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Erstes Kontrollabkommen

Im Dokument sowjetischen Besatzung 1945–1955 (Seite 61-65)

Planungen und Aufgaben

3.1 Erstes Kontrollabkommen

Einen Monat später, am 4. Juli 1945, erfolgte schließlich die Unterzeichnung des Abkommens über die Alliierte Kontrolle in Österreich (später als soge-nanntes „Erstes Kontrollabkommen“ bekannt).105 Großbritannien bestätigte das Abkommen am 12. Juli, Frankreich am 16. Juli, die UdSSR am 21. Juli und die USA am 24. Juli 1945.106 Es sah die Errichtung eines alliierten Kontroll-systems in Form der Alliierten Kommission – im Gegensatz zu Deutschland, Finnland, Ungarn, Rumänien und Bulgarien nicht „Alliierte Kontrollkommis-sion“ – vor, „das in Österreich bis zur Errichtung einer frei gewählten, von den vier Mächten anerkannten österreichischen Regierung funktionieren“

werde. Gemäß Artikel 8 bestanden die Hauptaufgaben der Alliierten Kom-mission darin,

- die Trennung Österreichs von Deutschland zu verwirklichen,

- so rasch wie möglich eine österreichische Zentralverwaltung zu errich-ten,

- die Errichtung einer frei gewählten österreichischen Regierung vorzube-reiten und

- bis dahin die Verwaltung Österreichs in hinreichender Weise sicherzu-stellen.107

104 AVP RF, F. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, S. 3f., Vorschläge von Michail Koptelov zur österreichischen Frage [nicht nach dem 3.6.1945]. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Ar-mee in Österreich, Dok. Nr. 62.

105 Vgl. dazu: Manfried Rauchensteiner, Die Alliierte Kommission für Österreich 1945–1955, in: Ste-phan Verosta (Hg.), 25 Jahre Staatsvertrag. Symposium, veranstaltet von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in der Zeit vom 12.–19. April 1980 in Moskau. Wien 1981, S. 51–63.

106 Beleckij, Sovetskij Sojuz i Avstrija, S. 110.

107 Abkommen über die Alliierte Kontrolle in Österreich, 4.7.1945. Abgedruckt in: Verosta, Die inter-nationale Stellung Österreichs, S. 66–71; Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 65.

An der Spitze der Alliierten Kommission stand der Alliierte Rat, bestehend aus den vier je von einer Besatzungsmacht ernannten Militär- bzw. Hoch-kommissaren (Artikel 2),108 die zugleich die Oberbefehlshaber der jeweiligen Besatzungstruppen waren. Marschall Ivan Konev wurde als Militärkommis-sar für die sowjetische Zone, General Mark W. Clark für die amerikanische, Generalleutnant Richard L. McCreery für die britische und General Marie-Emile Béthouart für die französische Zone ernannt.109 Der Alliierte Rat, der mindestens alle zehn Tage zusammentrat,110 nur einstimmige Beschlüsse fas-sen konnte und desfas-sen Vorsitz monatlich wechselte, übte „für die Fragen, die Österreich in seiner Gesamtheit betreffen“ (Artikel 5), die oberste politische Gewalt in Österreich aus.

Dem Alliierten Rat direkt unterstellt war das ebenfalls viergeteilte Exeku-tiv-Komitee (Artikel 3), das aus je einem Vertreter jedes der vier Kommissa-re bestand. Sie nahmen, wenn notwendig, an den Sitzungen des Alliierten Rates teil. Abgesehen von Sondersitzungen nach Vereinbarung tagte dieses Komitee alle ersten und dritten Freitage des Monats. Das Exekutiv-Komitee gewährleistete die Durchführung der Beschlüsse des Alliierten Rates und koordinierte die Tätigkeit der Abteilungen der Alliierten Kommission (Ar-tikel 6).111

Eigene, aus Offizieren und Fachbeamten bestehende Abteilungen küm-merten sich um einzelne Sachgebiete wie Inneres, Wirtschaft, Finanzen, Mi-litär, politische Angelegenheiten, Kriegsgefangene und DPs, Rechtsfragen, zudem wurde auf sowjetischen Wunsch hin die Abteilung für Reparationen (Artikel 4) eingerichtet. Die Westmächte hatten schlussendlich der Einrich-tung Letzterer zugestimmt, obgleich sie damit kein Präjudiz für die tatsächli-che Einhebung von Reparationen schaffen wollten.112 Die Aufgabe der Abtei-lungen der Alliierten Kommission bestand darin, für den Alliierten Rat und das Exekutiv-Komitee Gutachten zu erstellen sowie die Beschlüsse des Alli-ierten Rates umzusetzen (Artikel 7).

108 Zunächst Militärkommissare, ab 28. Juni 1946 Hochkommissare. Vgl. dazu: Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 117.

109 Ein Überblick über die alliierten Militär- und Hochkommissare in Österreich, ihre Stellvertreter und die Stadtkommandanten von Wien 1945–1955 findet sich in: Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 351f.

Siehe dazu auch Tabelle 3 im Anhang dieses Bandes.

110 Nach der ersten offiziellen Sitzung am 11. September 1945 tagte der Alliierte Rat in der Folge zu-mindest an jedem 10., 20. und 30. des Monats. Ab dem 25. April 1946 tagte der Alliierte Rat alle 2.

und 4. Freitage eines Monats. Vgl. Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 117.

111 Abkommen über die Alliierte Kontrolle in Österreich, 4.7.1945. Abgedruckt in: Verosta, Die inter-nationale Stellung Österreichs, S. 66–71; Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 65.

