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IV. Witwenkasten und Witwenkassen

1.4. Johann August Uhlig aus Poserin

Ein Konzept für eine private Witwenvorsorge hat Pastor Johann August Uhlig entwickelt. Uhlig wurde am 4. Oktober 1757 in Halle geboren. Er amtierte von 1785 bis 1822 als Pastor in Groß und Neu Poserin, das zur Superintendentur Güstrow und Präpositur Plau gehörte. Am 28. März 1835 starb er in Wittenberge. Uhlig war seit 1785 mit einer Pastorentochter verheiratet, die ein Jahr vor ihm starb.

Schmaltz bezeichnete ihn als den „berüchtigten Uhlig“, als einen betriebsamen Mann und Rationalisten reinsten Wassers. Er lehrte ein Christentum, wie es die Kinder brauchen, unterschlug dabei beträchtliche Teile des Katechismus als trockene Dogmatik und predigte seinen Gemeindegliedern, sie brauchten weder Tod noch Teufel zu fürchten, wenn sie Gott wohlgefällig lebten, sich besserten und gute Menschen würden.456 Damit war das Konsistorium nicht einverstanden und wollte ihm wegen Verbreitung seiner eigenwilligen Lehrmeinung 1810 die Pfarre nehmen.

Er revocierte und durfte bleiben. Bis 1819 hatte er etwa 1600 Briefe geschrieben, was ihn zu dem Kommentar veranlaßte: Ich bin also gewiß kein Faullenzer und

Schriftsteller Nicolai, der Lesegesellschaften mit Literatur versorgte und Kontakt mit deren Begründern pflegte, Präpositus Hermes persönlich gekannt hat, ist offen.

454 Fritsch, Johann Heinrich: Johann August Hermes, Doctor der Theologie, Consistorialrath, Oberhofprediger und Superintendent zu Quedlinburg, nach seinem Leben, Charakter und Wirken. Quedlinburg und Leipzig 1827. S. 8-21.

455 Schmaltz, 3. Bd. S. 185ff. Vgl. Wiggers, Kirchengeschichte S. 217f.

Vgl. Willgeroth Bd. II. S. 736f.

456 Schmaltz, 3. Bd. S. 243f.

Bauchpfaffe gewesen, der die Pfarre bloß als eine Milchkuh oder als ein Faulbett betrachtet, auf welchem er von den Strapazen des Studenten= und Kandidatenstandes ausruht.457

Auch dieser Initiator einer Predigerwitwenkasse ragte aus mecklenburgischen Kleinstadt- und Dorfpfarrern heraus, indem er seine Begabungen und sein Wissen in praktisches Christentum umsetzte und soziale Einrichtungen schuf.

Die meisten Predigerwitwen bezeichnete er als arm. Daher solle jede einzelne Pfarre einen Witwenfonds stiften: Es gäbe zwar im Vaterland die von Hermes gegründete Witwenverpflegungsgesellschaft von 1768, man habe auch Beiträge geleistet, seit 1814 sei aber nicht mehr gewährleistet, ob diese Kasse weiterhin zahlen oder gar fortbestehen werde. Er, Uhlig, halte es für notwendig, daß bei jeder einzelnen Pfarre ein Predigerwitwenfonds eingerichtet würde. Seine Pläne veröffentlichte er 1820 in Güstrow.458

Wir wissen alle, wie bedauernswürdig das Los vieler Predigerwittwen ist, besonders wenn sie unversorgte Kinder haben, und kein Capitalvermögen besitzen, und von welchen Bekümmernissen das Herz manches rechtschaffenen Vaters beklemmet wird, wenn er an den Zeitpunkt gedenkt, wo er aufhören soll, der Versorger seiner Familie zu seyn. Haben wir aber bei unserer Pfarrstelle einen Wittwenfonds, so können wir, wenn wir uns sonst des Guten bewußt sind, in Absicht auf unseren Unterhalt der Unsrigen ruhiger scheiden.459

Diese Worte stellte der Pastor seiner Schrift voran. Über 100 Jahre zuvor hatte bereits am 12 September 1704 einer seiner Poseriner Amtsvorgänger die Lage der Pfarrwitwen beschrieben: Ein Witwenhaus ist zu Großen Poserin, darin die Witwe meines Seel. Antecessoris wohnet. Die Witwe hat ansonsten nichts, weder Acker noch Geld [...] also lebet die Witwe von Almosen.460 Im ersten Teil beschrieb Uhlig, wie es in seiner Gemeinde Poserin zur Einrichtung des Predigerwitwenfonds gekommen sei. Die Heuer von zehn Reichstalern für einen alten Witwenkaten mit Garten erhielten Patron und Kirchenkasse, da auf ihnen die Baulast ruhte. Bei Überprüfung der Kirchenrechnungen anläßlich eines Patronatswechsels wurde 1792 festgestellt, daß der Patron diese Summe zur Gänze behalten und nicht geteilt hatte.

