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Der Politische Berater für Österreich

Im Dokument sowjetischen Besatzung 1945–1955 (Seite 165-171)

STRUKTUR UND FUNKTION

1. Im Zentrum der Macht

2.2 Der Politische Berater für Österreich

Eine Schlüsselposition bei der Ausarbeitung der politisch-diplomatischen Strategie kam dabei dem „Politischen Berater“ zu, welcher der ranghöchste Vertreter des Volkskommissariats bzw. Ministeriums für auswärtige Ange-legenheiten im Besatzungsapparat Österreichs war.28 Ursprünglich beabsich-tigte die 3. Europäische Abteilung, „ihren“ Mann in Österreich mit möglichst großer Macht ausstatten zu lassen: Der Politberater sollte demnach dem Mili-tärkommissar nicht unterstellt, sondern de facto mit der politischen Gesamt-leitung der Besatzungspolitik betraut werden.29 Allerdings konnte sich der NKID mit diesem Vorhaben nicht durchsetzen. Gemäß der am 4. Juli 1945 bestätigten „Verordnung über den Sowjetischen Teil der Alliierten Kommis-sion für Österreich“ war die Position des Politischen Beraters ausdrücklich

„beim sowjetischen Militärkommissar“ angesiedelt. Demnach fiel dem Polit-berater nicht nur die Aufgabe zu, Vorschläge und Schlussfolgerungen „zu allen Fragen politischen Charakters, darunter zu allen außenpolitischen Fra-gen, beim sowjetischen Militärkommissar“ auszuarbeiten, sondern auch „in

26 Harald Knoll – Peter Ruggenthaler, Biographische Skizzen zur sowjetischen Besatzungszone in Ös-terreich 1945–1955. Eine Auswahl, in: Stefan Karner – Barbara Stelzl-Marx – Alexander Tschubarjan (Hg.), Die Rote Armee in Österreich. Sowjetische Besatzung 1945–1955. Krasnaja Armija v Avstrii.

Sovetskaja okkupacija 1945–1955. Dokumenty. Graz – Wien – München 2005, S. 898–939, hier: S.

907; Vladislav Zubok – Constantine Pleshakov, Inside the Kremlin’s Cold War. From Stalin to Khru-shchev. Cambridge – London 1996, S. 146.

27 Pavlenko, Österreich im Kraftfeld der sowjetischen Diplomatie, S. 573.

28 Ein Überblick über die Politischen Berater für Österreich und ihre Stellvertreter findet sich in Tabel-le 2 im Anhang dieses Bandes.

29 Aleksej M. Filitov, V kommissijach Narkomindela …, in: O. Ržeščevskij et al. (Hg.), Vtoraja mirovaja vojna: Aktual’nye problemy. Moskau 1995, S. 54–71, hier: S. 56f.

Abstimmung mit dem Militärkommissar“ Informationen an die sowjetische Regierung über die Lage in Österreich vorzulegen.30 Der erste Politberater, Dekanozov, wies seinen Nachfolger Evgenij D. Kiselev eigens darauf hin, dass er den Anweisungen Marschall Konevs zu folgen habe.31

Der Einfluss des jeweiligen Politberaters als zwischenbehördliche Instanz ist dennoch nicht zu unterschätzen: Zwar war er als Organ der SČSK dem Militär- (ab Oktober 1946: Hoch-)Kommissar unterstellt, doch unterstand er in seiner Funktion als politischer Vertreter der UdSSR in Österreich le-diglich dem Volkskommissariat bzw. Ministerium für auswärtige Angele-genheiten.32 Ihm kam dabei die Rolle eines „Puffers“ zwischen Diplomaten, Armeeangehörigen und Organen des NKVD zu. Außerdem stellte der Politi-sche Berater gemeinsam mit seinem Stellvertreter gerade in der ersten Nach-kriegszeit die direkte Verbindung zwischen den sowjetischen Organen und den österreichischen Verwaltungsstrukturen dar. Seine analytischen Berich-te und Vorschläge zur politischen Vorgehensweise bildeBerich-ten eine wichtige Grundlage für die Entscheidungsprozesse Moskaus, wobei viel von seinem fachlichen Geschick und seinen persönlichen Qualitäten abhing. Gleichzeitig kam ihm eine geheime Kontrollfunktion zu: NKID/MID und NKVD/MVD erhielten vom Politberater laufend Informationen über die Tätigkeit der Mi-litär- bzw. Hochkommissare in Österreich. Zu jedem einzelnen Mitarbeiter der SČSK in Österreich führte der NKVD/MVD ein regelmäßig ergänztes Geheimdossier.33

