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Positionierung und Wertschätzung der Sozialarbeit im Krankenhaus

6 Methodisches Vorgehen

7.4 Herausforderungen

7.4.2 Positionierung und Wertschätzung der Sozialarbeit im Krankenhaus

Neben den positiven Aspekten der Zusammenarbeit berichtet die Sozialarbeiterin des KAV Hauses auch von Herausforderungen, ihre Positionierung neben den anderen Berufsgrup-pen, insbesondere der Pflege, zu finden. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit der Pflege in Bezug auf das Entlassungsmanagement ist die Aufgabenteilung noch nicht voll-ständig klar. Als Beispiel nennt sie die Erstellung des Pflegesituationsberichtes, der am Ende des Aufenthaltes von Patient*innen an den Fonds Soziales Wien zur weiteren Orga-nisation der Betreuung versendet wird. Dieser wird klassischerweise durch die Pflege er-stellt, da er detaillierte Informationen bezüglich des Pflegebedarfs und des gesundheitli-chen Zustandes der Patient*in enthält. Ergänzt wurde er bisher durch die Sozialarbeit nur, wenn eine weitere sozialarbeiterische Abklärung notwendig ist, jedoch erlebt sie Tenden-zen, ihr die Erstellung des gesamten Berichtes zuteilen zu wollen, um Absprachen zu ver-meiden. In Bezug auf die Hierarchie im Krankenhaus wurde sie im Laufe ihrer Berufstätig-keit positiv überrascht. Sie ist, wie auch die Ärzt*innen, lediglich dem ärztlichen Direktor unterstellt und empfindet dies als großen Vorteil, da sie auf der Station niemandem Re-chenschaft ablegen muss. Sie hat das Gefühl, mit allen Berufsgruppen auf Augenhöhe zu

54 stehen. Sie vertritt ihre Position auch dann, wenn sie auf Widerstand stößt und verfügt über ein großes berufliches Selbstbewusstsein. Auch über Wünsche von anderen Personen hin-weg vertritt sie rein die Interessen der Patient*innen und entscheidet nicht über deren Köpfe hinweg auf Anweisung anderer. Ebenso differenziert sie zwischen wirklich dringen-den Angelegenheiten, beispielsweise wenn sie während Besprechungen angefordert wird, und dem, was noch warten kann bis sie wirklich Zeit dafür hat. Grundsätzlich lässt sich aus den Aussagen der Sozialarbeiterin schließen, dass sie aufgrund ihrer wichtigen Funktion als Entlassungsmanagerin und Sozialarbeiterin eine starke Positionierung und die Aner-kennung aller Berufsgruppen genießt.

Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder fühlt sich die Sozialarbeit ebenfalls wertge-schätzt. Auch sie hat in der Doppelfunktion aus Entlassungsmanagement und Sozialarbeit eine wichtige Rolle im System, die nicht von anderer Stelle ersetzt werden kann. Sowohl von ärztlicher als auch von pflegerischer Seite bekommt das Team wertschätzende Rück-meldungen. Auch hier wird thematisiert, dass diese Haltung von einzelnen Persönlichkei-ten abhängt. Egal welchen Alters haben einige Angehörige unterschiedlicher Berufsgrup-pen wenig Verständnis für die Lebensumstände von Patient*innen aus gesellschaftlichen Randgruppen, die von der Sozialarbeit unterstützt werden. Von der Pflege kam auch der Impuls, einen Flyer zu erstellen, um das Angebot der Sozialarbeit den Patient*innen und deren Angehörigen sowie den anderen Berufsgruppen besser vorstellen und zugänglich machen zu können.

Die Sozialarbeiterin des Verbindungsdienstes der MAG 11 erlebt es als großen Vorteil, nicht direkt in den Stationsalltag eingebunden zu sein, sondern einer externen Stelle un-terstellt zu sein. So muss sie sich nicht laufend anderen gegenüber definieren und ihre Arbeit erklären, da aus ihrer Sicht heraus die hauseigene Sozialarbeit im Krankenhaus nicht so bekannt ist und somit öfter in diese Situation gerät. Auch die Vermischung der Berufsgruppen ist aus ihrer persönlichen Sicht nicht immer erwünscht. Zu Beginn ihrer Tä-tigkeit war sie durchaus mit Ablehnung und Unverständnis konfrontiert. Sie konnte sich jedoch ein gutes Standing erarbeiten, indem sie professionell mit den anderen Berufsgrup-pen zusammenarbeitet und ein gegenseitiges Verständnis für die jeweiligen Aufgaben her-gestellt werden konnte. Die Wichtigkeit ihrer Arbeit im Krankenhaus wird ihr immer wieder bewusst gemacht, wenn die Kolleg*innen auf den Stationen froh sind, wenn sie nach län-gerer Abwesenheit wieder im Dienst ist und sie diese unterstützen kann. Aus ihren Aussa-gen wird deutlich, dass Sozialarbeit mit mehr Stunden dort noch mehr besonders wichtige Präventionsarbeit leisten könnte. Bevor sie vor drei Jahren diesen Posten übernahm, wurde die Wochenstundenzahl der Sozialarbeit im Verbindungsdienst auf dieser Station

55 von 40 auf 20 Stunden halbiert. Dies ist jedoch in diesem speziellen Fall eine Entscheidung der MAG 11 und nicht des Krankenhauses. Aufgrund der in Kapitel 4.3 erläuterten gesetz-lichen Bestimmung ist der Verbindungsdienst jedoch nach wie vor tätig und kann nicht so einfach aufgelöst werden. Dennoch bedauert die Sozialarbeiterin diesen Umstand und ist sich bewusst, dass sie nicht alles leisten kann, was noch hilfreich für die Kinder und deren Mütter wäre. Zudem empfindet sie es als großen Mangel, dass es kaum Supervision im Arbeitsfeld der Krankenhaussozialarbeit gibt. Die Sozialarbeiter*innen sind oft mit belas-tenden Situationen und Themen wie Tod und Trauer konfrontiert, welche über eine regel-mäßige Supervision gut bearbeitet werden können.

