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2.4 Die Dynamik der Stratosphäre und Troposphäre als Einflussfaktor der

2.4.1 Die Dynamik der Stratosphäre als Einflussfaktor auf die Ozonverteilung

2.4.1.4 Der Polarwirbel

Vereinfacht gesagt ist der Polarwirbel ein um die Pole verlaufender Wind. Dieser ist am Südpol stärker ausgeprägt als am Nordpol. Der Grund hierfür ist in den orographischen Gegebenheiten der Erde zu suchen. Grundsätzlich sind alle Druckgebilde auf der Südhemisphäre stabiler als auf der Nordhemisphäre, da weniger Landmassen (Bodenreibung) einen störenden Einfluss haben. Auf der Nordhemisphäre erschwert die Reibung der ausgedehnteren Landmassen und Gebirgsketten (Rocky Mountains, Ural, Himalaya, etc.) eine lang anhaltende und hohe Stabilität von Druckgebilden. So ist auch der antarktische Polarwirbel stabiler und zeitlich beständiger als der Arktische – eine wichtige Beschaffenheit hinsichtlich der Ausbildung des Ozonlochs und der Verbreitung ozonarmer Luft in die mittleren Breiten. Bevor an dieser Stelle auf die Entstehung eines Polarwirbels eingegangen wird, wird zuvor die Stratosphärenerwärmung angesprochen, denn die Ausprägung des Polarwirbels ist in starkem Maße von der Stratosphärentemperatur abhängig.

In nahezu jedem nordhemisphärischen Winter tritt eine plötzliche Stratosphärenerwärmung auf, die aufgrund ihrer Entdeckung (1952) von R. Scherhag über Berlin auch als „Berliner Phänomen“ bezeichnet wird. Die Ursachen dieser plötzlichen Stratosphärenerwärmungen sind nach MÜLLER (2001) Zirkulationsstörungen aufgrund planetarer Wellen, die sich bedingt durch orographische Einflüsse durch die Troposphäre bis in die Stratosphäre ausbreiten können. Dabei führen lokale Instabilitäten zur Dissipation (z.B. Umwandlung von Reibungsenergie in thermische Energie) der Wellenenergie. Eine Erwärmung ist die Folge. In Abhängigkeit vom Ausmaß des Temperaturanstiegs und der Stabilität des Polarwirbels werden vier verschiedene Arten von Stratosphärenerwärmungen unterschieden (vgl. LABITZKE, 1999; MÜLLER, 2001):

Major Midwinter Warmings: Major Midwinter Warmings sind Erwärmungen im Januar und Februar, die neben der Erwärmung des Polargebietes und einer Umkehr des Temperaturgradienten zwischen 60° und 90° N (in oder unter dem 10 hPa-Niveau) zum Zusammenbruch des Polarwirbels führen. Der Zusammenbruch definiert sich dadurch, dass eine Zirkulationsumstellung von West- auf Ostwind zwischen 60° und 90° N im 10 hPa-Niveau eintritt. Allerdings kommt es zu einer Regeneration des Polarwirbels.

Erwärmungen solcher Art treten nur über der Arktis auf, da der Wirbel über der Anartkis kälter und stabiler ist.

Minor Warmings: Minor Warmings sind kleine, aber intensive Erwärmungen im nordhemisphärischen Winter, die den Temperaturgradienten umkehren können, aber nicht zu einer Umstellung der Zirkulation (10 hPa-Niveau) führen können. Nach LABITZKE (2005) können solche Erwärmungen auch im Südwinter auftreten.

Canadian Warmings: Canadian Warmings treten im frühen Winter auf und entstehen durch die Verschiebung des Alëuten-Hochs gen Nordpol. Sowohl Windrichtung, als auch Temperaturgradient können sich umkehren, doch kommt es nicht zum Zusammenbruch des Polarwirbels.

Final Warmings: Als Final Warming wird eine Erwärmung bezeichnet, die im Frühjahr auftritt, wenn die Umstellung der winterlichen Westwindzirkulation zur sommerlichen Ostwindzirkulation eintritt. Wichtig bei dieser Erwärmung ist, dass der Polarwirbel zusammenbricht und sich im Gegensatz zu den Major Midwinter Warmings nicht wieder regeneriert. Der Eintritt der Final Warmings ist sehr unterschiedlich und kann zwischen Nord- und Südhemisphäre um zwei Monate variieren.

