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Persönlichkeit und Psyche im Coaching

Im Dokument Wirkung im Coaching (Seite 59-63)

Coaching und die Rolle des Unbewussten Neurowissenschaftliche Erkenntnisse für

1 Persönlichkeit und Psyche im Coaching

Coaching hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten als ein beliebtes Inst-rument der Personalentwicklung etabliert, das sich weiterhin auf Wachstums-kurs befindet und sich immer stärker auf folgenden Ebenen ausdifferenziert (vgl. Roth & Ryba, 2016, S. 24 ff.):

Ȥ Zielgruppen und Praxisfelder (in welchem Kontext findet Coaching statt?);

Ȥ bearbeitete Ziele, Anlässe und Themen (was steht auf der Coaching-Agenda?);

Ȥ eingesetzte Methoden (welche Coaching-Ansätze werden genutzt?);

Ȥ Settings und Art der Coaches (welche Coaching-Varianten werden einge-setzt?).

Seit 2002 sieht sich die Branche mit bedeutenden Fragen der Professionali-sierung konfrontiert, die sich durch die zunehmende Diversifizierung nicht leichter beantworten lassen. Sie betreffen die Identität, den Zuständigkeits-bereich, die Qualität und die Wirksamkeit von Coaching. Damit ist auch die Frage berührt, inwiefern die Persönlichkeit des Klienten oder der Klientin und damit das Unbewusste im Coaching-Verständnis abgebildet werden. Die bei-den genannten Ebenen »Agenda« und »Ansätze« und die Abgrenzung von Coa-ching und Psychotherapie sind in diesem Zusammenhang besonders relevant und werden daher im Folgenden näher beleuchtet.

1.1 Die Coaching-Agenda

Auf internationaler Ebene setzt sich langsam die Unterscheidung von mindestens drei verschiedenen Coaching-Agenden durch: Skills, Performance und Develop-ment Coaching (vgl. Segers, Vloeberghs & Hendrickx, 2011; Cox, Bachkirova &

Clutterbuck, 2014). Die drei Agenden umfassen verschiedene inhaltliche Schwer-punkte und bedürfen eines jeweils anderen Zeitaufwands und Engagements.

Die Grenzen sind jedoch fließend. Im Skills Coaching steht die Entwicklung von spezifischen, klar abgegrenzten Fähigkeiten im Vordergrund, weshalb ein solches Coaching meist nur wenige Tage oder Wochen beansprucht. Beim Per-formance Coaching geht es um die Optimierung der beruflichen Leistung und damit häufig um die Verbesserung von Kommunikations-, Interaktions- und Entscheidungsprozessen in komplexen Situationen zum Zweck einer erhöhten Wertschöpfung. Hier ist der Aufwand aufgrund der höheren Komplexität meist umfangreicher, weshalb mehrere Monate für den Coaching-Prozess veranschlagt werden. Beim Development oder auch Life Coaching steht die Person als Ganzes im Fokus; diese Agenda erfordert deshalb das höchste Engagement, es werden mehrere Monate bis Jahre für die Entwicklung eingeplant. Der Coach ist mit intimeren persönlichen und professionellen Fragen konfrontiert. Der Schwer-punkt liegt auf den persönlichen Zielen, Gedanken, Gefühlen und Verhaltens-weisen des Individuums und auf der Frage, wie eine Person ihr Leben und ihre Arbeit zu höherer Zufriedenheit und Effektivität verändern kann. In ihrem Buch »Life Coaching in der Praxis« stellen Schmidt-Lellek und Buer (2011) die Hypothese auf, dass hinter beruflichen Themen von Klientinnen oder Klienten häufig Lebensthemen verborgen sind, die im Coaching bearbeitet werden soll-ten, wenn dieses wirksam sein soll. Spätestens an dieser Stelle wird die heikle Frage der Abgrenzung zwischen Coaching und Psychotherapie offensichtlich.

1.2 Coaching und Psychotherapie:

zwei Pole mit Überschneidungsbereich

Ob nun im Coaching Fähigkeiten, Leistungen oder die Person als Ganzes ent-wickelt werden soll – immer geht es auch um Fragen der Persönlichkeit und der Möglichkeiten ihrer Veränderung. Viele Coaches, Personalverantwortliche und Klienten oder Klientinnen befürworten eine klare Trennung zwischen Coaching und Psychotherapie nach dem Motto: Psychotherapie ist ein Heilverfahren für psychisch Kranke, Coaching umfasst hingegen eine Beratung psychisch Gesun-der bei beruflichen Fragestellungen (vgl. Price, 2009; Grimmer & Neukom, 2009); es behandelt also die Wechselwirkungen zwischen Personen und ihrer

Professions- oder Organisationswelt. In einem Coaching werden weder rein geschäftliche Themen noch schwere psychische Störungen bearbeitet. Die dicho-tome Gegenüberstellung von Coaching und Therapie stellt sich allerdings bei genauerer Betrachtung als unangemessen heraus; verschiedene Studien (Grim-mer & Neukom, 2009; Maxwell, 2009) legen nahe, dass die Grenze zwischen den beiden Beratungsverfahren fließend ist (für eine ausführliche Darstellung vgl.

