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Phänomene der Anthroposphäre

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Bevölkerung: Bevölkerungsdruck sowie Migrationen und Siedlungspolitik als Ursachen der Umwandlung von Wald-fläche; andererseits Verdrängungsprozesse aufgrund direkter Folgeschäden (wie Erosion) der Waldreduktion.

Wirtschaftliche Entwicklung: Armut als Ursache von Waldzerstörung (Mangel an Wissen, Fähigkeiten, Produktions-verfahren sowie andere Präferenzstruktur); andererseits Waldzerstörung langfristig als Verlust an Entwicklungs-potential; Industrialisierung als Ursache für Waldschäden (Schadstoffemission; Landverbrauch in den gemäßigten Zo-nen); andererseits Bereitstellung von Wissen (Präferenzen) und Handlungspotential (technisch, institutionell, peku-niär) zum Waldschutz; Ziel einer „nachhaltigen Entwicklung“.

Verkehr: Schadstoffemission als eine Schadensursache von Waldschäden in gemäßigten und borealen Zonen.

Werte: je nach Kulturkreis stark divergierende Bewertung des Waldnutzens (z.B. Vorstellung vom „Wald als Feind des Menschens“ in Teilen Südamerikas und Südeuropas); die Vorstellung von der „Unbegrenztheit“ vorhandener Waldbestände in Rußland und zum Teil in den Tropenwäldern als Ursache für übermäßige Nutzung.

Wissenschaft und Technologie: angepaßte Agrartechnologien (flächensparender, effizienter) als Instrument des

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schutzes insbesondere in den Tropenwaldländern.

Institutionen: Einerseits betreiben bestehende Institutionen auf staatlicher und nichtstaatlicher Ebene Waldschutzpro-jekte (siehe etwa einzelne Programme des UNEP); andererseits verursachen bestehende Institutionen etwa im Bereich internationaler Handelsregime eher Waldübernutzung; Notwendigkeit einer internationalen Waldkonvention.

Bewertung

Anders als die Ozonschicht oder weitgehend auch die Weltmeere ist der Wald, ökonomisch gesprochen, nicht in allen seinen Funktionen ein „globales öffentliches Gut“. Für die Eigentümer-Länder, insbesondere soweit sie zu den wirt-schaftlich weniger entwickelten Ländern bzw. Schwellenländern gehören, stehen oftmals die Gewinne aus seiner kurz-fristigen Nutzung als Konsum- und Investitionsgut oder Standort im Vordergrund. Diese kurzfristige Nutzung ist häu-fig mit Schädigungen der Waldsubstanz verbunden. Ein Gut von globaler Bedeutung ist der Wald jedoch als oberirdi-scher Kohlenstoffspeicher sowie als Lebensraum für die meisten Arten der Erde, denn diese Funktionen dienen prinzi-piell allen Staaten der Erde. Die Schäden durch die Zerstörung der Waldbestände betreffen also zum einen die Ei-gentümer-Länder selbst, zum anderen sind sie weltweiter Art. Ein Spannungsverhältnis zwischen nationalen Verfü-gungsrechten und globalen Interessen ist daher charakteristisch für die gesamte Waldproblematik.

Grundlage umweltpolitischen Handelns in Industrie- und Entwicklungsländern muß in diesem Zusammenhang die Feststellung des Wertes der gegenwärtig praktizierten Waldnutzungsformen und ihrer Alternativen unter Einbeziehung der Kosten umweltpolitischer Maßnahmen sein. Die Bewertungsfragen werden in einem späteren Kapitel über biologi-sche Vielfalt genauer analysiert, weil dieses Beispiel wegen seiner besonderen Schwierigkeit alle Arten von Bewer-tungsproblemen darzustellen erlaubt. Der Wert des weltweiten Waldbestandes oder auch einzelner Waldformationen ist deshalb schwierig festzustellen, weil der Wald in vielfacher Hinsicht auch als globales öffentliches Gut interpretiert werden muß. Die Verursacher der Waldreduktion und diejenigen, denen die globale Rolle des Waldes wichtig ist, fin-den sich nämlich größtenteils in verschiefin-denen Erdteilen und höchst unterschiedlichen Einkommenslagen und kom-men daher zu völlig verschiedenen Einschätzungen von Problemlage sowie von Handlungsnotwendigkeit und -mög-lichkeiten. Dies alles wird dadurch noch zusätzlich erschwert, daß die Folgen eine Berücksichtigung der Wertschät-zung auch zukünftiger Generationen unumgänglich erscheinen läßt.

