• Keine Ergebnisse gefunden

Einfluss der akuten Rückenmarkschädigung auf die Knochenheilung

Mit dem in dieser Studie etablierten Tiermodell konnte gezeigt werden, dass eine akute Rückenmarkverletzung (ASCI) einen Einfluss auf die Knochenheilung hat.

Das Kallusvolumen am Femur mit ASCI (Gruppe I) war 14 Tage nach der Ope-ration im Vergleich zur Kontrolle (Gruppe III) signifikant erhöht. Dies weist auf einen Osteoneogenese-steigernden Einfluss einer Rückenmarkschädigung hin.

Nach 28 Tagen konnte zwischen der ASCI Gruppe (Gruppe VI) und der Kontrolle (Gruppe VII) aber kein Unterschied mehr gefunden werden. Die gesteigerte Kal-lusbildung in Gruppe I war nicht nur endostal, sondern auch vermehrt periostal im Vergleich zu Gruppe III zu finden. Diese Beobachtung weist darauf hin, dass sich eine Schädigung des Rückenmarks nicht nur auf das Knochenwachstum endostal förderlich auswirkt, sondern gerade an einer für die Knochenheilung un-gewöhnlichen Stelle, periostal, eine Knochenneubildung bewirkt. Die Gruppen mit ASCI wiesen häufiger periostale Knochenbildungen auf als die Kontrolltiere bei denen sich die Kallusbildung auf den endostalen Bereich beschränkte. Ohne Verbindung zum Knochenspalt war periostaler Kallus bei sieben Tieren zu finden.

Dieser bildete sich als eine Art Knochenzunge von der äußeren Kortikalis aus-wachsend in Richtung Knochenspalt. Periostaler Kallus tritt üblicherweise nach instabiler Fixierung der Knochenfragmente auf. Durch die vermehrte Bewegung der Fragmente im Frakturbereich kommt es zu einer gesteigerten Kallusbildung

REIKERÅS 1993; PROBST et al. 1999; UTVÅG et al. 2001). Die Bewegung konnte in der vorliegenden Studie durch die Verwendung der Plattenosteosyn-these als einer stabilen OsteosynPlattenosteosyn-these-Methode minimiert werden (CLAES 2011). Da allerdings keine biomechanischen Untersuchungen vorgenommen wurden, kann eine ungenügende Verankerung der Knochenenden nicht völlig ausgeschlossen werden. Jedoch hätte sich eine periostale Kallusbildung bei ei-ner ungenügend stabilen Osteosynthese auch in den Kontrollgruppen zeigen müssen. Dies war nicht der Fall.

Die überschießende, insbesondere periostale Kallusbildung nach ZNS-Schädi-gungen oder in tierexperimentellen Untersuchungen, auch nach lokaler Nerven-schädigung, die unter anderen GARLAND et al. (1980) (GARLAND et al. 1980;

SPENCER 1987; KUSHWAHA u. GARLAND 1998) beobachtet haben, wurden von ihnen nicht als gesteigerte Knochenheilung bezeichnet, sondern als lokale heterotope Ossifikation (HO). In der vorliegenden Studie könnten also nach die-ser Definition die vermehrten Kallusbildungen, sowohl innerhalb als auch außer-halb des Ostektomiespaltes als lokale HO nach ASCI bezeichnet werden. Diese Ergebnisse bekräftigen die Annahme, dass eine ZNS-Läsion und/oder Schädi-gung der lokalen Nerven dem Auftreten einer HO und gesteigerten Kallusbildung zu Grunde liegen.