Als Politberater und dessen Stellvertreter installierte man von Anfang an höchstrangige Politiker: für Deutschland Andrej Ja. Vyšinskij und für Öster-reich Vladimir G. Dekanozov, beide stellvertretende Volkskommissare für auswärtige Angelegenheiten.34 Dekanozov, den der NKID im Februar 1945 zum Koordinator der Österreichpolitik ernannt hatte, wurde per Politbüro-beschluss vom 7. April 1945 als „Politischer Berater für Österreich beim

Kom-30 AP RF, F. 3, op. 64, d. 10, S. 18–20, Instruktion über die Tätigkeit der Alliierten Kommission für Österreich, 4.7.1945. Der Text der Instruktion ist erstmals abgedruckt in: Knoll – Stelzl-Marx, Der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission, S. 194–196. Die Instruktion wurde per Beschluss des Rates der Volkskommissare bestätigt. Vgl. AVP RF, F. 066, op. 25, p. 119, d. 15, S. 51–55, Beschluss Nr. 1553-355s des Rates der Volkskommissare, Über die Bildung des Sowjetischen Teils der Alliier-ten Kommission für Österreich, 4.7.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 63.

31 AVP RF, F. 06, op. 7, p. 26, d. 321, S. 36, Dekanozov an Kiselev, 15.7.1945; Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 56.

32 Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 56.

33 Pavlenko, Österreich im Kraftfeld der sowjetischen Diplomatie, S. 573f.

34 Wolfgang Mueller, Sowjetbesatzung, Nationale Front und der „friedliche Übergang zum Sozialis-mus“: Fragmente sowjetischer Österreich-Planung 1945–1955, in: 200 Jahre Russisches Außenminis-terium. MÖStA. 2003/50, S. 133–156, hier: S. 143f.

mandanten der 3. Ukrainischen Front“ eingesetzt. Gleichzeitig erfolgte die Ernennung von Andrej A. Smirnov zu dessen Stellvertreter.35

Zur Unterstützung des Politberaters entsandte man per Ministerratsver-ordnung vom 7. April 1945 eine 15 Personen umfassende „politische Grup-pe“ nach Österreich, die unter anderem den Gesandten Michail E. Koptelov und drei weitere Referenten aus der 3. Europäischen Abteilung, vier Mit-arbeiter aus Dekanozovs Sekretariat und vier zuvor in Ungarn eingesetzte Angestellte des „Volkskommissariats für Staatssicherheit“ (NKGB) umfass-te.36 Die Bezahlung der „Gruppe Dekanozovs“ erfolgte in österreichischen Schillingen.37 Die für Österreichfragen zuständige und eigens bei Tolbuchin eingerichtete Politgruppe hatte „die Durchführung der Organisation und der Kontrolle bei der Errichtung der Zivilverwaltung und der Wirtschaft zu übernehmen“. Weiters bestand ihre Aufgabe darin, Maßnahmen zu treffen,

„die durch die Besetzung und bei der Wiedererrichtung eines unabhängigen österreichischen Staates erforderlich werden“ würden.38 Die Mehrheit der Po-litgruppe, darunter Dekanozov und Smirnov selbst, verließ Österreich noch im Laufe des Aprils 1945. Koptelov übernahm kommissarisch die Funktion des Politberaters.39 Mitte Mai befanden sich lediglich fünf Mitglieder der Po-litgruppe in Österreich, die im Vorfeld der Gründung der SČSK jedoch aus 34 Personen bestehen sollte. Gerade im Bereich der Medienzensur und der Kon-trolle über die politischen Parteien fehlte es an kompetenten Mitarbeitern.40

Anfang Juni 1945 ernannte der Ministerrat Evgenij D. Kiselev (1908–1963) zum Politischen Berater41 und Michail E. Koptelov zu dessen Stellvertreter.

Die Bestellung Kiselevs zum Politberater in Wien segnete das Politbüro erst

35 RGASPI, F. 17. op. 3, d. 1052, S. 24, Politbürobeschluss des ZK der VKP(b) P 45 (108), Über die Be-stellung Dekanozovs zum Politberater Tolbuchins und Smirnovs zu dessen Stellvertreter, 7.4.1945.

