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Konstruktivistische Instruktionsgrundsätze 328 Der Anchored Instruction-Ansatz Der Anchored Instruction-Ansatz

Scheller (Erfahrungsbezogener Unterricht) Wallrabenstein (Offener Unterricht )

3.3 Konstruktivistische Instruktionsgrundsätze 328 Der Anchored Instruction-Ansatz Der Anchored Instruction-Ansatz

Nach diesem aus der englischsprachigen Literatur übernommen Konzept329 ist für eine wirksame Lernumgebung ein n a r r a t i v e r „ A n k e r “ zentral, der Interesse erzeugt und den Lernenden die Identifizierung und Definition von Problemen erlaubt (L 2, K 9).

Durch eine dynamische (videobasierte) Darstellung von Geschichten soll das Erkennen und Verstehen komplexer Zusammenhänge (L 2) gefördert werden.330 Zu dem dargestellten Problem werden darauf unterschiedliche Anwendungskontexte geboten, damit die Lernenden erfahren, welches Wissen auf andere Situationen übertragbar und welches situationsspezifisch ist.331

Bewertung:

Die visuelle Präsentation eines problemhaltigen Falles ist im Unterricht eigentlich nichts Neuartiges. Sie wurde in den untersuchten Unterrichtsmodellen häufiger erfolgreich angewandt.

328 Diese Instruktionsgrundsätze werden in der erziehungswissenschaftlichen Literatur i.d.R. innerhalb didaktischer Auseinandersetzungen referiert, obwohl sie als methodisch ausgerichtet angesehen werden können. Es zeigt sich dabei aber die vom Verfasser im folgenden Kapitel 4.1 postulierte Vernetzung didaktischer und methodischer Betrachtungsweisen. Auch Definitionen und Abgrenzungen sind nach konstruktivistischer Sicht nic ht „richtig“

oder falsch, sondern müssen sich als nützlich („viabel“) erweisen. Da es hier um Hinweise für die Unterrichtsgestaltung geht, ist die oben angesprochene Zuordnungsproblematik belanglos.

Die Gestaltungsgrundsätze dieser modernen Instruktionsansätze sind ähnlich, sie unterscheiden sich lediglich in ihrer speziellen didaktisch-methodischen Ausrichtung; vgl. Klauer, F. (1999), S. 228

329 vgl. Bransford, J.D. u.a. (1989)

330 Gerstenmaier, J. u. Mandl, H. (1995), S. 875

331 Gerstenmaier, J. u. Mandl, H. (1995), S. 876 und Reetz, L (1996), S. 182

Der Cognitive Flexibility-Ansatz

Nach der „Random Access Theory“ von SPIRO332 u.a. wird angenommen, daß das Vorwissen bei der Anwendung nicht lediglich als geschlossene Einheit abgerufen wird, sondern daß „in der Problemsituation mit den multiplen Konzeptrepräsentationen Wissen konstruiert wird, das zur Problembewältigung geeignet ist.“333 Ziel der Instruktion ist es deshalb, multiple und damit flexible Repräsentationen zu induzieren, indem beim Lernenden dasselbe Konzept zu verschiedenen Zeiten und in veränderten Kontexten334 betrachtet und zu anderen Konzepten in Verbindung gebracht wird. Als Beispiel wird genannt, daß von einer „Experimentalgruppe“ die „Geschichte des 20.

Jahrhunderts“ von den Lernenden unter verschiedenen Blickwinkeln bearbeitet werden sollte.

Bewertung:

Voraussetzung für den Ansatz ist, daß der Lernende bewußt über Problemlösungskonzepte verfügt. SPIRO u.a. weisen darauf hin, daß ihr Ansatz eher für fortgeschrittene Lernende geeignet ist. Bei einer Experimentalgruppe zeigten Lernende, die eine Präferenz für die Auseinandersetzung mit komplexen Aufgabenstellungen (L 2 K 9) hatten, höhere Lernerfolge als diejenigen mit Präferenz für strukturierte Aufgabenstellungen.335 In vereinfachter Form wurde dieser Ansatz – unabhängig von dem oben ausgeführten theoretischen Bezug – im Politikunterricht z.B. dadurch schon länger verfolgt, daß unterschiedliche Problemsituationen (z.B. Fälle der Umweltbelastung) oder unter unterschiedlichen Aspekten (z.B. wirtschaftlich, ökonomisch) oder unter der Perspektive verschiedener Parteien und Interessengruppen in Diskussionsspielen bearbeitet wurden.

