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2.6 Die Aerosole und die Bewölkung als strahlungsbeeinflussende Faktoren

2.6.1 Die Aerosole

„Aerosol“ bedeutet wörtlich „in der Luft gelöst“ und bezeichnet das Gemisch aus Partikeln und dem suspendierenden Medium Luft. Aerosol ist in der Regel ein Sammelbegriff für die festen und flüssigen Stoffe, die sich in der Atmosphäre aufhalten. Den Aerosolen kommt im irdischen Geschehen eine universelle Bedeutung zu, da sie einen sehr wichtigen Einfluss auf die Absorption, Emittierung und Streuung von Strahlung und auf alle dem Wasserkreislauf verbundenen Erscheinungen wie Wetter und Klima, Strahlungs- und Wärmehaushalt sowie der Verwitterung haben. Vor allem die Wechselwirkung zwischen den Aerosolen und dem Klima ist Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen, denn die Aerosole können – je nach Partikeleigenschaften – sowohl zu einer Erwärmung als auch zu einer Abkühlung führen. Zudem haben sie einen wesentlichen Einfluss auf die Wolkenbildung, da die Partikel als Wolkenkondensationskerne dienen und sich somit indirekt auf das Klima auswirken können. Die direkten und indirekten Einflüsse der Aerosole auf das Klima sowie ihre stofflichen Zusammensetzungen und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Atmosphärenchemie beispielsweise, sind bislang nur unzureichend verstanden (vgl.

SCHNELLE-KREIS et al., 2007). Bevor das Absorptionsverhalten diskutiert wird, werden grundlegende Eigenschaften der Aerosole kurz beschrieben.

Die physikalischen Eigenschaften von Aerosolen sind im Wesentlichen von den Eigenschaften und der Zusammensetzung der Partikel abhängig. Wichtig ist dabei die Partikelgröße, denn sie beeinflusst sowohl die Absorptionseigenschaften als auch die Verweildauer der Partikel in der Luft. Da nur die wenigsten Partikel exakt kugelförmig sind, beschreibt man ihre Größe mit dem „Äquivalentradius“. Dieser gibt den Radius einer Kugel an, die den gleichen Luftwiderstand wie das entsprechende Partikel hat. Bei bestimmten Partikeln (Spurenmetalle, Metallverbindungen) verwendet man den „Massendurchmesser“.

Dieser gibt den Schwerpunktdurchmesser an, unterhalb und oberhalb dessen sich jeweils 50 % der Masse der Substanz befinden (vgl. WINKLER, 2000). Die Größe der atmosphärischen Aerosole erstreckt sich über mehrere Zehnerpotenzen. Die Klassifikation wurde von Junge 1963 und von Whitby und Sverdrup 1971 festgelegt (Tabelle 2).

Radiusbereich in

µm Klassifikation nach Junge

(1961) Klassifikation nach Whitby und Sverdrup (1971)

< 0,01 Ultrafeine Partikel Ultrafine mode 0,01 – 0,1 Aitkenpartikel Nucleation mode 0,1 1 Große Partikel Accumulation mode

> 1 Riesenpartikel Coarse mode

Tabelle 2: Grobklassifikation atmosphärischer Aerosole. Quelle: WINKLER, 2000.

Die Partikel können je nach Herkunft einen Durchmesser zwischen 0.001 µm und 100 µm annehmen und auch in ihrer Anzahl pro Kubikzentimeter mehrere Größenordnungen einnehmen. Die Zusammensetzung der Partikel ist entsprechend ihrer Herkunft sehr unterschiedlich. Grundsätzlich kann zwischen organischen (Pollen, Bakterien, kleine Insekten) und anorganischen (Ruß, Mineralstaub, Salz, Asche, etc.) unterschieden werden. Je nach ihrer Herkunft unterscheiden GRAEDEL und CRUTZEN (1994) zwischen Primär- und Sekundärpartikel. Primärpartikel werden direkt – beispielsweise durch Wind – aufgewirbelt und in die Atmosphäre eingetragen. Als Primärpartikel werden solche bezeichnet, die durch Nukleation oder das Zusammenwachsen von gasförmigen Molekülen (Gas-Partikel-Umwandlung) entstehen, wie es oftmals bei anthropogenen Emissionen geschieht. Die Herkunft bzw. die Quelle der Partikel kann organisch oder anorganisch sein. Unter globaler Betrachtung sind die aus natürlichen Prozessen stammenden Partikel die mengenmäßig bedeutendste Quelle. Dazu gehören die Seesalzpartikel (Meer) und die mineralischen Partikel (Bodenerosion). Die anthropogenen Quellen sind in erster Linie dem Verkehr, der Industrie und der Energieversorgung zuzuordnen. Die eingetragenen Partikel können je nach Eigenschaft und damit Verweildauer in der Atmosphäre sehr weit transportiert werden. Beobachten lässt sich dies