Die Schwierigkeiten des Vorgehens bei der Bewertung seien hier am Beispiel der Reduktion der Tropenwälder durch die Eigentümerländer für eine wirtschaftlicher Nutzung im engeren Sinne, d.h. für Agrarfläche oder Holzeinschlag ge-zeigt, der zur Vereinfachung lediglich die Nutzen eines intakten Waldbestandes in Form eines stabilen Klimas für alle Nationen gegenübergestellt wird. Dazu sind mehrere Schritte erforderlich:

1. Zunächst geht es darum, die Vorteilhaftigkeit der gegenwärtig praktizierten Nutzungsweise festzustellen. So zeigen sich im Durchschnitt für 40 untersuchte Tropenwaldländer relativ hohe Anteile am nationalen Sozialprodukt, am Export und auch positive Beschäftigungseffekte durch die gegenwärtig praktizierten Nutzungsformen. Dieser Nut-zen besteht aber in der Regel nur kurz- bis mittelfristig. Untersuchungen zeigen, daß nachhaltige Nutzung effizien-ter wäre (Amelung und Diehl, 1992).

2. Des weiteren ist die Bewertung einer Klimaerwärmung – soweit sie durch eine Reduktion der Tropenwälder aus-gelöst wird – erforderlich, was weitaus schwieriger ist, da es sich bei dem Gut „stabiles Klima“ eindeutig um ein globales öffentliches Gut handelt. Eine gewisse Aussage ist möglich, wenn ein pessimistisches Szenario unterstellt wird. Finden Klimaerwärmungen hinsichtlich Umfang, Verteilung und zeitlicher Dimension in einer Weise statt, die natürlichen und sozioökonomischen Systemen kaum eine Anpassung erlaubt, würden die Kosten einer solchen Entwicklung – aus anthropozentrischer Sicht – immens sein. Um diese zu vermeiden, besteht die Notwendigkeit der Definition von Mindest-Qualitätsnormen in enger Zusammenarbeit mit den Naturwissenschaftlern.

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3. Schließlich müssen die Kosten möglicher umweltpolitischer Maßnahmen berücksichtigt werden und, nach Aus-wahl der vorteilhaftesten Maßnahme, den zuvor festgestellten Kosten der unterlassenen Umweltpolitik gegenüber-gestellt werden. Über die tatsächlich sehr unterschiedlichen Effizienzgrade umweltpolitischer Maßnahmen liegen verschiedene Studien vor. So werden beispielsweise Projekte zur Regenwalderhaltung mittels Nutzen-Kosten-Ana-lysen evaluiert. Der auf dieser Basis berechnete notwendige Transfer liegt zwischen 15 und 1575 ECU pro km2pro Jahr. Die Erhaltung des gesamten Korup-Nationalparks etwa würde nach einem solchen Kalkül für Kamerun erst ab einem Mittelzufluß in Höhe von 5,4 Mio. ECU wirtschaftlich interessant (Ruitenbeek, 1992). Speziell diese Untersuchung verfolgt den Zweck, Grundlagen für Geberländer bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Pro-jekten zu liefern. Studien zur Quantifizierung ausgewählter Schäden und ein Vergleich mit den Kosten der zu ihrer Behebung notwendigen Maßnahmen sind aus diesem Bereich bislang nicht bekannt.

Eine Bewertung der Waldproblematik im allgemeinen kann wohl nicht in einer Form vorgenommen werden, die aus ökonomischer Sicht befriedigt. Selbst die scheinbar leicht zu treffenden Urteile über ökonomischen Wert oder „Un-wert“ der Nutzungen des Waldes durch die Tropenwaldländer selbst können nicht durch rechnerisches Kalkül zu ope-rablen Aussagen führen; denn umweltpolitisches Handeln hat besonders auf internationaler Ebene eine Reihe gewich-tiger außerökonomischer Umstände sowie einige zwar ökonomische, jedoch kaum operationalisierbare Größen zu berücksichtigen. Die notwendige Berücksichtigung der bereits weitgehend abgeschlossenen großräumigen Waldreduk-tion und die Umwandlung verbliebener Bestände in naturferne Ökosysteme in den Industrieländern, die Anerkennung politischer Souveränitäten der Eigentümerländer sowie die Entwicklung der Weltbevölkerung weisen auf weitere, bestehende Grenzen der ökonomischen Analyse hin. Allerdings kann gezeigt werden, daß die jetzige Nutzung unter Berücksichtigung bislang externalisierter Kosten für die Gesamtheit der Staaten teurer sein kann als die Durchführung umweltpolitischer Schutzmaßnahmen. Dabei sind gewisse Transfers von der übrigen Staatengemeinschaft an die ökologische Dienstleistungen bereitstellenden Tropenwaldländer nicht als entwicklungspolitisch motivierte Maßnah-me, sondern als ein Leistungsentgelt zu interpretieren.

