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Die Reformation und die Einführung des lutherischen Glaubens waren im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin 1531 in Rostock und 1549 durch Übereinkunft der beiden regierenden Mecklenburgischen Herzöge Heinrich V. und Albrecht VII. und den Landständen beschlossen. Das Land setzte sich aus drei Herrschaftsbereichen zusammen. Jeder der beiden Herzöge regierte einen Teil des Landes den sogenanten, bereits reformatorisch geprägten Heinrichs- und den altgläubigen Albrechtsteil. Im Gemeinschaftsteil hielten sie gemeinsam Landtage, hatten ein gemeisames Recht auf Steuerausschreibungen und verwalteten gemeinsam die zwölf wichtigsten Städte des Landes.64 Dieser Unionsvertrag von 1523 sollte für vier Jahre gelten, 1534 beschlossen die beiden Landesherren ihn noch zwanzig Jahre beizubehalten. Zu persönlichen Gegensätzen kamen religiöse hinzu, ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Luthertum.65 1552 wurden im Herzogtum Visitationen, wie sie die Kirchenordnung gefordert hatte, durchgeführt. Also ist hochnöhtig, daß die Superintendenten, als trewe Auffseher bißweilen die Kirchen besuchen, und erkunden sich von der Lere und sitten der Pastorn, von des Volcks Verstand und Besserung, [...] von Uneinigkeit zwischen den Pastorn und dem Volck, von der Pastorn Schutz und Unterhaltung, von den Gebewen, von Einkommen der Kirchen.66

63 Willgeroth, Bd. III. (Beidendorf) S. 1269.

64 Wolgast, Reformation S. 6f. Rostock, Wismar, Schwerin, Güstrow, Parchim, Sternberg, Malchin, Teterow, Waren, Röbel, Neubrandenburg und Friedland.

65 Karge, Münch, Schmied, Geschichte S. 62ff.

66 Revidirte Kirchen=Ordnung: Wie es mit Christlicher Lehre, Reichung der Sacramenten, Ordination der Diener des Evangelii, ordentlichen

Ceremonien in der Kirchen, Visitation, Consistorio und Schulen: Im Hertzogthumb Mecklenburg etc. Gehalten wirdt. Unveränderter Nachdruck der Revidirten Kirchen= ordnungen von 1602 und 1650. Schwerin 1855.

Fol. 135. Der Abschnitt „Von der Visitation“ wurde seit der

Kirchen=Ordnung von 1555 nicht verändert, lediglich in hochdeutscher Sprache herausgegeben.

Der hier geforderte Fragenkatalog wurde zur Grundlage der Examinierung von Pfarrern und Pfarrkindern. In den ersten Jahrzehnten wurden papistische, unwürdige und unfähige Pfarrer abgesetzt, so auch 1600 Pastor Schumann in Alt Gaarz, weil er einen Scharfrichter, der des Pastors Frau geheilt hatte, aufgenommen und ihm das Abendmahl gereicht hatte, ein Beispiel für die weiterhin geübte Ausgrenzung von Personen, die als unehrlich galten.67 Die Revidierte Kirchenordnung von 1602 schrieb den Pastoren vor, neben einem gottgefälligen Leben ihre Predigt schriftlich zu formulieren, Fremdwörter zu vermeiden und einfältig nicht länger als eine stunde lang, ungeferlich zu predigen, und es soll die gewönliche Epistel für den Altar deutsch gelesen werden. Im dritten Teil der Kirchenordnung wurden die Pastoren angewiesen, wie sie es mit Gottesdiensten und Ceremonien zu halten hätten. Auf dem Lande wurde an Werktagen, mittwochs und freitags, an Sonntagen früh und nach dem Mittag Gottesdienst gehalten, sonntags sollten im Anschluß daran die Kirchgänger examiniert werden. Der Inhaber einer Pfarre durfte weder Bier ausschenken, noch irgend einer anderen Nebenbeschäftigung nachgehen. 68

Die Pfarrpfründe war ein zum Unterhalt des Pfarrers bleibend ausgeschiedener Teil des Kirchenvermögens. Dazu gehörten neben Wohnung und Acker Ansprüche auf wiederkehrende Hebungen und Rechte, was als Teil des Stelleneinkommens galt.

