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Technologische Fadenrisse und koordinierte Industrialisierung

Es dauerte nicht nur länger, bis die neuen umweltpolitischen Aktivitäten in der Energiepolitik zurück zur Photovoltaik fanden, die Industrie geriet zeitversetzt in verschiedenen Ländern in eine zunehmend kritische Lage. In der Photovoltaik-industrie waren die 1990er-Jahre in Deutschland, Japan und den USA die Ära öffentlich koordinierter Entwicklungskonsortien. Wiederum ging der Impuls in diese Richtung von den USA aus, diesmal allerdings nicht als ambitionierte Pionierbewegung, sondern als Reaktion auf einen wahrgenommenen Verfall der amerikanischen Industrie. Was in den frühen 1990er-Jahren zuerst in den USA, dann in Japan und später in Deutschland aufkam, war eine sehr produktive Kombination aus einer tendenziell geschwächten Industrie und der politischen Sorge um deren Verfall. Wie oben dargestellt, waren große Teile der kollabora-tiven industriellen Bemühungen der 1970er-Jahre bis in die zweite Hälfte der 1980er-Jahre zerfasert und praktisch aufgelöst. Anfang der 1980er-Jahre wurde die amerikanische sowie die weltweite Fertigungsindustrie im Grunde von zwei Firmen beherrscht, von ARCO Solar und Solarex, die beide einerseits fast voll-ständig integriert von der Materialforschung bis zur Anlage aktiv waren und andererseits weltweite Vertriebs- und Installationsnetzwerke aufgebaut hatten.

Im Jahr 1983 waren sie zusammen mit ungefähr 7 MWp produzierter Modulleis-tung für beinahe die Hälfte der weltweiten Zellproduktion verantwortlich (siehe Tabelle 5-2). Noch im Jahr 1980, schätzte das Office of Technology Assessment

29 Armin Räuber, 2005: Photovoltaik in Deutschland – Eine wechselvolle Geschichte. In: Sigrid Jannsen (Hg.), 30 Jahre DGS. Auf dem Weg in die Solare Zukunft. München: DGS, 151–170 30 Alfred Voß, 2000: Konzeption eines effizienten und marktkonformen Fördermodells für erneuerbare

Energien. Gutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Stuttgart:

Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart, 11.

31 Gerhard P. Willeke und Armin Räuber, 2012: On the History of Terrestrial PV Development:

With a Focus on Germany. In: Semiconductors and Semimetals 87, 7–48, hier:15–16.

Tabelle 5-2Schätzungen zur Photovoltaikproduktion nach Firmen und Regionen, 1983–2002 1983198419861987198819891990199119921993199419951996199719981999200020012002 Mengen in MWp AEG/ASE/RWE0,80,70,80,81,31,21,72,12,62,63,03,73,06,07,011,014,022,729,5 ARCO Solar5,94,54,94,25,56,5 BP Solar 0,41,31,31,41,42,23,54,56,17,28,4511,313,414,542,054,074,0 Ersol0,92,39,0 Kyocera0,40,91,31,72,54,55,85,14,85,56,19,115,424,530,342,054,060,0 Mobil Solar0,10,150,050,10,050,050,20,30,2 Q-Cells0,49,0 Sanyo0,81,33,94,84,84,84,96,06,56,25,55,14,64,76,313,017,012,028,5 Sharp0,30,550,51,50,81,01,01,01,01,02,04,05,010,614,030,050,055,0110,0 Shell4,86,06,56,528,060,057,5 Siemens Solar0,10,20,20,20,47,89,89,613,013,517,217,0522,020,024,229,539,7 Solarex1,01,72,22,93,25,05,45,65,76,57,59,510,814,815,918,0 Solon4,25,3 Europa 2,02,34,04,56,77,910,213,416,416,5521,720,118,830,433,540,060,6685,4173,4 Japan2,43,812,613,212,814,216,819,918,816,716,516,421,235,049,080,0128,6145,0233,8 USA9,07,87,18,6511,114,114,817,118,122,425,6434,7538,8551,053,760,874,9796,7107,8 Weltweit15,017,021,025,032,038,043,049,054,056,061,072,083,0114,0135,0176,0252,0352,9554,9

