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Interventionsansätze beim Impostor-Phänomen

Im Dokument Wirkung im Coaching (Seite 144-149)

Das Impostor-Phänomen – ein Thema im Coaching?

3 Interventionsansätze beim Impostor-Phänomen

Bisher wurden vor allem therapeutische Ansätze diskutiert – zum Beispiel thera-peutisch angeleitete Selbsthilfegruppen (Clance & Imes, 1978) oder multimodale Therapien mit Elementen der Gestalttherapie (Clance, Dingman, Reviere & Sto-ber, 1995). Klinkhammer und Saul-Soprun (2009) haben erstmals vorgeschlagen, Personen, die unter dem Impostor-Phänomen leiden, mit Coaching und Super-vision zu unterstützen. Diese Idee möchten wir aufgreifen und folgendes Kon-zept für ein Coaching von Impostoren vorschlagen:

1. Klinkhammer und Saul-Soprun (2009) betonen die Wichtigkeit der Auf-klärung der Betroffenen über das Impostor-Phänomen. Der Coachee sollte deshalb zu Beginn eines Impostor-Coachings über das Phänomen im All-gemeinen und die damit verbundenen Aspekte im Besonderen aufgeklärt werden. Diese Aufklärung bzw. Psychoedukation kann sowohl mündlich als auch schriftlich oder durch den Einsatz von audiovisuellen Medien erfolgen.

Eine längsschnittartig angelegte Studie von Scheibling (2015) zeigte beispiels-weise, dass die Betrachtung eines Aufklärungsfilms zu einem signifikanten Wissenszuwachs über das Impostor-Phänomen führt.

2. Klinkhammer und Saul-Soprun (2009) führen weiter die ressourcen- und lösungsorientierte Beratung an und empfehlen den Einsatz der »Säulen der Identität« (Petzold, 1993), da dadurch der Fokus auf die Ressourcen des Coachee gelegt werden kann. Der Coach kann die Identitätssäulen (Leib-lichkeit, soziale Beziehungen, Arbeit und Leistung/Freizeit sowie materielle Sicherheiten und Werte) als diagnostisches Instrument zur Einschätzung der persönlichen Stabilität des Coachee im Gesamten oder auch bezogen auf spezifische Teilbereiche einsetzen (Petzold, 2012). Petzold beschreibt, dass die Exploration der Säulen sowohl durch den Einsatz eines Fragebogens (FESI; vgl. Kames, 1992) als auch über bildhafte Darstellungen (Müller &

Petzold, 1998) erfolgen kann. Für Coachees, die vom Impostor-Phänomen betroffen und sich dadurch ihrer Ressourcen nicht in vollem Umfang bewusst sind, empfehlen wir, Identitätsbilder anzufertigen (Petzold, 2012; Petzold &

Orth, 1994). Durch solche Bilder können Ressourcen mit Farben, Formen

und Symbolen oder figürlichen Elementen visualisiert und damit leichter zugänglich gemacht werden.

3. Um der Stimme des Impostor-Phänomens weniger Raum zu geben, wird wei-ter die Arbeit mit dem »Inneren Team« (Schulz von Thun, 1998) empfohlen.

Sie zeigte sich bereits bei der Bearbeitung der psychologischen Dimensionen mangelnder Präsentationskompetenz (Funken, 2010) als zielführend. Dabei sollte der Coach darauf achten, dass die hinderlichen Impostor-Stimmen zugunsten der förderlichen Stimmen in den Hintergrund treten, ohne dass der Anspruch besteht, sie völlig zum Verstummen zu bringen. Der Coach kann dem Coachee durch die kritische Betrachtung dieser Stimmen helfen, die inneren Dissonanzen aufzuweichen. Um ein vertieftes Verständnis für die Struktur und die Dynamik des »Inneren Teams« zu erarbeiten, es zu visualisieren, erlebbar zu machen und es zu verändern, bietet sich das Mit-tel der AufsMit-tellung an (Funken, 2010; König, 2000).

4. Zur Steigerung des Selbstwertgefühls und um sich die eigenen Kompetenzen bewusst zu machen, wird eine Potenzialanalyse (z. B. Rohrschneider, Fried-richs & Lorenz, 2010) oder ein Kompetenzprofil empfohlen. Rohrschneider et al. (2010) führen als Nutzen für die Ausführenden beispielsweise an, dass sie sich so ein differenziertes Feedback verschaffen können, Klarheit über Stärken und Entwicklungsfelder gewinnen, Entwicklungsunterstützung und auch Anregung zur Selbstreflexion erhalten. Dies kann dazu dienen, die meist durch das Impostor-Phänomen verzerrte Selbsteinschätzung des Coa-chee mit den Fremdeinschätzungen der Umwelt abzugleichen, zu relativie-ren und im optimalen Fall zu adaptierelativie-ren.

5. Mit Rücksicht auf die mit dem Phänomen einhergehende Schamkomponente (Cowman & Ferrari, 2002) empfehlen wir eine ausgesprochen sensible Herangehensweise. Beispielsweise können Verfahren wie die Potenzial-analyse oder das Kompetenzprofil sehr gut vor dem Hintergrund der Vor-bereitung auf eine Bewerbungssituationen in Karriere-Coachings (z. B. Brau-mandl, Amberger, Falkenberg & Kauffeld, 2013) eingebettet werden.

Bei der empirischen Überprüfung eines Coachings, bei dem unter anderem mit einer Potenzialanalyse, einem Kompetenzprofil und mit dem »Inneren Team«

gearbeitet wurde (die Zusammenstellung der Übungen und die Durchführung erfolgten im Rahmen der Masterarbeit von Anna-Maria Muck [2015]), konnte eine signifikante Reduktion der Impostor-Phänomen-Werte nachgewiesen wer-den (Zanchetta, Traut-Mattausch, Muck & Losch, in prep.). Aus diesem Grund empfehlen wir Coaches, denen das Impostor-Phänomen bei ihren Coachees bzw. im Coaching begegnet, die angeführten Verfahren bzw. Methoden

anzu-wenden. Obwohl inzwischen ein erster empirischer Nachweis für die Wirksam-keit eines Coachings zur Reduktion des Impostor-Phänomens vorliegt, bleibt zu klären, welche Übungen am effektivsten dazu beitragen und somit für ein erfolgreiches Coaching unverzichtbar sind. Ferner sollten unterschiedliche Set-tings auf ihre Effektivität zur Reduktion von Impostor-Gefühlen hin untersucht werden. Ergänzend zum hier beschriebenen Einzelcoaching könnten auch ein Gruppencoaching oder eine Gruppensupervision hilfreich sein. Möglicherweise stellt ein methodisch angeleiteter Austausch mit anderen Personen einen wei-teren Ausweg aus dem destruktiven Impostor-Zirkel dar.

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Effectiveness of Leadership Coaching

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