Bereits 1981 beobachteten ARO et al. in einem Experiment an Ratten, dass der relative Gehalt an neuem Knochen nach Fraktur der Tibia in einer Gruppe mit durchtrenntem Rückenmark schneller anstieg, als in der Kontrollgruppe und der Gehalt an neuem Knochen im Frakturspalt signifikant höher war. Die Frakturen wurden in der Studie von ARO et al. (1981) manuell im diaphysären Bereich zu-gefügt und mit einem intramedullären Nagel stabilisiert. Nach sieben, neun, 15 und 28 Tagen wurden die Tiere zur Untersuchung des gebildeten Kallus eutha-nasiert. Das Kallusvolumen wurde histomorphometrisch bestimmt und innerhalb der Gruppen verglichen. Der Gehalt an neuem Knochen war nur nach sieben und neun Tagen höher im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Rückenmarkschädi-gung. Nach 28 Tagen konnten ARO und seine Mitarbeiter (1981) keinen signifi-kanten Unterschied mehr in der Kallusgröße feststellen, sowie auch nicht beim Vergleich des absoluten Gehalts an neu gebildetem Knochen pro Fraktur. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie. So weisen die Ergeb-nisse beider Studien darauf hin, dass ein Rückenmarktrauma die frühe Phase der Knochenheilung bis etwa Tag 14 post OP beeinflusst und eine gesteigerte Kallusrate bewirkt, die späte Phase jedoch weniger von der ZNS-Verletzung be-einflusst wird, da in der späteren Phase der Knochenheilung an Tag 28 keine

zu finden waren.

Die Art der Verknöcherung (enchondral oder desmal) könnte Hinweise auf die Entstehung des neu gebildeten Knochens liefern (JENSEN et al. 1987; PUZAS et al. 1989; BUSCHBACHER et al. 1991; GARLAND 1991a; KEENAN u. HAIDER 1996). Die Histologie des gebildeten Kallusgewebes zeigte bei allen Gruppen eine enchondrale Ossifikation, sowohl des endostalen, als auch des periostalen Kallus, aber ohne statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen im Gehalt an Chondrozyten aufzuweisen. Diese Beobachtung unterstützt die Hypo-these von JENSEN et al. (1987), PUSZAS et al. (1989), BUSCHBACHER et al.

(1991) und GARLAND et al. (1991), dass eine HO aus einwandernden MSC ent-steht, die nach einer ersten Entzündungsphase in das Frakturgebiet gelockt wer-den und sich über chondrogene Vorstufen zu Osteoblasten und weiter zu Kno-chen entwickeln. Im Gegensatz dazu haben ARO et al. (1981) eine desmale Os-sifikation bei der HO beschrieben, die sich ohne eine knorpelige Vorstufe direkt aus MSC entwickelte. KEENAN et al. (1996) beschreiben den Weg der desmalen Ossifikation bei HO, die entsteht, wenn nach einer primären Kalkablagerung ent-lang der Kollagenfaserbündel eine Spastik der Muskulatur ausgelöst wird und daraufhin erst Osteoprogenitorzellen angelockt werden, die eine Knochenbildung hervorrufen. In der vorliegenden Arbeit wurde bei keinem Tier eine Spastik der Muskulatur beobachtet, obwohl eine gesteigerte Knochenheilung festgestellt werden konnte. Nach KEENAN et al. (1996) liegt also, wegen der fehlenden Spastik und der enchondralen anstelle von desmaler Ossifikation, keine HO in dieser Studie vor. Da es allerdings keine einheitliche Meinung über die Art der Ossifikation bei HO nach ZNS Trauma gibt, ist es in der vorliegenden Studie nicht möglich den neu gebildeten Knochen anhand des Ossifikationstypus als HO zu definieren oder nicht. Die großen Gelenke, wie z.B. die Hüftgelenke, wurden in dieser Studie bei der Ratte nicht untersucht. Somit gibt es keinen Beleg für eine beginnende Ossifikation die als „klassische“ HO eingestuft werden könnte. Doch das etablierte Tiermodell zeigte eine gesteigerte Osteoneogenese am Knochen-defekt nach ASCI im Vergleich zur Kontrollgruppe, wie sie auch beim Menschen nach Fraktur und ZNS Trauma beschrieben (SPENCER 1987; KUSHWAHA u.