Ein Großteil der Daten geht auf Wiedergaben und Ergänzungen von Paul Maycocks seit 1982 angefertigten Schätzungen zurück. Als absolute Zahlen sind die Daten mit Vorsicht zu behandeln, denn viele Firmen trennen nicht sauber zwischen Zell- und Modulverkäufen und handeln Zellen intern oder unter Konkurrenten, sodass Doppelzählungen möglich sind. Außerdem verzerren in der Industrie seit den späten 1980er- Jahren endemische Übernahmen und Zusammenschlüsse die Genauigkeit der Werte in den jeweiligen Umbruchsjahren. Zusätzlich enthalten verschiedene Quellen teilweise unterschiedliche Schätzungen für einzelne Datenpunkte. Quellen: Firmendaten für 1983–1984 nach Armin Räuber/Fredy Jäger, 1986: Photovoltaische Solarenergienutzung. Vergleichende Studie der Entwicklungstendenzen in der Bundesrepublik Deutschland, in Europa, den USA und Japan. BMFT-FB-T 86-048. Schlußbericht. Bonn: Bundesmi- nisterium für Forschung und Technologie; für 1986 nach Roger Little, 1986: Historical Overview, Accomplishments, and Value of the FSA Project: Industry. Pasadena, CA: JPL, California Institute of Technology, Proceedings of the 26th Project Integration Meeting, 98; für 1987–1993 nach U.S. Congress, Office of Technology Assessment, 1995: Renewing Our Energy Future. Washington, DC, September, 237; für 1994–1999 nach US Ener- gy Information Administration, 2000: Renewable Energy 2000: Issues and Trends. DOE/EIA-0628. Washington, DC: US Department of Energy, 24; r 2001 nach Armin Räuber/Werner Warmuth/Wolfram Wettling, 2003: Photovoltaische Solarenergienutzung III. 0329727. Schlussbericht. Ber- lin: Bundesministerium r Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Gesamtwerte bis 2000 nach der niedrigen Schätzung bei Armin Räuber, 2001: Die PV-Szene heute – Technologie, Industrie, Markt. Vortragsmanuskript. Staffelstein: 16. Symposium Photovoltaische Solarenergie, März 2001, 8; regionale Werte 1994–2000 nach Arnulf Jäger-Waldau, 2002: Status of PV Research, Solar Cell Production and Market Implementation in Japan, USA and the European Union. EUR 20245. Luxemburg: European Commission, Joint Research Centre, 4; regionale Werte und Gesamt- werte ergänzt nach Paula Mints, 2012: Overview of Photovoltaic Production, Markets, and Perspectives. In: Semiconductors and Semimetals 87, 49–84, 55, 62; Werte ergänzt mit IC² Institute, 2007: Opportunity on the Horizon: Photovoltaics in Texas. Austin, TX: University of Texas at Austin, 10; IEA PVPS Trends Reports, 1993–2002.

später, stammten 73 Prozent der weltweiten Solarzellenproduktion aus amerika-nischen Fabriken.32 Bis 1990 hatte sich der amerikanische Anteil an der weltwei-ten Produktion auf circa 30 Prozent verringert, hauptsächlich aufgrund der Fer-tigungsexpansion in Japan, Deutschland und Frankreich (siehe Abbildung 5-1).