Vgl. Wagner, Die Besatzungszeit aus sowjetischer Sicht, S. 71f.; Mueller, Sowjetbesatzung; Knoll – Stelzl-Marx, Der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission, S. 185.

36 Mueller, Sowjetbesatzung, S. 144.

37 GARF, F. 5446, op. 1, d. 248, S. 151, Verordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR Nr. 690, Über die materielle Absicherung der Gruppe von nach Österreich reisenden NKID-Mitarbeitern, gezeichnet V. Molotov und Ja. Čadaev, 7.4.1945.

38 AVP RF, F. 66, op. 23, p. 24, d. 8, S. 20f., Bericht der 3. Europäischen Abteilung des NKID über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Roten Armee auf das Gebiet Österreichs [spätestens am 2.4.1945]. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 6. Siehe dazu auch das Kapitel A.II.1.3 „Befehle an die Truppen der 2. und 3.

Ukrainischen Front“ in diesem Band.

39 AVP RF, F. 66, op. 23, p. 24, d. 8, S. 50, Schreiben von Koptelov an Lavrov, 11.5.1945. Vgl. Mueller, Sowjetbesatzung, S. 150.

40 AVP RF, F. 66, op. 23, p. 24, d. 8, S. 53, Schreiben von Lavrov und Lun’kov an Dekanozov über die Gruppe des Politberaters, 17.5.1945.

41 GARF, F. 5446, op. 1, d. 254, S. 20a, Verordnung des Rates der Volkskommissare 1296-298s, 5.6.1945;

Mueller, Sowjetbesatzung, S. 150.

am 20. Jänner 1946 ab.42 Kiselev, der 1938 in den diplomatischen Dienst ge-treten war, genoss das Vertrauen Vyšinskijs:43 Er übte von 1943 bis 1945 das Amt des Generalkonsuls in New York aus – ein Posten, den sowjetische Di-plomaten nur erhielten, wenn sie das besondere Wohlwollen führender poli-tischer Entscheidungsträger genossen. Von April bis Mai 1945 fungierte er als Politberater der 2. Weißrussischen Front unter Marschall Konstantin K. Ro-kossovskij in Stettin, bevor er im Rang eines Gesandten nach Wien kam. Als Politberater in Österreich erhielt er in heiklen Fragen „bindende Weisungen“

von Vyšinskij.44 Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der SČSK tauschte sich Ki-selev von Anfang an mit dem Leiter der 3. Europäischen Abteilung Smirnov aus. Smirnov ließ Kiselev etwa das Protokoll der 1. Sitzung des alliierten Kon-trollrates in Deutschland übermitteln, damit sich dieser mit der „Arbeitspra-xis des alliierten Kontrollmechanismus in Deutschland“ vertraut machen konnte. Umgekehrt erbat Vyšinskij die Übersendung „analoger Unterlagen“

aus Österreich, da diese für die 3. Europäische Abteilung „nützlich“ wären.45 Neben Kiselevs Funktion als Politberater in der Alliierten Kommission er-folgte 1946 seine zusätzliche Ernennung zum politischen Vertreter der UdSSR bei der österreichischen Regierung. Allein diese Doppelfunktion verweist auf sein hohes Ansehen im Moskauer Zentrum. Nach seiner dreijährigen Funk-tion als Politberater berief ihn das Außenministerium von 1948 bis 1949, als die sowjetisch-jugoslawischen Beziehungen eine Zuspitzung erfuhren, zum Leiter der Abteilung für die Balkanländer im MID. Die „Säuberungen“ in den Reihen des Außenministeriums 1952 und 1955 bis 1956 überstand Kiselev un-beschadet: Von 1949 bis 1954 war er Botschafter in Budapest und ab 1955 Bot-schafter in mehreren arabischen Ländern. Als Krönung seiner Karriere übte er von 1962 bis zu seinem Tod 1963 das Amt des stellvertretenden

UNO-Ge-42 RGASPI, F. 17, op. 3, d. 1056, S. 3, Politbürobeschluss des ZK der VKP(b) P 49 (2), Über die Bestel-lung Kiselevs zum Politberater in Wien, 20.1.1946.