Das beinhaltete ein Recht auf Ackerbestellung, Fuhrleistungen, Lieferung von Lebensmitteln wie Meßkorn, Eier, Wurst, Käse und ähnlichen Naturalprodukten.

Hinzu kamen Quartal- oder Michaelisopfer, eine von konfirmierten Gemeindegliedern zu entrichtende Abgabe in nicht einheitlicher Höhe.69 Pastor Paulus Rath wurde anläßlich einer Visitation zugesagt, daß eine jede Person, so zu dem Hochheil: Abendmahl gehet, dem pastori alle Quartal 1 ßl. geben soll an Opfergeld, ich aber bekomme nur alle Jahr einen ßl., welches allerdings wieder die Billigkeit und Recht. Er berichtete, daß es eine große Ungleichheit mit den Priesterhebungen sei, weil in reichen Gemeinden wie Warnkenhagen sogar 8 ßl.

67 Schubert, Ernst: Randgruppen in der Schwankliteratur des 16.

Jahrhunderts, in Kirchgässner, Bernhard und Reuter, Fritz (Hg.): Städtische Randgruppen und Minderheiten. Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung. Bd. 13. (1986) S. 129ff. Vgl.

Schmaltz 2. Bd. S.143, zitiert nach Krüger: Mecklenburgisches Jahrbuch 69. S. 56. Das Gewerbe des Henkers, und damit er selbst, galten als unehrlich.

68 Ebd. S. 142f.

69 Vgl. Petke, Oblationen S. 27. (Bis in das späte 19. Jahrhundert blieb das Opfergeld ein nicht zu unterschätzender Bestandteil des

Pfarrereinkommens.)

gegeben würden.70 Bezüglich des Pfarrackers stand dem Pfarrer das Recht zu, ihn während seiner Amtszeit zu verpachten.71 Nach Einführung der Reformation wie auch nach dem Dreißigjährigen Krieg verloren viele Pfarren ihr Ackerland.

Eingepfarrte wie Patrone haben sich am Kirchengut bereichert und an einigen Orten Vikarienstiftungen ihrer Vorfahren widerrechtlich eingezogen. Da während der Kriegswirren in den Pfarren häufig Register über Besitz und Einkünfte abhanden gekommen waren, konnten die Visitatoren nicht eingreifen. Nicht allein den Pfarrern gingen Einnahmen verloren, auch aus dem Kirchenvermögen fehlten Erträge, die für gottesdienstliche Zwecke und Kirchenbaumaßnahmen bestimmt waren.72 Der Zehnteinzug belastete auch in Mecklenburgischen Pfarren das Verhältnis zwischen Pfarrer und Bauern: Waren diese arm, gab es keine Möglichkeit für Pfarrer, ihre Rechte einzufordern.73 Eine weitere Einnahmenbuße war durch das Bauernlegen entstanden, wobei Bauern zu landlosen Tagelöhnern wurden: Gutsherren zogen nach Beendigung des 30jährigen Krieges wüste Bauernstellen ein oder kauften Bauernhöfe aus. Im Domanium hatte die Landesherrschaft dagegen versucht, das Bauerntum zu erhalten, es entstanden hier Büdner- oder Kleinstbauernstellen, auf denen nicht erbberechtigte Bauernsöhne wenig Acker bewirtschafteten. Infolge ihrer Armut entfielen deren Pfarrabgaben. Dazu die Kirchenordnung: Und sol erstlich in allen Städten und Dörffern das Pfarrgut trewlich erhalten, und gebessert, auch den Pfarrherrn und Predigern ihre gewönliche und gebürliche Accidentia, trewlich gereicht, und nicht verkürtzet oder abgezogen werden. Wenn auch der Herrschafft, Amptleute und Befelhaber, die vom Adel und Städte, newe Viehehöffe legen, und etliche Bawrhöffe dazu nemen, sol von denselben eben das, was zuvor von den Bawrn und ihren Höven und Katen geschehen, den Pfarherrn gegeben werden.74 Die den Pfarren und ihren Inhabern 1755 zugestandene Befreiung von der Landeskontribution wurde 1809 angeblich nur vorübergehend aufgehoben, nach Beendigung der französischen Besatzung 1812 jedoch nicht wieder rückgängig gemacht, so daß die Immunität verloren war und sich die Ausgaben der Pastoren

70 Schubert Anno 1704 Lfg. B2 (Thürkow) S. 111f.

71 Schmidt, Kirchenrecht: § 39 Pfründe, S. 136ff.

72 Piersig, Kirchspiele im Amt Mirow S. 88f.

73 Köhler, Hetzinger: Pfarrvolk und Pfarrersleut, in: Greiffenhagen, Martin (Hg.): Das evangelische Pfarrhaus. Eine Kultur und Sozialgeschichte.