Das »Gespenst« in der amerikanischen Industrie der 1980er-Jahre war die japanische Expansion in der amorphen Siliziumphotovoltaik und der für ame-rikanische Firmen weitgehend überraschende Erfindungsreichtum japanischer Elektronikkonzerne wie Fuji, Sanyo und Sharp, auf ihrer Basis elektronische Kleingeräte neu zu konzipieren.33 Die Euphorie um Dünnschichttechniken in den USA wie teilweise international ging auch an ARCO Solar und Solarex nicht vorbei. Anfang der 1980er-Jahre erhöhte ARCO die Forschungsmittel für seine Solartochter erheblich, insbesondere zur Erforschung verschiedener Dünnschichtkonzepte auf Cadmium- und Gallium basierenden Halbleitermate-rialien (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid, Galliumarsenid und Cadmiumtel-lurid) und im Bereich amorphen Siliziums (Margolis 2002: 155). Solarex ent-wickelte sich seit 1983 zum zentralen amerikanischen Lizenzfertiger für RCAs Entwicklungen in der amorphen Siliziumphotovoltaik.34 Die beiden Firmen sonderten sich mit dem Ausbau der eigenen Forschungsabteilungen zunehmend vom öffentlichen Förderkomplex ab und untermauerten damit ihre oben be-schriebenen Einzelstrategien in der Entwicklung von Produktionstechnik und ihrem Vertriebsnetz. Diese Tendenz zur Absonderung der Firmen unter der Bedingung eines kontinuierlichen Zuflusses an Mitteln aus den Mineralöler-lösen ihrer Mutterkonzerne legte sich erst, als beide Fertiger gegen Ende der 1980er-Jahre zunehmend unter finanziellen Druck ihrer Eigner gerieten. Atlan-tic Richfield sowie Amoco, seit 1978 Eigentümer von Solarex, suchten nach der Ölschwemme der 1980er-Jahre nach Rationalisierungsmöglichkeiten und be-schnitten die Budgets ihrer Solartöchter (ebd.: 169, 187). Sowohl ARCO Solar wie Solarex suchten in der Folge wieder Unterstützung in den öffentlichen

32 U.S. Congress, Office of Technology Assessment, 1995: Renewing Our Energy Future. Washing-ton, DC, 234; ebenfalls zitiert in Margolis (2002: 102).

33 Sharp selbst, der Vorreiter bei der Entwicklung von Taschenrechnern, war daran gescheitert, Produktionsanlagen Ovshinskys effektiv in Betrieb zu nehmen und kaufte amorphe Silizium-photovoltaikprodukte bei seinen Konkurrenten. Siehe Armin Räuber und Fredy Jäger, 1986:

Photovoltaische Solarenergienutzung. Vergleichende Studie der Entwicklungstendenzen in der Bun-desrepublik Deutschland, in Europa, den USA und Japan. BMFT-FB-T 86-048. Schlußbericht.

Bonn: Bundesministerium für Forschung und Technologie, 211–212. Wie auch Kyocera, das zuerst in einem Konsortium mit Sharp und Mobil Solar vergeblich versuchte, das EFG-Verfah-ren der Tyco Labs in die Fertigung zu überfühEFG-Verfah-ren, entwickelte Sharp stattdessen weitergehende Fertigkeiten in der kristallinen Siliziumphotovoltaik, die dem Konzern in den 1990er-Jahren nach dem Abflauen der a-Si-Euphorie einen Vorteil verschaffen sollten.

34 United States District Court, D. Delaware, 1992: Solarex Corp. v. Arco Solar, Inc. Decided No-vember 6, 1992. Federal Supplement 252.

Abbildung 5-1 Regionale Verteilung der Photovoltaikmodulproduktion, 1980–1993

Quelle: US Congress, Office of Technology Assessment, 1995: Renewing Our Energy Future. Washington, DC, 234.

