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D Globaler Wandel: Elemente einer Systemanalyse 1 Veränderungen der Natursphäre

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1.1 Atmosphäre

Luft ist ein Gemisch vieler Gase und Partikelarten. Sie ist wie Wasser ein essentielles „Lebensmittel“ für alle höheren Organismen. Ihre Zusammensetzung ist wesentlich für die Gesundheit des Menschen. Zwei ihrer Bestandteile, das Kohlendioxid (CO2) und der Sauerstoff (O2), sind Grundbausteine des Lebens wegen ihrer Beteiligung an der Photo-synthese und der Atmung. Die Zusammensetzung der Luft ist überwiegend Folge der Evolution des Lebens auf der Erde, d. h. Lebewesen regeln über ihre Stoffwechselprodukte die Zusammensetzung der Atmosphäre und bestimmen damit das Klima auf der Erde mit.

Im Vergleich zu den anderen Planeten unseres Sonnensystems ist die Zusammensetzung der Erdatmosphäre einzigar-tig, weil die strahlungswirksamsten Substanzen, darunter der für die Niederschlagsbildung notwendige Wasserdampf, in sehr geringen Mengen vorkommen. Nur rund 3 ‰ der Masse der Atmosphäre bestimmen den Strahlungshaushalt wesentlich (Tabelle 1) und regeln damit die Verteilung von Temperatur und Niederschlag. Durch die Beeinflussung dieser Substanzen wird die Menschheit ungewollt und rasch zum globalen „Störenfried“. Die sehr unterschiedliche Le-bensdauer der klimarelevanten Spurengase – von etwa 150 Jahren für das Distickstoffoxid (N2O) bis zu einigen Stun-den für das Stickstoffdioxid (NO2) – gestattet eine einfache Einteilung in einerseits global und andererseits nur regio-nal wirkende Substanzen: Verbleibt eine Substanz im Mittel nur wenige Monate in der Atmosphäre, bevor sie che-misch umgewandelt oder abgelagert wird, beeinflußt sie meist nur die Erdhälfte, in der sie gebildet und in die Atmos-phäre emittiert wurde. Kohlenmonoxid (CO) und Ozon (O3) sind mit einer Lebensdauer von wenigen Monaten bzw.

Tagen bis Monaten solche Substanzen. Verbleiben dagegen Substanzen wie Methan (CH4) rund 10 Jahre oder das an-thropogene Kohlendioxid mindestens 100 Jahre in der Atmosphäre, dann besitzen sie globale Wirkung, weil sie dann weltweit fast gleichverteilt auftreten. Für diese langlebigen Gase ist daher der Emissionsort von untergeordneter Be-deutung.

Das Kapitel „Atmosphäre“ soll in drei Abschnitte unterteilt werden, weil drei globale, mit der Atmosphäre verbundene Umweltprobleme auf der unterschiedlichen Lebensdauer der verursachenden Substanzen beruhen:

● globale Veränderung der Zusammensetzung der Atmosphäre durch Zunahme langlebiger Treibhausgase (Abschnitt

„Zunahme der langlebigen Treibhausgase“). Beispiele sind CO2und CH4.

● Zusammensetzung und globale Veränderung der Chemie in der Stratosphäre, die zu regional unterschiedlicher Ozonabnahme führt (Abschnitt „Chemie der Stratosphäre“). Einfluß üben z. B. die FCKW aus.

● Veränderung der Chemie der Troposphäre, als Folge vielfältiger regional wirksamer Emissionen mit inzwischen kontinentübergreifendem Ausmaß (Abschnitt „Chemie der Troposphäre“). Beispiele sind SO2und NOx.

Anschließend wird in einem Teilkapitel über die Folgen dieser drei Veränderungen für das Klima berichtet, denn nicht nur der verstärkte Treibhauseffekt ist klimawirksam, sondern auch der Ozonschwund in der Stratosphäre sowie die Ozon- und Trübungszunahme in der Troposphäre.