anhand von Satellitenbildern, die beispielsweise den Transport mineralischer Partikel aus Nordafrika nach Südeuropa oder Südamerika zeigen. Die Verweildauer der Partikel ist von der Partikeldeposition und damit in erster Linie von den Eigenschaften der Partikel abhängig. Unterschieden wird nach GRAEDEL und CRUTZEN (1994) zwischen der trockenen und der nassen Deposition, wobei diese Unterscheidung nach MÖLLER (2003) ungünstig ist, da sie mit den Zuständen assoziiert wird. So kann es nach Meinung des Autors auch bei einem Niederschlagsereignis zur trockenen Deposition kommen. In dieser Arbeit wird jedoch weiterhin die Unterscheidung von GRAEDEL und CRUTZEN (1994) verwendet, in der die trockene Deposition als ein Prozess bezeichnet wird, bei dem ein Partikel mit einer Oberfläche in Berührung kommt und dort verbleibt. Die Depositionsrate bzw.

-geschwindigkeit ist vor allem von der Partikelgröße abhängig. Partikel mit einer Größe von etwa 1 µm und größer können dem Impuls der Luft nicht mehr folgen und unterliegen der Gravitation. Hingegen verhalten sich kleinere Partikel eher wie Gase und folgen den Luftbewegungen, so dass sich ihre Depositionsgeschwindigkeit erhöht. Bei der nassen Deposition treten Wechselwirkungen zwischen gasförmigen Molekülen, Partikeln und Wassertröpfchen auf. Dabei ist jedes Partikel einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgesetzt, dass es von einem Regentropfen eingefangen wird, wobei Partikel so klein sein können, dass sie dem Tropfen zuvor ausweichen. Die Partikeleigenschaften im Zusammenhang mit der trockenen und nassen Deposition bestimmen im Wesentlichen die Verweildauer der Partikel in der Atmosphäre, wobei die Größe eines Partikels auch Einfluss auf seine Lebensdauer hat. Nach FEICHTER et al. (2007) haben sehr kleine Partikel eine nur geringe Lebensdauer (Stunden), da sie der Brownschen Bewegung unterliegen und dazu tendieren, sich zu vereinigen, wenn sie miteinander oder größeren Partikeln kollidieren. Eine etwa ähnliche Lebensdauer zeigen Partikel > 10 µm, die aufgrund ihrer Schwerkraft sedimentieren. Partikel in einem Größenbereich von 0,1 bis 1 µm haben die längste Verweildauer und können in der unteren Troposphäre wenige Tage, in der oberen Troposphäre bis zu vier Wochen und in der Stratosphäre ein bis drei Jahre verweilen. Die lange Verweildauer in der Stratosphäre ergibt sich durch die fehlende nasse Deposition. Hier sinken die Partikel nur aufgrund der Schwerkraft ab. Ein Sonderfall sind Russpartikel, die auch in der Troposphäre nicht durch die nasse Deposition ausgewaschen werden. Russ hat hygrophobe Eigenschaften, d.h. die Partikel verbinden sich nicht mit Wasser und haben dadurch eine relativ lange Verweildauer in der Atmosphäre, was einen besonders starken Einfluss auf den Strahlungshaushalt hat.

Grundsätzlich wird nach STIFTER (2002) bei der Strahlungswirkung von Aerosolen bzw.