Produktion in MWp

1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 0

10 20 30 40 50 60

Sonstige Europa Japan USA

grammen, begannen Joint Ventures mit europäischen und japanischen Fertigern und begrenzten ihre Grundlagenforschung zugunsten der immerhin Umsätze einbringenden laufenden Fertigungen kristalliner Produkte, um ihre Verluste einzudämmen. Die beiden Fertiger, auch das zeigt, wie angespannt die Lage in der Industrie Ende der 1980er-Jahre war, verwickelten sich 1989 in einen tief greifenden Patentkonflikt um ARCOs Arbeiten in der amorphen Siliziumpho-tovoltaik. Solarex hatte 1985 RCAs Patente vollständig übernommen, klagte auf exklusive Verwertung und setzte sich schließlich durch.35 ARCO, 1989 noch immer der größte Zellhersteller der Welt, wurde noch während des Verfahrens an Siemens verkauft, was die amerikanische Debatte um die Krise der ameri-kanischen Industrie zusätzlich anheizte. Einige Jahre später wurde auch Mobil Solar, das seit Mitte der 1970er-Jahre noch immer nicht geschafft hatte, sein EFG-Verfahren in die Volumenproduktion zu überführen, vom Nachfolgeun-ternehmen von AEG-Telefunken, der hauptsächlich dem RWE und Daimler gehörenden Angewandten Solarenergie (ASE), übernommen. Ebenso kauften

35 Ebd.

sich mehrere japanische Firmen in technologisch recht starke, aber finanziell schwache kleine Photovoltaikunternehmen und -abteilungen ein. Das Office of Technology Assessment schätzte 1994, dass die innerhalb weniger Jahre von internationalen Konkurrenten übernommenen amerikanischen Fertiger für bis zu 63 Prozent der amerikanischen Fertigungskapazität verantwortlich waren.36 Kongressanhörungen zu regenerativen Energietechnologien zwischen 1987 und 1994 bestanden zu großen Teilen aus Verfallsdiagnosen der ein Jahrzehnt zuvor noch für selbstverständlich gehaltenen »Spitzenbranche«. Ein Vertreter der Solar Energy Industries Association sprach im Jahr 1989 davon, dass es nun darum gehe, das VCR Syndrome für die Sonnenenergie zu verhindern,37 und warnte:

The years of 1989/1990 will determine whether the United States will have a domestic solar energy industry or relinquish its technological leadership to our international competitors.

Our country faces the real possibility of importing solar technologies in the years when they just become fully cost-competitive. […] [T]he United States has spent hundreds of millions of dollars to develop solar technologies that may be commercialized by our competitors who will reap billions of dollars and millions of jobs.38

Nun muss dazu gesagt werden, dass Geschichten deutscher, japanischer und französischer »Subventionsübermacht« bei Industrievertretern schon in den Anhörungen während der Carter-Programme endemisch waren. Ende der 1980er-Jahre trafen die Warnungen vor einem »industriellen Fadenriss« in der Photovoltaik allerdings mit der generellen Besorgnis um den Verfall der Wett-bewerbsposition amerikanischer Fertigungsindustrien zusammen.39 Seit den späten 1970er-Jahren verbreitete sich in Teilen der Verwaltung eine Erklärung für die Krisen amerikanischer Fertigungsindustrien, die auf Übersetzungspro-bleme zwischen dem sehr großzügig geförderten und ausgefeilten Forschungs-komplex und der Industrie abstellte. Die amerikanische politische Ökonomie,

36 U.S. Congress, Office of Technology Assessment, 1995: Renewing Our Energy Future. Washing-ton, DC, 263.

37 U.S. Congress, 1989: Renewable Energy and Energy Efficiency Technology Competitiveness Act of 1989. Hearing before the Subcommittee on Energy Research and Development of the Committee on Science, Space, and Technology, U.S. House of Representatives, One Hundred First Congress. First session. Washington, DC, 29.

38 U.S. Congress, 1989: Energy Efficiency and Renewable Energy Research, Development, and Dem-onstration. Hearing Before the Subcommittee on Energy Research and Development of the Com-mittee on Energy and Natural Resources, United States Senate, One Hundred First Congress. First session. Washington, DC, 68, 74.

39 Einen guten zeitgenössischen Überblick zur frühen industriepolitischen Debatte in den USA geben Johnsons (1984) und Zysmans ([1983]1987) Sammelbände. Ein guter Einblick in die spätere Debatte lässt sich aus einem Bericht des OTA gewinnen. Siehe U.S. Congress, Office of Technology Assessment, 1991: Competing Economies: America, Europe, and the Pacific Rim.

