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VERFAHRENSBESCHREIBUNG

Mitraffination oder Co-Prozessierung (engl.: co-processing) beschreibt den Prozess der simultanen Verarbeitung bzw. Raffination von fossilen erdölbasierten Rohstoffen mit biogenen Ressourcen in derselben Infrastruktur und Reaktortechnik. Die mitzuverarbeitenden biogenen Gemische stellen beispielsweise Bioöle (z. B. Pflanzenöle, tierische Fette oder Altspeiseöle) und Biocrudes (inkl.

Pyrolyseöle, Öle aus der HTL und dem FT-Verfahren) dar [van Dyk (2019)]. Eine Mitraffination kann den Vorteil der Nutzung bestehender Infrastrukturen und Erfahrungen in der Prozessführung bieten. Nicht nur Investitionskosten, auch Betriebskosten können aufgrund der Anlagenskalierung im Vergleich zu einer Stand-alone-Anlage gesenkt werden. [van Dyk (2021)]

Biocrudes und Bioöle besitzen im Vergleich zu Rohöl oftmals einen deutlich höheren Sauerstoff- und Wassergehalt, einen niedrigeren Heizwert sowie ggf. einen höheren Anteil an freien Fettsäuren [van Dyk (2019)]. Überdies können sie einen im Vergleich zu Erdölprodukten höheren Alkali- und Erdalkalimetallgehalt (z. B. Natrium, Kalium und Calcium) aufweisen und weitere chemische Komponenten enthalten, die für eine Erdölraffination im Allgemeinen untypisch sind [Terry Marker (2005)]. Dies kann die jeweiligen Betriebsbedingungen beeinflussen, eine Desaktivierung der Katalysatoren zur Folge haben und höhere Anforderungen an die Materialien der Infrastruktur stellen.

Um nicht das Risiko der weitreichenden Prozessbeeinflussung einzugehen, wird die Mitraffination biobasierter Öle häufig unter Berücksichtigung eines Vorbehandlungsschrittes untersucht [van Dyk (2019)]. Ein Beispiel stellt hierbei die Veresterung von Bioölen mit hoher Säurezahl dar, um die Reaktor- und Rohleitungsmaterialien vor korrosiven Schäden zu schützen. Dem hohen Sauerstoffgehalt von Biocrudes kann beispielsweise mit einem vorgeschalteten Hydrotreatment entgegengewirkt werden. Die Intensität der Aufbereitung der biogenen Ströme, um für die Mitraffination in Betracht gezogen zu werden, wird in der Literatur je nach Zusammensetzung und Herkunft des Öls kontrovers diskutiert [van Dyk (2021)].

Der Ort der Beimischung hängt von der Ähnlichkeit der biogenen Substanz mit dem fossilen Öl und von dem gewünschten Endprodukt bzw. der Endnutzung ab. Während erdölbasiertes Rohöl in Raffinerien

typischerweise in einem vorgeschalteten Destillationsschritt fraktioniert und erst anschließend aufbereitet wird, sind die bereits aufgeführten Unterschiede der biogenen Öle hinderlich für diese Herangehensweise [van Dyk (2021)]. Wesentliche Orte der Mitraffination stellen demnach Hydrocracker, Hydrotreater und Fluid Catalytic Cracker (FCC) nach der Rohöldestillation dar. Sowohl der Hydrocracker als auch das Hydrotreatment haben die Sättigung ungesättigter Bindungen sowie die Reduktion von Sauerstoff, Schwefel und weiteren Heteroatomen zum Ziel. Der Hydrocracker bewirkt aufgrund harscherer Betriebsbedingungen zudem eine Kettenlängenveränderung des Produktes. Mit steigendem Gehalt an Heteroatomen (beispielsweise Stickstoff oder Sauerstoff durch ein Biocrude) kann sich der Bedarf dieser Einheit an Wasserstoff erhöhen. Ähnlich verhält es sich mit dem Anteil ungesättigter Verbindungen im Rohstoff. Zudem ist beim Einsatz von Biocrudes auf die geringe Akzeptanz des Hydrotreatment- und Hydrocracker-Katalysators gegenüber Verunreinigungen zu achten [van Dyk (2018)]. Für die Produkte der biobasierten Fraktionen, die gemeinsam mit erdölbasierten Ressourcen in einem Hydrotreater oder -cracker mitraffiniert wurden, ist in einigen Veröffentlichungen und Statistiken die Bezeichnung co-prozessiertes HVO/HEFA (CP-HVO/HEFA) zu finden.

Für Biocrudes wie Pyrolyseöl, Fischer-Tropsch-Öle und Produkte der hydrothermalen Verflüssigung, die längere Kohlenwasserstoffmoleküle und Aromaten aufweisen, ist einer der untersuchten Orte in der Mitraffination die FCC-Einheit. In dieser werden Aromaten in lineare Kohlenwasserstoffketten und höhere Kohlenwasserstoffketten in kürzere Ketten gespalten. Das Verfahren ist vergleichsweise flexibel in der Wahl der Einsatzstoffe, ein steigender Wasserstoffbedarf ist nicht zu erwarten und die Katalysatoren sind im Vergleich zu denen des Hydrotreatment resistenter gegenüber Katalysatorgiften [van Dyk (2018)].

