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Potenzial für Biokraftstoffe

4.4 Kraftstoffpotenziale

4.4.1 Potenzial für Biokraftstoffe

Neben den grundsätzlich zu unterscheidenden Potenzialebenen (Abschnitt 4.3) ist zudem eine strategische, gesellschaftspolitische Entscheidung darüber zu treffen, in welchen Bereichen welche Anteile der grundsätzlich limitierten Potenziale zum Einsatz kommen sollen. Dies betrifft neben den biogenen Hauptprodukten aus dem landwirtschaftlichen Anbau auch alle biogenen Nebenprodukte, Rückstände und Abfälle sowie in weniger kritischem Kontext beispielsweise die punktuellen CO2-Quellen für die Bereitstellung von PTX-Kraftstoffen. Dabei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle: Neben der Effizienz der Nutzung werden unter anderem auch Systemdienstleistungen (positive Synergieeffekte mit anderen Sektoren, bspw. dem Stromsektor) oder der Mangel an technisch geeigneten, regenerativen Alternativen betrachtet. Auf diese Aspekte wird auch im Exkurs „Notwendigkeit einer umfassenden Biomassestrategie“ kurz eingegangen.

Die in Abbildung 4-21 dargestellten konventionellen Kraftstoffpotenziale basieren auf einer inländischen Flächeninanspruchnahme von 200.000 ha für Bioethanol-Ressourcen und 500.000 ha für Biodiesel-Ressourcen. Dies entspricht dem Niveau aus dem Jahr 2019 und zugleich dem langjährigen Minimum, bezogen auf die Jahre 2012 bis 2020 [BMEL (2021)].

Abbildung 4-21 Technisches Potenzial für Biokraftstoffe in Deutschland, eigene Berechnung auf Datenbasis: fortschrittliche Bioressourcen 2015 gemäß [DBFZ (2021b)] und die damit verbundene Konversion bevorzugt zu den flüssigen Biokraftstoffen Ethanol und FAME, zzgl. als Summe dargestellt mit alternativem Fokus Methan; Ressourcen für konventionelle Biokraftstoffe von Anbauflächen 2019 gemäß [BMEL (2021)] und entsprechende Konversion.

Entsprechend der in Abschnitt 4.3 dargestellten Potenzialebenen ist das technische Potenzial größer als das mobilisierbare, d. h. nutzbare Potenzial. Das in Abbildung 4-21 dargestellte technische Ressourcen-potenzial muss daher um zahlreiche limitierende Faktoren bereinigt werden, um das mobilisierbare Potenzial (Abbildung 4-22) zu ermitteln. Bei der Erschließung dieses Potenzials muss berücksichtigt werden, dass perspektivisch auch weitere Sektoren verstärkt biogene Ressourcen einsetzen werden und daher das mobilisierbare Potenzial sehr wahrscheinlich nicht vollumfänglisch einer energetischen Nutzung im Verkehrstsektor zugeführt werden kann.

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Abbildung 4-22 Mobilisierbares Potenzial für Biokraftstoffe in Deutschland, eigene Berechnung auf Datenbasis: fortschrittliche Bioressourcen 2015 gemäß [DBFZ (2021b)] und die damit verbundene Konversion bevorzugt zu den flüssigen Biokraftstoffen Ethanol und FAME, zzgl. als Summe mit alternativem Fokus Methan dargestellt; Ressourcen für konventionelle Biokraftstoffe von Anbauflächen 2019 gemäß [BMEL (2021)] und entsprechende Konversion.

Das technische Potenzial der in Europa anfallenden landwirtschaftlichen Nebenprodukte und Abfälle in Höhe von schätzungsweise 0,7 Mrd. t Trockensubstanz (TS, Bezugsjahr 2016, Abschnitt 4.3.1) entspricht im Falle einer anaeroben Vergärung einem technischen Biomethanpotenzial von 3,8 bis 5,8 EJ zuzüglich 240 bis 290 PJ Biomethan aus der Vergasung von vor allem nicht vergärbarer Gehölz- bzw.

Obstbaumschnitte (eigene Berechnung auf Basis von [Bedoić (2019)]). Nicht enthalten sind forstwirtschaftliche Reststoffe oder beispielsweise Landschaftspflegematerial. Die Abschätzung erfolgte auf Basis von Biomethan, da hier eine große Bandbreite fortschrittlicher Bioressourcen verwertet werden kann, wobei für einzelne Stoffströme durchaus auch andere nachhaltige Verwertungswege zu biogenen Kraftstoffen möglich sind. Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass nur ein deutlich geringerer Teil des technischen Potenzials überhaupt erschlossen wird und neben der Produktion von Kraftstoffen für den Verkehr auch andere stoffliche oder energetische Nutzungen denkbar und nachhaltig sein können. Bei der Verwertung der Bioressourcen über anaerobe Fermentation oder Vergasung zu Biomethan sind darüber hinaus gegebenenfalls weitere Verfahrensschritte erforderlich, um es als Kraftstoff in Form von Bio-CNG, Bio-LNG oder auch beispielsweise Bio-GTL zur Verfügung zu stellen. Dabei geht jede dieser Optionen mit spezifischen Effizienzverlusten einher - das heißt, dass die nutzbare Energie in Form von Kraftstoff entsprechend reduziert wird.

