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2.3 Die Spurenstoffe in der Atmosphäre und ihr Einfluss auf den Ozonkreislauf

2.3.2 Der Ozonkreislauf und seine chemischen Mechanismen

2.3.2.2 Die katalytische Ozonchemie

Etwa 40 Jahre lang wurde angenommen, dass der Chapman-Zyklus den Ozonkreislauf in der Stratosphäre erklären könne, allerdings spielen weitere kleine Bestandteile eine wichtige Rolle bei der Zerstörung von stratosphärischem Ozon durch katalytische Reaktionskreisläufe (vgl. GRAEDEL und CRUTZEN, 1994). Aufgrund der Bildung freier Radikale (v.a. OH, NO und Cl), die chemisch bzw. photochemisch aus Spurengasen wie H2O, N2O oder FCKW entstehen, wird die Ozonkonzentration durch katalytische Zyklen abgesenkt. Wäre dies nicht der Fall, verdopple sich die globale Ozonkonzentration alle zwei Wochen, denn Ozon wird fünfmal schneller produziert, als nach dem Chapman-Zyklus zerstört wird (vgl. WAYNE, 1991). Dabei betreffen die Reaktionen nicht nur das Ozon direkt, sondern laufen auch zwischen den Katalysatoren selbst ab. Die katalytischen Zyklen wurden, wie bereits erwähnt, von Bates und Nicolet Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt und erweitern die einzige ozonverbrauchende Reaktion (5) im Chapman-Zyklus.

Die Zyklen können zusammengefasst werden als:

X + O3 → XO + O2 (6) O + XO → X + O2 (7) Netto: O + O3 → O2 + O2 (8)

X und XO stehen für Radikale, die die Umwandlung von O3 nach O2 katalysieren. Zur Absenkung der Ozonkonzentration ist es erforderlich, dass der Katalysator eine ausreichend schnelle Reaktion mit Ozon (6) eingeht und die Kette so lange durchlaufen wird, bis der Katalysator in einer anderen Reaktion verbraucht wird. Die Häufigkeit des Durchlaufens der Reaktionen wird als Kettenlänge bezeichnet. Je häufiger der Zyklus durchlaufen wird, desto schädlicher kann dies sein, da mehr Ozon abgebaut wird. Alle

Katalysatoren haben dabei ihre eigenen Quell- und Verbrauchsmechanismen, wobei ihre Konzentration bzw. Effizienz in der Ozonzerstörung von der Konzentration ihrer Vorläufer (H2O, N2O, FCKW) und dem Höhenbereich abhängig sind (vgl. ZELLNER, 2000). Die Höhenabhängigkeit ist vor allem in der Veränderung der Wellenlänge und der damit vorhandenen Energie begründet (je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Energie).

Photolysen mit einer Wellenlänge < 200 nm sind nur oberhalb der Stratosphäre bzw.

Stratopause möglich. Wellenlängen < 250 nm dringen bis etwa 40 km in die Atmosphäre ein und haben somit eine Relevanz für die Stratosphäre (~15 – 50 km). Wellenlängen mit 300 nm betreffen auch die Tropopause und können auch hier eine Photolyse einleiten (vgl.

MÖLLER, 2003). Die wichtigsten Katalysatoren in der Stratosphäre sind nach GRAEDEL und CRUTZEN (1994) Hydroxylradikale (X = H und OH; HOx), Stickstoffradikale (X = NO; NOx) und Chlorradikale (X = Cl; Clx). Nahezu alle Katalysezyklen können höhere lokale Ox -Abbauraten aufweisen, die die des Chapman-Zyklus deutlich übersteigen und somit zum globalen Ozonabbau führen. Ox bedeutet „ungerader Sauerstoff“, wobei dabei nach ZELLNER (2000) die Summe aus Sauerstoffatomen und Ozon verstanden wird.

Der HOx-Zyklus:

Der Katalysator HOx (OH, HO2) basiert auf den stratosphärischen Hauptquellprozessen von O-Atomen mit H2O, CH4 und H2. Trotz der geringen Mengen H2O in der Stratosphäre können ausreichende Mengen produziert werden, um von grundlegender Bedeutung zu sein (GRAEDEL und CRUTZEN, 1994). Folgende Reaktionen beschreiben den Quellprozess:

O + H2O → 2OH (9) O + CH4 → OH + CH3 (10) O + H2 → OH + H (11)

Der relative Beitrag der Reaktionen wird durch das Mischungsverhältnis der Quellgase bestimmt, wobei H2O den Hauptanteil einnimmt.