Stuttgart 1984. S. 259.

74 Rev. Kirchen=Ordnung: Fol. 276.

erhöhten.75 Diese Steuern waren für einen Pfarrer, dem es an barem Geld mangelte, nicht unerheblich: Um 1700 zahlten Prediger in Landpfarren jährlich 16ßl, dazu mußte das Vieh versteuert werden, beispielsweise kosteten ein Pferd oder Rind je 16ßl, ein Schwein 2ßl und 6Pfennige, ein Schaf 4ßl, und für einen Stock Immen mußten 6ßl bezahlt werden.76

Durch den Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 und der späteren Patentverordnung vom 21. Juli 1821 war der Pfarrer gleichzeitig auch Inspektor einer zu seiner Parochie gehörenden Schule.77 Der evangelische Pfarrer war in seiner Gemeinde selbstständiger Verwalter des Gnadenmittelamts. Das Konsistorium hatte die Möglichkeit, seine Amtsführung zu kontrollieren und ihn, wenn er den Kirchenvorschriften zuwider handelte, abzusetzen.

Klagen der Geistlichkeit über Armut und mangelhafte Ausstattung ihrer Pfarren zogen sich durch die mecklenburgische Kirchengeschichte. Obwohl Visitationsprotokolle wie die Erhebungen der Beichtkinderverzeichnisse kritisch zu lesen sind, können sie glaubhafte und lebendige Auschnitte vom Leben auf der Pfarre vermitteln. 1592 berichten zwei Superintendenten ihrem Landesherrn, Prediger seien so arm, daß sie gezwungen seien, Bücher und Kleidung zu verkaufen, um ihre Familie mit Nahrung zu versorgen.78 1704 schreibt Pastor Christian Berends aus Brunshaupten: Meine Vorfahren sind alle in einem miserablen Zustand gewesen, welcher zur Genüge kan bewiesen werden. Von mir selbst will ich nichts schreiben, aber das von Hertzen wünschen, daß diese Pfarre nach meinem Tode als ein Filial entweder nach Stephanshagen oder auch nach Biendorf verleget werde, damit das Lamentiren an diesem Orthe ein Ende nehmen möget.79 Ein halbes Jahrhundert später heißt es aus Elmenhorst: Ach Gott, wie ist mir auf dieser Pfarre

75 Schmidt, Kirchenrecht S. 66ff.

76 Rudert, Thomas: Gutsherrschaft und Agrarstruktur. Der ländliche Bereich Mecklenburgs am Beginn des 18. Jahrhunderts. (Europäische

Hochschulschriften: Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 647).

Frankfurt a. M. 1995. S. 31.

77 Deiters, Handbuch S. 613.

Vgl. Des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn HERRN Christian Ludwig Herzogen zu Mecklenburg, Fürsten zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Grafen zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr etc. mit Dero Ritter- und Landschaft getroffener Landes-Grund-Gesetzlicher Erb-Vergleich vom Dato Rostock den 18. April 1755. § 495.

78 Schmaltz, Bd. 2. S. 144. s. Anm. 29.

79 Schubert, Anno 1704. Lfg. F2 (Brunshaupten) S. 147f.

manchmal zu Mut, daß ich meine Hände öfters in Tränen waschen kann! [...] In Summa: alles ist so jämmerlich, daß nichts darüber! Herr Rath Hartmann, der hier gewesen, weiß es. Daß dies alles die lautere Wahrheit, bezeuget nach seinem priesterlichen Gewissen Thomas Gottfried Croon P. Elmenhorst, 8. Juni 1751.80 Aus Groß Vielen kommen Klagen: Auf das Hochfürstliche Mandatum von denen Pfarrerhebungen [...] vermelde unterthänigst, daß meine Pfarre eine von denen schlechtesten im Lande, allgemeine Weide wird vom Adelichen Verwalter mir eingeschränkt, und da ich leider mit meinen Habseligkeiten 2x abgebrandt bin, so habe kaum mein ehrliches Auskommen und werde kaum einen Sohn studiren lassen können. So schrieb Pastor Johann Samuel Fabricius am 18. Mai 1751 aus Groß Vielen.81