Washington, DC.

so die Diagnose, sei zwar mit Abstand führend in Forschung und Technolo-gieentwicklung, es fehle ihr aber an Fähigkeiten, Laborvorsprünge kommerziell auszunutzen (dazu noch immer: Berger 2013a). Es gehört zu den vielen ober-flächlichen Inkonsistenzen der neoliberalen Reaktion der 1980er-Jahre in den USA, dass sie entgegen ihrer marktradikalen Rhetorik maßgeblich dafür ver-antwortlich war, die seit Carter zahlreicher werdenden technologiepolitischen Ansätze zur Kommerzialisierungsförderung institutionell zu verfestigen und in Gesetze zu gießen. Im Kern bestand der neue hidden developmental state, wie Fred Block (2008) ihn genannt hat, aus verschiedenen Initiativen zur Forcie-rung staatlicher IndustriefördeForcie-rung. Beispiele sind Initiativen zur ÜberfühForcie-rung öffentlich finanzierter Forschung in den Privatsektor und Regelungen, die Joint Ventures zwischen Firmen und zwischen Firmen und öffentlichen Forschungs-stellen vereinfachten und unterstützten (Block 2008; Schrank/Whitford 2009).40

Im Bereich der regenerativen Energien wurde diese industriepolitische Neu-ausrichtung gesetzlich mit dem seit 1987 verhandelten und 1989 verabschiede-ten Renewable Energy and Energy Efficiency Technology Competitiveness Act festgeschrieben. In dem Gesetz wurden einerseits Joint Ventures und auf die Entwicklung einzelner Fertigungsschritte konzentrierte Konsortien vorgesehen, in denen die Entwicklungskosten zwischen öffentlichen Stellen und Industrie-partnern aufgeteilt werden sollten. Andererseits enthielt es ein Rahmenpro-gramm zur Exportförderung mit öffentlichen Kreditgarantien, internationalen Informationskampagnen und kollektiven Planungsmaßnahmen zur Erhöhung amerikanischer Ausfuhren. Ein Umdenken im DOE in diese Richtung fand nur stückweise statt. Die Forschungsverwaltung erkannte 1987 mehr oder we-niger offiziell an, dass der Markt für elektronische Kleingeräteanwendungen mit der amorphen Siliziumphotovoltaik für amerikanische Firmen verloren sei und von japanischen Fertigern »kontrolliert« würde.41 Obwohl sich die Programm-manager von der geförderten Technologievielfalt und der Betonung langfristi-ger Grundlagenforschung nicht vollkommen trennen wollten, gaben sie wie-derum äußerst ambitionierte kurzfristige Kostenziele aus und prognostizierten, dass die internationale Konkurrenz um den nächsten Anwendungsbereich der Technologie, die Energieversorgung elektrifizierter Länder, schon Anfang der

40 Wie Burton (2008: 128) und Schrank und Whitford (2009: 552, En. 119) herausstellen, wa-ren viele dieser industriepolitischen Maßnahmen angepasste Institutionentransfers japanischer Kohsetsushi-Programme und deutscher Fraunhofer-Institute, die wiederum selbst frühere Imitate amerikanischer Agricultural Extension Services (dazu Rogers 1988) einerseits und industrienaher dezentraler Forschungsinstitute in den USA andererseits waren.

41 US Department of Energy, 1987: Five Year Research Plan 1987–1991. Photovoltaics: USA’s En-ergy Opportunity. DOE/CH10093-7. Washington, DC: Photovoltaic EnEn-ergy Technology Divi-sion, Office of Solar Electric Technologies, 18.

1990er-Jahre beginnen könnte.42 Und wieder tauchte nach längerer Abwesen-heit auch im amerikanischen Entwicklungskomplex die alte Idee auf, dass es nur die Produktionskapazität sei, an der ein größerer Markt für die Technik scheitere, nun allerdings unter der neuen Dringlichkeit zunehmender Staaten-konkurrenz um den Standort der Produktion und industrieller Startvorteile:

Photovoltaic systems must continue to become less expensive, more durable, and more efficient.

