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2.3 Heterotope Ossifikation

2.3.2 Pathogenese

Die Pathogenese der neurogenen HO ist, wie auch die der traumatischen und nicht traumatischen Form nicht grundlegend geklärt (COELHO u. BERALDO 2009). Indu-zierende Faktoren, wie der bFGF, BMPs oder andere Wachstumsfaktoren, können

über vaskuläre Wege, d.h. über eine humorale Vermittlung, zum Ort der HO gelangen und sind somit systemisch z.B. im Blut nachweisbar wie z.B. TGF-ß (PAPE et al. 2004;

QUINLAN et al. 2006). Andererseits werden auch lokale Faktoren (z.B. eine pH-Wert Änderung) diskutiert die einen Reiz bewirken der MSC´s anlockt und ihre Differenzie-rung zu Osteoblasten bewirkt bzw. die AblageDifferenzie-rung von Kalzium als Entstehungspunkt der HO (NEWMAN et al. 1987; KEENAN u. HAIDER 1996; PAPE et al. 2004) induziert.

2.3.2.1 Pathogenese der neurogenen heterotopen Ossifikation

Die in Tabelle 1 dargestellten lokalen und systemischen Faktoren könnten bei der neurogenen HO aufgrund der Verletzungen der Nervenstrukturen des ZNS nach RM-Trauma freigesetzt werden. In diesem Zusammenhang werden z. B. der Nerven-wachstumsfaktor Nerve Growth Factor (NGF) und das Calcitonin Gene-Related Pep-tide (CGRP) genannt. Wahrscheinlich jedoch spielen sowohl systemische, als auch lokale Faktoren eine Rolle bei der Entstehung der neurogenen HO (AKBAR et al.

2007).

Tab. 1: Auflistung lokaler und systemischer Faktoren, die nach Literaturangaben, als Ursache für eine neurogene HO infrage kommen.

Über die Entstehung der HO gibt es in der Literatur zwei Hypothesen. Zum einen, dass die HO sekundär nach einer Entzündungsreaktion entsteht (BALEN u. HELMS 2001), zum anderen, dass eine Kalkablagerung eine Entzündungsreaktion hervorruft (KEENAN u. HAIDER 1996).

Nach der ersten Hypothese stellt sich initial ein lokal ablaufender Entzündungsprozess mit Ödematisierung und Hyperämie dar, sowie eine exsudative Zellinfiltration mit Fib-roblastenproliferation. Dem Initialstadium folgt eine Phase der Osteoidbildung und Mi-neralisierung. Histologisch wird eine enchondrale Ossifikation innerhalb der HO-Herde gefunden (JENSEN et al. 1987; PUZAS et al. 1989; BUSCHBACHER et al. 1991;

GARLAND 1991b).

Die zweite Hypothese geht von einer primären Kalkablagerung entlang der Kollagen-faserbündel aus. Die Ursache dieser Ablagerungen ist unklar. Als Reaktion darauf folgt ein entzündlicher Prozess mit Gefäßeinsprossung und Migration von Entzündungszel-len. Die Muskulatur wird spastisch und es entsteht „tension stress“ der einen bislang

Lokale Faktoren Systemische Faktoren

Tiefe Venenthrombose (TVT) (VAN KUIJK et al.

2002)

basic Fibroblast Growth Factor (bFGF) (WILD-BURGER et al. 1994; NEUGEBAUER et al.

2000)

Mikrotraumen (STOVER et al. 1975) Proteine der BMP-Gruppe, z.B. TGFß β (Transformig Growth Factor β) (URIST et al.

1978; WILDBURGER et al. 1995; QUINLAN et al. 2006)

Prostaglandin PGE2 (VAN KUIJK ET AL. 2002) Wachstumshormone, z.B. Prolaktin (WILDBUR-GER et al. 1998)

Neuronaler Wachstumsfaktor (NGF) (NEUGE-BAUER et al. 2000; QUINLAN et al. 2006)

Pleiotrophin (Osteoblast Stimulating Factor, OSF) (KURER et al. 1992)

pH-Wert-Änderungen im Blut, durch eine not-wendige Beatmung der meist schwer verletzten Patienten (NEWMAN et al. 1987; EKELUND et al. 1991)

unbekannten Reiz aussendet und Osteoprogenitorzellen anlockt, die wiederum die Os-sifikation induzieren. Laut KEENAN et al. (1996) liegt hier eine desmale OsOs-sifikation vor.

2.3.2.2 Grundvoraussetzungen für eine Heterotope Ossifikation (HO)

Wenn auch die genaue Entstehung noch nicht geklärt ist, so sind drei Faktoren be-schrieben, die für die Entstehung der HO, sowohl neurogenen Ursprungs als auch nach einem Trauma, Voraussetzung sind (CHALMERS et al. 1975): Es müssen oste-ogene Vorläuferzellen an der Manifestationsstelle der HO vorhanden sein, induzie-rende Faktoren vorkommen und ein geeignetes Milieu für die Osteogenese vorliegen (CHALMERS et al. 1975) (Abb. 4). Auch eine genetische Prädisposition wird diskutiert, da sich nicht bei allen Patienten trotz Vorhandensein aller drei Voraussetzungen eine HO ausbildet (GARLAND 1988).