43 Vyšinkskij schlug Kiselev Ende April dem ZK der KPdSU als Politberater für Österreich vor, ver-merkte aber zugleich in einer Randbemerkung an Ivan M. Lavrov, dem Assistenten des Leiters der 3. Europäischen Abteilung: „Einstweilen schlage ich vor, Genossen Kiselev nicht nach Österreich zu entsenden.“ AVP RF, F. 066, op. 25, p. 118, d. 2, S. 1, Schreiben Vyšinskijs an Malenkov über die Bestellung Kiselevs zum Politberater in Österreich und Koptelovs zu dessen Stellvertreter [April 1945].

44 Der Mitarbeiter der 3. Europäischen Abteilung des NKID, E. Egoškin, teilte beispielsweise Smirnov mit, Kiselev habe im Zusammenhang mit den politischen Parteien Österreichs von Vyšinskij bin-dende Weisungen erhalten. Vgl. AVP RF, F. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, S. 68f., Mitteilung von Egoškin an Smirnov über ein Gespräch mit Kiselev betreffend die Regierungserklärung der Regierung Figl, 22.12.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok.

Nr. 139.

45 AVP RF, F. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, S. 18, Schreiben von Smirnov an Kiselev zur Übersendung von Sitzungsprotokollen der Alliierten Kommissionen in Österreich und Deutschland, [9.8.1945].

neralsekretärs aus.46 Auch sein Stellvertreter und Nachfolger Michail E. Kop-telov (1904–1952) war Karrierediplomat mit einem hochrangigen Mentor: Er genoss das besondere Vertrauen des Leiters der 3. Europäischen Abteilung, Smirnov, wovon auch der beinahe familiäre Ton mancher Schreiben zeugt.

Beispielsweise schloss Koptelov seinen handschriftlichen Brief an Smirnov vom 24. Dezember 1945 mit den Worten: „Ohne etwas Konkretes sind – alle Gespräche sind nur leeres Geschwätz. Nun, bleiben Sie gesund! Es drückt Ihnen kräftig die Hand. Dein M. Koptelov.“47 Sie hatten zunächst gemein-sam in der politischen Vertretung der UdSSR in Deutschland gearbeitet, wo Koptelov 1941 den Auftrag bekommen hatte, als Generalkonsul nach Wien zu gehen. Während des Krieges hatte Koptelov diese Funktion auch im Iran ausgeübt, wobei sich wiederum seine Wege mit jenen Smirnovs an der sow-jetischen Botschaft gekreuzt hatten.48 Anfang April 1945 traf er im Rang eines Gesandten in Wien ein und übernahm kommissarisch das Amt des Politbe-raters beim Kommandierenden der 3. Ukrainischen Front. Koptelov galt als ausgesprochener Österreichkenner. Im April 1945 wickelte er persönlich die organisatorischen Angelegenheiten bei der Bildung der provisorischen Regie-rung ab und repräsentierte beim ersten Treffen Renners mit Tolbuchin am 19.

April 1945 den NKID.49

Mitte Mai 1945 schlugen Mitarbeiter der 3. Europäischen Abteilung Kop-telov als Politischen Berater des sowjetischen Kommissars im geplanten Al-liierten Rat vor, doch Vyšinskij favorisierte offensichtlich seinen „Zögling“

Kiselev für diese Position. Koptelov sollte – statt des ebenfalls jungen Dip-lomaten Nikolaj M. Lun’kov50 – die Rolle des stellvertretenden Politberaters zufallen.51 Ende Mai 1948 löste Koptelov schließlich Kiselev als Politischen

46 Pavlenko, Österreich im Kraftfeld der sowjetischen Diplomatie, S. 573f.; Knoll – Ruggenthaler, Bio-graphische Skizzen, S. 919; Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 56f.

47 AVP RF, F. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, S. 71f., Schreiben von Koptelov an Smirnov über einen Entwurf eines Zusatzabkommens über den Kontrollmechanismus in Österreich und die politische Lage im Land, 24.12.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 71.

48 Pavlenko, Österreich im Kraftfeld der sowjetischen Diplomatie, S. 574.

49 AVP RF, F. 06, op. 7, p. 26, d. 325, S. 10, Dekanozov an Molotov, 6.4.1945. Vgl. Wagner, Die Besat-zungszeit aus sowjetischer Sicht, S. 58; Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 56f.

50 Lun’kov wurde Ende Juli 1945 aus Österreich ins NKID abberufen. Koptelov schlug daraufhin für den Posten des ersten Assistenten des Politberaters Aleksej I. Serov aus der 3. Europäischen Ab-teilung des NKID vor. Vgl. AVP RF, F. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, S. 14, Schreiben von Koptelov an Dekanozov bezüglich der Nachbesetzung des Postens von Lun’kov durch Serov, 25.7.1945.