Companies must have markets that will allow them to increase production capacity and thus reach economies of scale; i.e., if production increases substantially, then the cost of production per piece decreases accordingly – this, in turn, will increase the market penetration. Plus, to help it grow further and faster, industry must have federal support that will help it compete in the international market. If all this happens, then the photovoltaic industry will become large and photovoltaics will become a strong and stable energy supply for our nation’s future.43

Der neue industriepolitische Aktivismus führte gepaart mit konzernintern und in Märkten unter Druck geratenen Fertigern zwischen 1990 und 1996 zu ei-nem der erfolgreichsten Förderprogramme in der Geschichte der amerikanischen Photovoltaikindustrie, dem Projekt Photovoltaic Manufacturing Technology (PVMaT).44 Im Kern war PVMaT eine neu konzipierte Spielart des LSSA, ein innovationspolitisches Spezialisierungsregime zur Entwicklung und Diffusion industrieweiter technologischer Fertigkeiten. Anders als die Programme Mitte der 1970er-Jahre war PVMaT allerdings auf die kostengeteilte Entwicklung ein-zelner Anlagen oder Prozesse in den Fertigungen von Firmen ausgerichtet – auf kurzfristigere Ziele und verteilter anfallende Erfolge. Auch DOE-Programmma-nager scheuten sich im Rahmen des Programms nun nicht mehr, offene indust-riepolitische Ziele auszugeben und Förderprioritäten zurück auf die Produktions-technik zu legen. PVMaT sei gedacht, fassten die Programmmanager zusammen,

to ensure that the U.S. industry retains and extends its world leadership role in the manufac-ture and commercial development of PV components and systems. PVMaT is designed to do this by helping the U.S. PV industry improve manufacturing processes, accelerate manufac-turing cost reductions for PV modules, improve commercial product performance, and lay the groundwork for a substantial scale-up of U.S.-based PV manufacturing plant capacities.45

Dazu passend formulierten DOE-Verwalter die alte Beschreibung der Entwick-lungsfalle der Industrie um und brachten die Stagnation der Industrie über das vo-rangegangene Jahrzehnt mit ausbleibenden Prozessinnovationen in Verbindung:

42 Ebd.: 8–9.

43 Ebd.: 18.

44 Die amerikanischen Photovoltaikkonsortien der 1990er-Jahre sind der wesentliche Gegenstand der Dissertation von Robert Margolis (2002).

45 C. Edwin Witt, Richard L. Mitchell und G. David Mooney, 1993: Overview of the Photovoltaic Manufacturing Technology (PVMaT) Project. NREL/TP-411-5361. Golden, CO: National Re-newable Energy Laboratory, 1.

[N]ear-term, cost-reducing production technology has not been developed and implemented in a timely way to stimulate market increases and increased industry profitability. In recent years this dilemma has been receiving […] attention, along with renewed national attention to increasing industrial competitiveness, in general.46

Die Wiederentdeckung der koordinierten Entwicklung von Produktionsanlagen fand sich nicht nur unter Programmmanagern. Obwohl sich die amerikanische Photovoltaikindustrie auch im Jahr 1996 nicht auf eine Voraussage festlegen wollte, welche Technologie zehn Jahre später dominant sein würde, gab sie den NREL-Managern fast einstimmig vor, dass sie in erster Linie an Hilfestellungen bei der Entwicklung direkt einsetzbarer Produktionsanlagen interessiert sei.47

