu sagen gibt: zu Prävention, Diagnostik und Therapie (siehe Abschnitt 3.3.).

Gerade beim „Gesundheits-Check“ und den Featuren der „rbb PRAXIS“ geht es oft um Langzeitbeobachtungen. So wurden in einer Folge des „Gesundheits-Checks“ zwei Patienten über mehrere Monate hinweg mit der Kamera begleitet. Die eine Person will ihre Rückenschmerzen mit Traditioneller Chinesischer Medizin, der andere Patient seine Beschwerden mit einer Operation bekämpfen. Für Henss machen die Langzeitbeobachtungen auch den entscheidenden Unterschied zu den kürzeren Filmbeiträgen in den Magazinsendungen aus: „Für die Sendung

‚Tuberkulose‘ war der Autor zum Beispiel länger als VJ unterwegs, unter anderem in Osteuropa.

Im Moment ist er stand by – ebenfalls als VJ – für eine mögliche Organtransplantation. Die wartenden Menschen auf der Empfängerliste hat er schon jetzt mit ihren Problemen, Hoffnungen und Ängsten befragt. Ein Magazinbeitrag von fünf Minuten ist für solche Themen nicht so geeignet wie eine Strecke von 45 Minuten.“ (Interview Henss 2015, S. 130 im Anhang) Ohne zu wissen, wie die Geschichte für einen Patienten ausgeht, begleitet der Journalist ihn also mit der Videokamera vor der Organtransplantation, während der Operation und danach. Dabei entsteht viel Filmmaterial, für das in 45-minütigen Reportagen genügend Platz ist.