51 AVP RF, F. 066, op. 25, p. 119, d. 15, S. 19f., Schreiben von Lavrov und Poljakov an Vyšinskij und Dekanozov zum Entwurf einer Verordnung des Rates der Volkskommissare über die Bildung der SČSK mit beiliegendem Verordnungsentwurf, 11.5.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 60. Siehe dazu auch das Kapitel A.III.5.1 „‚Kei-ne Zeit zu verlieren!‘ Im Vorfeld der SČSK“ in diesem Band.

Berater ab. Herbe Kritik traf ihn jedoch im Herbst 1951 im Zuge der Überprü-fung und anschließenden Umstrukturierung der SČSK. Noch vor Jahresende ließ ihn das Politbüro wegen seiner nicht zufriedenstellenden Arbeit als Polit-berater nach Moskau versetzen,52 wo ihn allerdings das MID zum stellvertre-tenden Leiter der 3. Europäischen Abteilung machte. In Österreich übernahm Sergej M. Kudrjavcev seinen Posten,53 der offensichtlich als „qualifizierter“

für das Amt des Politberaters in Österreich galt.54 Koptelov starb 1952 mit 48 Jahren.

Kudrjavcev (1915–1998) war nach dieser Ämterrochade von November 1951 bis Juli 1955 Politberater, wobei ihm ab Mitte 1953 zugleich die Funktion des stellvertretenden Hochkommissars zufiel. Er war nach seiner Tätigkeit als TASS-Korrespondent in Berlin 1941 in den diplomatischen Dienst getre-ten und hatte 1946 als Gehilfe des Politberaters der „Sowjetischen Militär-administration in Deutschland“ (SMAD) fungiert. Nach seiner Tätigkeit in Österreich übte er für zwei weitere Jahre das Amt des Gesandten in Bonn aus und kehrte danach als Leiter der 3. Europäischen Abteilung nach Moskau zu-rück.55 Nach mehreren Botschafterposten war Kudrjavcev von 1971 bis 1972 Vertreter bei der UNESCO.56

Doch nicht nur die diplomatische Schiene war für Österreich hochkarätig besetzt. Wien stellte gerade auch bei den Militärs ein wichtiges Betätigungs-feld dar, wo Meriten zu verdienen waren. Der Einsatz zu Kriegsende sowie in der Besatzungszeit konnte als Kaderschmiede dienen; er konnte sich mitunter aber auch als Sackgasse herausstellen. Im kollektiven Gedächtnis der österrei-chischen Bevölkerung ist die Rote Armee allerdings auf jeden Fall ungleich stärker verankert, trat doch die diplomatische Ebene für die Einheimischen nicht wahrnehmbar in Erscheinung.

52 RGASPI, F. 17, op. 162, d. 47, S. 11–13, Politbürobeschluss des ZK der VKP(b) P 84 (215)-op, Über Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit des Sowjetischen Teils der Alliierten Kommission für Österreich, 1.11.1951. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Ös-terreich, Dok. Nr. 77. Vgl. Knoll – Stelzl-Marx, Der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission, S.

201–203; Ruggenthaler, Warum Österreich nicht sowjetisiert wurde, S. 694f. Siehe dazu auch das Kapitel A.III.5.4 „‚Eine Reihe ernsthafter Mängel‘: Überprüfung 1951“ in diesem Band.

53 Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 57.

54 RGASPI, F. 82, op. 2, d. 1117, S. 44–55, hier: S. 54f., Bericht von A. Smirnov und S. Šatilov an V.

Grigor’jan über die Arbeit des Sowjetischen Teils der Alliierten Kommission für Österreich und Maßnahmen zur Stärkung des sowjetischen Einflusses in Österreich, 17.10.1951. In diesem Bericht hieß es wörtlich: „Für die Stärkung der Führung des Sowjetischen Teils des Alliierten Rates für Österreich wäre es sinnvoll, einen qualifizierteren Hochkommissar und Politischen Berater zu er-nennen.“ Zit. nach: Knoll – Stelzl-Marx, Der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission, S. 201.

55 Mueller, Die sowjetische Besatzung Österreichs, S. 57.

56 Knoll – Ruggenthaler, Biographische Skizzen, S. 923.

Im Dokument sowjetischen Besatzung 1945–1955 (Seite 165-171)