PVMaT wurde in fünf Phasen durchgeführt: einer Phase kollektiver Pro-blemidentifikation, einer breiter angelegten zweiten Förderphase, in der DOE-Arbeitsgruppen und kompetitiv ausgewählte Industriepartner die Entwicklung einzelner Fertigungsanlagen und Fertigungsschritte in zumeist zu gleichen Tei-len öffentlich und privat finanzierten Projekten betrieben, und einer dritten konzentrierteren Phase, die zuvor vielversprechend verlaufene Einzelprojekte vertiefte. Noch während der dritten Phase des Programms erarbeiteten Firmen, Universitätslabors und DOE-Vertreter zahlreiche bis in die Gegenwart zentrale technische Entwicklungen für die Industrie. Siemens und Solarex gelang die Überführung von Drahtsägen in die Mengenfertigung von Siliziumscheiben und sie entwickelten die Grundlagen von Verfahren, um den dabei benutzten Slurry aufzubereiten. Beide Firmen entwickelten zusätzlich stabile Fertigungsan-lagen für wesentlich dünnere und großflächigere Zellen. Spire, in den 1970er-Jahren wohl der erste spezialisierte mittelständische Produktionsmittelhersteller für die Photovoltaikindustrie, entwickelte Pilotanlagen für automatisierte Ferti-gungslinien für die Zell- und Modulproduktion. Die ASE machte im Rahmen von PVMaT Fortschritte in der Überführung von Mobils EFG-Verfahren in die Volumenproduktion und entwickelte mehrere wichtige Weichenstellungen in der Kombination von Zellen in Modulen, etwa in der Produktion von Glas-Glas-Modulen. PVMaT war auch der Rahmen, in dem Evergreen Solar, ein Kleinfertiger aus Massachusetts, die zweite bis in die Gegenwart relevante säge-freie Produktionstechnik für Siliziumscheiben in den Fabrikeinsatz überführte, ein String Ribbon genanntes Bandziehverfahren. Solar Cells Inc., ein 1990 ge-gründeter Kleinfertiger aus Arizona, der später als First Solar der größte

46 Lloyd O. Herwig, 1995: The Changing Phases of Photovoltaic Technology. Going for the Mar-ket Summit. In: Renewable Energy 6(3), 291–298, 292.

47 Siehe US Department of Energy, 1996: U.S. Department of Energy (DOE) Assessment of the Pho-tovoltaic (PV) Industry’s Needs, Priorities, and Views Regarding the DOE PhoPho-tovoltaic Program: A Summary of Feedback from Visits to 22 PV Companies. DOE/GO-10096-258. Washington, DC, 12, 14–15.

ler von Dünnschichtmodulen der Welt werden sollte, entwickelte in dem Pro-gramm Produktionsverfahren für Cadmium-Tellurid-Module. Die vierte Phase von PVMaT war spezifischer zugeschnitten, hauptsächlich auf messtechnische und Diagnoseverfahren in der automatisierten Massenfertigung. Die letzte Phase seit 2003 war auf die Stabilisierung bekannter Fertigungsverfahren ausgerichtet und auf die Erhöhung der Ausbeute im Betrieb befindlicher Produktionsmittel.

Die im Rahmen von PVMaT geförderten Entwicklungen – und ihre vom DOE forcierte Diffusion in der amerikanischen Photovoltaikbranche – bedingten, dass die US-Industrie über die 1990er-Jahre zumindest wieder mit derselben Geschwindigkeit expandierte, wie es die Weltmärkte für Photovoltaikanlagen taten (Margolis 2002: 104, Fn. 40). Im Rahmen von PVMaT wurden auch die DOE-Budgets für die Photovoltaik wieder erhöht (siehe Tabelle 5-3). Ebenso verkehrten sich die Budgetschwerpunkte der Förderprogramme. Der – in so gut wie jedem Budgetplan geringfügig umbenannte – Ausgabenblock für Basic oder Advanced Research nahm von circa 80 Prozent Ende der 1980er-Jahre bis in das Jahr 1996 auf 16 Prozent Anteil an den Gesamtausgaben ab (Nilson 1998: 80).

Weitgehend ähnlich angelegte öffentliche Bemühungen, die Industrie in Ent-wicklungskonsortien zu treiben, gab es Anfang der 1990er-Jahre in Japan. Im

Weitgehend ähnlich angelegte öffentliche Bemühungen, die Industrie in Ent-wicklungskonsortien zu treiben, gab es Anfang der 1990er-Jahre in Japan. Im