Abb. 4: Ursachen und möglicher Ablauf der HO Entstehung. Modifiziert nach (PAPE et al. 2004)

2.3.2.3 Ursachen der neurogenen heterotopen Ossifikation

Mehrere Studien legen eine humorale Vermittlung der vermehrten Osteogenese im Zusammenhang mit einer neurogenen HO nahe. So belegt eine Studie von BIDNER et al. (1990) eine gesteigerte Aktivität des Osteoblasten-stimulierenden-Wachstums-faktors (OSF) in fötalen Rattenosteoblasten, die mit Serum von Patienten mit ASCI behandelt worden waren. Auch KURER et al. (1992) kommen zu einem ähnlichen Er-gebnis. Sie untersuchten die Wirkung des Serums von ASCI- und Kontrollpatienten auf humanes Osteoblastengewebe in der Gewebekultur und stellten fest, dass Plei-otrophin im Serum der Gruppe mit ASCI und HO signifikant höher war, als bei der ASCI-Gruppe ohne HO oder der Kontrollgruppe. Dies kann als ein Hinweis auf einen humoralen Faktor als Ursache der HO gesehen werden.

Bei Patienten mit ASCI haben QUINLAN et al. (2006) einen gesteigerten TGF-β-Spiegel im Serum gemessen. Da sich die neurogene HO fast ausschließlich unterhalb der Lähmungshöhe manifestiert (RENFREE et al. 1994) können systemisch erhöhte Werte von TGF-β oder anderen humoralen Faktoren mit Wirkung auf den Knochenmetabolismus diese Lokalisation kaum erklären. Nach den Ergebnissen der klinischen Forschung stellen MORLEY et al. (2005) in Frage, ob die untersuchten systemischen Parameter tatsächlich einen kausalen Einfluss haben oder nur als sekundäre Reaktion erhöht sind.

2.3.2.3.1 Systemische pH-Wert Änderung

Ein Grund für eine Veränderung des Gewebemilieus kann die künstliche Beatmung sein, die bei Patienten mit SHT oder ASCI aufgrund einer „Schocklunge“ oft nötig ist.

Sie führt zu einer pH-Wert-Verschiebung von einer Azidose zu einer systemischen Al-kalose (NEWMAN et al. 1987). Die dadurch basische Umgebung begünstigt die Prä-zipitation von Kalzium und Phosphat und bietet damit einen Ausgangspunkt für die Osteoneogenese (NEWMAN et al. 1987). Auch nach Knochenbrüchen kommt es an den Frakturenden zu einer lokalen pH-Wert-Änderung in Richtung einer Alkalose (NEWMAN et al. 1987). Die Beobachtungen der Kalziumablagerung nach Gewebehy-poxie decken sich mit der zweiten Entstehungshypothese der HO, nach der abgela-gertes Kalzium Auslöser einer Entzündungsreaktion ist (KEENAN u. HAIDER 1996).

Dazu passen allerdings nicht die Beobachtungen in der Klinik, dass HO nur an be-stimmten Gelenken und fast nur in den gelähmten Extremitäten diagnostiziert werden (RENFREE et al. 1994). Entgegen den Studien von KURER et al. (1992) und BIDNER

et al. (1990) konnten RENFREE et al. (1994) keinen stimulierenden Effekt bei der Be-handlung von fötalen Rattenosteoblasten mit Serum von Patienten mit ASCI und SHT feststellen, unabhängig von einer später entwickelten HO.

2.3.2.3.2 Lokale Faktoren als Ursache der heterotopen Ossifikation

RENFREE et al. (1994) sehen die Ursache der HO in einem lokalen Faktor, der aber nicht identifiziert werden konnte. Für einen lokal auslösenden Faktor sprechen häufig beobachtete Gewebeveränderungen, wie z.B. Inflammationen in unmittelbarer Nähe der HO (RENFREE et al. 1994).

Bei der Untersuchung von Haut- und Gewebebiopsien aus der HO-Umgebung von Patienten mit SHT oder ASCI wurden Veränderungen in den Endothelzellen und Ba-salmembranen der Kapillaren und kleinen Gefäße gefunden (LOTTA et al. 2001). Au-ßerdem konnten Mikroverkalkungen im Subkutan- und Fettgewebe beobachtet wer-den (LOTTA et al. 2001). Diese Gefäßveränderungen lassen wer-den Schluss zu, dass sie zu einer Gewebehypoxie führen und damit die HO-Entstehung begünstigen (EKELUND et al. 1991; PAPE et al. 2001). NGF kann als sekundäre lokale Ursache einer HO angenommen werden. TGF-β das im Blut von Patienten nach einer ASCI mit einer gesteigerten Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke, vermehrt gefunden wird, be-wirkt distal der Läsion eine gesteigerte Ausschüttung von NGF (NEUGEBAUER et al.

2000). Dies wiederum führt zu einer gesteigerten Expression von Wachstumsfaktorre-zeptoren und hat einen inhibitorischen Effekt auf die Apoptose von Osteoblasten. Dies könnte somit ein Grund für die Ausbildung einer HO sein (NEUGEBAUER et al. 2000).

Mikrotraumen, tiefe Venenthrombosen (TVT) und lokale Entzündungen können zu ei-ner Gewebezerstörung führen, die eine Entzündungsreaktion nach sich zieht, und mit Ödematisierung und Hypoxie des umliegenden Gewebes einhergeht (STOVER et al.

1975). Die dadurch ausgeschütteten Zytokine und Wachstumsfaktoren wiederum lo-cken MSC an und können zur Knochenbildung führen (VAN KUIJK et al. 2002).