GARLAND 1998). Diese gesteigerte Osteoneogenese wird von einigen Autoren nicht als gesteigerte Kallusbildung sondern als lokale HO bezeichnet und VAN DEN BOSSCHE und VAN DER STRATEN (2005) stellen die These auf das der gesteigerte Knochenheilung und einer lokalen HO bei ZNS Trauma die gleichen Ursachen zugrunde liegen (SPENCER 1987; KUSHWAHA u. GARLAND 1998;

VANDEN BOSSCHE u. VANDERSTRAETEN 2005). Somit ist es möglich mit dem vorliegenden etablierten Modell an der Ratte, die klinische Situation einer

ner lokalen HO nachzubilden und das Modell für weitere Untersuchungen zur Ursache der HO nach ZNS Trauma zu verwenden. Dennoch muss eingeräumt werden, dass nach dieser Definition lediglich ein Tiermodell einer lokalen HO etabliert wurde und nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass die lokale HO (erhöhte Kallusrate) der HO wie sie bei ASCI Patienten an den großen Gelenken zu finden ist entspricht. Dies muss in zukünftigen Studien untersucht werden.

Auch in den vorangegangenen Studien im Tier zur Osteoneogenese im Zusam-menhang mit einem ZNS Trauma, wurden keine heterotopen Ossifikationen an den großen Gelenken untersucht, sondern lediglich die Osteoneogenese nach Fraktur oder in subkutanen Implantaten (ARO et al. 1981; ARO et al. 1985; MIYA-MOTO 1987; OTFINOWSKI 1993). Das etablierte Modell ist geeignet die Me-chanismen einer gesteigerten Osteoneogenese nach ASCI in zukünftigen Stu-dien genauer zu untersuchen, aber es kann keine Aussage dazu gemacht wer-den ob auch eine neurogene HO wie beim Menschen dargestellt werwer-den kann.

Eine Korrelation zwischen dem gebildeten Kallusvolumen und den neurologi-schen Defiziten konnte nur in der Gruppe VI gefunden werden. So zeigte sich an Tag eins post OP eine signifikant positive Korrelation zwischen BBB Score und BV, die allerdings an Tag 28 post OP nicht mehr feststellbar war. Für Gruppe I und Gruppe II liessen sich zu keinem Zeitpunkt Korrelationen zwischen dem Kal-lusvolumen und dem BBB Score nachweisen. Auch in anderen, nicht experimen-tellen Studien beim Menschen scheint das Ausmaß der neurologischen Defizite nicht mit dem gebildeten Kallusvolumen zu korrelieren. Die prädestinierenden Faktoren für die Ausbildung einer HO, die in der zugänglichen Literatur diskutiert werden, beinhalten lediglich eine Minderbewegung bzw. Spastik der Gliedma-ßen, zusammen mit einem auslösenden Faktor (SHT/ASCI), vorhandene MSC und ein Gewebemilieu, in dem Osteoneogenese stattfinden kann, nicht aber den Grad der ZNS-Läsion. Lediglich TRENTZ et al. (2005) geben in einer Studie über die Auswirkungen eines SHT auf die Frakturheilung mit Untersuchung des Se-rums der Patienten auf Osteogenesemarker, den Grad des SHT auf dem Glas-gow-Coma-Scale (GCS) an. Allerdings wird der GCS Grad nicht in Korrelation mit den Osteogenesemarkern bzw. der Frakturheilung gesetzt, sondern dient le-diglich der Auswahl der Patienten für die Studie.

gesteigerten Knochenheilung

Die Frage, ob ein osteogener Effekt einer Rückenmarkschädigung auf die ge-lähmte Extremität, in der vorliegenden Arbeit den Femur, beschränkt ist und so-mit einen lokalen Einfluss hat, oder ob dieser Einfluss systemisch ist und über humorale Faktoren vermittelt wird, ist bislang nicht eindeutig geklärt. In der vor-liegenden Arbeit sollte dies mit der Untersuchung der Knochenheilung am Hume-rus als Extremität cranial der Rückenmarkschädigung, bei einer vorliegenden Pa-raplegie der Hinterextremität untersucht werden.