Der Cognitive Apprenticeship-Ansatz

Bei diesem Ansatz wird generell versucht, charakteristische Elemente der traditionellen Handwerkslehre auf den Umgang mit kognitiven Problemen zu übertragen.336 Dazu wird die Vorgehensweise eines Experten modelliert. „Der Experte verbalisiert bei der Lösung eines authentischen Problems seine kognitiven Prozesse und angewandten Strategien.“337 Später löst der Lernende mit Unterstützung des Experten ein ähnliches Problem. Auch der Lernende artikuliert seine mentalen Prozesse (L 3) und vergleicht sie mit dem Experten. Die Hilfestellung des Experten wird mit der Zeit immer mehr zurückgenommen. „Schließlich lösen die Lernenden im Rahmen der Exploration

332 vgl. Spiro, R. J. (1989)

333 Gerstenmaier, J. u. Mandl, H. (1995), S. 876

334 Die Anwendung auf „multiple Kontexte“ ist auch dem oben dargestellten Anchored Instruction-Ansatz eigen.

335 Gerstenmaier, J. u. Mandl, H. (1995), S. 877

336 vgl. Dörig, R. (1994), S. 262

337 vgl. Gerstenmaier u. Mandel (1995), S. 877

eigenständig (L 4) komplexe (L 2) und authentische (L 3) Probleme“.338 „Dabei soll dann das in einem bestimmten Bereich erworbene Handlungswissen systematisch dekontextualisiert werden, so daß es in vielen Bereichen angewendet werden kann.“339 Bewertung:

Berücksichtigt werden die Leitdimensionen L 2 bis L 4. Es wird aber implizit davon ausgegangen, daß ein „Experte“ eine „richtige“ Lösung präsentiert. Die in der Literatur vorgestellten Anwendungen umfassen Probleme wie “Strategien für die Lösung mathematischer Probleme“, „Lösung von Sortieraufgaben“ und „Strategie des diagnostischen Denkens in der Medizin“340. Es handelt sich also um „entscheidbare“

Fragen (im Sinne H. V. FOERSTERS). Probleme, die Gegenstand des sozialkundlichen Unterrichts sind, z.B. Konflikte zwischen Interessengruppen (Tarifpolitik) oder Parteien (Gentechnik), die Lösung internationaler Streitfälle (Palästinakonflikt), lassen sich schwerlich von Experten „vormachen“. Hinzu kommt, daß der ja längerfristig angelegte Einsatz von Experten auf unüberwindliche Finanzierungshürden stoßen würde.

Problem-Based-Learning

Didaktisch-methodischer Ausgangpunkt sind nach KLAUSER komplexe Probleme (L 2).341 Die Problemstellungen sollen so angelegt sein, daß es nicht nur eine richtige Lösung, sondern mehrere mögliche Lösungen (K 3) und verschiedene Lösungswege (K 2) gibt. Sie sollen so gestaltet sein, daß sie selbständiges Lernhandeln (L 4) ermöglichen. „Dazu ist es notwendig, daß bei der Gestaltung, Einführung und Bearbeitung der Probleme explizit an das Vorwissen der Lernenden, an ihre Berufs- und Alltagserfahrungen sowie an ihre Interessen und ihr Können angeknüpft wird.“342 Die Probleme sind so angelegt, daß sie Verknüpfungen zwischen den Fächern herstellen und dadurch eine multiperspektive Betrachtung ermöglichen.

Beim „generativen Problemlösen“ identifizieren die Lernenden selbständig das Problem, suchen nach Lösungsansätzen und präsentieren das Ergebnis. Bei der Auswertung wird die Metakognition (K 27) in den Mittelpunkt der didaktischen Überlegungen gerückt. Zur Realisierung dienen das Monitoring (Überwachung bei der Problembearbeitung), die Selbstdiagnose und die Selbst-Regulation.343

Im „Tutoring“ vollziehen Lehrende und Lernende einen Rollenwechsel (Reziprokes Lehren). Beim „Gruppenpuzzle“ werden Teilprobleme in sogenannte Expertengruppen verlagert. Dann werden die Gruppen so neuorganisiert, daß in jeder Gruppe jeweils ein

338 ebd. und Reetz, L (1996), S. 181

339 Reetz, L (1996), S. 181

340 a.a.O., S. 878

341 vgl. Klauser, F. (1999), S. 228

342 ebd.