1.1.1 Zunahme der langlebigen Treibhausgase

Kurzbeschreibung

Die natürlichen Treibhausgase der Erdatmosphäre, also jene, die die Wärmeabstrahlung in den Weltraum stärker be-hindern als das Vordringen der Sonnenstrahlung zur Erdoberfläche, erhöhen die Temperatur an der Erdoberfläche. In Warmzeiten wie der gegenwärtigen bewirkt dieser Effekt global einen Temperaturanstieg um etwa

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30 °C auf ca. +15 °C, in Intensivphasen einer Eiszeit wie vor etwa 18.000 Jahren nur auf etwa +10 °C. Nach Bedeu-tung gereiht sind im wesentlichen folgende fünf Gase treibhauswirksam: Wasserdampf (H2O) mit einem Anteil von ca.

70 %, Kohlendioxid (CO2) mit etwa 15 %, Ozon (O3) mit einigen Prozent, Distickstoffoxid (N2O) und Methan (CH4) mit jeweils wenigen Prozent. Wir Menschen haben zweifelsfrei die Konzentrationen von CO2, CH4und N2O erhöht sowie neue Treibhausgase wie die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) hinzugefügt und damit den Treibhauseffekt verstärkt (Tabellen 1 und 2). Der Beitrag veränderter Konzentrationen kurzlebiger Treibhausgase, wie Ozon, zum an-thropogenen Treibhauseffekt ist noch nicht ausreichend sicher abgeschätzt, weil die vor allem in hohen Breiten beob-achtete Abnahme des Ozons in der Stratosphäre (siehe 1.1.2) und die beobbeob-achtete Ozonzunahme in der Troposphäre mittlerer Breiten (siehe 1.1.3) sich je nach Region teilweise oder vollständig kompensieren können.

Tabelle 1: Eigenschaften der Treibhausgase in der Erdatmosphäre

Gas Verweildauer Volumen- Zuwachsrate Treibhaus-

Strahlungs-Mischungs- der 80er potential pro bilanzstörung verhältnis Jahre in % Molekül, seit 1750 in

1992 pro Jahr relativ zu Wm-2

CO2

H2O Tage bis 2 ppmv ? <200** >0

Monate bis 3,5%

CO2 >100 Jahre* 357 ppmv 0,4 bis 0,5 1 1,3

O3 Tage bis 0,01 bis 10 0 bis -0,8 (S) <2000** ?

Monate ppmv 0 bis +2,5 (T)

N2O ;150 Jahre 0,31 ppmv 0,25 200 ;0,1

CH4 ;10 Jahre 1,75 ppmv 0,8 25 bis 30 ;0,5

FCKW 60 bis 300 ;1ppbv ;4 10000 bis ;0,4

Jahre 17000

CO wenige 0,15 ppmv ;1 (NH) 2 >0

Monate (NH)

NH = Nordhemisphäre S = Stratosphäre T = Troposphäre

* = nur anthropogener Zusatz

** = maximal in der unteren Stratosphäre

ppmv = parts per million (volume) = 1 Molekül auf 106Moleküle (volumenbezogen) ppbv = parts per billion (volume) = 1 Molekül auf 109Moleküle (volumenbezogen)

Tabelle 2: Rangfolge einzelner Treibhausgase im natürlichen und anthropogen gestörten System

Rang ungestörtes gesamter anthropogener natürlicher

System anthropo- Zusatz in den plus

gener Zusatz 80er Jahren

anthropo-im Zeitraum gener Zusatz

1759-1992

1 H2O CO2 CO2 H2O

2 CO2 CH4 FCKW CO2

3 O3 FCKW CH4 O3

4 N2O N2O N2O N2O

5 CH4 CH4

6 CO FCKW

7 CO

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Die anthropogenen Quellen für die langlebigen Treibhausgase sind überwiegend bekannt. Die wichtigste ist die Nut-zung von fossilen Brennstoffen (Erdöl, Kohle und Erdgas), deren Emissionen bei Verbrennung zusammen einen An-teil von rund 50 % an der Störung der Strahlungsbilanz haben. Jeweils ca. 15 % werden durch landwirtschaftliche Ak-tivitäten, Landnutzungsänderungen und bei der industriellen Produktion emittiert (Enquete-Kommission, 1991).