Partikeln zwischen den direkten und indirekten Effekten unterschieden. Bei den direkten

Effekten handelt es sich um die von den Partikeln selbst verursachte erhöhte Streuung oder Absorption, die zu einer Abkühlung oder Erwärmung bzw. Änderung der Strahlungsbilanz führen kann. Die Abkühlung tritt ein, wenn es zu einer erhöhten planetaren Albedo durch Streuung (z.B. Sulfataerosole), d.h. zu einer verminderten Energieaufnahme (Abkühlung) kommt. Dieses Phänomen kann immer wieder nach Vulkanausbrüchen beobachtet werden, wenn die bodennahe Temperatur aufgrund des geringeren Strahlungseinfalles abnimmt. Dieser Effekt wird auch als „Anti-Treibhauseffekt“

bezeichnet, ist in seiner globalen Wirkung allerdings umstritten. Eine Erwärmung tritt dann ein, wenn es zu einer verstärkten Absorption kommt (z.B. Russpartikel), die die umgebenden Luftschichten erwärmt. Eine Erwärmung oder Abkühlung der Temperatur durch Aerosole ist in erster Linie von den Partikeleigenschaften abhängig und wird auch als negativer bzw. positiver Strahlungsantrieb bezeichnet.

Bei dem indirekten Effekt wird nach STIFTER (2002) zwischen dem „Twomey“- und

„Albrecht“- Effekt unterschieden. Ersterer beschreibt die Tatsache, dass die Wolken die Strahlung aufgrund von mehreren aber kleineren Tröpfchen stärker reflektieren, wobei die Partikel in ihrer Funktion als Kondensationskerne für die Tröpfchenbildung verantwortlich sind. Der „Albrecht“- Effekt beschreibt die verminderte Niederschlagswahrscheinlichkeit, da sich das gleiche Wasservolumen auf mehr Kondensationskerne verteilt und sich die Tröpfchengröße verringert. Inwieweit Wolken die Strahlung beeinflussen wird in Kapitel 2.6.2.1 erläutert.

Ein Parameter, der eine Aussage über eine Erwärmung oder Abkühlung erlaubt, ist das so genannte „Single Scattering Albedo“ (SSA). Das SSA umschreibt das Verhältnis von Streuung zu Extinktion, wobei die Extinktion die Summe aus Streuung und Absorption darstellt. Die Abbildung 40 zeigt den Strahlungsantrieb und das SSA zwischen den Jahren 1999 und 2005 am Hohenpeißenberg. Zu erkennen ist der zunehmende SSA zusammen mit einem zunehmend negativen Strahlungsantrieb, der eine Abkühlung bewirkt. Obwohl die Abbildung 40 einen Trend zu einer Abkühlung aufzeigt, haben KAMINSKI und HOFMANN

(2005) die zukünftige Aerosolwirkung auf die Temperatur offen gelassen, da Streuung oder Absorption – vereinfacht gesagt Abkühlung oder Erwärmung – von den emittierten Aerosolen abhängt. Insofern kommt es stark darauf an, welche Art von Partikeln in der Zukunft verstärkt emittiert werden, bzw. welche Art von Partikeln weniger (z.B. durch moderne Filtertechniken) ausgestoßen wird.

Abbildung 40: Zeitlicher Verlauf der berechneten Single Scattering Albedo (SSA) am Hohenpeißenberg.

Rauten stehen für SSA-Werte, bei denen der Absorptionsterm aus korrigierten Aethalometer-Messwerten berechnet wurde, bei Dreiecken in magenta wurden die Messwerte des Multi Angle Absorption Photometers verwendet. Quelle: KAMINSKI und HOFMANN, 2005.

Unter globalen Gesichtspunkten ist daher eine Aussage über eine aerosolbedingte Temperaturänderung schwierig, da die Partikeleigenschaften und die jeweilige Verweildauer regional schwer zu berücksichtigen sind. FEICHTER (2003) schreibt den Aerosolen im Mittel aber eine abkühlende Wirkung der Erdoberfläche zu. Inwieweit Aerosole eine Veränderung der UV-Strahlung bedingen, wird im Kapitel 3.1.2.3 erläutert.