457 Willgeroth Bd. I. S. 456f.

458 Uhlig, Johann August: Die Stiftung von Predgerwittwenfonds: bei jeder einzelnen Pfarre als ausführbar dargestellt. Güstrow 1820.

459 Ebd. S. 4f.

460 Schubert Anno 1704. Lfg. C2 (Groß Poserin) S. 205f.

Dieser schlug deshalb vor, mit dem für drei Jahre zurückzuzahlendem Geld zuzüglich weiterer zwanzig Reichstaler aus der Kirchenkasse, daß er (sc. der Patron) dies Capital nicht für sich bezahlt verlange, vielmehr dasselbe mit zum (sc. von Uhlig vorgeschlagenem) Fonds für künftige Predigerwitwen geschlagen werden möge. Der nachfolgende Patron unterstützte den Plan. Er stimmte zu, daß zusätzliche Einkünfte von 58 Reichstalern und 24 Schillingen aus Erbverpachtungen von Pfarrländereien 1795 dem Fonds zugeschlagen werden konnten. Das Kapital wuchs und betrug 1805 bereits 300 Rth., die in kleineren Summen von 10 oder 20 Rth.

gegen Zinsen von fünf Prozent verliehen wurden. Der baufällige Witwenkaten wurde 1810 abgerissen. Auf einen Neubau wurde verzichtet, bis wieder eine Pfarrwitwe Anspruch auf ein Haus erheben sollte. Den Willgerothschen Aufzeichnungen zufolge trat dieser Fall erst 1923 ein.461 Uhligs Vorschlag, die bisherige, nun aber fiktive Heuer für den Katen solle dem Witwenfonds zufließen, wurde bereitwillig angenommen. Von nun zahlten Patron und Eingepfarrte 10 Reichstaler jährlich als fiktive Miete. Am 17. Januar 1819 konnte Uhlig im Einverständnis mit dem Patron ein Kapital von achthundert Reichstalern als sichere Hypothek bei fünf Prozent Zinsen anlegen.462 Mit dieser Mitteilung beschloß er die Geschichte seiner Stiftung eines Predigerwitwenfonds bei seiner Pfarrstelle, um in einem zweiten Teil der Ausführungen mit Vorschlägen für andere Pfarrstellen zur Errichtung eines privaten Witwenfonds fortzufahren.

Diese Pläne hatten zur Voraussetzung, daß bei der Stiftung einige Folgejahre lang keine Witwen zu versorgen seien. Jeder Pastor solle fünf Jahre dasjenige aus seinen Pfarreinkünften abgeben, was im Falle, es gäbe eine Pfarrwitwe, dieser zukommen würde. Das sei zwar viel für einen Pfarrer, aber er müsse nur fünf Jahre Abgaben leisten, eine zu versorgende Witwe würde hingegen nicht selten zehn, zwanzig oder gar mehr Jahre von den Einkünften der Pfarre mitleben. Uhlig verweist damit auf häufige Streitigkeiten zwischen Pfarrwitwen und Pfarrern. Er argumentierte: Jetzt lebt sie doch nur 5 Jahre, und noch dazu bloß in der Vorstellung. Der Plan wird von Uhlig durchgespielt für arme und reiche Pfarren, für jüngere und ältere Pfarrer, er wies seine Amtsbrüder stets auf die Gewißheit hin, daß dasjenige, was er in den ersten fünf Jahren seines Predigerlebens aufgeopfert, seiner eigenen Witwe, wenn er eine hinterläßt, wieder zu Gute kömmt. Ein Pfarrer solle immer daran denken, daß das Schicksal künftiger Pfarrwitwen bei seiner Pfarrstelle auf spätere Zeiten hinaus

461 Willgeroth Bd. I. S. 456ff.

462 Uhlig: Die Stiftung S. 5-15. Vgl. Willgeroth Bd. I. S. 456ff.

erleichtert würde. Seine Vorschläge für eine Pfarrstelle von mittleren Einkünften, belegte er mit nachfolgendem Beispiel:

Das Witwenhaus und der dazugehörige Garten, imgleichen Viehweidegerechtigkeit, Heu, Stroh u.s.w. wird zu einem jährlichen Geldwerthe angeschlagen. 40 Reichsthaler.

Die Decima der baaren Pfarreinkünfte beträgt 50 Reichsthaler.

Die Decima der Naturalien an Korn, Holz u.s.w.

Welche der Witwe verabreicht werden, ist werth 30 Reichsthaler.

Summa: 120 Reichsthaler 463

Uhligs Plänen blieb der Erfolg versagt. Seine Vorschläge fanden keine Befürworter, so daß durch diese Initiative die Witwenversorgung nicht verbessert wurde.