Im Vergleich mit Gruppe IV wurde bei Gruppe II, ähnlich der Situation am Femur, ein signifikant (p=0,043) gesteigertes Kallusvolumen (BV, mm3) gemessen. Dies ist ein Hinweis auf eine systemische Wirkung des Rückenmarktraumas, mit ei-nem Osteoneogenese fördernden Einfluss, auch cranial der Lähmung. Das sich ein Trauma des ZNS systemisch auf die Knochenheilung bzw. Osteoneogenese auswirkt, wurde in klinischen Studien beschrieben (ARO 1985; SPENCER 1987;

SOBEL u. LYDEN 1991; MORLEY et al. 2005; BOES et al. 2006; GIANNOUDIS et al. 2006; GAUTSCHI et al. 2008; CADOSCH et al. 2009). Wie dieser Einfluss zustande kommt wurde in diesen Untersuchungen allerdings nicht geklärt. Zu bedenken ist trotz der Hinweise auf einen systemischen Faktor (signifikant ge-steigertes Kallusvolumen nach ASCI am Humerus, im Vergleich zur Kontrolle), dass dies auch die sekundäre Folge eines lokalen Geschehens sein kann. Das wäre eine Erklärung dafür, warum sich eine HO bei Patienten mit einer akuten Rückenmarkverletzung häufiger caudal der Läsion manifestiert (am Hüftgelenk bei 70-90% der Patienten mit HO nach ASCI) (WITTENBERG et al. 1992). Bei einer reinen systemischen Vermittlung, sollte eine HO auch cranial der Läsion auftreten.

Einige Wissenschaftler, wie EKELUND et al. (1991), LOTTA et al. (2001) und PAPE et al. (2001) postulieren lokale Faktoren, wie Gewebeschäden und Hypo-xie als Auslöser einer HO. Eine HypoHypo-xie des Gewebes kann ausgelöst werden durch eine Veränderung der Durchblutung nach Verletzung der Gefäße im Weichteilgewebe (PAPE et al. 2001). Dass im Rahmen der Ostektomie bzw. -synthese innerhalb der vorliegenden Studie, eine lokale Hypoxie, aufgetreten ist, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es kam zu kleineren Blutungen, die im umliegenden Gewebe zu einer kurzfristigen unzureichenden Sauerstoffver-sorgung geführt haben könnten. Eine vermehrte Kallusbildung am Humerus wurde durch die Beeinträchtigung der Funktion des N.radialis durch die Opera-tion erwartet. Da ähnlich einer N.ischiadicus Läsion angenommen wurde, dass die lokale Nervenschädigung ein gesteigertes Kallusvolumen nach sich zieht

Analyse, dass das Kallusvolumen nicht signifikant mit der Beeiträchtigung der N.

radialis Funktion korreliert. Dies könnte darin begründet sein, dass sich das In-nervationsgebiet des N.radalis distal des Frakturspaltes befindet und sich somit ein Funktionsausfall nicht auf die Frakturheilung auswirken kann. In Anbetracht der Ergebnisse nach N.ischiadicus Durchtrennung kann ausgeschlossen wer-den, dass lediglich eine Überdehnung oder Reizung eines Nervs einen Einfluss auf die Osteogenese hat. Erst eine Durchtrennung ruft demnach die überschie-ßende Kallusbildung hervor.

5.2.1 Einfluss der peripheren Nervenschädigung auf die Knochenheilung Das Modell der Verletzung des N.ischiadicus wurde im Zusammenhang mit Stu-dien zur Untersuchung der HO auch von anderen Arbeitsgruppen verwendet (ARO et al. 1985; NORDSLETTEN et al. 1994; MADSEN et al. 1998). Dadurch soll analysiert werden, ob die reine Lähmung der Gliedmaße bzw. eine lokale Nervenschädigung eine Auswirkung auf die Frakturheilung (NORDSLETTEN et al. 1994) und somit auch auf die Bildung einer HO hat und ob sich diese von der vermehrten Kallusbildung bei ZNS-Läsionen unterscheidet. Laut MADSEN et al.