343 a.a.O., S. 229

Experte für jedes Teilproblem zur Verfügung steht. Teilprobleme können auch durch

„Gruppenrecherche“ bearbeitet werden.

KLAUSER stellt auch dar, wie sich dieser Ansatz in die Richtlinien eines Ausbildungsberufes einbinden läßt.344

Bewertung: KLAUSER greift beim „Problem-Based-Learning“ auf bekannte konstruktivistische Elemente der Unterrichtsgestaltung zurück, ohne dies explizit zu verbalisieren. Das von ihm dargestellte Anwendungsbeispiel auf ist auf der Lehrplanebene angesiedelt und damit sehr abstrakt; es vermittelt wenig Bezüge für die konkrete Unterrichtsgestaltung.

Positiv hervorzuheben sind einige anderweitig nicht so akzentuierte Unterrichtselemente wie z. B.:

- das generative Problemlösen während des Problemlösungsprozesses, anwendbar besonders auch für Simulationsspiele;

- das reziproke Lehren mit dem Rollenwechsel zwischen Lehrendem und Lernendem;

- das „Gruppenpuzzle“ als Möglichkeit zur Organisation und Reorganisation von Gruppenarbeit.

Scaffolding

DUBS fragt, welche Rolle die Lehrkraft zu spielen hat, wenn Schüler nach sozialkonstruktivistischem Ansatz selbstgesteuert in Gruppen neues Wissen konstruieren.345 Der Lehrer soll zwar nicht die Gruppenprozesse steuern, muß aber bei Problemen (Motivationseinbruch, Lernprobleme, Organisationsprobleme) als Berater zur Verfügung stehen. Auf Grund der Auswertung von videobasierten Gruppenbeobachtungen entwickelt DUBS Hilfestellungen für die Lernberatung. Die Grundlage bildet die Idee des Scafolldings.

„Scaffolding346 heißt: die Lehrkraft unterstützt die Lernenden bei ihrem Lernen, indem sie Anstöße und Anregungen bei der Konstruktion von Wissen sowie zum Aufbau von Lern- und Denkstrategien (aber keine Lösungen und Arbeitsanweisungen) gibt.

Scaffolding umfaßt also Techniken der Lernberatung durch die Lehrkraft sowohl bei konstruktivistischem individuellem Lernen als auch wie beim Lernen in Gruppen oder mit der ganzen Klasse.“347

344 vgl. Klauser, F. (1999), S. 229

345 vgl. Dubs, r. (1999), S. 163

346 vom Englischen scaffold = Gerüst

347 vgl. Dubs, R. (1999), S. 165

Scaffolding umfaßt348:

- Hilfestellung bei der Vorbereitung von Lernprozessen (Arbeits- und Zeitpläne, Ziele, Organisation der Lernarbeit);

- Unterstützung bei der selbständigen Verarbeitung von Literatur (Lese- und Verstehenstechniken);

- Verbesserung des Mitwirkens bei den Lernprozessen (Schaffen von Vertrauen in das selbstregulierte Lernen, Schaffen von Neugier durch das Aufwerfen neuer Fragegesellungen, Herausforderung zur Selbstevaluation);

- Herausfordern von verfügbarem oder trägem Wissen (Anregungen für Beispiele, Gliederungen usw.);

- Unterstützung von Denkprozessen (Hinweise zum Präzisieren, Illustrieren oder Zusammenfassen von Aussagen);

- Unterstützung bei der Selbstbewertung (hinsichtlich der Ziele, Vorgehensweisen, Ergebnisse, Nebenwirkungen);

- Aufforderung zur metakognitiven Reflexion (Beschreibung von Lernerfahrungen: welches war der Gang, was hat Schwierigkeiten bereitet und was hat sich bewährt?);

- Förderung der Interaktion (sicherstellen, daß alle aktiv am Lernprozeß beteiligt sind).349

Bewertung: DUBS stellt z.T. bekannte und bewährte Techniken zur Lernunterstützung unter konstruktivistischem Aspekt zusammen und gibt damit allen denen eine Hilfe, die ihren Unterricht unter diesem Aspekt gestalten wollen.350

Für die Zukunft ist eine Fortsetzung der spannenden Debatte um den Konstruktivismus im didaktischen Bereich zu erwarten.

348 verkürzt und z.T. sinngemäß wiedergegeben

349 vgl. Dubs, R. (1999), S. 165 f.

350 Interessierten Lehrern wird die Lektüre des vollständigen Textes empfohlen