Handlungsbedarf

Eine weitgehende Sicherung des weltweiten Bestandes der Wälder (im Sinne eines Gleichgewichts zwischen Zu- und Abgängen) und die Eindämmung der Degradation sind sachlich geboten. In vielen Regionen ist auch eine Wiederauf-forstung, soweit das noch möglich ist, notwendig. Sind Prioritäten zu setzen, so stünde eine Eindämmung weiterer direkter Eingriffe in die Ökosysteme der tropischen Wälder wegen deren großer Bedeutung für die gesamte Staatenge-meinschaft im Vordergrund. Es ist jedoch auf die noch nicht einschätzbare Entwicklung in den borealen Zonen hinzu-weisen, die gegenwärtig einen großen Risikofaktor darstellt. Obwohl die nördlichen Wälder für die Klimaentwicklung weniger bedeutsam sind, ist ein umgehender Stopp großflächiger Abholzung ebenso dringend wie bei den Tropenwäl-dern. Auch für die Wäldern mittlerer Breiten ist aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht zunächst der weitgehende Bestandserhalt, langfristig eine Rückführung in naturnähere Formen gekoppelt mit der Anwendung nachhaltiger Nutzungsformen, anzustreben.

Eine Waldkonvention mit verbindlichen Maßnahmen ist auf der UNCED in Rio de Janeiro nicht zustandegekommen.

Das ist auch aus ökonomischer Sicht bedauerlich, da nur durch eine solche Einigung die für die Gesamtheit der Staa-ten kosStaa-tengünstigste Handhabung der globalen Waldproblematik zu realisieren wäre. Wegen der deutlichen Differen-zen, insbesondere zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (z.B. Brasilien, Malaysia), ist diese Einigung mit-telfristig nicht zu erwarten. Eine Konvention sollte aber nach wie vor im Mittelpunkt der Anstrengungen stehen, da sie auch Lösungen auf nachgelagerter Ebene ermöglicht. Bis zur Einigung auf eine gemeinsame Waldkonvention können auf bi- und multilateraler Ebene schon zahlreiche Schritte unter Beteiligung der Bundesrepublik unternommen wer-den. Verwiesen sei auf vielfältige Institutionen und Initiativen, die bereits vor der UNCED ins Leben gerufen wurwer-den.

Hierzu zählen der internationale Tropen-Forstwirtschafts-Aktionsplan („Tropical Forestry Action Plan“, TFAP), Maß-nahmen der FAO, UNEP, UNESCO sowie Initiativen von Nicht-Regierungsorganisationen, wobei das bundesdeutsche Engagement im internationalen Vergleich positiv hervorzuheben ist (Enquete-Kommission, 1990b). Die bisherigen Maßnahmen sind der Bedeutung des Problems jedoch nicht angemessen. Bei allen Vorteilen von dezentral organisier-ten, ökonomisch motivierten Einigungen besteht mit zunehmendem internationalem Einvernehmen über die globale Bedeutung (Einmaligkeit des Ökosystems; Irreversibilität der Vernichtung) und damit Schutzwürdigkeit von Wäldern die Notwendigkeit einer wirksameren und schneller greifenden Lösung im Rahmen einer völkerrechtlich verbindli-chen Waldkonvention. Dabei ist die Vereinbarkeit mit der Klimakonvention sowie den Zielen wirtschaftlicher

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wicklung erforderlich.

Hinsichtlich der politischen Durchsetzbarkeit sind aus Sicht der betroffenen Länder am einfachsten solche Maßnah-men zu treffen, die für die Regierungen keine finanziellen Aufwendungen mit sich bringen und sowohl zur wirtschaftlichen Entwicklung als auch zum Umweltschutz beitragen. Beispielhaft seien die Beseitigung von Subven-tionen für Holzwirtschaft und Viehzucht oder die Sicherung der Landrechte der Bauern angeführt. Weiterhin gibt es öffentliche Investitionen, die sich auf die Umwelt wie auch für die Wirtschaft positiv auswirken, wie z.B. Aufwendun-gen für die Bodenerhaltung oder die Ausbildung. In diesem Zusammenhang ist die Verbreitung angepaßter Agrartech-nologien, mit denen vorhandene Flächen intensiver und nachhaltiger genutzt werden können eine wichtige Maßnahme.

Erst dann folgen die kostenintensiven Umweltschutzmaßnahmen, d.h. solche, die ausschließlich das Marktversagen ausgleichen; Instrumente dieser Kategorie wären etwa die vermehrte Ausweisung von Schutzgebieten oder die Erhe-bung von Gebühren für Holzeinschlag (Weltbank, 1992a).

Auch für die Wälder der gemäßigten Zonen besteht Handlungsbedarf. Zwar konnte der Ausstoß an Schwefeldioxid durch geeignete Maßnahmen drastisch gemindert werden, die deutliche Reduzierung der Stickoxide und des Ammoni-aks steht jedoch noch aus. Hier sind geeignete Konzepte für das Verkehrswesen und die Landwirtschaft zu entwickeln (siehe 1.1 und 2.3)

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