Der Vorteil einer externen Sozialarbeit wird auch durch den Mitarbeiter der FSW Tochter-gesellschaft bestätigt. Aufgrund der Tatsache, dass die Sozialarbeiter*innen von den Sta-tionen angefordert werden, ist bereits eine Abklärung zuvor erfolgt und die Sozialarbeit setzt dort an, wo das Entlassungsmanagement seine Grenze erreicht. Es gibt somit einen klaren Auftrag. Zudem macht es einen anderen Eindruck, wenn Sozialarbeit als fachliche Expertise von außerhalb angefordert wird. Durch Abschlussberichte wird dem Kranken-haus als Auftraggeber deutlich kommuniziert, welche Leistung die Sozialarbeit erbracht hat und welchen Nutzen dies für das Krankenhaus hat. Der Einsatz einer externen Sozialarbeit ist für das Krankenhaus auch kostengünstiger, da sie nur punktuell angefordert wird und nicht wie fest angestellte Sozialarbeiter*innen durchgehend finanziert werden muss.

Die Sozialarbeiterin der MA 15 erlebt für sich auch eine hohe Wertschätzung ihrer Arbeit im Alltag. Gleichzeitig empfindet auch sie es als Vorteil, von externer Stelle beauftragt zu werden, da sie befürchtet, als fest angestellte Sozialarbeiterin zu enge Vorgaben zu haben.

Sie wird von der Pflege angefordert, um herausfordernde Themen mit den Patient*innen so vorzubereiten, dass die Pflege und das Entlassungsmanagement nur noch die Organi-sation übernehmen müssen. Aufgrund des Personalmangels bleibt der Pflege für intensi-vere Gespräche kaum Zeit, sodass die Sozialarbeit eine große Unterstützung ist. Auch von ärztlicher Seite erfährt sie Bestätigung. Dort kann sie dabei helfen, medizinischem Perso-nal einen anderen Blickwinkel zu ermöglichen oder eine Abklärung durchführen, wenn sich die Familien von Patient*innen herausfordernd verhalten. Im Laufe ihrer langjährigen Be-rufserfahrung hat sie unterschiedliche Erfahrungen gemacht, was die Positionierung der Sozialarbeit angeht. Teilweise wurde sie vom Primarius zur Chefvisite hinzu gerufen, weil dieser den Eindruck hatte, die sozialarbeiterische Sichtweise könnte die medizinische we-sentlich ergänzen. Zu einer anderen Zeit, als bereits die kollegiale Führung im Spital ein-geführt war, musste sie darum kämpfen, einen Anrufbeantworter zu bekommen, weil der Verwaltungsdirektor dies nicht als notwendig erachtete. Einen großen Einfluss auf die

56 Wertschätzung der Sozialarbeit im hierarchischen System des Krankenhauses haben die Haltungen einzelner leitender Persönlichkeiten. Aktuell berichtet sie von der Überforderung der Pflegepersonen durch Personalmangel und deren Forderung nach mehr Unterstützung durch Sozialarbeit, die jedoch von den zuständigen Personen nicht gehört wird. Zudem steht sie der Organisation von Sozialarbeit nur auf Anforderung, ohne direkten Patient*in-nenzugang kritisch gegenüber.

Insgesamt wird deutlich, dass die befragten Personen persönlich eine hohe Wertschätzung ihrer Arbeit durch andere Berufsgruppen in ihrem Arbeitsalltag erleben. Eine Besonderheit ist hierbei sicherlich, dass die befragten Personen entweder von externen Stellen in die Krankenhäuser entsandt werden oder die Kombination von Entlassungsmanagement und Sozialarbeit als Aufgabenbereiche abdecken. Zudem besteht aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen für ihre Einsatzbereiche (vgl. Kapitel 5.2) eine Grundlage, die von den Auf-traggebern eingehalten werden muss. Eine Streichung dieser Stellen ist also nicht einfach möglich. Dennoch erlebt besonders die Sozialarbeiterin der MAG 11 eine Vernachlässi-gung dieses Arbeitsbereiches insbesondere durch die Kürzung von Stunden. Auch durch die Anforderung der Sozialarbeit der FSW Tochtergesellschaft spart sich das Spital erheb-liche Kosten im Vergleich zur Festanstellung von Sozialarbeiter*innen, was auch durch die Sozialarbeiterin der MA 15 kritisiert wird. Die Zugehörigkeit zu externen Dienstgebern wird jedoch von allen entsprechend tätigen Sozialarbeiter*innen als positiv erlebt, da sie eine große Freiheit in der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit haben und in ihrer fachlichen Expertise anerkannt werden. Eine Gemeinsamkeit ist der Eindruck, auf Augenhöhe mit den anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten zu können und dass überall bekannt ist, welche Arbeit die Sozialarbeit mit den Patient*innen leistet. Hilfreich sind ein berufliches Selbstbewusst-sein und die Fähigkeit, sich in der Gemengelage der verschiedenen Perspektiven auf die-selbe Situation zurechtzufinden und so zu kommunizieren, dass sozialarbeiterische Unter-stützung für die Patient*innen auch erfolgreich umgesetzt werden kann. Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem persönlichen Erleben der Sozialarbeiter*innen im Arbeitsalltag und den Erfahrungen mit den Rahmenbedingungen der Dienstgeber*innen, welche darauf schließen lassen, dass sozialpolitisch der Sozialarbeit im Krankenhaus keine allzu rele-vante Rolle zugestanden wird.