Trotz dieser Klagen konnte der Sohn des Amtsinhabers von Groß Vielen ein Theologiestudium bestreiten, eine Tochter wurde 1771 vom Nachfolger konserviert.82 Die Pfarre Brunshaupten wurde 1777 tatsächlich mit Biendorf zusammengelegt, 1850 aber wiederaufgerichtet, weil unbefahrbare Wege und die große Entfernung zwischen beiden Orten zum Hindernis für ein Gemeindeleben geworden waren. Der Herzog schenkte dieser Gemeinde 2000 Taler zum Neubau des Pfarrgehöfts in Brunshaupten.83

Klagen sind noch für das 19. Jahrhundert notiert: 1845 resignierte Pastor Adolf Friedrich Fuchs in Marlow. Er wanderte mit seiner Familie nach Texas aus, weil er es satt hatte, von dem Ueberfluß der Reichen und dem Schweiß der Armen sein Dasein kümmerlich zu fristen.84 Die Selbstbewirtschaftung des Pfarrgutes brachte Mühe und wenig Gewinn. Pastor Christian Grapengießer listete 1704 in seinen Angaben zur Pfarre auf, daß er zwei Hufen auf dem Felde zu Lancken habe, welchen Acker ich mit eigener Spann und Gesinde begaten muß, ohne daß mir die geringste Hilfe wiederfähre.85 Wenn hingegen der Pfarrer Hilfe anheuerte, so hießt es: Die Begatung des Ackers kostet dem Pastoren viel; denn sooft der Acker behacket wird, kriegen die Bauren jedesmal eine Tonne Bier und eine Mahlzeit.86 Oft überstiegen die Kosten für Lohn und Beköstigung den Gewinn aus der Landwirtschaft. Ohne ausreichende Erträge von seinem Acker mußte Pastor Johannes Lanzius leben, wie er

80 Schubert 1751. Lfg. G/H (Elmenhorst) S. 73.

81 Ebd. Lfg. A (Gr. Vielen) S. 101.

82 Willgeroth, Bd. I. S. 625f.

83 Ebd. S. 107.

84 Ebd. S.150.

85 Schubert Anno 1704. Lfg. J (Lancken) S. 41.

86 Ebd. Lfg. J (Grabbin) S. 64. Pastor Erdmann Krüger Anno 1704.

1704 seinem Landesherrn berichtete: Ich aber habe nicht soviel Acker, als zu einer halben Hufe gehöret, und auf dem wenigen Acker muß dennoch große Unkostung anwenden, einen Knecht, einen Jungen u. 2 Dirnen halten, [...] u. demnach nicht so viel wieder einbringet, daß ich mit meinem Gesinde davon an Brotkorn mein Auskommen habe, und noch alle Jahr zukaufen muß.87

Im 18. Jahrhundert wurden von gut bepfründeten Pfarren zunehmend Ackerflächen verpachtet. So geschah es 1726 in Klütz, der gesamte Pfarracker erbrachte 1751 einen Gewinn von 150 Reichstalern.88 Von seinem Patron konnte der Dorfpfarrer nur wenig Hilfe erwarten: Viele Höfe standen wüst, die Beichtkinderzahl war zurückgegangen, entsprechend wurden die Einnahmen des Pastors geringer, der Schaden wurde nicht ersetzt.89

Noch einmal: Ursachen für die sinkenden Einnahmen der Pfarren waren kriegsbedingte Zerstörung der Wedem, Landverlust in den Wirren der Nachkriegszeit, Steuerschulden, verminderte Einnahmen durch Bauernlegen, hinzu kam die Verpflichtung der Pfarren, den Witwen ihrer Vorgänger einen Teil der Pfarrpfründen zu überlassen. Bevor durchgreifende Maßnahmen zur Linderung der Not auf den Pfarren zur Ausführung kamen, sollten noch mehr als eineinhalb Jahrhunderte vergehen.