Abbildung 3-15 veranschaulicht die wichtigsten Orte der Mitraffination von biogenen Ressourcen in einer erdölbasierten Raffinerie.

Abbildung 3-15 Mitraffination von biogenen Ressourcen in fossilen Raffinerien, Datenbasis: [van Dyk (2018); van Dyk (2019)]

AUSGEWÄHLTE FIRMEN UND INITIATIVEN

Das Unternehmen Petrobras (Petróleo Brasileiro S.A.) hat bereits Benzin mit einer geringen Beimischung von Sojaöl kommerzialisiert, das im FCC eingesetzt wurde [van Dyk (2018)]. Dasselbe Unternehmen testete auch die Verarbeitung von Biocrude aus Pyrolyse von Zuckerrohrstroh im Demonstrations-maßstab von 150 kg/h und berichtete von Aktivitäten mit Biocrude aus anderen Ressourcen [Rezende Pinho (2014); Silva (2020)]. Pyrocell Ltd. startete im Sommer 2021 in einer Testphase die Produktion von zunächst etwa 50.000 t Pyrolyseöl mithilfe der BTG Bioliquids Technology aus Sägemehl. Preem Petroleum AB, zusammen mit der Setra Group AB Unternehmenseigner von Pyrocell Ltd., wird in seiner Raffinerie in Gävle (Schweden) dieses Pyrolyseöl über zwei Jahre in einer FCC-Einheit mitraffinieren [Bioenergy International (2021b)].

Das Projekt „BL2F“ entwickelt ein HTL-Verfahren, das in Zellstofffabriken eingesetzt werden soll, um Biocrude aus Schwarzlauge zu gewinnen, die in Ölraffinerien raffiniert werden soll [BL2F (2021)]. In

a Geeignet sind je nach Edukt Verfahren wie Veresterung, Destillation, Hydrotreatment oder Cracken.

Mitraffination von Pflanzenöl Mitraffination von HTL/Pyrolyse-Biocrude Mitraffination von FT-Biocrude Verfahrensübergreifend

Norwegen baut die Firma Silva Green Fuel eine Demonstrationsanlage zur Herstellung von Biocrude via HTL auf. Das produzierte Biocrude soll in fossilen Raffinerien aufgewertet werden [Silva Green Fuel (2017); Steeper Energy (2017)]. Die Firma Arbios Biotech plant in Prince George (Kanada) den Bau einer Anlage mit einer Kapazität von etwa 7.950 m³/a Biocrude aus HTL [Bioenergy International (2021a)]. Im Projekt “KEROSyN 100“ wird der Bau einer MTJ-Anlage erwartet, deren Produkt in der Raffinerie Heide veredelt werden soll [DLR (2020)]. In Schweden und den USA wurden bereits Pyrolyseanlagen mit Kapazitäten von 24.000 t/a bzw. 75.710 m³/a Biocrude umgesetzt, die auch in Erdölraffinerien prozessiert werden [BTG bioliquids (2021); Ensyn (2021)]. Im Projekt „Biozin“ wird der Bau einer Anlage mit einer Kapazität von 100.000 t/a Biocrude aus der Technologie IH2 „Integrated Hydropyrolysis and Hydroconversion“ von Shell geplant [IEA Bioenergy (2021b); Shell (2021c)]. Beispiele für die Mitraffination von bis zu 5 % Lipiden sind die Raffinerien BP Cherry Point (USA) und die Parkland-Raffinerie (USA) [van Dyk (2021)].

FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSBEDARF

Seit 2018 und 2020 ist die Mitraffination von bis zu 5 % Fetten und Ölen bzw. des Biocrudes aus dem FT-Verfahren gemäß ASTM D1655, der „Standardspezifikation für Flugturbinenkraftstoffe“, zulässig [CAAFI (2021)]. Biocrudes aus der HTL, der Pyrolyse oder anderen thermokatalytischen Prozessen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zertifiziert. Diese müssen zunächst vor dem kommerziellen Einsatz in der zivilen Luftfahrt eine entsprechende Aufnahme in die ASTM D1655 erwirken. Die Mitraffination von bis zu 30 % Tallöl wurde bereits durch das Unternehmen Preem Petroleum AB untersucht, das Produkt ist jedoch noch nicht nach ASTM D1655 für die zivile Luftfahrt zugelassen [van Dyk (2021)]. Aufgrund der bereits in geringem Umfang stattfindenden Mitraffination von Lipiden kann von einem TRL 8 bis 9 ausgegangen werden. Vermehrter Forschungsbedarf besteht noch im Bereich der Biocrude-Mitraffination. Hier sind insbesondere aufgrund fehlender Biocrude-Mengen wenig Aktivitäten im großen Maßstab ersichtlich [van Dyk (2021)]. Der technische Entwicklungsstand ist hierfür auf TRL 5 festzulegen.