112 Stourzh, Um Einheit und Freiheit, S. 32.

Die Innenstadt Wiens verwaltete die Interalliierte Kommandantur als Teil des für ganz Österreich vorgesehenen alliierten Kontrollsystems (Arti-kel 11). Bestehend aus vier von den jeweiligen Bevollmächtigten ernannten Kommandanten war es ihre Aufgabe, die Verwaltung der Stadt Wien ge-meinsam zu leiten. Auch hier übernahm jeder der Kommandanten in seiner Eigenschaft als Hauptkommandant turnusmäßig den Vorsitz. Der allgemei-nen Leitung des Alliierten Rates unterstellt, erhielt die „Kommandatura“ ihre Weisungen auf dem Weg über das Exekutivkomitee. Die Wiener Interalliierte Kommandantur war im Justizpalast untergebracht und übersiedelte erst 1953 in das Hauptgebäude der Alliierten Kommission auf dem Stalinplatz, vor-mals Schwarzenbergplatz.113

Weltweit einmalig war die Interalliierte Militärpatrouille, die, aus je einem Vertreter der Alliierten bestehend, den ersten Wiener Gemeindebezirk und die vier Besatzungszonen Wiens kontrollierte. Insgesamt versahen täglich zehn Streifenfahrzeuge den Dienst, wobei jeder der vier Zonen ein Wagen zugewiesen war, ein weiterer den ersten Bezirk kontrollierte und fünf in Be-reitschaft standen. Neben der Unterstützung der Wiener Polizei bestand ihre Hauptaufgabe darin, bei Bedarf gegen Angehörige der Besatzungsmächte einzuschreiten, wozu die Wiener Polizei nicht berechtigt war. Da die ame-rikanische Besatzungsmacht die Fahrzeuge bereitstellte, wurden sie auch in deren Quartier in der Stiftskaserne untergebracht. Obwohl lediglich in den ersten Monaten der Besatzung ein Jeep und bereits seit 1946 ein Dodge-Mili-tärgeländewagen und ab März 1953 eine Chevrolet-Limousine zum Einsatz kamen, entstand der bis heute tradierte Topos der „Vier im Jeep“. Eher un-bekannt sind hingegen die sowjetischen GAZ Pobeda, die ab 1951 als Fahr-zeuge der Internationalen Militärpatrouille eingesetzt wurden. Zusätzlich zu dieser Interalliierten Militärpatrouille verfügte jede der vier Mächte in ihrem Bereich über eine eigene Militärpolizei, die jedoch nur in der jeweiligen Zone tätig sein durfte.114

Das mit diesem Abkommen vom 4. Juli 1945 vereinbarte alliierte Kon-trollsystem sollte nur bis zur Errichtung einer von allen vier Mächten aner-kannten österreichischen Regierung wirksam sein, wobei die bereits seit Ende April existierende provisorische Regierung im Ersten Kontrollabkommen keine Erwähnung fand. Die Alliierten behielten sich allerdings vor, zu einem späteren Zeitpunkt ein neues Abkommen abzuschließen, das „die Art und den Umfang der Weisungen und Ratschläge“ festsetzen würde, „welche die Alliierten Österreich nach der Errichtung einer frei gewählten und von den

113 Rauchensteiner, Die Wiener Interalliierte Kommandantur, S. 396.

114 Ebd., S. 417f.; Fischer, Die Vier im Jeep, S. 3; Dornik, Besatzungsalltag in Wien, S. 452.

vier Mächten anerkannten österreichischen Regierung geben müssen“ (Ar-tikel 14).

Als der Alliierte Rat erstmals am 11. September 1945 im sowjetischen Hauptquartier115 zusammentrat und die Verwaltung („die höchste Gewalt“) des österreichischen Staatsgebietes übernahm, erwähnte er in seiner Prokla-mation an das österreichische Volk die provisorische Staatsregierung mit keinem Wort.116 Erst die von Renner einberufene gesamtösterreichische Län-derkonferenz vom 24. bis 26. September 1945 ebnete den Weg zur Verständi-gung: Einerseits erfolgte eine Erweiterung der Regierung durch Mitglieder aus den westlichen Bundesländern, andererseits wurden gesamtösterreichi-sche Wahlen auf den 25. November 1945 anberaumt.117

115 Die ersten Sitzungen des Alliierten Rates fanden in den jeweiligen Hauptquartieren der Alliierten in Wien statt: Hotel Imperial – sowjetisches; Nationalbank – amerikanisches; Schönbrunn – britisches Hauptquartier. Mit Ausnahme der Wiener Interalliierten Kommission übersiedelten die Gremien der Alliierten Kommission daraufhin in das Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 43 (ab April 1946 in „Stalinplatz“ umbenannt). Die Wiener Interalliierte Kommission war im Justizpalast un-tergebracht und übersiedelte erst 1953 in das Hauptgebäude der Alliierten Kommission auf dem Stalinplatz 4. Vgl. Rauchensteiner, Stalinplatz 4, S. 282.

116 Stourzh, Um Einheit und Freiheit, S. 33.

117 NÖ Institut für Landeskunde – Kulturabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung (Hg.), Die Länderkonferenzen 1945. Dokumente und Materialien. Mit Beiträgen von Ernst Bezemek, Leopold Kammerhofer, Klaus-Dieter Muelly, Josef Prinz, Wolfgang Weber. Wien 1995; Josef Leidenfrost, Preventing a Rupture? U.S. Occupational Authorities and Austria’s long and winding road to the first post-war nation-wide elections on 25 November 1945, in: Zeitgeschichte. 2003/1, S. 19–36.

Abb. 4: Die „Vier im Jeep“: das Symbol für alliierte Besatzung und Kontrolle in Österreich. (Quelle:

Foto Votava, Wien)

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