X und XO in den Reaktionen 6 und 7 können ersetzt werden durch H bzw. OH, das bedeutet:

OH + O3 → HO2 + O2 (12) HO2 + O → OH + O2 (13) Netto: O + O3 → O2 + O2

OH + O3 → HO2 + O2 (14) HO2 + O3 → OH + 2O2 (15) Netto: 2O3 → 3O2

Die Reaktionen 12 und 13 entsprechen nach ZELLNER (2000) dem konventionellen Katalysezyklus mit Beteiligung von O und O3. Dieser Zyklus ist wichtig für den Ozonabbau in der mittleren Stratosphäre. Der HOx-Zyklus ist im Detail wesentlich komplizierter und soll an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Die Abbildung 17 zeigt die Gasphasenreaktion von HOx in der globalen Stratosphäre mit Angaben zu den Konzentrationen und Flüssen. Die Abbildung zeigt die Quellprozesse (9, 10), sowie die weiteren chemischen Reaktion im HOx-Zyklus.

Abbildung 17: Schematischer Aufbau des HOx-Zyklus. Quelle: WAYNE, 1991.

In der Abbildung 17 ist zu erkennen, dass Methan (CH4) einen Einfluss auf OH ausübt.

Dies ist ein wichtiger Aspekt, da die globale Methanemission stark ansteigt, Methan zudem eine relativ lange Lebensdauer hat und somit bis in die Stratosphäre transportiert werden kann. Der Einfluss des Methans ist folgender:

CH4 + 2O2 + 2 hν → CO2 + 2H2O (16)

Durch die Oxidation von Methan entsteht nach Gleichung 16 Wasserdampf (H2O) und Kohlendioxid (CO2). Nach MÖLLER (2003) wird in 50 und 70 km Höhe ein Maximum an H2O gefunden, das nur der Methanoxidation zugeschrieben werden kann. Zwar kann Wasserdampf durch Konvektion aus der Troposphäre oder eine Tropopausenfaltung in die Stratosphäre transportiert werden, allerdings in eher geringerem Maße. In den letzten 50 Jahren hat nach KLEY (2001) die Wasserdampfkonzentration in der Stratosphäre zugenommen, wobei etwa 50 % davon auf die Methan-Oxidation zurückzuführen ist.

STENKE et al. (2009) gehen von 30 % aus. Der zunehmende Wasserdampfgehalt führt dazu, dass die Konzentration von OH zunimmt, einen verstärkten katalytischen Ozonabbau durch den HOx-Zyklus bedingt und zu einer verringerten regionalen Ozonkonzentration führt.

Der NOx-Zyklus:

Im Gegensatz zum HOx-Zyklus basiert der NOx-Zyklus nicht auf dem Hydroxylradikal (OH) sondern auf den Stickoxidradikalen NOx. Die wesentliche NOx-Quelle in der Stratosphäre ist die Reaktion von O-Atomen mit N2O (Lachgas). Als Quellreaktion gilt:

N2O + O → 2NO (17)

Als N2O-Quellen sind in erster Linie mikrobiologische Prozesse in (stark gedüngten) Böden zu nennen.

In der Troposphäre ist N2O sehr reaktionsträge, hat aber eine lange Lebensdauer (150 Jahre), so dass es in die Stratosphäre eingetragen werden kann und durch verschiedene Prozesse unter dem Einfluss von UV-Strahlung zersetzt wird:

N2O + hν (λ ≤ 200 nm) → N2 + O (18)

Die direkte Photolyse (18) von N2O ist ein wichtiger Verlustprozess von O, führt aber nicht zur Bildung von NO. Im Unterschied zu den HOx-Abbauzyklen von O3 existiert für NOx nur ein einziger Abbauzyklus:

NO + O3 → NO2 + O2 (19) O + NO2 → NO + O2 (20) Netto: O + O3 → 2O2

Dieser Zyklus ist unterhalb von 30 km unbedeutend, da dort nicht mehr genug Strahlungsenergie zur Verfügung steht, um die Photolyse von N2O zu aktivieren. Die Kettenlänge dieses Zyklus beträgt 80, d.h. der Zyklus kann 80-mal durchlaufen werden, bevor das N2O aus der Kette von anderen Reaktionen entfernt wird. Der Zusammenhang zwischen NOx und Ox in der Stratosphäre ist sehr komplex und variiert mit der Höhe und Region. Wichtig zu erwähnen ist, dass dieser Katalysator andere Katalysatoren (HOx, ClOx

und BrOx) beeinflusst, da NO und NO2 als freie Radikale schnelle Reaktionen mit den genannten Katalysatoren eingehen können. Die Abbildung 18 zeigt zusammenfassend den Aufbau des NOx-Zyklus.

