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Scheller (Erfahrungsbezogener Unterricht) Wallrabenstein (Offener Unterricht )

4 Methodik aus systemisch-konstruktivistischer Sicht

4.5 Planspiele

Es liegt nicht im Erkenntnisinteresse dieser Arbeit, die Geschichte des Planspiels von den Anfängen im militärischen Bereich bis zu heutigen komplexen mathematischen Simulationen im betriebswirtschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Bereich nachzuzeichnen oder Lernzielkataloge aufzulisten. Auch eine Wirkungsanalyse ist angesichts des Untersuchungsdesigns dieser Arbeit nicht möglich. Es sollen vielmehr Begriff und Merkmale erörtert werden. Eine Typologie erfolgt nur insoweit, als sie Beiträge für eine Analyse unter konstruktivistischem Ansatz, zum Beispiel bei der Ausprägung der Handlungsspielräume, leisten kann.

Begriff und Wesen

Planspiele werden uneinheitlich definiert. STEINHEIM kritisiert: „Die einen sehen im Planspiel ein ‘Spielmodell, in dem Entscheidungsprozesse simuliert werden’, für andere intendiert ein Planspiel, eine gedachte Lage nach bestimmten Regeln auf eine Lösung hin durchzuspielen’, wieder andere definieren Planspiele als ‘komplexe Rollenspiele mit hohem Entscheidungsdruck’“.547

Zur Verwirrung trägt auch die andersartige Terminologie in fremdsprachliche Literatur bei548.

546 vgl. Kapitel 6

547 vgl. Steinheim, H.-U. (1998), S. 6

548 Die in der amerikanischen Didaktik verbreiteten „simulation games“ sind mit den „Planspielen“ nicht ganz vergleichbar. Sie sind stark standardisiert und formalisiert548, teilweise handelt es sich auch um einfache Programme zur Förderung der Lese- und Rechenfähigkeit. Planspiele im deutschsprachigem Raum weisen dagegen eher Elemente des Rollenspiels auf.

Für SILKENBEUMER sind Planspiele Entscheidungsspiele: „Das Planspiel ist ein Spielmodell, in dem Entscheidungsprozesse simuliert werden.“549 Ebenso formuliert REIMANN: „Der [...] Unterscheidung von ‘Planspielen’ und ‘Entscheidungsspielen’

vermag ich nicht zu folgen.“550

Der Verfasser schließt sich den Autoren an, die das Planspiel durch die Kombination von S i m u l a t i o n und S p i e l gekennzeichnet sehen551. Planspiele gehören also explizit zu den Simulationsspielen. In Abgrenzung zu anderen Simulationsformen ist die Kleingruppenarbeit die vorherrschende Sozialform.552

In dieser Arbeit geht es nicht darum, die Realität zur Planung und Entscheidungsvorbereitung in der Praxis zu simulieren oder das „Spielverhalten“

soziologisch zu untersuchen, sondern um Planspiele zu Lernzwecken, also um didaktisch begründ ete Spiele. Darum können solche Spiele auch nicht in Hinblick auf die Übereinstimmung mit der Realität validiert werden.

Deshalb sollen Planspiele hier unter Einbezug (fach-)didaktischer Aspekte553 verstanden werden als e i n e d i d a k t i s c h e O r g a n i s a t i o n s f o r m v o n L e r n p r o z e s s e n , b e i d e r i n e i n e r v o r g e g e b e n e n k o n f l i k t h a l t i g e n g e s e l l s c h a f t l i c h e n S i t u a t i o n A k t io n e n u n d R e a k t i o n e n i n G r u p p e n s p i e l e r i s c h i n e i n e m Z e i t a b l a u f m o d e l l s i m u l i e r t u n d r e f l e k t i e r t w e r d e n .

Subtypen

Der Verfasser unterscheidet zwischen s o z i a l und m a t h e m a t i s c h modellierten Spielen. Bei ersteren wird unter Modellierung die didaktische Reduktion des Problems und die didaktische Strukturierung der Ausgangslage, der Rollen und der Spielregeln verstanden; bei mathematisch modellierten Spielen, wie z.B.