Die Entstehung des Polarwirbels beginnt mit dem Eintreten der Polarnacht, da sich die Luft aufgrund geringer solarer Einstrahlung über den Winterpolen in der Stratosphäre großräumig abkühlt. Der sich dadurch über den Polen bildende „Trichter“ wird als Polarwirbel bezeichnet. Über den ganzen Winter hinweg findet ein polwärts und abwärts gerichteter Transport von der oberen in die untere und mittlere Stratosphäre statt. Das Absinken variiert über die Jahre, je stärker es aber ist, desto wärmer ist der Winter (mehr Kompressionswärme) (vgl. KRÜGER, 2002). Beim Absinken der Luftmassen kommt es zur adiabatischen Kompression mit folgender Erwärmung (Kompressionswärme). Trotz dessen befindet sich im Inneren des Wirbels ein Kältegebiet, das zum einen seine Ursache darin hat, dass in der Polarnacht keine Strahlung absorbiert wird und zum anderen langwellige Strahlung in die Atmosphäre entweichen kann. Im Polarwinter überwiegt in der Strahlungsbilanz somit die Ausstrahlung gegenüber der Einstrahlung, was zu einer beständigen Abkühlung der polaren Stratosphäre führt. Im Gegensatz zu den mittleren und niederen Breiten ist die Stratosphäre der hohen Breiten deutlich kälter, was einen ausgeprägten meridionalen Druckgradienten bedingt. Diese sehr geringen Temperaturen sind wichtig für die Bildung Polarer Stratosphärenwolken (PSCs) bzw. für die allgemeinen ozonzerstörenden Prozesse. Je geringer die Absinkprozesse sind, desto höher ist die Ozonzerstörung, da kältere Luft vorhanden ist. Damit hat der Polarwirbel einen entscheidenden Einfluss auf die Ozonzerstörung und ihren Verlauf innerhalb eines Jahres.

Das alleinige „Einströmen“ von Luftmassen bewirkt allerdings noch keine Wirbelbildung.

Hierzu bedarf es der Corioliskraft (vgl. Kapitel 2.1). Da in der Stratosphäre der Einfluss der Bodenreibung vernachlässigt werden kann, sind Corioliskraft und Druckkraft die wesentlichen Einflussfaktoren für Luftströmungen. Aufgrund dieser Tatsache handelt es sich bei den resultierenden Strömungen um geostrophische Strömungen (Isobarenparallel). Eine geostrophische Strömung ist das Gleichgewicht zwischen der Corioliskraft und der Druckkraft bzw. dem Druckgradienten. Durch die alleinige Beeinflussung der Corioliskraft und des Druckgradienten ist der Wirbel besonders stabil, da die Bodenreibung – im Gegensatz zu Druckgebilden in der Troposphäre – keinen Einfluss einnimmt. Als Resultierende des geostrophischen Windes entsteht bei etwa 60°

nördlicher Breite ein Starkwindband (Jet Stream oder „Polarnacht-Jet“), das den Polarwirbel bzw. den äußeren Rand des Polarwirbels darstellt und den Pol auf der Nordhemisphäre zyklonal, d.h. gegen den Uhrzeigersinn, (Südhemisphäre antizyklonal) umströmt. Die Stabilität des Wirbels hat eine gewisse „Isolation“ des Wirbels gegenüber anderen Luftmassen zur Folge, was auch eine verlängerte Ozonzerstörung bis in den Frühling bedeuten kann. Ein ganz zentraler Aspekt ist dabei, dass sich beim Zusammenbruch des Wirbels im Frühjahr diese ozonarmen Luftmassen in Richtung mittlere Breiten bzw. Äquator ausbreiten können. Dies kann sich bis in den Sommer hineinziehen, da die Luft nur langsam zwischen beiden Zonen ausgetauscht und vom Äquator nur wenig Ozon „nachgeliefert“ wird (vgl. MÄDER, 2004). Im Kapitel 2.5 wird diese Thematik nochmals aufgegriffen.

Die Abbildung 25 zeigt eine dreidimensionale Illustration der Temperatur (oben) und der Windgeschwindigkeit (unten) im 100 hPa-Niveau für ein Polarwirbel in der Südhemisphäre. Dabei ist die beschriebene Temperaturzunahme mit abnehmender Höhe innerhalb des Polarwirbels zu erkennen (oben) sowie die damit einhergehende Windgeschwindigkeit. Die Stärke des Polarwirbels kann – wie auch bei anderen Wirbelfeldern (z.B. Zyklone) – durch die „potentielle Vorticity“ (PV) definiert werden, wobei die PV die Erhaltung der Wirbelstärke und die Erhaltung der Masse miteinander kombiniert. In der Wissenschaft wird zur Vereinfachung zwischen dem Kernbereich und dem Randbereich des Wirbels unterschieden (vgl. MÜLLER, 2001). Die PV des Polarwirbels liegt wesentlich höher gegenüber der Umgebung, wobei sich die Grenze zwischen dem Wirbel bzw. Wirbelrand und der Umgebung nur schwer bestimmen lässt.

Daher wird der Wirbelrand aufgrund des größten PV-Gradienten definiert, der sich über ein großes Gebiet erstrecken kann. Wesentlicher bestimmender Faktor für die Lebensdauer des Polarwirbels ist letztlich die Temperatur. Die Temperatur ist

insbesondere durch Wellenbewegungen bedingt. Wichtig ist, dass weder die Position des Polarwirbels noch seine Form im Außenbereich konstant sind. Entsprechend den Druckverhältnissen und der Temperatur der Atmosphäre unterliegen Position und Form einer Dynamik.

Abbildung 25: Dreidimensionale Illustration der Temperatur in Kelvin (oben) und Windgeschwindigkeit in m/s (unten) des Polarwirbels. Quelle: UHEREK, 2004.