Abbildung 18: Schematischer Aufbau des NOx-Zyklus. Quelle: WAYNE,1991.

Der CLx-Zyklus:

Als dritter wichtiger Zyklus in der Stratosphärenchemie wird der Clx-Zyklus beschrieben, der von ZELLNER (2000) aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem BrOx-Zyklus zusammengefasst wird. Beide haben im Gegensatz zu den bereits genannten Katalysatoren halogenierte organische Verbindungen als Quellgase und eine effektivere ozonzerstörende Wirkung als die HOx- und NOx-Radikale.

Zu den Quellgasen des Clx-Zyklus gehört unter anderem CH3Cl (Methylchlorid), CHF2Cl (HFCKW-22), CFCl3 (FCKW-11) oder auch CF2Cl2 (FCKW-12). Die FCKWs sind sehr stabil, da sie nicht durch die Reaktionen mit Hydroxylradikalen (HOx) oder einem anderen Oxidanten aufgebrochen werden können. Die genannten Fluorchlorkohlenwasserstoffgase (CFCl3, CF2Cl2) sind aufgrund ihrer Stabilität für die stratosphärische Ozonschicht von besonderer Bedeutung. Sind diese anthropogenen Emissionen in einer Höhe von 20 – 25 km angelangt, hat die UV-Strahlung genug Energie, um die Verbindung aufzubrechen und dadurch Chloratome und Chlormonoxidmoleküle freizusetzen (vgl. GRAEDEL und CRUTZEN, 1994). Zudem wird Fluor bzw. Hydrogenfluorid (HF) freigesetzt und dem Prozess der Ozonzerstörung entzogen. Am Beispiel von CFCl3 lässt sich die Reaktion beschreiben:

CFCl3 + hν (λ < 260 nm) → COnO2 2 + HF + 3 (Cl oder ClO) (21)

Die freigesetzten Chlor (Cl) oder Chlormonoxidradikale (ClO) leiten den katalytischen Ozonzerstörungskreislauf ein:

Cl + O3 → ClO + O2 (22) O3 + hν (λ ≤ 1140 nm) → O + O2 (23) ClO + O → Cl + O2 (24) Netto: 2O3 + hν → 3O2

Der dargestellte Zyklus ist für die Ozonzerstörung der Wesentliche. Das Chlor kann dabei bis zu 100.000 Zyklen durchlaufen, bevor es aus der Kette von anderen Reaktionen entfernt wird. Somit ist Chlor ein äußerst wirksames ozonzerstörendes Gas. Die Abbildung 19 zeigt den schematischen Aufbau des Clx-Zyklus. Teile der beschriebenen Reaktionen lassen sich in dieser Abbildung wieder finden.

Abbildung 19: Schematischer Aufbau des Clx-Zyklus. Quelle: WAYNE, 1991.

Da der Eintrag der FCKWs reglementiert worden ist (z.B. Montrealer Protokoll), hat Brom in den letzten Jahren hinsichtlich der Ozonzerstörung an Bedeutung gewonnen. Zudem ist Brom – wie bereits erwähnt – in seiner Eigenschaft als ozonzerstörendes Gas sehr effektiv, da es durch den Einfluss von Strahlung im Vergleich zum Chlor leichter aus dem Reservoir Bromnitrat (BrONO2) in eine aktive Form umgewandelt wird. Interessant ist, dass sich Brom- und Chlorradikale gegenseitig stützen und in Synergie zum Ozonabbau beitragen können. Diese Reaktion verläuft nach WAYNE (1991) wie folgt:

BrO + ClO → Br + Cl +O2 (27) Br + O3 → BrO + O2 (28) Cl + O3 → ClO + O2 (29) Netto: O3 + O3 → O2 + O2 + O2

In dem Zyklus reagiert BrO und ClO zu Br- und Cl-Atomen (und O2), die wiederum mit O3