(1998) und NORDSLETTEN et al. (1994) ist eine signifikant erhöhte Kallusmenge bei Schädigung des N.ischiadicus ein Hinweis auf eine lokale, nervale Vermitt-lung der FrakturheiVermitt-lung. In der vorliegenden Studie wurde eine Durchtrennung des ipsilateralen N.ischiadicus vorgenommen. Es bildete sich ein deutlich größe-res Kallusvolumen (BV, mm3) als bei den anderen Gruppen. Im Vergleich zu Gruppe III (Femur-Kontrolle 14 Tage) war das Volumen um das vierfache erhöht (p=0,001). Das belegt, dass eine lokale Nervenschädigung einen steigernden Ef-fekt auf die Frakturheilung hat. Es übertraf sogar den Osteoneogenese steigern-den Effekt bei einer ZNS-Schädigung. Zur entsprechensteigern-den Femur ASCI Gruppe (Gruppe I) war das Kallusvolumen um ein eineinhalbfaches (p=0,033) größer und zur entsprechenden Humerus ASCI Gruppe (Gruppe II) um das zweieinhalbfache (p=0,001). In der zugänglichen Literatur wurden dazu keine vergleichbaren klini-schen Studien gefunden. Eine einzige klinische Studie von SANTAVIRTA et al.

(1994) beschreibt eine verzögerte diaphysäre Frakturheilung nach Nervenschä-digung. Hingegen stehen Informationen aus tierexperimentellen Studien zur Ver-fügung. So haben ARO et al. neben den Untersuchungen der Frakturheilung bei Rückenmark-Schädigung (1985) auch Studien mit einer Läsion des N.ischiadicus (1985) durchgeführt. Der Nerv wurde distal des Hüftgelenks durchtrennt. ARO et al. (1985) beschreiben, dass der Frakturspalt bis zum Tag 28 nach der Durch-trennung zwar schneller mit Kallus durchbaut, dieser aber in der Größe, dem

bar war. Nach dem siebten Tag war der Kallus jedoch kleiner als der Kallus der Kontrollgruppe. Dies führten sie auf eine Abnahme der Knochenumbauprozesse zurück, wie sie auch bei intakter Nervenfunktion, aber Ruhigstellung einer Glied-maße im Knochen zu beobachten sind (SARMIENTO et al. 1977). Sie stellten fest, dass im Vergleich zur Kontrolle, der trabekuläre Knochen weicher war und die Ausreifung des neuen Knochens in lamellären Knochen nicht vollständig stattgefunden hatte. Einen weniger festen Kallus nach Durchtrennung des N.is-chiadicus beschrieben auch SMITH et al. (1955) und REYES-CUNNINGHAM et al. (1971). Ebenso fanden MADSEN et al. (1998) eine vermehrte Kallusbildung nach Nervenläsion und belegten durch biomechanische Tests, dass dieser aber weniger stabil war, als bei einer entsprechenden Kontrolle ohne Nervenläsion.

Die Festigkeit des Kallus nach N.ischiadicus Durchtrennung wurde in der vorlie-genden Studie nicht untersucht, aber das Ergebnis der vermehrten Kallusbildung bis zum 14 Tag post OP, im Vergleich mit der Kontrollgruppe, stimmt mit den Beobachtungen von MADSEN et al. (1989) überein.

Die Durchtrennung des N.ischiadicus führte zu keiner vollständigen Lähmung der Hinterextremität, da das Innervationsgebiet lediglich die caudale Oberschenkel-muskulatur (Musculi gluteii) einschließt und die craniale OberschenkelOberschenkel-muskulatur vom unbeschädigten N.femoralis innerviert wird (NICKEL R et al. 1991). Daher waren die Tiere noch in der Lage den Oberschenkel zu beugen und bis zu einem gewissen Grad Gehbewegungen und eine physiologische Gewichtsbelastung der Gliedmaße auszuführen. Dennoch führte auch die teilweise Lähmung des Hinterbeines zu einer verstärkten Osteoneogenese und gibt somit Hinweise da-rauf, dass eine reine nicht-Belastung der Gliedmaße, wie im Falle einer ASCI, nicht allein als Auslöser infrage kommt.