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Notwendigkeit einer umfassenden Biomassestrategie

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung steht: „Die Bioenergie in Deutschland soll eine neue Zukunft haben. Dazu werden wir eine nachhaltige Biomasse-Strategie erarbeiten.“

Die Herausforderungen bei der Entwicklung hin zur Klimaneutralität bis 2045 beinhalten auch die optimale Integration aller biogenen Ressourcen in einen zielorientierten Kohlenstoffkreislauf. Neben der Reduktion von THG-Emissionen ist die Kenntnis über Qualität und Quantität aller nutzbaren biogenen Ressourcen einerseits sowie deren gezielt optimierte Nutzung in den erforderlichen Sektoren anderer-seits unerlässlich.

Diese Biomassenutzungsstrategie muss sowohl die energetische und stoffliche Nutzung von Biomasse als auch deren Senkenleistung betrachten. Die Untersuchung und Bewertung von Zielkonflikten beispielsweise hinsichtlich Flächenverfügbarkeit und Nutzungskonkurrenzen soll als Grundlage für eine gut abgewogene Nutzung der Biomasse dienen, die ein zentraler Faktor in allen Sektoren ist. [dena (2021c)]

Die bereits etablierte energetische Nutzung von Biomasse in verschiedenen Sektoren, aber auch ihre zunehmende stoffliche Nutzung im Zuge einer sich aufbauenden Bioökonomie machen neben einer einheitlichen und ausreichend hohen CO2-Bepreisung sowie einer umfassenden Nachhaltigkeits-zertifizierung aller Biomassen [Witte (2019)] vor allem eine nachhaltige Strategie zur Nutzung der begrenzten Ressourcen erforderlich.

Nicht zuletzt besteht eine wichtige Wechselwirkung auch mit dem landwirtschaftlichen Sektor und der Nahrungsmittelbereitstellung. Das Erreichen der Klimaziele in Deutschland ist unter anderem mit der grundsätzlichen Prämisse größerer Marktanteile von pflanzlichen anstelle von tierischen Eiweiß-produkten in der Zeit nach 2030 verbunden [Prognos (2021)]. Eine deutliche Reduktion der Tierhaltung würde auch zu einem entsprechend reduzierten Flächenbedarf für den Futtermittelanbau führen.

Wenngleich beispielsweise eine Ausweitung des ökologischen Landbaus und die damit einhergehende Reduktion der Flächenerträge diesen Effekt reduziert.

Wie beispielsweise Zech et al. zeigt, kann eine fleischärmere und damit gesündere Ernährung in Europa auch deutliche Potenziale für andere Nutzungen freisetzen. Die Landwirtschaft verursacht einen großen Teil der weltweiten THG-Emissionen, wobei die Viehzucht den größten Anteil daran hat. Die Begrenzung des durchschnittlichen täglichen Fleischkonsums pro Kopf in Europa auf das maximal von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Maß würde etwa einer Halbierung der derzeitigen Menge entsprechen (von > 200 g/d auf dann 100 g/d pro Kopf). Dies würde das Potenzial für Biokraftstoffe von insgesamt 9,5 Mio. t (Biodiesel und Bioethanol, Durchschnitt 2007–2011) auf dann fast 69 Mio. t (Biodiesel, Bioethanol und Biomethan) erhöhen. Des Weiteren würden in großem Umfang direkte Emissionen aus der Tierhaltung vermieden werden. [Zech (2019)]

Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung lag die in Deutschland zum Verbrauch zur Verfügung stehende Menge Fleisch im Jahr 2020 nach vorläufigen Zahlen bei 84,5 kg/Kopf. Diese Menge umfasst neben dem tatsächlichen Verzehr von 57,3 kg/Kopf (- 1,3 % gegenüber 2019) auch den Verbrauch für Futtermittel, industrielle Verwertung sowie alle Verluste. Demgegenüber lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch in der EU-28 bei 80,0 kg im Jahr 2019 und um 0,6 % über dem Wert des Vorjahres. Der weltweite Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch lag 2018 bei 42,9 kg und war damit um 28 % gegenüber dem Jahr 1990 gestiegen. [BLE (2021a)]