Unternehmungsplanspielen, soll das „Modell“ hingegen „alle wesentlichen Einflußgrößen in der richtigen Größenordnung und in ihren Abhängigkeitsbeziehungen erfassen.“554

549 Silkenbeumer, R. u. Datta, A. (1975), S. 42

550 Reimann, H. L. (1972), S. 9

551 BUDDENSIEK: z.B. sieht Planspiele an „ [...] als modellhaft, d.h. intentional konstruierte, inhaltlich und zeitlich begrenzte , perspektivische Scheinwelt, die von Spielern dynamisiert und ausgestaltet wird, indem die se eine vorgegebene Problemsituation in übernommenen Rollen, innerhalb eines mehr oder weniger vorkonstruierten Aktions- und Reaktionsrahmens durch Spielhandeln zu einer Lösung bringen.“ vgl. Buddensiek, W. (1979), S. 32 und S. 171; Heidack C. (1980), S. 17 f.; Rohn, W. E. (1980), S. 9

552 Reinisch, H. (1980), S. 13 f

553 Planspiele werden in der wirtschaftpädagogischen Literatur ausdrücklich unter Einbezug des Fachaspektes definiert. Nach KLIPPERT sind Planspiele „Lernspiele, in den Mittelpunkt die Simulation wirtschaftlich-politischer Planungs- und Entscheidungsprozesse steht; vgl. Klippert, H. (1984), S. 40

554 Bleicher, K. (1974), S. 12

Dem entspricht die Unterscheidung zwischen q u a l i t a t i v e n Planspielen, die vorrangig auf die argumentative Auseinandersetzung ausgerichtet sind,555 und q u a n t i t a t i v e n Planspielen, bei denen das rechnerische Element stark betont wird und die von den Fakten und Spielregeln her streng formalisiert sind.

Das sozial modellierte Planspiel

Das politisch-soziale oder pädagogische Planspiel zeichnet sich grundsätzlich im Gegensatz zum Unternehmungsspiel durch eine relative Offenheit aus. Dennoch zeigt ein Vergleich, daß die Handlungsspielräume voneinander abweichen, so daß man, wie bei anderen Simulationsspielen auch, zwischen starren und freien Spielen unterscheidet. Der Freiheitsgrad des Entscheidungsbereichs wird bestimmt durch die Vorstrukturierung des Verlaufs.

Handelt es sich um starre Spiele, kann der Schüler lediglich unter einer begrenzten Zahl von Entscheidungsmöglichkeiten wählen, während bei freien Spielen der Handlungsspielraum nicht begrenzt ist.556

Des weiteren ist zu differenzieren zwischen Spielen, bei denen das Ziel vorgegeben ist, und solchen, die e r g e b n i s o f f e n sind. Auch nach REIMANN ist „von grundsätzlicher Bedeutung für die Spielkonzeption nicht der Begriff, sondern vor allem die Frage, ob den Mitspielern ein Ziel vorgegeben wird, das sie auf optimale Weise erreichen sollen, oder ob in der Ausgangslage ein Konflikt vorgegeben wird, den die Mitspieler zu lösen haben [...] wobei keine Angaben dazu gemacht werden, was am Ende erreicht werden soll.“557

Im o f f e n e n Planspiel wird nur der Konflikt vorgegeben und die Lösung dem Spielablauf überlassen.558 Bei einer anderen Form, für den der Terminus „geschlossen“

nicht gut paßt559, wird das Ziel vorgegeben, dessen Erstreben die Handlung in Gang setzt und dabei Konflikte hervorruft.560 Eine interessante Variante ist, daß das Handlungsziel nur einer Gruppe, nämlich der Gruppe, die in ihrer sozialen Situation den Schülern am nächsten steht, bekannt ist.

Das mathematisch modellierte Planspiel

Hierzu gehört der klassische Typ von Unternehmungsspielen561, wie sie u.a. von K.