Als lokaler Faktor, der nach der Verletzung des Nervengewebes freigesetzt wird und die gesteigerte Osteogenese erklären könnte, wird in der Literatur das Cal-citonin-Gene-related-Peptide (CGRP), ein Neuropeptid, das durch Spleißen der mRNA aus dem Calcitonin-Gen im Nervengewebe entsteht, genannt (HUKKA-NEN et al. 1993). HUKKA(HUKKA-NEN et al. (1993) nehmen eine Freisetzung des CGRP aus verletzten Nerven als Ursache einer veränderten Durchblutung an. Sie be-schreiben nach einer Durchtrennung des N.ischiadicus eine Verminderung aller freien und einiger perivaskulären CGRP-enthaltenden Nervenfasern, obwohl re-generierende Nervenfasern immer noch im Knochenmark nachgewiesen werden konnten (MADSEN et al. 1998). Durch eine immunhistologische Färbung wurden CGRP-exprimierende Nervenfasern nachgewiesen, die sich hauptsächlich im Periost und Knochenmark, aber auch im epiphysealen trabekulären Knochen be-finden (HUKKANEN et al. 1993). Dies könnte eine Erklärung für die gesteigerte

nese durch eine Proliferation der Osteoblasten (CORNISH et al. 1999), stimuliert die Synthese von Wachstumsfaktoren und Zytokinen und regt die Kollagensyn-these und Knochenneubildung an (HUKKANEN et al. 1993; VIGNERY u.

MCCARTHY 1996). Zusätzlich inhibiert CGRP die Knochenresorption durch Os-teoklasten (ROOS et al. 1986; ZAIDI et al. 1987; ZAIDI et al. 1988; HARA-IRIE et al. 1996; IMAI et al. 1997; AKOPIAN et al. 2000). CGRP wird nicht nur von Zellen des ZNS und peripheren Nervensystems produziert und bindet an einen Rezeptor auf Osteoblasten (AMARA et al. 1982), sondern es wird auch von Os-teoblasten selber sekretiert und funktioniert so als autokriner Faktor (IMAI et al.

1997). Außerdem hat CGRP auch einen vasodilatatorischen Effekt,stimuliert die Angiogenese (ZAIDI ET AL. 1990) und wirkt sich so durch eine erhöhte Sauer-stoffzufuhr günstig auf die Osteoneogenese aus (WILSON 1991; GEIGER et al.

2005). Ein erhöhter Blutfluss in den Kapillaren des umliegenden Gewebes nach Denervierung, wurde auch von SIEMIONOW et al. (1994) beschrieben. Im Ge-gensatz zu HUKKANEN et al. (1993) und SIEMIONOW et al. (1994) finden MADSEN et al. (1998) allerdings keine Belege für einen gesteigerten Blutfluss im Knochen und Kallus der Tibia nach Resektion des N.ischiadicus. Eine histologi-sche Untersuchung der CGRP exprimierenden Nervenfasern und die Analyse der Vaskularisierung des Ostektomiegebietes nach N.ischiadicus-Läsion und ASCI wurde in der vorliegenden Studie nicht durchgeführt, sollte aber Gegen-stand von zukünftigen Studien sein.