Die wesentlichste und nur im Muster, nicht aber in der Größenordnung umstrittene Wirkung der veränderten Anteile der Treibhausgase in der Atmosphäre ist eine globale Erwärmung der Erdoberfläche und der Troposphäre. Diese kann vielfältige, bisher noch schlecht verstandene, sich verstärkende oder abschwächende Reaktionen des globalen Wasser-kreislaufes und anderer Stoffkreisläufe auslösen (siehe 1.2).

Aber auch die direkten Wirkungen einer erhöhten CO2-Konzentration bergen, häufig mit dem Schlagwort CO2 -Dün-gungseffekt umschrieben, viele Risiken, die Anlaß zum Handeln geben sollten. Die von 154 Nationen in Rio de Ja-neiro im Juni 1992 gezeichnete Rahmenkonvention zum Schutz des Klimas muß jetzt wegen der direkten Wirkungen erhöhter CO2-Konzentration rasch umgesetzt werden. Darüber hinaus bleibt die rasche globale Klimaänderung, wie sie die Menschen seit mindestens 10.000 Jahren noch nie erlebten, der Hauptgrund für das Handeln.

Ursachen

Von den fünf wesentlichen, natürlich vorkommenden Treibhausgasen in der Atmosphäre, die zusammen einen Treib-hauseffekt von etwa 30 °C verursachen, werden die Konzentrationen von Kohlendioxid (CO2), Ozon (O3), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) von uns Menschen weltweit verändert. Nur für das fünfte Treibhausgas, den Wasserdampf, ist noch nicht klar, wie stark wir seine Konzentration erhöht haben. Wasserdampf verstärkt eine Temperaturänderung, denn seine Konzentration steigt bei einem Temperaturanstieg von 1 °C um etwa 10 %. Die Beobachtung einer Tempe-raturänderung, angestoßen durch Konzentrationsveränderungen von CO2, O3, N2O und CH4wäre deshalb eher der Be-weis für die eingetretene Wirkung des erhöhten Treibhauseffektes als für eine direkte Veränderung der Konzentration des Wasserdampfs durch menschliche Aktivität. Alle für den Treibhauseffekt wichtigen Spurengase zusammen stellen in Eiszeiten nur 0,2 ‰, in Warmzeiten 0,3 ‰ aller Moleküle der Atmosphäre. Dieser Unterschied wird wesentlich be-stimmt von Änderungen der Konzentration des CO2, die von etwa 190 ppmv vor 18.000 Jahren auf 280 ppmv in der jetzigen Warmzeit (Holozän) anstieg und seit Beginn der Industrialisierung um 1750 exponentiell auf 357 ppmv im Jahre 1992 zunahm. Methan variierte im gleichen Zeitraum relativ noch stärker, seine Konzentration änderte sich von 0,35 über 0,7 auf 1,75 ppmv. Bei Lachgas ist bisher nur der Anstieg seit Beginn der Industrialisierung sicher bekannt, und zwar von 0,28 auf 0,31 ppmv.

Erst seit den 50er Jahren treten die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als Treibhausgase auf. Sie behindern, eben-so wie die anderen Treibhausgase, die Abstrahlung von Wärmeenergie von der Erdoberfläche in den Weltraum. Die Produktion der beiden wichtigsten FCKW stieg bis 1974 weltweit sehr rasch mit Zuwachsraten von 8,5 bzw. 11 % pro Jahr. Die ersten Warnungen vor ihrer ozonzerstörenden Wirkung während des chemischen Abbaus in der Stratosphäre und die daraufhin folgenden Maßnahmen einiger Länder führten bis etwa 1988 zu annähernd konstanter Produktion von ca. 1 Mio. Tonnen pro Jahr. Erst nach Inkrafttreten des Montrealer Protokolls am 1. Januar 1989, einer Aus-führungsverordnung des Wiener Abkommens zum Schutz der Ozonschicht von 1985, begann der Produktions-rückgang. Dieser hat wegen der langen Lebensdauer der FCKW von einigen Jahrzehnten bis wenigen Jahrhunderten aber noch nicht einmal zu einer Stabilisierung der Konzentrationen der FCKW in der Atmosphäre geführt; ein Rück-gang der Konzentration ist erst Mitte des nächsten Jahrhunderts zu erwarten (Abbildung 3).