Bleicher entwickelt worden sind. Ihnen liegt eine Modellstruktur zugrunde. Der Ablauf

555 Klippert, H. (1987), S. 310

556 vgl. Ebert, G. (1992a), S. 32

557 Reimann, H. L. (1972), S. 9

558 vgl. Giesecke, H. (1974), S. 82

559 In der Planspielliteratur wird der Begriff „geschlossen“ im Gegensatz zur Rollenspielliteratur für solche Spiele verwandt, bei denen die einzelnen Spielgruppen von einander isoliert sind und der Informationsaustausch ausschließlich über die Spielleitung möglich ist; vgl. Ebert, G. (1992a), S. 33

560 ebd.

561 Unternehmungsspiele sind nach ROHN „Simulationen mit rein, Quantitativen Zahle nmodellen“; vgl. Rohn, W. E.

(1992), S. 344; diese Form war bei den zur Verfügung stehenden Unterrichtsmodellen nicht vertre ten.

ist durch fixierte Rechenregeln festgelegt, die weder von den Spielern noch von der Spielleitung geändert werden können. Insofern ist schon von der Struktur her der Handlungsspielraum stark eingeschränkt.

Bewertung:

Für den sozialkundlichen Unterricht ist diese Form nur beschränkt einsetzbar.; aber auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht wurde seit Beginn der 90er Jahre immer mehr die einseitige Ausrichtung solcher Spiele kritisiert:562

- Die traditionelle Funktionsgliederung in Beschaffung, Produktion und Absatz,

- die rein sach-rationale Führung,

- die Dominanz der Gewinnmaximierung

- das Fehlen einer mehr sozial-emotionalen und strategischen Dimension der Führung (z.B. Delegation von Aufgaben, Motivation der Mitarbeiter,

- die Vernachlässigung ökologischer Aspekte.

Auch SCHLÖSSER563 bezweifelt, daß wohldefinierte Ursachen-Wirkungsketten die Komplexität wirtschaftlich-politischer Aspekte abbilden können.564 Eher der Komplexität werden Modelle gerecht, bei denen mehrere Variablen nichtlinear miteinander verknüpft sind, wie es z.B. im ökologischen Spiel „ecopolicy“ von F.

VESTER565 der Fall ist. „Dabei zeigt die direkte Beeinflussung einer bestimmten Variablen in der Regel keine unmittelbare Wirkung: vielmehr ergibt sich erst im Zusammenspiel mit weiteren Variablen eine neue Qualität.“566 Der nächste Schritt ist die Integration qualitativer Komponenten, wie sie in der Unternehmungsführung, z.B.

beim Modell der „Balanced Score Cards“, schon praktiziert wird.

Zur Problematik des Einsatzes von mathematisch modellierten Planspielen für den Unterricht gehört, daß eine höhere Komplexität mit einem überproportional höherem Aufwand an Hard- und Software verbunden ist. Während das vom Verfasser erstellte Planspiel Preispolitik noch in allen seinen Varianten mit einem Taschenrechner bewältigt werden kann567, ist das von STARK u.a.568 als „komplexe Lernumgebung“

charakterisierte Planspiel „Jeansfabrik“ von PREIß569 nur noch mit dem Computer zu bewältigen.

Innerhalb der Untersuchungsobjekte waren einige wenige mathematisch modellierte Planspiele vertreten. Da diese aber gemäß der Kriterien, nach denen die Analyseobjekte

562 vgl. u.a. Ebert, G. (1992b), S. 292

563 Schlösser, H. J. (1992), S. 309

564 Auch Hayeks Theorie komplexer Phänomene geht von einem nicht-deterministischen Ansatz aus; vgl. Hayek, F.

A. (1972)

565 Vester, F. (1997)

566 Tiggelers, K. H. u. Hoffmann-Ahrberg, D. (1992), S. 330

567 vgl. Hohendorf, M. (1974), S. 187 ff.

568 vgl. Stark u.a. (1966), S. 28

569 vgl. Preiß, P. (1994)

ausgewählt wurden, von den Referendaren selbst erstellt worden waren, waren diese im Vergleich zu den computerbasierten Unternehmungsspielen sehr einfach strukturiert.