5.3 Diskussion der Methoden

Der Gehalt an neu gebildetem Knochen nach ZNS Trauma war in der Ratte bei ARO et. al. (1981) höher als in der Kontrollgruppe. Auch OTFINOWSKI (1993) konnte in der Ratte eine beschleunigte MSC Einwanderung und Differenziergung in den Gruppen mit Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und peripherer Nervenschädi-gung beobachten, sowie MIYAMOTO (1987) eine frühzeitige Knochenheilung an paraplegischen Ratten im Vergleich zur Kontrollgruppe. Da sich die bislang durchgeführten Studien zum Thema im Studienaufbau unterscheiden, sind sie nur schlecht miteinander vergleichbar (MORLEY et al. 2005). So werden zur Ana-lyse, ob Unterschiede zwischen Verum und Kontrollgruppen bestehen, Serum und Zellen unterschiedlicher Spezies verwendet. Der Grad der ZNS-Verletzung unterscheidet sich oder aber die verwendeten Frakturmethoden sind nicht stan-dardisierbar. In den meisten Studien wurde die Auswirkung eines SHT unter-sucht. Dies wird aber der Tatsache, dass eine HO und gesteigerte Frakturkallus-bildung auch bei akuten Rückenmarktraumen, wie in dieser Studie untersucht auftritt, nicht gerecht. Hierdurch gehen wichtige Informationen zur Pathogenese

und gesteigerten Frakturkallusbildung bei ASCI und SHT unterscheidet. Dies wird dadurch begründbar, dass sich die Lokalisationen der Verknöcherungen un-terscheiden. So sind bei einem Rückenmarktrauma das ventrale Hüftgelenk und der ventrale Ellbogenbereich betroffen, wohingegen bei einem SHT die Ossifika-tionen gehäuft medial am Hüftgelenk auftreten (GARLAND 1988; STOCKHAM-MER et al. 1992). Lediglich die Studien von ARO et al. (1985) und MIYAMOTO (1987) untersuchten die Frakturheilung nach einem Rückenmarktrauma. Für die vorliegende Arbeit wurde eine Gruppengröße von zehn Tieren geplant, die sich aber im Verlauf der Studie auf 6 bis 10 Tiere pro Gruppe geändert hat. Im Ge-gensatz zu ARO et al. (1985), wo pro Tier zwei Frakturen (rechte und linke Hin-tergliedmaße) gesetzt wurden, wurde in dieser Studie jeweils nur eine Gliedmaße operiert. ARO et al. (1985) verwendeten in der ASCI Gruppe 24 Tiere und je 21 Tiere für die Gruppe mit Gewichtsbelastung und ohne Gewichtsbelastung der operierten Gliedmaßen. Sie geben an, dass sie keine Tierverluste aufgrund der Rückenmarktranssektion verzeichnen mussten, sondern beschreiben, dass sie Tiere aufgrund von nicht korrekt zueinander stehenden Frakturenden (2 Tiere ASCI, 3 Tiere nicht Gewichtbelastet, 5 Tiere Gewichtsbelastet) aus der Studie ausgeschlossen haben.

OTFINOWSKI (1993) untersuchte zwar die Knochenbildung nach Paraplegie und ZNS- Schädigung durch Kainsäure, sie verwendeten aber kein Knochenhei-lungsmodell, wodurch die Tierverluste nicht unbedingt mit dem vorliegenden Mo-dell vergleichbar sind, hier der Vollständigkeit halber aber aufgeführt werden. Da-für benutzten sie insgesamt 126 männliche Wistar Albino Glaxo (WAG) Ratten und teilten diese in vier Gruppen mit n=30 Tieren pro Gruppe ein. Dabei wurde eine kleinere Untergruppengröße als in der vorliegenden Studie gewählt.

OTFINOWSKI (1993) untersuchte zwar die Knochenbildung nach Paraplegie und ZNS- Schädigung durch Kainsäure, sie verwendeten aber kein Knochenhei-lungsmodell, wodurch die Tierverluste nicht unbedingt mit dem vorliegenden Mo-dell vergleichbar sind, hier der Vollständigkeit halber aber aufgeführt werden. Da-für benutzten sie insgesamt 126 männliche Wistar Albino Glaxo (WAG) Ratten und teilten diese in vier Gruppen mit n=30 Tieren pro Gruppe ein. Dabei wurde eine kleinere Untergruppengröße als in der vorliegenden Studie gewählt.