Roth & Ryba, 2016). Nicht selten werden im Coaching also Themen wie Burn-out, Leistungsabfall aufgrund von Scheidung, hartnäckige Verhaltensmuster, die zum Beispiel Aufstiegsmöglichkeiten verhindern, usw. behandelt. Die Faktoren

»Persönlichkeit« und Psyche spielen eine große Rolle, wenn es um das Fühlen, Denken und Handeln von Menschen im beruflichen und privaten Leben geht.

Daher liegt der Schluss nahe, dass Coaching und Psychotherapie zwei Pole von Beratung mit einem enormen Überschneidungsbereich sind. An den Coach werden Ansprüche gestellt, die denen einer Psychotherapeutin durchaus ent-sprechen, was für eine umfassendere Qualifizierung von Coaches spricht.

1.3 Coaching-Ansätze: theoretische Grundorientierungen von Interventionen

Methodisch greifen Coaches ohnehin auf eine Fülle von Methoden zurück, die aus verschiedenen therapeutischen Ansätzen stammen, zum Beispiel aus der Verhaltenstherapie oder der Transaktionsanalyse. Jede dieser Denkschulen hat unterschiedliche Konzepte für Persönlichkeitsentwicklung und misst dem Unbewussten eine andere Bedeutung bei. Das Wissen vieler Praktikerinnen und Praktiker über die verschiedenen Ansätze und ihre historischen Wurzeln ist jedoch häufig begrenzt (Roberts & Jarrett, 2007; Wildflower, 2013).

Vereinfachend, können nach Gilligan (2014) drei Generationen von Ansätzen und Denkschulen unterschieden werden, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben:

Ȥ 1. Generation: Traditionelle Psychotherapie

Die traditionelle Psychotherapie wurde erheblich von Sigmund Freud (1856–

1939), dem Begründer der Psychoanalyse, beeinflusst. Ihr Fokus liegt auf Problemen, die als psychische Krankheit aufgefasst werden, und auf der Vergangenheit. Nach dieser Theorie verursachen negative Erfahrungen in der Kindheit aktuelle Probleme. Ziel ist es, durch Einsicht eine Aufarbeitung zu bewirken. Die Bedeutung dieser Denkschule wird darin deutlich, dass die Begriffe »Psychotherapie« und »Psychoanalyse« in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts meist synonym verwendet wurden (vgl. Kriz, 2007, S. 1 f.

und 11).

Ȥ 2. Generation: Kurzzeittherapie

In Abgrenzung zur Pathologisierung und angesichts des immensen Zeit-aufwandes einer Psychoanalyse entwickelte sich die zweite Generation von Ansätzen, die Ressourcen, positive Ziele und eine lösungsbezogene Zukunfts-fokussierung ins Zentrum stellte. Vor allem diese therapeutischen Ansätze wurden später im Coaching genutzt, das eine Gegenposition zur traditio-nellen Psychotherapie einnahm. Hier stand nicht Krankheit oder Defizit im Vordergrund, sondern die Unterstützung von gesunden Personen, die ihr

berufliches Leben verbessern wollten.

Ȥ 3. Generation: Generatives Coaching und andere

Zu den Ansätzen der dritten Generation zählen solche, die verschiedene Dualitäten in einer Sowohl-als-auch-Haltung integrieren: Probleme/Res-sourcen, Vergangenheit/Zukunft, Kognition/Somatik usw. Die meisten Coa-ches gehen zwar eklektizistisch vor, jedoch fehlt ihnen häufig ein kohärentes, integratives Rahmenmodell.

Die Allgemeine Psychotherapie Klaus Grawes hat auch für das Coaching Vor-bildcharakter. Da viele Vertreter von Psychotherapie- und Coaching-Schulen an ihren Denkkonzepten festhalten und sich teilweise vehement bekämpfen, scheint ein sinnvolles Sowohl-als-auch jedoch noch in weiter Ferne.

Nach den Studien von Stahl und Marlinghaus (2000), Whybrow und Palmer (2006) sowie Greif (2014) sind folgende Ansätze heute im Coaching am wei-testen verbreitet: systemisch (hauptsächlich in Deutschland), NLP (sowohl in Deutschland als auch in den englischsprachigen Ländern), Transaktionsanalyse (vor allem in Deutschland, aber auch in Großbritannien), lösungsfokussiert (in Deutschland und Großbritannien), kognitiv/verhaltenstherapeutisch (vor allem in Großbritannien, aber auch in Deutschland und den USA). Es wird deutlich, dass psychoanalytische/psychodynamische Ansätze, welche die Bedeutung des Unbewussten stark betonen, im Coaching aktuell eine geringe Rolle spielen. Dabei wird übersehen, dass sich die Ansätze der zweiten Generation nicht nur als Alter-native, sondern als Ergänzung zur damals hauptsächlich biografisch verstandenen Beratungsarbeit etabliert haben (Schreyögg, 2013). Im NLP, das sich unter ande-rem aus der Erickson’schen Hypnose ableitet, wird das Unbewusste berücksichtigt.

Psyche und Persönlichkeit sowie ihre Veränderbarkeit haben also im Coaching durchaus einen wichtigen Stellenwert. Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns nun konkreter mit dem Unbewussten in Coaching und Psychotherapie.

Im Dokument Wirkung im Coaching (Seite 59-63)