Die Ursachen für den Treibhausgasanstieg sind inzwischen zum größten Teil bekannt. An erster Stelle steht die Nut-zung fossiler Brennstoffe durch den Menschen. Diese NutNut-zung erhöhte vor allem die Konzentrationen von CO2und CH4, begrenzt auch die des N2O. An zweiter Stelle folgen Landnutzungsänderungen, die hauptsächlich CO2und CH4

vermehren. An dritter Stelle kommen die industriellen Emissionen, die als Quelle für die FCKW und die übrigen halo-genierten, treibhausrelevanten Kohlenwasserstoffe zu nennen sind. An vierter Stelle kommt die Landwirtschaft, die vor allem zusätzliche Emissionen von CH4und auch N2O verursacht. Im Vergleich zu den Quellen ist sehr wenig über die Dynamik der Senken einzelner Treibhausgase bekannt, z. B. über die Veränderung der CO2-Senke „Nördliche Waldgebiete“ (Heimann, 1993).

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Auswirkungen

Dieser Abschnitt über die erhöhte Konzentration der Treibhausgase behandelt die Wirkung auf das Klima noch nicht, weil dieses von anderen globalen Umweltveränderungen ebenfalls beeinflußt wird und die klimaändernden Faktoren deshalb in einem eigenen Abschnitt Klimaänderung (siehe 1.2) gemeinsam geschildert werden. Daher soll hier nur der direkte Effekt erhöhter Treibhausgaskonzentration diskutiert werden. Das betrifft im wesentlichen die direkte Wirkung erhöhter CO2-Konzentration, denn die zwar erhöhten, aber immer noch relativ niedrigen Methan-, Lachgas- und FCKW-Konzentrationen in der Luft haben bisher keinen erkennbaren direkten Einfluß auf Pflanzen, Tiere und Men-schen.

Die Wirkung des erhöhten CO2-Gehalts wird häufig auf die Beschleunigung des Wachstums von Pflanzen, den CO2 -Düngungseffekt, eingeengt. Aus der Kontroverse um diesen Effekt und der dadurch intensivierten Forschung sind bis-her nur wenige gesicbis-herte Erkenntnisse gewonnen worden. Viele Kulturpflanzen, die ausreichend mit Nährstoffen, Wasser und Licht versorgt sind, bilden pro Zeiteinheit mehr Biomasse, wenn sich der CO2-Gehalt der Luft erhöht.

Dieser Effekt kann durch eine Temperaturerhöhung, vor allem nachts, wieder zunichte gemacht werden (siehe 1.4). In natürlichen Ökosystemen dagegen fehlen häufig Wasser und/oder Nährstoffe, daher kann sich der CO2 -Düngungsef-fekt für diese Pflanzen nicht so deutlich ausprägen. Bei wenigen Freilandversuchen an natürlichen Ökosystemen wie der arktischen Tundra ist beobachtet worden, daß das bei erhöhtem CO2-Angebot auftretende erhöhte Wachstum der Pflanzen schon von einer geringen Temperaturerhöhung kompensiert wird. Durch die erhöhte Temperatur wird nicht nur die Atmung der Pflanzen erhöht, d. h. ihre Stoffwechselprodukte werden wieder in stärkerem Maße zum Leben-sunterhalt verbraucht, sondern es wird auch mehr CO2aus den Böden freigesetzt. Gewichtige Argumente, die für das Vorhandensein eines CO2-Düngungseffektes der großen natürlichen Ökosysteme sprechen, gründen sich auf Kohlen-stoffisotopen-Untersuchungen (Tans et al., 1990). Diese sind nur konsistent zu interpretieren, wenn nicht unerhebliche Teile (20 %) des anthropogenen CO2von der Biosphäre aufgenommen werden. Die großen gekoppelten Klimamodelle weisen derzeit hierfür keine andere Senke aus.

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