reagieren und den katalytischen Zyklus schließen. Es gibt mehrere Br-Zyklen, die zum Ozonabbau beitragen können. Normalerweise besitzt Brom eine eher geringe Lebensdauer und kann so nicht immer ozonzerstörend wirken. Jedoch hat beispielsweise das Bromoform (CHBr3) eine Lebensdauer von 2 – 3 Wochen und kann somit in höhere Stockwerke der Troposphäre und Stratosphäre vordringen und – im Gegensatz zu anderen Bromformen – deutlich zum Ozonabbau beitragen. Als Brom-Quellen kommen natürliche und anthropogene Quellen in Frage. Nach HARDER (1999) stammen 50 % aller Bromverbindungen aus natürlichen Quellen. Das CHBr3 kommt größtenteils aus den obersten Schichten der Ozeane und wird durch Makroalgen (insbesondere Braunalgen) gebildet. Untersuchungen habe jedoch ergeben, dass die Menge des anorganischen Broms in der unteren Stratosphäre nicht mit der Summe aus den langlebigen organischen Verbindungen und den bekannten anthropogenen Quellen (z.B. Aufbereitung von Wasser für Kühl-, Bade- und Trinkzwecke) erklärt werden kann (IFM-GEOMAR, 2009). Insofern muss es noch weitere (bislang unbekannte) Quellen geben.

Die gezeigten Ausführungen können nur einen Eindruck von den ozonabbauenden Mechanismen geben. Die chemischen Reaktionen zwischen den Gasen sind zu vielfältig und komplex, um sie in diesem Rahmen vollständig aufzuzeigen. Die Abbildung 20 vergleicht abschließend die beschriebenen Katalysezyklen hinsichtlich ihrer Ox -Abbauraten. Zu erkennen ist, die beschriebene Höhenabhängigkeit der Ox-Abbauraten.

Die Kurve „Ox“ beschreibt den Chapman-Zyklus und verdeutlicht zugleich, die zum HOx-, NOx-, ClOx- und BrOx-Zyklus geringere Ox-Zerstörung, obwohl sie sich mit der Höhe (ab ca. 35 km) dem HOx angleicht.

Abbildung 20: Vertikalverteilung der Verbrauchsgeschwindigkeit von Ox. Quelle: ZELLNER, 2000.

Die Wirkung von Ox und NOx ist in geringen Höhen sehr niedrig. Interessant ist die deutliche Wirkung von HOx in geringen Höhen. Nach ZELLNER (2000) liegt die Begründung darin, dass HOx Ozon auch zerstören kann, wenn keine Sauerstoffatome beteiligt sind:

OH + O3 → HO2 + O2 (30) HO2 + O3 → OH + 2O2 (31) Netto: 2O3 → 3O2

Somit bekommt dieser Zyklus auch in Höhen Bedeutung, in denen die Konzentration an Sauerstoffatomen so klein ist, dass ihre Reaktion vollständig vernachlässigt werden kann.

Im Folgenden wird als Maß für die Konzentration von Ozon häufig die Einheit Dobson Units (DU) verwendet. Die Maßeinheit beschreibt die auf Bodendruck gebrachte Gesamtozonmenge. Nach WALLASCH und BEILKE (1999) entspricht 1 Dobson Unit 1 mm Ozon bei Normaldruck oder 2,69 x 1020 Ozonmoleküle pro Quadratmeter. Das bedeutet, dass eine mittlere Schichtdicke von 300 DU bei Normaldruck nur 3 mm dick wäre, obwohl sie in der Stratosphäre vertikal eine Ausdehnung von einigen Kilometern hat.

100 101 102 103 104 105 106 107

O3-Zerstörungsrate (cm-1s-1)

Kernaussagen: Die Spurenstoffe in der Atmosphäre und ihr Einfluss auf den Ozonkreislauf

• Prinzipiell gleiche chemische Reaktionen in Stratosphäre und Troposphäre, allerdings grundlegende Unterschiede in chemischen, physikalischen und dynamischen Eigenschaften beider Sphären

• Bedeutende Rolle der UV-Strahlung für Chemismus (Ozonkreislauf) und Dynamik (z.B. Austauschprozesse) der Stratosphäre

• Ozonkreislauf der reinen Sauerstoffatmosphäre basiert prinzipiell auf dem Chapman-Zyklus, der diesen jedoch nicht vollständig erklärt

• Einfluss von Spurengasen verkompliziert die Reaktionen deutlich (katalytische Reaktionskreisläufe), vervollständigt aber den „realitätsnahen“ Ozonhaushalt

• Wichtigste Katalysatoren in der Stratosphäre sind die Hydroxyl- (H, OH, HOx) Stickstoff- (NO, NOx) und Chlorradikale (Cl, Clx), welche unterschiedlich stark den Ozonkreislauf bzw. die stratosphärische Ozonkonzentration beeinflussen

• Zunehmende Bedeutung der Ozonzerstörung durch das (kurzlebige, aber in der Ozonzerstörung effektive) Brom, aufgrund der Reglementierung von FCKWs und damit abnehmende Konzentration in der Atmosphäre

2.4 Die Dynamik der Stratosphäre und Troposphäre als Einflussfaktor